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44 rei Steinplatten stehen hinter einer Kirche im<br />
des Osmanischen Reichs typische ethnische mit ihrer jüdischen Freundin Lili zum ers- 45<br />
Die Auslieferungsverträge waren<br />
schon unterschrieben, die<br />
Mörder aus Deutschland standen<br />
schon bereit, die bulgarischen<br />
Juden in Empfang zu<br />
nehmen. Doch Widerstand der<br />
Bürger Sofi as verhinderte den<br />
sicheren Tod für ihre jüdischen<br />
Mitbürger. Die schöne Geschichte<br />
von ihrer Rettung aber hat<br />
einen Haken.<br />
DZentrum<br />
Sofi as. Sie erzählen die Geschichte von Hanna<br />
Lorer, einer heute 80-jährige Dame mit kurzen weißen<br />
Haaren. Es ist ihre Geschichte und die von 50.000 anderen<br />
Juden, die den zweiten Weltkrieg überlebt haben.<br />
Wenige Hundert Meter entfernt liegt ein anderer, kleiner<br />
Gedenkstein auf dem Boden, eingerahmt von einer<br />
niedrigen Hecke. Er erzählt die Geschichte von Victor<br />
Mizrahi. Victor und seine Familie sind die letzten Mizrahis<br />
in Skopje, alle anderen sind im Konzentrationslager<br />
Treblinka ermordet worden, und mit ihnen rund<br />
10.000 weitere Juden. Beide Geschichten gehören zusammen,<br />
auch wenn sie lange nicht zusammen erzählt<br />
wurden. Und bis heute fällt es in Bulgarien schwer, die<br />
Zusammenhänge dieser Ereignisse zuzugeben.<br />
Die Geschichte von Hanna Lorer beginnt 1928. Sie<br />
kam im „Tal der Rosen“ zur Welt, in der Region Bulgariens,<br />
die für ihr Rosenöl berühmt ist. In der Stadt<br />
Kazanlak bewohnte ihre Familie ein Haus in „Klein<br />
Palästina“. So wurden die zwei, drei jüdischen Straßen<br />
genannt. Der Vater besaß ein Porzellangeschäft.<br />
Außer Juden gab es im Viertel auch Türken und Bulgaren.<br />
Man respektierte sich gegenseitig, besuchte<br />
sich zu religiösen Festen. Antisemitismus war kaum<br />
verbreitet. Es herrschte wie vielerorts Anfang des vergangenen<br />
Jahrhunderts die für das ehemalige Gebiet<br />
Foto (vorherige Doppelseite): Hanna Lorer erzählt von früher<br />
Foto (links): Hanna Lorer in ihrer Wohnung in Sofi a | Foto (rechts unten): Porträt Hanna Lorer<br />
Toleranz. „Wir fühlten uns als bulgarische<br />
Bürger“, erzählt Hanna Lorer.<br />
Ein letztes Schlagen<br />
des Türglöckchens<br />
Ihre Kindheit erlebte sie als Idylle, in der<br />
es keinerlei Anzeichen dafür gab, was passieren<br />
sollte, nachdem Bulgarien 1941 dem<br />
Dreimächtepakt beigetreten und so zum<br />
Verbündeten Nazideutschlands geworden<br />
war. Im selben Jahr verabschiedete die Regierung<br />
das „Gesetz zum Schutz der Nation“.<br />
Die anti-jüdischen Verordnungen erkannten<br />
den Juden alle politischen Rechte ab, sie<br />
durften bestimmte Berufe nicht ausüben.<br />
Ehen mit nichtjüdischen Personen wurden<br />
untersagt. Die Juden von Sofi a wurden aus<br />
der Hauptstadt ausgewiesen, die meisten<br />
Männer in Arbeitsbataillone gezwungen.<br />
Die glückliche Kindheit war vorbei. Das<br />
wurde Hanna Lorer an dem Tag klar, als sie<br />
ten Mal mit dem gelben Stern am Revers zur<br />
Schule gehen musste. Es hatten sich auch<br />
schon faschistische Jugendorganisationen<br />
gegründet. Doch ihre Mitschülerinnen<br />
und die Klassenlehrerin umarmten sie: Ihr<br />
bleibt dieselben wie vorher. Für uns macht<br />
der Stern keinen Unterschied!<br />
Dennoch begann die Zeit der Unterscheidung.<br />
Manchmal wurden auch Steine geworfen,<br />
Scheiben eingeschmissen, Hakenkreuze<br />
an Wände geschmiert. Nachbarn wendeten<br />
sich ab, gemeinsame Feste wurden nicht<br />
mehr gefeiert. Der Vater musste den Laden<br />
schließen, im Schaufenster das Schild: Jüdisches<br />
Geschäft. „Wir waren überrascht<br />
und enttäuscht. Es war, als wären wir aus<br />
einem langen Winterschlaf aufgewacht.<br />
Plötzlich war alles anders.“<br />
1942 mussten auch die Juden aus Kazanlak<br />
ihre Stadt verlassen. Das große Haus, in dem<br />
Familie Lorer gewohnt hatte, die Bilder, die