Artikel lesen (PDF) - Globetrotter
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mittlerer osten<br />
Im Dorf Abyaneh. Frau in traditioneller lokaler<br />
Tracht (links oben).<br />
Dasht-e-Kavir-Wüste. Wilde Kamele auf<br />
unserem Weg (links unten).<br />
Erholsamer Ausflug. Strasse ins Alamut-Tal (o).<br />
Dizzi. Traditionelle Köstlichkeit (unten).<br />
Esfahan. Warten, bis das Barbari-Brot fertig<br />
gebacken ist (unten rechts).<br />
ren wir von Familie Mohammadnejad. Wie fast<br />
alle Iraner, die wir treffen, geht anfänglich auch<br />
Mohammads Familie davon aus, dass wir Farsi<br />
sprechen – oder doch wenigstens des arabischen<br />
Alphabets mächtig sind. Sie versuchen<br />
alle Tricks, sprechen langsamer und deutlicher,<br />
versuchen es mit Aufschreiben. Wir antworten<br />
auf Berndeutsch-Englisch, und irgendwann begreifen<br />
sie, dass wir sie tatsächlich nicht verstehen.<br />
An diesem Punkt geben viele, ungläubig<br />
den Kopf schüttelnd, auf. Nicht so Mohammadnejads.<br />
Unsere Einladung zum Swiss-<br />
Çay (Kräutertee) nehmen sie gerne an und<br />
dank Parvin, der Tochter, die einige Worte Englisch<br />
spricht, können wir uns ein wenig verständigen.<br />
Die Familie lädt uns zum Mittagessen<br />
ein, wir lehnen mindestens drei Mal höflich<br />
ab, wie das die Tradition verlangt. Da die Einladung<br />
ein viertes und fünftes Mal wiederholt<br />
wird, können wir davon ausgehen, dass sie<br />
ernst gemeint ist, und kommen so in den Genuss<br />
eines herrlichen Essens. Dieses «Spiel»<br />
heisst Ta’arof und bereitet uns einiges Kopfzerbrechen,<br />
denn auch in Geschäften wird Ta’arof<br />
angewendet. Wenn die Verkäufer kein Geld<br />
wollen, müssen wir jeweils insistieren. Nach<br />
drei Mal lasse ich es bei kleinen Beträgen dann<br />
aber sein und ziehe mit meinem Gratisbrot davon.<br />
Manchmal mit einem etwas lauen Gefühl,<br />
denn vielleicht hatte der Verkäufer sein Ta’arof<br />
ja noch nicht zu Ende gespielt.<br />
Nervenprobe. Über die atemberaubend steile<br />
Passtrecke von Chalus nach Kajar erreichen<br />
wir Teheran. Inzwischen sind wir uns einiges<br />
von iranischen Autofahrern gewöhnt, die Verstand,<br />
Augen und Ohren abzuschalten scheinen,<br />
wenn sie ins Auto steigen. Schnelle Autos<br />
und gute Strassen ergeben eine gefährliche<br />
Mischung. Wegschilder sind meist in kleiner<br />
Schrift gehalten, oft erst nach der Kreuzung<br />
platziert und erst noch schlecht sichtbar, was<br />
uns einige Umwege einbringt. Die Iraner lassen<br />
sich aber nicht beirren, sie legen einfach<br />
den Rückwärtsgang ein – auch auf der Autobahn.<br />
Als wir in Teheran ankommen, sprengt<br />
dies verkehrstechnisch sämtliche Vorstellungen.<br />
Selbst Einheimische erbleichen, wenn<br />
sie davon sprechen. Wir schaffen es – nervlich<br />
zwar schwer gezeichnet, aber unfallfrei – zur<br />
indischen Botschaft. Sobald die Visaanträge<br />
für Indien ausgefüllt sind, verschwinden wir<br />
fürs Erste aus dieser 15-Millionen-Stadt.<br />
Am Evansee im Alamut-Tal finden wir einen<br />
herrlichen Platz zum Campieren und erholen<br />
uns drei Tage von der Hektik der Grossstadt.<br />
Ein Hirte aus der Gegend stattet uns einen<br />
Besuch ab. Den angebotenen Tee lehnt er<br />
dankend ab, meine alte Skijacke nimmt er jedoch<br />
ohne zu zögern gerne an. Stolz lächelnd<br />
zieht er mit seinen zwei Eseln und 20 Schafen<br />
von dannen.<br />
Es ist Zeit, nach Teheran zurückzukehren,<br />
nachdem uns ein Herr am Telefon versichert<br />
hat, dass unsere Visa abholbereit sind. Zurück<br />
in der Grossstadt werden wir frühzeitig an die<br />
indische Bürokratie erinnert – man weiss in<br />
der Botschaft von nichts. Die Visa sind nicht<br />
ausgestellt und werden es noch einige Tage<br />
nicht sein. Nach langem Hin und Her, einer<br />
Empfehlung der Schweizer Botschaft und ein<br />
paar nachdrücklichen Worten vonseiten Jans<br />
erhalten wir schliesslich die lang ersehnten<br />
Stempel und Papiere.<br />
Wüstenquerung auf Umwegen. Per Zufall<br />
treffen wir Marilyne und Vincent in Teheran<br />
wieder. Wir lernten die beiden französischen<br />
Autoreisenden in Istanbul kennen. Sie laden<br />
uns zu ihren Freunden Nima und Maryam<br />
ein, bei welchen wir uns den Wohnzimmerteppich<br />
zum Schlafen teilen dürfen. Nima versichert<br />
uns, solange es in seiner Zweizimmerwohnung<br />
irgendwo Platz auf dem Teppich<br />
gebe, seien wir herzlich willkommen. Als wir<br />
dankend ablehnen, lacht er und sagt, er arbeite<br />
im Ausland und spiele kein Ta’arof mit<br />
Nicht-Iranern.<br />
Zusammen mit Marilyne und Vincent und<br />
einem Freund aus Frankreich beschliessen wir,<br />
die Dasht-e-Kavir-Wüste von Semnan nach Esfahan<br />
zu durchqueren. In Semnan finden wir<br />
nach langem Suchen dank Hilfe der Polizei die<br />
Strasse, welche in die Wüste führen soll. Wir<br />
wundern uns über die Schilder, die uns das Fotografieren<br />
und das Verlassen der Strasse verbieten.<br />
Weit und breit ist nichts als Ödland zu<br />
sehen. Nach 80 Kilometern kommt die Antwort:<br />
Wir schauen in die Gewehrläufe zweier<br />
Soldaten, die ein Tor bewachen und uns nervös<br />
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