Artikel lesen (PDF) - Globetrotter
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mittlerer osten<br />
über Religion oder Politik. Doch wir erfahren,<br />
dass jemand schon Probleme mit den Sittenwächtern<br />
kriegen kann, wenn er Ausländer zu<br />
sich nach Hause einlädt. Einige machen ihrem<br />
Ärger in unbeobachtet geglaubten Momenten<br />
Luft. Wie zum Beispiel Payam. In Esfahan<br />
klopft er eines Morgens an unser Autofenster<br />
und lädt uns ein, seine Toilette zu benutzen. In<br />
der Wohnung bereitet er uns ein leckeres Frühstück<br />
mit Brot, Käse und der typischen Karottenkonfitüre<br />
zu. Den Schwarztee serviert er uns<br />
lächelnd mit einem Löffel, denn er weiss, dass<br />
wir Ausländer den Zucker im Tee auflösen und<br />
nicht wie sie auf die Zunge legen und den Tee<br />
schlürfen. Er hasst die Mullahs, die aus der arabischen<br />
Welt kommen und nichts mit den Persern<br />
gemeinsam haben. Er erklärt uns, dass die<br />
meisten Iraner gegen den strengen Hijab sind.<br />
Auch über das Alkoholverbot ärgert er sich. Er<br />
hat kaum Hoffnung, dass sich in der nahen Zukunft<br />
etwas ändert. Trotzdem glaubt er daran,<br />
dass Iran irgendwann wieder zu Persien wird.<br />
Nach reichlich Stadtatmosphäre freuen wir<br />
uns auf die Sandschlösser von Kaluts. Schon<br />
die Passstrasse dorthin ist ein landschaftliches<br />
Highlight. Bei den ersten Ausläufern der Kaluts<br />
kommt uns ein kleiner Sandsturm entgegen.<br />
Der Anblick der bizarren Felsformationen,<br />
durch den Sandsturm in einen mystischen<br />
Dunst getaucht, ist märchenhaft. Die Kaluts<br />
erstrecken sich über 145 Kilometer Länge und<br />
80 Kilometer Breite. Nachdem der Wind nachgelassen<br />
hat, wagen wir uns weg von der<br />
Stras se. Der harte Sand trägt uns meist problemlos,<br />
und wir kurven zwischen den zum Teil<br />
zehn Stockwerke hohen, eigentümlich geformten<br />
Sandschlössern herum und finden einen<br />
wunderbar gelegenen, etwas erhöhten Übernachtungsplatz.<br />
Wieder taucht eine uns inzwischen<br />
bekannte gelbe Wand am Abendhorizont<br />
auf. Sicherheitshalber verstauen wir alles im<br />
Auto und beobachten gespannt, wie ein Kalut<br />
nach dem anderen nur noch schemenhaft zu<br />
erkennen ist. Schliesslich umhüllt die Wolke<br />
auch uns. Der Wind rüttelt und schüttelt an<br />
Ganesh, Blitze jagen durch die Luft, und dazwischen<br />
reisst immer wieder der Himmel auf.<br />
Ein unvergessliches Naturschauspiel.<br />
Trauriges Bam. Als letzte Station im Iran fahren<br />
wir nach Bam. Die Stadt erlangte traurige<br />
Berühmtheit durch das Erdbeben im Dezember<br />
2003, bei welchem über 30 000 Menschen<br />
unter ihren Häusern begraben wurden. Die<br />
mächtige Zitadelle, die Tausende Touristen<br />
anlockte, liegt in Schutt und mit ihr das Touristengeschäft.<br />
In der ganzen Stadt liegen<br />
noch immer überall Trümmer, der Wiederaufbau<br />
geht nur stockend vorwärts. Sogar das<br />
Wrack des Fahrrades eines Freundes, der damals<br />
drei Stunden unter den Resten von Akbars<br />
Gasthaus, wo wir wohnen, verschüttet war<br />
und glücklicherweise gerettet wurde, liegt<br />
noch am selben Ort. Akbars Gasthaus ist ein<br />
