Johann Nepomuk Nestroy Der Talisman
Johann Nepomuk Nestroy Der Talisman
Johann Nepomuk Nestroy Der Talisman
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Titus (allein)<br />
Titus Gnädige! Gnädige! Ich sag' derweil nichts als: Gnädige! - Wie ein' das g'spaßig vorkommt, wenn<br />
ein' nie eine mögen hat, und man fangt auf einmal zum Bezaubern an, das ist nit zum Sagen. Wann<br />
ich denk': Heut' vormittag und jetzt, das wird doch eine Veränderung sein für einen Zeitraum von vier<br />
bis fünf Stund'! Ja, die Zeit, das is halt der lange Schneiderg'sell, der in der Werkstatt der Ewigkeit<br />
alles zum Andern kriegt. Manchmal geht die Arbeit g'schwind, manchmal langsam, aber firtig wird's,<br />
da nutzt amal nix, g'ändert wird all's!<br />
Lied<br />
1.<br />
's war einer von Eisen, hat wütend getanzt,<br />
Dann mit 'm Gefrornen sich beim offnen Fenster auf'pflanzt,<br />
Is g'rennt und g'sprengt zu die Amouren in Karriere,<br />
Spielt und trinkt d' ganze Nacht, er weiß vom Bett gar nix mehr.<br />
Nach zehn Jahren is d' Brust hektisch, homöopathisch der Mag'n,<br />
Er muß im Juli flanellene Nachtleib'ln trag'n<br />
Und extra ein' wattierten Kaput, sonst war's z' kühl -<br />
Ja, die Zeit ändert viel.<br />
2.<br />
's hat einer a Braut, steckt den ganzen Tag dort,<br />
Wenn die Dienstleut' ins Bett schon woll'n, geht er erst fort;<br />
Dann bleibt er noch drunt', seufzt aufs Fenster in d' Höh',<br />
Erfrört sich die Nasen vom Dastehn im Schnee.<br />
A halb's Jahr nach der Hochzeit rennt er ganze Täg' aus,<br />
Kommt spät auf die Nacht oder gar nit nach Haus;<br />
Dann reist er nach Neapel, sie muß in die Brühl -<br />
Ja, die Zeit ändert viel.<br />
3.<br />
A Sängerin hat g'sungen wie Sphärenharmonie,<br />
Wann s' der Schnackerl hat g'stoßen, war 's Feenmelodie.<br />
Diese Stimm', die is was Unerhörtes gewest,<br />
Aus Neid sein die Nachtigall'n hin wor'n im Nest;<br />
Silberglocken war'n rein alte Häfen gegen ihr;<br />
Sechs Jahr' drauf kriegt ihr' Stimm' a Schneid wie 's Plutzerbier.<br />
Jetzt kraht s' nur dramatisch, frett't sich durch mit'm Spiel -<br />
Ja, die Zeit ändert viel.<br />
4.<br />
Ah, das is a lieber Knab', artig und nett<br />
Und schön und bescheiden und gar so adrett,<br />
Er is still, bis man 'n fragt, nacher antwort't er drauf,<br />
Wo man 'n hinnimmt, da hebt man a Ehr' mit ihm auf;<br />
's machen d' Herren und die Frauen mit dem Knab'n a Spektakl!<br />
Nach zehn Jahren is der Knab a großmächtiger Lackl,<br />
A Löllaps, der keck in alles dreinreden will -<br />
Ja, die Zeit ändert viel.<br />
5.<br />
A Schönheit hat dreizehn Partien ausgeschlagen,<br />
Darunter waren achte mit Haus, Ross' und Wagen,<br />
Zwa Anbeter hab'n sich an ihr'm Fenster aufg'henkt,<br />
Und drei hab'n sich draußen beim Schanzel dertränkt,<br />
Vier hab'n sich beim Dritten Kaffeehaus erschossen.<br />
Seitdem sein a sieb'nzehn Jahrln verflossen,<br />
Jetzt schaut s' keiner an, sie kann sich au'm Kopf stell'n, wenn s' will -<br />
Ja, die Zeit ändern viel.