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48 rischen Regierung. Dasselbe wäre in Bul- der 11.000 mazedonischen Juden. Von der<br />
– eines der größten Holocaust-Museen Eu-<br />
49<br />
garien passiert ohne den Widerstand der<br />
Zivilgesellschaft.“<br />
Wie Albena Taneva schauen die meisten<br />
Bulgaren auf das Gute. So will man sich<br />
der Welt zeigen. Kritiker wie Wagenstein<br />
haben es schwer in einem Umfeld, das die<br />
Augen vor der anderen Seite der Medaille<br />
verschließt. Im Frühjahr dieses Jahres sollte<br />
eine Straße in Sofi a nach dem damaligen<br />
Nazideutschland treuen Premierminister<br />
und überzeugten Antisemiten Bogdan Filov<br />
benannt werden. Der Aufschrei der bulgarischen<br />
jüdischen Gemeinde in Israel vereitelte<br />
das Vorhaben. Man habe Filov in seiner<br />
Funktion als Wissenschaftler ehren wollen,<br />
nicht als Politiker, hieß es zur Verteidigung<br />
im Stadtrat. So ist die Geschichte bis heute<br />
aufgespalten – in die heldenhafte Rettung<br />
und die bedauerliche aber unvermeidbare<br />
Auslieferung, in den guten Wissenschaftler<br />
und den gewissenlosen Politiker. Es soll<br />
nicht zusammen gehören, was eigentlich zusammen<br />
gehört.<br />
Immerhin bekannte sich der bulgarische<br />
Präsident Georgi Parvanov vergangenes<br />
Jahr in Israel zum ersten Mal öffentlich zur<br />
Mitschuld Bulgariens an der Vernichtung<br />
mazedonischen jüdischen Gemeinde wurde<br />
das als erster Schritt begrüßt. Kritiker sehen<br />
indes außenpolitische Taktik am Werk,<br />
um die guten Beziehungen zu Israel und<br />
den USA nicht zu gefährden, wo ein solcher<br />
Schritt lange gefordert worden war. In der<br />
bulgarischen Bevölkerung wurde von dem<br />
Bekenntnis dagegen kaum Notiz genommen.<br />
Und die „geretteten“ bulgarischen<br />
Juden warten bis heute auf eine Entschuldigung<br />
für Zwangsumsiedlung, Konfi szierung<br />
des Eigentums oder Zwangsarbeit. Angel<br />
Wagenstein etwa bekommt eine Zwangsarbeiter-Rente<br />
aus Deutschland. „Ich bekomme<br />
dieses Geld nicht von Bulgarien. In<br />
Bulgarien gelte ich als gerettet. Aber für die<br />
Deutschen bin ich ein Opfer.“<br />
Wer also ist schuldig? Wer ist das „wir“ in<br />
dem Satz: Wir haben die Juden gerettet?<br />
„Schuld ist etwas sehr persönliches“, sagt<br />
Hanna Lorer, die dem Holocaust knapp entging.<br />
„Es gibt keine Kollektivschuld, es gibt<br />
auch keine Kollektivretter.“ Sie hat überlebt,<br />
„aber das ist das Ergebnis vieler Faktoren.“<br />
Für sie selbst zählt nur das, was sie<br />
fest in ihrem Herzen bewahrt hat: Die Erinnerungen<br />
daran, wie Menschen in Waggons<br />
eingepfercht waren, aber auch an die<br />
Lehrerin, die damals zwei Schulmädchen<br />
umarmt und ihnen gesagt hat, dass sie auch<br />
mit dem gelben Stern noch dieselben seien<br />
wie vorher.<br />
Die Mizrahis, die einst eine alteingesessene,<br />
stattliche Skopjer Familie waren und heute<br />
nur noch aus vier Personen bestehen, träumen<br />
von etwas, das auch in der Zukunft<br />
von ihnen bleiben wird. Heute entsteht im<br />
ehemals jüdischen Viertel von Skopje ein<br />
Zentrum zur Erinnerung an den Holocaust<br />
Foto (links): Victor und Liljana Mizrahi verlassen die Baustelle<br />
Foto (rechts): Victor und Liljana Mizrahi auf der Baustelle des geplanter Holocausts-Zentrums in Skopje<br />
ropas. Das Zentrum wird ihr Denkmal<br />
sein in einer Stadt, in der die Spuren vom<br />
jüdischen Leben gänzlich ausgelöscht sind.<br />
Die jüdische Gemeinde von Skopje besteht<br />
aus 200 Menschen und geht immer mehr in<br />
der Mehrheitsgesellschaft auf. Die Mizrahis<br />
wollen, dass die Wahrheit über das Schicksal<br />
der mazedonischen Juden weitergegeben<br />
wird. Eine Wahrheit, für die sie lange gekämpft<br />
haben.