Provisorium. Das Leben findet noch immer<br />
unter den vor Jahren errichteten Blechdächern<br />
statt. Das Trauma ist unverarbeitet,<br />
viele haben ihre ganze Familie verloren, haben<br />
Trost im Opium gesucht und sind heute<br />
abhängig. Akbar redet davon, dass seine Stadt<br />
eines Tages wieder aufgebaut sein wird und<br />
der Touristenstrom zurückkehrt, doch in seinen<br />
Augen spiegelt sich eine Hoffnungslosigkeit,<br />
die uns tief berührt.<br />
Durch die Nähe zum politisch angespannten<br />
Belutschistan sowie durch rivalisierende<br />
Drogenclans, ereilt Bam ein doppelt schwieriges<br />
Schicksal; noch verstärkt durch die Tatsache,<br />
dass hier vor zwei Jahren ein Japaner entführt<br />
wurde. Als wir am ersten Abend nach<br />
Einbruch der Dunkelheit in einer Imbissstube<br />
sitzen, werden wir von zwei bewaffneten Soldaten<br />
bewacht, die uns später auf dem Motorrad<br />
bis zu Akbars Türe folgen. Dies gibt uns<br />
einen Vorgeschmack auf das, was uns die<br />
nächsten Tage erwartet.<br />
Laut Einheimischen ist die Strecke von<br />
Bam bis Mirjaveh, an der pakistanischen<br />
Grenze, nicht unter Kontrolle der Regierung.<br />
Kurz nach Bam werden wir vom Militär gestoppt.<br />
Man will uns eskortieren. Dafür werden<br />
uns auch gleich die Pässe abgenommen. Wir<br />
sind angespannt, fühlen uns wie Gefangene.<br />
Ein achtstündiger Spiessrutenlauf beginnt. Anstatt<br />
zügig durchfahren zu können, müssen wir<br />
alle zehn Kilometer anhalten und auf die<br />
nächste Eskorte warten. Das alles bei backofentauglichen<br />
Temperaturen. Unser Hinweis,<br />
dass die Grenze um drei Uhr nachmittags<br />
schliesst, wird geflissentlich überhört. Als wir<br />
endlich an der Grenze ankommen, stehen wir<br />
vor geschlossenen Toren. Unsicher, was zu tun<br />
ist, wollen uns die zwei Soldaten zwingen, auf<br />
dem Parkplatz der Kaserne, auf den die Sonne<br />
knallt – im Auto sind es 46 Grad –, zu übernachten.<br />
Prima! Ich als einzige Frau, keine Toilette<br />
auf dem Areal, dafür eine Menge neugierige<br />
Soldatenaugen. Wir bestehen darauf, in<br />
einem Hotel zu übernachten und finden<br />
schliesslich eine Unterkunft. Erst nachdem wir<br />
eingecheckt haben und die Soldaten dem Manager<br />
unsere Pässe ausgehändigt haben, ziehen<br />
sie sich zurück. Morgens um sieben lässt sich<br />
TÜRKEI<br />
ARM.<br />
IRAK<br />
SAUDI<br />
ARABIEN<br />
ASERBEID-<br />
SCHAN<br />
Tabriz<br />
Kaspisches Meer<br />
Teheran<br />
Qom<br />
K ATAR<br />
Esfahan<br />
Shiraz<br />
Semnan<br />
Dasht-e-Kavir<br />
Yadz<br />
IRAN<br />
V.A.E.<br />
TURKMENISTAN<br />
Kaluts<br />
Mashad<br />
Bam<br />
Bandar Abbas<br />
der Mann zum Glück erweichen, uns die Pässe<br />
auszuhändigen und nicht auf die Eskorte zu<br />
warten, damit wir gleich zur Grenze fahren<br />
können. Der Grenzübertritt klappt reibungslos,<br />
nach einer Stunde werden wir mit einem herzlichen<br />
«Happy welcome in Pakistan» von den<br />
pakistanischen Zöllnern empfangen. Ich bin<br />
froh, muss ich nun nicht mehr peinlich darauf<br />
bedacht sein, meine Haare zu bedecken.<br />
Mirjaveh<br />
AFGHANI-<br />
STAN<br />
PAKISTAN<br />
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