Gerda Henkel Stiftung, Jahresbericht 2005
Gerda Henkel Stiftung, Jahresbericht 2005
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»HISTORISCHE REPRÄSENTATIONEN« ALS<br />
STATIONEN EINER HISTORIOGRAPHIEGESCHICHTE<br />
DES NEUZEITLICHEN SÜDASIEN (1800–2000)<br />
STIPENDIAT<br />
FÖRDERUNG<br />
PD Dr. Michael Mann, Hagen<br />
Forschungsstipendium | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt das Projekt<br />
durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums und die Übernahme<br />
von Reise- und Sachkosten. | neu bewilligt<br />
Die Historiographie zu Südasien wurde seit dem 18. Jahrhundert in hohem Maße von<br />
einem kolonial-britischen Diskurs bestimmt, der die Geschichte der Region zu einem<br />
Annex der britischen National- und Empiregeschichte machte. In diesem Kontext war<br />
die Geschichte des indischen Subkontinents vor der Kolonialherrschaft entweder die<br />
eines seit der Antike anhaltenden kulturellen Verfalls, oder Indien wurde gar als ein<br />
geschichtsloses Land dargestellt. Versuche, eine genuin südasiatische Geschichtsschreibung<br />
zu entwickeln, setzten für die alte und mittelalterliche Geschichte in den<br />
1930er Jahren ein, als vor allem indische Historiker die regionale, lokale und gruppenbezogene<br />
Geschichte als signifikantes Merkmal ihres Geschichtsbewusstseins entdeckten<br />
und erkannten, dass es unterschiedliche Formen und Ebenen der historischen<br />
Verständigung gibt. Zur modernen Geschichte Südasiens lagen bis in die jüngste Vergangenheit<br />
jedoch nach wie vor nur wenige Werke vor. Der neue Ansatz zur Lokalität<br />
von Geschichte kann aber auch für eine neuzeitliche Geschichtsschreibung fruchtbringend<br />
verwendet werden, wenn gezielt die Pfade der bisherigen Darstellungen zur<br />
Historiographie verlassen und über einen neuen Analyseansatz systematisch neue<br />
Felder der Geschichtsschreibung erschlossen werden.<br />
PD Dr. Michael Mann möchte sich in seinem Forschungsvorhaben der modernen<br />
südasiatischen Geschichte über eine Untersuchung der so genannten »historischen<br />
Repräsentationen« nähern, den in einer Gruppe, Gesellschaft, Nation oder Kultur<br />
dominanten Diskursen und Erklärungsansätzen für den Zusammenhang von Geschichte<br />
und Gegenwart. Im Mittelpunkt des geplanten Projekts stehen institutionelle<br />
Formen (Bildungseinrichtungen, Expertengremien, Laien- und Expertenforen, öffentliche<br />
Einrichtungen wie Museen, Inszenierung von Geschichte in den Medien), die die<br />
Leitfrage nach dem gesellschaftlichen Einsatz von Geschichte für die Bewältigung nationaler,<br />
lokaler und partikularer Selbstfindungsprozesse beantworten sollen. Dr. Mann<br />
wird neben den wissenschaftlichen Periodika und den Geschichtskongressen in<br />
Indien, Pakistan, Afghanistan, Bangladesh und Sri Lanka auch die Wissenschaftsinstitutionen,<br />
die wichtigsten Museen und Archive sowie indische und pakistanische<br />
Filmproduktionen in seine Untersuchung einbeziehen. Er beabsichtigt mit diesem<br />
Ansatz zum einen, von der bislang praktizierten nationalen Geschichtsschreibung<br />
abzurücken und stattdessen die gesamte Region Südasien in den Blick zu nehmen,<br />
zum anderen, eine über Südasien hinausgehende Historiographiegeschichte zu erarbeiten.<br />
Das Projekt verspricht durch die Analyse der »historischen Repräsentationen«<br />
eine Vergleichsebene, die in Zeiten der beschleunigten Globalisierung auch zur Erklärung<br />
weltgeschichtlicher Entwicklungen beitragen könnte.<br />
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