D - N-Ost
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40 Die Knochen aus der Grube<br />
Gleich bei einem der ersten Sucheinsätze 1991 haben sie Kubanows Ge- 41<br />
hinter dem Schulgebäude von<br />
Schigri werden wohl namenlos<br />
bleiben. Nach dem Einsatz<br />
der Schüler lagert die örtliche<br />
Suchgruppe sie irgendwo in<br />
einem Schuppen ein. Bei der<br />
nächsten Gelegenheit sollen sie<br />
in einem der „Brudergräber“<br />
des Ortes bestattet werden. So<br />
heißen die Massengruben auf<br />
den Dorffriedhöfen und am<br />
Straßenrand, wo unter einer<br />
großen Statue viele Gefallene<br />
und manchmal auch Zivilisten<br />
liegen. Einen zentralen Soldatenfriedhof<br />
für die Rotarmisten<br />
gibt es im Oblast nicht.<br />
In der Vitrine im kleinen Stadtmuseum,<br />
zwischen rostigen<br />
Uniformknöpfen, und Gürtelschnallen,<br />
hat einer der vielen<br />
Unbekannten einen späten<br />
Ehrenplatz gefunden. Der Artillerist<br />
Chanapi Kubanow aus<br />
dem Nordkaukasus ist 1942<br />
bei Schigri gefallen, 24 Jahre<br />
war er alt. Das Schwarz-Weiß-<br />
Bild zeigt einen ernsten jungen<br />
Mann im langen Mantel vor einer<br />
Fototapete mit Birkenstämmen.<br />
Museumsleiterin Musa<br />
Saizewa ist noch immer ein<br />
bisschen gerührt, wenn sie seine<br />
Geschichte erzählt.<br />
Foto (links): Der Ertrag der Suchbewegung: Menschliche Knochen auf einer Plastikfolie<br />
Foto (rechts unten): Viele russische Jugendliche verbringen einen Teil ihrer Sommerferien bei den Sucharbeiten<br />
beine gefunden. Das Medaillon mit seiner Nummer hielt er in der knöchernen<br />
Hand. Kubanows Witwe und seine Schwester, alte Frauen mit<br />
Kopftüchern, eilten aus dem nordkaukasischen Kurort Kislowodsk nach<br />
Schigri, um mit eigenen Augen zu sehen, wo ihr Chanapi vor all den Jahren<br />
starb. „Das war ein ganz besonderer Tag für uns alle“, sagt Saizewa.<br />
In der Glasvitrine hat sie auch ein Bild von den Verwandten Kubanows<br />
aufgestellt.<br />
Die winzige 79-Jährige mit dem grauen Topfschnitt hat als Mädchen die<br />
Besatzung im Oblast erlebt, 15 Monate lang gab es wenig zu essen und<br />
tägliche Angst. Später hat Saizewa als Russischlehrerin in Schigri gearbeitet.<br />
Seitdem sie im Ruhestand ist, kümmert sie sich nur noch um das<br />
Museum und unterstützt die Suchbewegung, wo sie kann. „Das wichtigste<br />
und teuerste, was wir haben, ist doch die Suche nach den Soldaten“,<br />
sagt Saizewa mit der energischen Stimme einer strengen, jungen<br />
Lehrerin. „Die Kinder müssen begreifen, dass hier ein Volk zu Recht seine<br />
Heimat verteidigt hat.“