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Schnupftabak Informationen - Gesunde Schulen

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<strong>Schnupftabak</strong> – Hintergrundinformationen 1<br />

Das vorliegende Dokument hat den Zweck, <strong>Informationen</strong> zum aktuell in Mode gekommenen<br />

<strong>Schnupftabak</strong>konsum an der Sekundarschule in Gelterkinden zu liefern und damit eine Entscheidungshilfe<br />

für zu treffende Massnahmen im Umgang mit den jugendlichen Konsumierenden zu geben.<br />

Es richtet sich in erster Linie an die Steuergruppe Gesundheitsförderung und in zweiter Linie an<br />

die Schulleitung der Sekundarschule Gelterkinden.<br />

1. Problem<br />

Auf den Baselbieter Pausenplätzen zeigt sich der Trend, Tabak in Form von <strong>Schnupftabak</strong> zu konsumieren.<br />

Es stellt sich nun die Frage, ob auf dabei erwischte Schülerinnen und Schüler dasselbe Strafmass<br />

wie beim Zigarettenrauchen angewendet werden soll.<br />

2. Tabakkonsum auf verschiedene Arten<br />

Tabak kann auf ganz verschiedene Arten konsumiert werden:<br />

- Im Vordergrund steht klar das Rauchen von Zigaretten.<br />

- Beim <strong>Schnupftabak</strong> handelt es sich um sehr fein gemahlenen Tabak, dem fast immer aromatisierende<br />

Hilfsstoffe wie Menthol, Eukalyptus, Lakritze oder Gewürze zugegeben werden. Auf den<br />

<strong>Schnupftabak</strong> wird im folgenden noch mehr eingegangen. Es gibt aber auch tabakfreie Produkte,<br />

die auf Basis von Traubenzucker hergestellt wurden und ebenfalls häufig von Jugendlichen gekauft<br />

werden.<br />

- Snus (Snuff, Skoal) sind kleine Beutel mit gemahlenem Tabak, die unter die Lippe gelegt, über rund<br />

eine Viertelstunde Nikotin und andere Tabakinhaltsstoffe abgeben. Die Dosis der aufgenommenen<br />

Stoffe ist recht hoch, auch wenn „snusen“ insgesamt als weniger gesundheitsschädlich gilt als das<br />

Zigarettenrauchen. Snus erfreuen sich laut befragten Tabakwarenhändlern bei einigen Jugendlichen<br />

grosser Beliebtheit, werden aber von Lehrpersonen meistens nicht wahrgenommen.<br />

- Schliesslich wird Tabak auch in der Wasserpfeife geraucht. Da es sich dabei um eine eher rituelle Angelegenheit<br />

handelt, die Geräte über der durchschnittlichen Schulsackgrösse bedingt, spielt die Wasserpfeife<br />

im Schulumfeld keine Rolle und kann getrost der Verantwortung der Eltern überlassen<br />

werden.<br />

3. Nicotin, Karzinogene und andere Giftstoffe im geschnupften Tabak<br />

Nicotin ist ein sehr starkes Zellgift, das in geringer Dosierung stimulierend auf das vegetative Nervensystem<br />

wirkt. Durch eine Freisetzung von Adrenalin im Nebennierenmark wird der Sympathikusanteil<br />

gestärkt, womit man den aufweckenden Effekt beim Tabakkonsum erklären kann. Es sind weiter erregende<br />

Wirkungen im Zentralnervenssystem nachweisbar, bei mittlerer Dosierung lassen sich leichter<br />

Tremor (Zittern) und eine Stimulation der Atmung beobachten. Auf weitere giftige Wirkungen kann<br />

hier nicht eingegangen werden, es sei auf pharmakologische Literatur (siehe Quellenangaben) verwiesen.<br />

