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ZEITGESCHICHTE<br />
Rehabilitierung jetzt!<br />
Zum Treffen <strong>de</strong>r Initiative „40 Jahre Radikalenerlass“<br />
GEW SERVICE<br />
Kostenlose Broschüren<br />
bestellen<br />
von Beate Bongard<br />
Das Kölner DGB-Haus war am<br />
Samstag, <strong>de</strong>m 20. Oktober 2012<br />
Schauplatz eines ungewöhnlichen<br />
Treffens: Aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn reisten<br />
Menschen zu einer Tagung an,<br />
die in Folge <strong>de</strong>s sog. Radikalenerlasses<br />
vom 28.1.1972 vom<br />
Berufsverbot betroffen waren.<br />
Begleitet wur<strong>de</strong>n sie von Nichtbetroffenen,<br />
die sich seit Jahren<br />
über dieses dunkle Kapitel<br />
unserer jüngsten Geschichte empören<br />
und nicht bereit sind, <strong>de</strong>n<br />
Mantel <strong>de</strong>s Vergessens darüber zu<br />
breiten.<br />
Für jüngere GEW-Mitglie<strong>de</strong>r<br />
muss man vermutlich kurz<br />
erklären: Vor 40 Jahren wur<strong>de</strong><br />
dieser unselige Radikalenerlass<br />
vom damaligen Bun<strong>de</strong>skanzler<br />
Willy Brandt („Mehr Demokratie<br />
wagen“!) und <strong>de</strong>n Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />
beschlossen mit <strong>de</strong>r Zielsetzung,<br />
<strong>de</strong>n 68er-Lehramtsstu<strong>de</strong>nten<br />
<strong>de</strong>n Eintritt in <strong>de</strong>n Schuldienst<br />
zu verweigern und ein Klima<br />
<strong>de</strong>r Einschüchterung zu schaffen.<br />
Hatte man sich in linken<br />
Hochschulgruppen o<strong>de</strong>r in<br />
sozialistischen/kommunistischen<br />
Organisationen betätigt, sah<br />
man sich von einem akribisch<br />
arbeiten<strong>de</strong>n „Verfassungsschutz“<br />
( Ja, gegen links funktionierte<br />
<strong>de</strong>r einwandfrei!) mit „Erkenntnissen“<br />
konfrontiert. Zum<br />
Beispiel: „Sie haben am ... an<br />
einer Demonstration gegen <strong>de</strong>n<br />
Vietnamkrieg teilgenommen.“<br />
O<strong>de</strong>r: „Sie haben die Absicht<br />
geäußert, Mitglied <strong>de</strong>r DKP wer<strong>de</strong>n<br />
zu wollen.“ Die Betroffenen<br />
mussten sich in sog. Anhörungen<br />
rechtfertigen und in <strong>de</strong>n meisten<br />
Fällen stand am En<strong>de</strong> dieser<br />
Gesinnungsprüfung fest: Für<br />
diese Kolleginnen und Kollegen<br />
bleibt das Schultor verschlossen!<br />
Diese Praxis wur<strong>de</strong> absur<strong>de</strong>rweise<br />
auch auf Bun<strong>de</strong>sbeamte bei<br />
Bahn und Post ausgeweitet und<br />
in Köln wur<strong>de</strong> sogar ein Friedhofsverbot<br />
für einen dort arbeiten<strong>de</strong>n<br />
Gärtner ausgesprochen.<br />
Nun ist das alles lange her. Warum<br />
also so ein „Veteranentreffen“<br />
in Köln?<br />
Viele <strong>de</strong>r damals Betroffenen<br />
sind mittlerweile Rentner und<br />
je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich in zahlreichen Prozessen<br />
ins Angestelltenverhältnis<br />
geklagt hat (z. B. die Verfasserin<br />
dieses Berichts - sechs Prozesse<br />
in zwei Jahren) stellt fest, dass<br />
seine Überzeugungstreue ihn<br />
per Monat 500-600 Euro kostet,<br />
weil er - im Gegensatz zu seinen<br />
gleichaltrigen Kolleginnen und<br />
Kollegen - keine Beamtenpension<br />
bezieht.<br />
Diejenigen, die nach Jahren<br />
<strong>de</strong>s Kampfes dann doch noch<br />
verbeamtet wur<strong>de</strong>n, merken an<br />
ihrer Pension, dass ihnen etliche<br />
Dienstjahre fehlen, weil <strong>de</strong>r Staat<br />
ihnen verbot, im Lehrerberuf zu<br />
arbeiten.<br />
Was die in Köln Versammelten<br />
aber noch viel mehr ärgerte: Bis<br />
heute gibt es keine Entschuldigung,<br />
keine Rehabilitierung,<br />
noch nicht einmal eine offizielle<br />
Aufhebung <strong>de</strong>s Radikalenerlasses<br />
