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Gerda Henkel Stiftung, Jahresbericht 2005

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STIPENDIAT<br />

FÖRDERUNG<br />

Fedor Schlimbach, Göttingen<br />

Promotionsstipendium | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt das<br />

Dissertationsvorhaben durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums<br />

und die Übernahme von Reisekosten. | neu bewilligt<br />

SAN JUAN DE BAÑOS UND DER<br />

WESTGOTENZEITLICHE KIRCHENBAU<br />

Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches etablierten die Westgoten in<br />

der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts in Hispanien das Reich von Toledo, das<br />

bis zum Einfall der Araber im Jahre 711 bestand und anschließend von al-Andalus im<br />

Süden sowie den christlichen Königreichen und Fürstentümern Asturien / Léon, Kastilien,<br />

Navarra, Aragón und Katalonien im Norden der iberischen Halbinsel abgelöst<br />

wurde. Aus jeder dieser Epochen sind christliche Sakralbauten erhalten, die meist eindeutig<br />

datiert werden können. Als problematisch erweist sich jedoch eine Gruppe von<br />

ca. 13 Kirchenbauten, die von der älteren Forschung in die Westgotenzeit eingeordnet<br />

wurden, deren Datierung aber in den letzten Jahren in Zweifel gezogen und dem<br />

neunten Jahrhundert zugewiesen worden ist. Die spärliche Überlieferung von Schriftquellen<br />

und Münzen sowie der gute Erhaltungszustand der Bauwerke, der archäologische<br />

Untersuchungen überflüssig scheinen ließ, erschweren eine sichere Datierung<br />

der früher eindeutig als westgotenzeitlich geltenden Kirchen. Diese Situation hat<br />

zunächst Konsequenzen für die Bauwerke selbst, deren Chronologie um zuweilen<br />

zwei Jahrhunderte schwankt, ist aber darüber hinaus auch für die historische Einordnung<br />

des westgotischen Reiches von Toledo von Bedeutung: Ein eindrucksvolles westgotenzeitliches<br />

Kunstschaffen würde auf ein blühendes Reich im siebten Jahrhundert<br />

hinweisen, eine Lücke in der Denkmalüberlieferung zwischen Spätantike und dem<br />

neunten Jahrhundert jedoch auf eine wenig schöpferische Periode schließen lassen, in<br />

der vielleicht erst die Araber überhaupt wieder Impulse in ein Land brachten, das<br />

nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches, der Völkerwanderung und<br />

der Westgotenherrschaft kulturell ohne Bedeutung war.<br />

Ziel des Dissertationsvorhabens von Fedor Schlimbach ist es, ausgehend von der<br />

mit großer Sicherheit westgotenzeitlichen Basilika San Juan in Baños de Cerrato (Palencia)<br />

eine solide Übersicht über die der Westgotenzeit zuzuordnenden Monumente zu<br />

erarbeiten. San Juan de Baños, eine königliche <strong>Stiftung</strong>, ist als einzige aller für die<br />

Westgotenzeit in Anspruch genommenen Bauten inschriftlich datiert, außergewöhnlich<br />

gut erhalten und gilt aufgrund der hochwertigen Kapitelle und des Quadermauerwerks<br />

als anspruchsvolles Bauwerk. Im Rahmen einer monographischen Bearbeitung<br />

der Basilika mit archäologischen und kunsthistorischen Methoden wird Herr Schlimbach<br />

zwischen Originalbestand und späteren Arbeiten differenzieren, das Mauerwerk<br />

und die Bauskulptur untersuchen sowie nach Stellung und Funktion der Kirche innerhalb<br />

der frühmittelalterlichen Siedlungsstruktur und der Sakraltopographie fragen.<br />

Darauf aufbauend soll ein Katalog möglichst aller sicher in die Westgotenzeit zu<br />

datierenden Denkmäler erstellt werden, der neben den wenigen aufrecht stehenden<br />

Kirchenbauten auch schlecht erhaltene oder nur ergrabene Monumente, in islamischer<br />

und asturischer Zeit zweitverwendete Kapitelle und Reliefs sowie Kunstgegenstände<br />

anderer Gattungen wie Goldschmiedearbeiten enthalten soll. Das Material<br />

wird anschließend auf Charakteristika hin untersucht und mit Werken früherer und<br />

späterer Epochen verglichen, um ausschließlich der Westgotenzeit zuzuordnende<br />

Merkmale zu isolieren. Den mit Hilfe dieser Untersuchung gewonnenen Kriterienkatalog<br />

wird Herr Schlimbach auf die in ihrer Chronologie umstrittenen Kirchenbauten<br />

anwenden und überprüfen, welche dieser Werke wirklich der Westgotenzeit<br />

zugeordnet werden können. Abschließend möchte er die für die Kunstgeschichte<br />

Hispaniens erarbeiteten Ergebnisse mit der historischen Forschung verbinden und<br />

den archäologisch-kunstgeschichtlichen Ansatz mit Methoden, Fragestellungen und<br />

Ergebnissen angrenzender Fachgebiete verknüpfen. Das interdisziplinär angelegte<br />

Dissertationsvorhaben verspricht neues Licht auf den Übergang von der Antike zum<br />

hohen Mittelalter in Hispanien zu werfen.<br />

Außenansicht von San Juan de Baños von Südwesten<br />

Innenansicht des Mittelschiffes nach Osten.<br />

Auf der östlichen Mittelschiffshochwand ist die<br />

<strong>Stiftung</strong>sinschrift Königs Reccesvinths zu erkennen.<br />

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