Ab einer Dosierung von 50 mg kann Nicotin tödlich wirken, man stirbt durch Atemlähmung. Bei<br />

chronischer Aufnahme führt Nicotin zu einer Gewöhnung, das heisst, der Körper stellt sich auf eine<br />

wiederholte Nicotinzufuhr ein und reagiert durch Stimulation eines Bereiches des Zentralnervensystems<br />

mit einem „Lerneffekt“, einem unterschwelligen Verlangen nach der nächsten Nicotindosis. Gemeinsam<br />

mit dem Rauch-Zeremoniell führt die Gewöhnung schnell zu einer starken Gewohnheitsbildung.<br />

Die Wirkung anderer Giftstoffe im Tabak spielt insbesondere beim Rauchen eine wichtige Rolle, weil<br />

sie beim Verbrennen erst erzeugt werden. Über Stoffe, die beim Konsum über Mund- oder Nasenschleimhaut<br />

aufgenommen werden, weiss man fast nichts, da einschlägige Studien sich auf den Tabakkonsum<br />

durch Rauchen beschränken. Einzelne Studien, die das Snusen berücksichtigen, sind nur in<br />

Schweden auffindbar. Da dabei die Wirkstoffaufnahme der des Schnupfens ähnelt, können gewisse<br />

Vergleiche vorsichtig angestellt werden.<br />

Laut dem Fact Sheet der SFA (Schweiz. Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme) ist auch<br />

beim Snus-Konsum ein erhöhtes Krebsrisiko nachweisbar. Dabei werden allerdings keine Quellen zitiert.<br />

Die SFA beschreibt weiter Schleimhautentzündungen, die durch die Reizung bei chronischem Tabakschnupfen<br />

auftreten können, sowie weitere, ähnliche krankhafte Veränderungen der Nasenschleimhäute.<br />

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat in der Pressemitteilung vom 1.12.2004 erklärt,<br />

dass alle Formen von Tabakkonsum krebserregend sind. Dabei sind vor allem „die tabak-spezifischen<br />

Nitrosamine N'-Nitrosonornikotin (NNN) und 4-(Methylnitrosamino)-1-(3-pyridyl)-1-butanon<br />

(NNK)“ die häufigsten Karzinogene (Krebserreger) im nicht gerauchten Tabak. Man muss hier aber<br />

wiederum anmerken, dass die Menge an Karzinogenen im Tabakrauch um ein Vielfaches grösser ist.<br />

Quellen oder Zahlen liefert das Deutsche Krebsforschungszentrum leider nicht.<br />

Zahlen konnte ich in einer Studie finden, die Herzinfarktrisiken bei Tabaksnusen und -Rauchen bei<br />

Männern in mittleren Jahren (35 bis 64) verglich. Dabei konnte eine leichte Erhöhung des Infarktrisikos<br />

bei Tabaksnusern und eine deutlich stärkere bei Tabakrauchern festgestellt werden (Huhtasaari et al.,<br />

1992). Lewin, Norell et al. fanden heraus, dass sich die erhöhten Krebsrisiken bei Tabakrauchen und<br />

gleichzeitigem Konsum von Alkohol (mehr als 50g/d) multiplizieren („Additiver Synergismus“: Wirkung,<br />

die über die Addition der beiden Einzelwirkungen hinausgeht). Keine additiven Synergismen<br />

konnte bei Tabaksnusen und gleichzeitigem Alkoholkonsum festgestellt werden.


<strong>Schnupftabak</strong> – Hintergrundinformationen 2<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass die wenigen Studien die Aussage erlauben, dass Tabaksnusen<br />

und damit höchstwahrscheinlich auch Tabakschnupfen zwar klar gesundheitsschädlich ist, die Gefahr<br />

von Folgeschäden dabei jedoch deutlich geringer ist als beim Konsum von Rauchtabak.<br />

4. Mögliche Gründe für den Konsum von <strong>Schnupftabak</strong><br />

<strong>Schnupftabak</strong> kommt bei Erwachsenen vor allem deswegen zunehmend in Mode, weil die Nichtraucherschutzmassnahmen<br />

immer strenger werden und weil man sich Tabak (bzw. Nicotin) auf eine die<br />

Gesundheit weniger schädigende Weise zuführen möchte. Man spricht dabei in Nordamerika von<br />