(Ausnahme: Bremen).<br />
Auch ist in Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn wie<br />
Bayern noch lange kein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Schnüffelpraxis in Sicht; dort<br />
wur<strong>de</strong> noch vor Kurzem ein Fragebogen<br />
an Bewerber im öffentlichen<br />
Dienst ausgeteilt, in <strong>de</strong>m<br />
diese <strong>de</strong>tailliert über ihre politische<br />
und religiöse Gesinnung<br />
Auskunft geben müssen. Wie bei<br />
<strong>de</strong>r strafrechtlichen Verfolgung<br />
Homosexueller durch <strong>de</strong>n Paragraf<br />
175 (<strong>de</strong>r übrigens erst 1994<br />
abgeschafft wur<strong>de</strong>), kann man<br />
auch bei <strong>de</strong>n Berufsverboten von<br />
legalisiertem Unrecht sprechen,<br />
das man staatlicherseits langsam<br />
einsehen und bedauern könnte.<br />
Begrüßenswertes Engagement<br />
<strong>de</strong>r GEW<br />
Den Worten <strong>de</strong>s GEW-Vorsitzen<strong>de</strong>n<br />
Ulrich Thöne zum 40.<br />
Jahrestag <strong>de</strong>s Radikalenerlasses<br />
ist nichts hinzuzufügen:<br />
„Politik muss aus <strong>de</strong>n Fehlern <strong>de</strong>r<br />
Vergangenheit lernen und <strong>de</strong>mokratisches<br />
Denken in einer pluralistischen<br />
Gesellschaft zulassen<br />
und stärken. Radikalenerlass und<br />
Berufsverbote waren ein verhängnisvoller<br />
Fehler, <strong>de</strong>r sich nicht<br />
wie<strong>de</strong>rholen darf. Er hat das Leben<br />
zahlreicher Menschen massiv<br />
beeinträchtigt, ihnen Berufs -<br />
und Lebenschancen genommen.<br />
Der Staat schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Opfern<br />
bis heute eine Rehabilitation.“<br />
In diesem Sinne hat <strong>de</strong>r GEW-<br />
Hauptvorstand in einer Resolution<br />
am 16. März 2012 entsprechen<strong>de</strong><br />
For<strong>de</strong>rungen an die<br />
Politik gestellt.<br />
Auf <strong>de</strong>r Tagung in Köln wur<strong>de</strong>n<br />
diese For<strong>de</strong>rungen mit Leben gefüllt.<br />
In etlichen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
wur<strong>de</strong>n von Initiativen Anträge<br />
an die Petitionsausschüsse <strong>de</strong>r<br />
Län<strong>de</strong>rparlamente gestellt, <strong>de</strong>m<br />
Beispiel Bremen zu folgen, das<br />
am 10.11.2011 im Koalitionsvertrag<br />
beschlossen hat: „Das<br />
bisherige Vorgehen muss eingestellt<br />
wer<strong>de</strong>n; über eine i<strong>de</strong>elle<br />
Entschädigung ist nachzu<strong>de</strong>nken.“<br />
Auch unser Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt<br />
soll aufgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />
sich von <strong>de</strong>n Berufsverboten<br />
in West<strong>de</strong>utschland ein<strong>de</strong>utig<br />
- im Namen <strong>de</strong>r Freiheit, die ja<br />
erklärtermaßen sein wichtigstes<br />
Thema ist - zu distanzieren.<br />
Die Verfasserin erlaubt sich<br />
abschließend, ihren persönlichen<br />
Traum mitzuteilen: Ich will<br />
meine Verfassungsschutzakte<br />
sehen, um nachlesen zu können,<br />
wer die zahlreichen, <strong>de</strong>tailliert<br />
mit Datum und Ort aufgelisteten<br />
Erkenntnisse über meine politischen<br />
Aktivitäten gesammelt hat.<br />
Aber ich befürchte: Dies wird<br />
ein Traum bleiben - es han<strong>de</strong>lt<br />
sich ja nicht um Stasi-Akten!<br />
Nutzen Sie das Angebot auf <strong>de</strong>r Internetseite<br />
<strong>de</strong>r GEW NRW!<br />
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Die Internetseite www.gew-nrw.<strong>de</strong> aufrufen.<br />
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Endlich erwachsen!<br />
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(siehe: www.nds-verlag.<strong>de</strong>).<br />
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