WinterLust 2011 - Schwäbische Post
WinterLust 2011 - Schwäbische Post
WinterLust 2011 - Schwäbische Post
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
DER ERSTE SALTO AM KALTEN FELD<br />
Rolf Bleicher ist seit über 40 Jahren im SV Schwäbisch Gmünd aktiv<br />
SEITE 10<br />
SO KAMEN DIE SKI<br />
AUF DIE OSTALB<br />
Im Winter 1886 ließen sich die Brüder<br />
Paul und Albert Hartmann aus<br />
Heidenheim von Verwandten aus<br />
Schweden die ersten Schneeschuhe<br />
kommen.<br />
Anfang der 1890er Jahre dann ließ<br />
sich Pfarrer Gerok aus Essingen, der<br />
in Norwegen als Erzieher tätig war,<br />
mehrere Paar Schneeschuhe von<br />
dort schicken. Durch Pfarrer Gerok<br />
kamen Pfarrer Dreher von Degenfeld,<br />
dann Pfarrer Klett von Hengen<br />
und Pfarrer Gussmann von Gutenberg<br />
auf diese Schneeschuhe. So<br />
jedenfalls berichtet der Schneeschuhverein<br />
Schwäbisch Gmünd<br />
über die Anfänge des Skifahrens auf<br />
der <strong>Schwäbische</strong>n Alb.<br />
2012 wird der Gmünder Schneeschuhverein<br />
105 Jahre alt. In den<br />
1890er Jahren kamen durch Fritjof<br />
NansensBuch„AufSchneeschuhen<br />
durch Grönland“ angeregt, die ersten<br />
nordischen Hölzer (Ski) nach<br />
Deutschland. Der erste Skiläufer in<br />
Gmünd war ein Norweger: Herr<br />
Thune, Sohn eines Silberwarenfabrikanten<br />
aus Christiana (heute<br />
Oslo).<br />
Den Muldenlift am Kalten<br />
Feld gibt’s schon lang nicht<br />
mehr. Das Foto wurde bei<br />
der Eröffnung am 20. Januar<br />
1964 gemacht.<br />
Vor über 40 Jahren stand Rolf<br />
Bleicher das erste Mal auf Skiern.<br />
Auf Holzbrettern fuhr er auf dem<br />
Hornberg das Kalte Feld<br />
„Schuss“ den Berg hinunter, bis<br />
zur „Textilbremse“. Die Leidenschaft<br />
hatte ihn gepackt und lässt<br />
ihn bis heute nicht mehr los. Mittlerweile<br />
engagiert sich Bleicher<br />
seit über 40 Jahren im Schneeschuhverein<br />
und dessen Ski- und<br />
Snowboardschule.<br />
BENJAMIN LEIDENBERGER<br />
16 Jahre sei er damals alt gewesen,<br />
als ihn ein Freund mitnahm zum Skifahren.<br />
„Die Skier hatte ich geschenkt<br />
bekommen“, erinnert sich<br />
der heute 58-Jährige. „Die Eltern hatten<br />
ja wenig Geld.“ Zur ersten Fahrt<br />
ging es von Schwäbisch Gmünd aus<br />
– mit dem Linienbus – auf den Hornberg.<br />
Richtige Holzlatten seien die Ski<br />
damals noch gewesen. Ein u-förmiges<br />
Blech und Lederriemen als Bindung,<br />
mit denen man Gummistiefel<br />
festgezurrt habe. Roter Gleitlack auf<br />
den Holzbrettern minimierte die Reibung.<br />
Und dann wurde geradeaus<br />
gerutscht oder es ging in einer<br />
Schussfahrt den Hang hinunter, bis<br />
der quasi unvermeidliche Sturz die<br />
Fahrt beendete: „die Textilbremse.“<br />
Bis heute hat sich der Sport gewaltig<br />
weiterentwickelt. Kunststoffe haben<br />
teilweise Holz ersetzt. Auch das Fahren<br />
an sich habe sich technisch weiterentwickelt.<br />
Seit damals seine Leidenschaft<br />
fürs Skifahren geweckt<br />
worden war, hat Rolf Bleicher bis zur<br />
heutigen Carvingtechnik ständig mitgehalten.<br />
Damals trat er dem Schneeschuhverein<br />
Gmünd bei und absolvierte kurz<br />
darauf die Übungsleiterprüfung des<br />
Deutschen Skiverbandes. Bis heute<br />
unterrichtet er in der Skischule des<br />
Vereins, besucht alle zwei Jahre Fortbildungen<br />
für Skilehrer, um auf dem<br />
neusten Stand zu bleiben. Ein begeisterter<br />
Übungsleiter sei er vor allem<br />
deshalb, um den jungen Menschen<br />
etwas beizubringen. „Es macht Spaß,<br />
