D - N-Ost
D - N-Ost
D - N-Ost
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
24 in ihrem Rücken auch die – von<br />
Deutschen ausgebildeten – ukrainischen<br />
Bataillone „Nachtigall“<br />
und „Roland“. Die Nazis wollen diese<br />
Hilfstruppen hinter der Front im<br />
25<br />
Kampf gegen sowjetische Partisanen<br />
einsetzen. Bandera aber sieht<br />
in ihnen den Nukleus einer ukrainischen<br />
Armee. Für die Nationalsozialisten<br />
völlig überraschend rufen<br />
die Ukrainer gleich nach dem<br />
Einmarsch in Lwiw eigenmächtig<br />
die Unabhängigkeit aus. Zeitgleich<br />
spielt sich in der Stadt ein erster<br />
schrecklicher Pogrom ab, dessen<br />
genauer Hergang – insbesondere<br />
auch die Verstrickung und Beteiligung<br />
der organisierten ukrainischen<br />
Nationalisten – noch nicht<br />
umfassend rekonstruiert ist.<br />
Von einer unabhängigen Ukraine<br />
freilich wollen die Deutschen<br />
nichts wissen. Also lösen sie die<br />
ukrainischen Bataillone auf, Bandera-Anhänger<br />
werden exekutiert.<br />
Er selbst kommt in den Zellenbau<br />
des KZ Sachsenhausen. An<br />
der Gründung der ukrainischen<br />
Aufstandsarmee (UPA) ist der Inhaftierte<br />
schon nicht mehr direkt<br />
beteiligt. Die hochorganisierte<br />
Truppe fi cht unter Führung von<br />
Banderas frühem Mitstreiter Roman<br />
Schuchewytsch ab 1942 einen<br />
Krieg an vielen Fronten: gegen<br />
die Deutschen, gegen sowjetische<br />
Foto: „Bandera – Held“: Graffi to an einer Bushaltestelle in Lutsk<br />
Partisanen und gegen Einheiten polnischer<br />
Untergrundarmeen. <strong>Ost</strong>galizien und Wolhynien<br />
verwandeln sich in ein chaotisches,<br />
grausames Schlachtfeld. Unter Regie der<br />
deutschen Besatzer wird es zum Schauplatz<br />
des Massenmordes an den Juden, teilweise<br />
auch mit ukrainischer Komplizenschaft.<br />
Hinzu kommen Gemetzel von Ukrainern<br />
an Polen und umgekehrt. Insbesondere im<br />
Jahr 1943 werden der UPA in Wolhynien<br />
schwerste Übergriffe auf die polnische Zivilbevölkerung<br />
mit zehntausenden von Todesopfern<br />
zur Last gelegt.<br />
Nach dem Rückzug der Deutschen fi cht die<br />
UPA bis in die 50er Jahre hinein in der<br />
Westukraine weiter für die Unabhängigkeit<br />
und gegen die Zugehörigkeit zur Sowjetunion.<br />
Zielscheibe ist jeder, der in irgendeiner<br />
Form den Sowjetstaat repräsentiert – zum<br />
Beispiel auch die jungen Lehrerinnen und<br />
Lehrer, die aus der östlichen Ukraine in<br />
den Westen geschickt werden, um dort auf<br />
Russisch zu unterrichten. Menschen in der<br />
<strong>Ost</strong>ukraine erinnern sich daran bis heute.<br />
Bandera selbst bleibt im deutschen Exil – in<br />
der Sowjetunion mittlerweile in Abwesenheit<br />
zum Tode verurteilt, von der Sowjetpropaganda<br />
auch nach seiner Ermordung als<br />
Faschist und Verantwortlicher des Widerstandes<br />
verteufelt.<br />
Seit der Wende indes erlebt Bandera eine<br />
Wiedergeburt – vor allem im Westen der<br />
Ukraine. In Lwiw etwa ist er allgegenwärtig.<br />
Populäre Biographien stapeln sich in<br />
den Buchhandlungen, die Souvenirhändler<br />
rund um den alten Markt verkaufen<br />
T-Shirts und Poster mit Aufdrucken seines<br />
bekanntesten Porträts – Mitte 20 ist er<br />
wohl, Schlips, Geheimratsecken, stechender<br />
Blick. Selbst zwischen den schrillen Buttons<br />
von Sponge Bob, Tokio Hotel und der populären<br />
russischen Popsängerin Glukoza lugt<br />
sein Konterfei hervor.<br />
Ein wenig abseits des alten Marktes in Lwiw<br />
beginnt die Bandera Straße, an deren Ende<br />
sich das neue, 2007 eingeweihte Denkmal<br />
vor der einst polnisch-katholischen Elisabeth-Kirche<br />
erhebt. Vor einem 30 Meter<br />
hohen Triumphbogen samt goldenem ukrainischen<br />
Dreizack steht er überlebensgroß<br />
auf einem drei Meter hohen Granitsockel.<br />
Leicht könnte der neue Bandera als ein<br />
dem Abriss entgangener Lenin durchgehen.<br />
Vor dem Denkmal liegen wetterfeste<br />
blau-gelbe Plastikrosen und gleichfarbigen<br />
Schleifen, gewidmet „dem Nationalhelden<br />
der Ukraine“.<br />
Bandera-Kritik<br />
unerwünscht<br />
Wieso überall Bandera? „Bandera hat uns gelehrt,<br />
dass wir eine ukrainische Nation mit<br />
unserem eigenen, unveräußerlichen Recht<br />
auf einen Staat sind“, sagt Mikola Posiwnych,<br />
28. Der junge Mann arbeitet für den<br />
Verlag Litopys UPA, der Quellen und Memoiren<br />
über die Geschichte der UPA veröffentlicht.<br />
Er wurde 1972 von UPA-Veteranen in