„Smokeless Tobacco“.<br />

Bei Jugendlichen dürfte eher ein provozierendes Verhalten Auslöser für den <strong>Schnupftabak</strong>konsum<br />

sein: man bewegt sich in einer Grauzone, der Gebrauch ist (noch) nicht klar verboten oder klar erlaubt,<br />

und damit etwas frech.<br />

Da beim Schnupfen ebenfalls Nicotin langsam über die Nasenschleimhaut aufgenommen wird, muss<br />

man davon ausgehen, dass Tabakschnupfen zu einer Gewohnheitsbildung führen kann: ein weiterer<br />

Grund, <strong>Schnupftabak</strong> zu konsumieren.<br />

5. Physiologische Abläufe beim Tabakschnupfen<br />

Grundsätzlich gelangt bei einer Prise <strong>Schnupftabak</strong> eine grosse Menge Nikotin auf die Nasenschleimhäute<br />

und wird dort langsam aufgenommen. Über die Art oder die Geschwindigkeit der Resorption<br />

konnte ich keine Angaben finden, wohl wieder, weil sich die Studien auf die Resorption beim Rauchen<br />

konzentrieren. Ein gewisser Tobias Jung schreibt als erfahrener Tabakschnupfer auf seiner Homepage,<br />

dass die Resorption des Nicotins durch die Nasenschleimhäute sehr gering sei:“Geht man von der in<br />

Milligramm gemessenen Menge aus, müsste man (übertrieben ausgedrückt) den ganzen Tag wie ein<br />

Bekloppter schnupfen, um nur die Nikotinmenge einer einzigen Zigarette aufzunehmen.“ Er schreibt<br />

aber gleich noch dazu: „Geht man vom persönlichen Empfinden aus, zeigt sich ein anderes Bild.“ Leider<br />

gibt Tobias Jung keine Quellen an: Es wäre ausgesprochen interessant zu wissen, wer in welcher<br />

Art und Weise die über die Nasenschleimhaut aufgenommene Nicotinmenge bestimmte.<br />

In Erfahrungsberichten und eigenen Versuchen kann man feststellen, dass sich ein „Kick“ einstellt.<br />

Damit ist ein starkes körperliches Empfinden sofort nach dem Schnupfen gemeint. Allerdings muss<br />

hinzugefügt werden, dass sich das Gefühl auch bei den auf Traubenzucker basierenden Produkten und<br />

selbst Bio-Weizenmehl von Coop einstellt. Das kann damit erklärt werden, dass die Berührung der Nasenschleimhäute<br />

mit verschiedenen Substanzen (insbesondere Menthol, Eukalyptus und anderen!)<br />

einem Schmerz-Stressreiz auslöst, der darauf reflektorisch zu einer Nervenerregung führt. Diese Stressantwort<br />

kann nachher aus leichten Ausschüttungen von Adrenalin, Cortisol und anderen „Stresshormonen“<br />

bestehen, die die Nicotinwirkung zuerst simulieren und später verstärken. Die Geschwindigkeit,<br />

mit der der „Kick“ einsetzt, untermauert den Umstand einer reflektorischen Wirkung (Wirkung<br />

durch Nervenreize statt echter Substanzwirkung). Auf jeden Fall ist der „Kick“ weitgehend Nicotinunabhängig,<br />

kann durch den Wirkstoff höchstens verlängert werden.<br />

Wird <strong>Schnupftabak</strong> chronisch eingenommen, sind neben der bereits angetönten Gewohnheitsbildung<br />

und dem erhöhten Krebsrisiko mit Sicherheit auch Schädigungen der Nasenschleimhäute zu erwarten:<br />

die SFA nennt im Fact Sheet chronische Nasenschleimhautentzündung, Sinusitis und Einschränkung<br />

des Geruchssinns.<br />

6. Gesetzliches<br />

Ab Januar 2007 wird der Verkauf von Tabakwaren an Jugendliche unter 18 Jahren im Kanton Baselland<br />

verboten (Kantonales Alkohol- und Tabakgesetz). Dabei ist für die Sekundarschule wichtig, dass<br />

sich nicht die konsumierenden Jugendlichen strafbar machen, sondern das Verkaufspersonal, das Tabakwaren<br />

ohne Altersüberprüfung abgibt. Trotzdem kann man sich fragen, ob die Massnahmen<br />