wenn man sieht, wie jemand Fortschritte<br />
macht, zu sehen, wie sich die<br />
Kinder freuen, wenn etwas geklappt<br />
hat.“<br />
Breitensport wird im SV trainiert. Im<br />
Gmünder Schneeschuhverein gibt es<br />
aber auch eine Renngruppe – sozusagen<br />
als vereinseigene Talentschmiede.<br />
„Wenn wir Talente erkennen,<br />
dann empfehlen wir ihnen, in<br />
unsere Renngruppe zu gehen.“ Wer<br />
wirklich professionell Skifahren wolle,<br />
der müsse schon im Alter von acht<br />
bis zehn Jahren die entscheidenden<br />
Schritte machen. Außerdem bedürfe<br />
Rolf Bleicher im „Spitzenstand“.<br />
es für eine Karriere auch der zeitintensiven<br />
Mithilfe der Eltern.<br />
Für Bleicher selbst waren Skirennen<br />
nicht so attraktiv. Vielmehr habe er<br />
schon ganz früh das Trickskifahren<br />
für sich entdeckt. Schanzen bauen<br />
und darüber springen war einfach<br />
das Größte für ihn. „Ich war der Erste,<br />
der auf dem Kalten Feld einen Salto<br />
gestanden hat“, berichtet Bleicher<br />
zurecht nicht ohne Stolz.<br />
Vor allem aber habe es Spaß gemacht,<br />
als einer der Ersten überhaupt<br />
die neuen Disziplinen zu lernen. Damals<br />
in den 80er Jahren, von den berühmtesten<br />
Pionieren und Idolen,<br />
wie zum Beispiel den Brüdern Fuzzy<br />
und Ernst Garhammer. Über Mattenschanzen<br />
hätten sie ihre Tricks ins<br />
Wasserbecken gesprungen. Zwei bis<br />
drei Grad kalt sei das Wasser gewesen.<br />
„Da war man schnell wieder<br />
draußen“, lacht Bleicher. Freestyle,<br />
Buckelpiste und Skiballett sei er damals<br />
gefahren. Auch zuhause, an der<br />
Winterhalde in Degenfeld, sei er bei<br />
Flutlicht zu Musik aus den Liftboxen<br />
gefahren. „Da habe ich mich zum<br />
Beispiel öfters auf die Skispitzen gestellt.“<br />
Noch heute beherrscht der<br />
Skikönner den „Spitzenstand“.<br />
Auch das Engagement für die Skischule<br />
umfasst bei Rolf Bleicher ein<br />
breites Spektrum: jahrelang hat er<br />
Skigymnastikkurse angeleitet, für Jedermann<br />
und auch für den Schnee-<br />
(Foto: privat)<br />
schuhverein. Bei Bergwacht und Alpenverein<br />
war er darüber hinaus jahrelang<br />
Tätigkeit, 16 Jahre lang gab er<br />
den Schriftführer in der Ski- und<br />
Snowboardschule. Und er war Organisator<br />
und Begleiter von unzähligen<br />
Ski-Wochenausfahrten und Tagesausfahrten<br />
für Jung und Alt in die Alpen.<br />
Unzählig sind die Skikurse die er<br />
im heimischen Gelände in Degenfeld<br />
am Skilift Winterhalde gehalten hat.<br />
Es ist eine lange Zeit, in der Bleicher<br />
den Pistensport begleitet. Natürlich<br />
habe es mit den Jahren auch Veränderungen<br />
in der Ski- und Snowboardszene<br />
gegeben. „Zu meiner Zeit ist<br />
man nach dem Skilaufen immer noch<br />
zusammengesessen, hat sich Geschichten<br />
erzählt, gesungen oder gespielt.“<br />
Unvergessene Zeiten seien<br />
das für ihn gewesen, die noch heute<br />
in der Erinnerung präsent sind. „Ich<br />
kann nur den jüngeren Generationen<br />
raten: nutzt gemeinsame Stunden, in<br />
denen geredet wird, denn wahre<br />
Freundschaft ist unbezahlbar.“<br />
Über den Sommer hält sich der sportbegeisterte<br />
58-Jährige mit Mountainbikefahren,<br />
Joggen und Nordic Walking<br />
fit. „Früher wurde ich über den<br />
Sommer richtig hibbelig“, sagt Bleicher.<br />
Heute sei er gelassener. Trotzdem<br />
wartet er schon sehnsüchtig auf<br />
die ersten Flocken, um wieder auf die<br />
Bretter zu können. Denn er ist Skifahrer<br />
aus Leidenschaft.