„Rauchfreie Schule“ im Sinne einer Verschärfung angepasst werden sollen.<br />

7. Empfehlungen der Steuergruppe Gesundheitsförderung<br />

Wir empfehlen bis zum Inkrafttreten des neuen Kantonalen Alkohol- und Tabakgesetzes (KaATG), dass<br />

bei <strong>Schnupftabak</strong>konsum die Eltern informiert werden, sonst aber keine besonderen Massnahmen getroffen<br />

werden. Wir begründen das mit drei Argumenten:<br />

- Die unmittelbaren medizinischen Auswirkungen fallen deutlich weniger ins Gewicht als beim Rauchen<br />

von Tabak.<br />

- Der rituelle Charakter der Konsumation ist zeitlich und vom Aufwand her sehr stark verkürzt, bzw.<br />

vereinfacht. Man steht nicht in Gruppen herum und produziert für alle deutlich sichtbare Rauchfahnen.<br />

Und schliesslich sind keine weiteren, passivrauchenden Personen unfreiwillig betroffen.<br />

- Mit dem Tabakschnupfen wollen die Jugendlichen provozieren. Wenn wir als Lehrpersonen ruhig<br />

reagieren können und ohne „Hexenjagd“ handeln, dann nehmen wir den Provokationsanreiz weg.<br />

Dieselbe Massnahme empfehlen wir auch bei Snus-Konsum.<br />

Wie oben geschrieben, denken wir, dass die Massnahmen bei erwischten Tabaksünderinnen und -sündern<br />

bald überdacht und den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst, sprich verschärft<br />

werden sollten.


<strong>Schnupftabak</strong> – Hintergrundinformationen 3<br />

Quellenangaben<br />

Pressemitteilung Deutsches Krebsforschungsinstitut:<br />

http://www.dkfz-heidelberg.de/de/presse/pressemitteilungen/2004/dkfz_pm_04_49.php (05.11.2006)<br />

SFA-ISPA Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme:<br />

Factsheet <strong>Schnupftabak</strong> und Fact Sheet Snus.<br />

Tobacco and myocardial infarction: ist snuff less dangerous than cigarettes? Huhtasaari F et al., Lulea-Boden<br />

Hospital, Sweden, Nov. 1992.<br />

Smoking tobacco, oral snuff, and alcohol in the etiology of squamous cell carcinoma of the head and neck<br />

A population-based case-referent study in Sweden. Freddi Lewin, Staffan E. Norellet al. Karolinska Hospital,<br />

Stockholm, 1998.<br />

Erläuterungen des Regierungsrates zum Kantonalen Alkohol- und Tabakgesetz (Abstimmungsvorlagen vom<br />

24. September 2006)<br />

Kantonales Alkohol- und Tabakgesetz (KaATG): GS 35.1004<br />

Amtsblattauszug zum Inkrafttreten des (KaATG):<br />

http://www.bl.ch/docs/amtsblatt/politrech/2/polit2006-10-26.htm (8.11.2006)<br />

<strong>Schnupftabak</strong>-Forum von Tobias Jung:<br />

http://www.tobiasjung.net/html/snuff.php (5.11.2006)<br />

Wikipedia zu Nicotin und <strong>Schnupftabak</strong>:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Nikotin (8.11.2006)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/<strong>Schnupftabak</strong> (8.11.2006)<br />

Pharmakologische Lehrbücher:<br />

Mutschler Arzneimittelwirkungen, E. Mutschler et al., 8. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschft mbH<br />

Stuttgart, 2001.<br />

Pharmakologie und Toxikologie, H. Lüllmann et al., 15. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2003<br />

Sekundarschule Gelterkinden – Marc Baumgartner, November 2006

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