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-Zeitung<br />
Rheinland-Pfalz<br />
12 / 08<br />
Fotos (Titelseite + S. 14 - 17): Lucas Schmitt<br />
BERICHTE ZUM TAG DER<br />
FRÜHKINDLICHEN BILDUNG<br />
S. 14-17<br />
BILDUNGSMINISTERIN<br />
DORIS AHNEN<br />
IM GESPRÄCH<br />
(S. 12-13)
KOLUMNE / KOMMENTAR / INHALT<br />
Einige zornige<br />
Zeilen und eine<br />
ehrliche Episode<br />
Wenn diese Ausgabe postalisch bei unseren<br />
Mitgliedern angekommen ist, sind es<br />
gerade mal noch zwei Wochen bis Weihnachten<br />
und drei bis zum neuen Jahr. Ist<br />
schon irgendwie komisch, bei strahlendem<br />
Herbstwetter in der ersten Novemberwoche<br />
dieses Editorial zu schreiben und<br />
dabei nicht vergessen zu dürfen, ein schönes Weihnachtsfest sowie ein<br />
glückliches Jahr 2009 zu wünschen. Dies sei hiermit vorneweg geschehen,<br />
bevor im üblichen Eifer des verbalen Gefechtes am Ende kein<br />
Platz mehr bleibt.<br />
Gründe, sich aufzuregen, gibt es schließlich immer. Die Lehrkräfte<br />
dürfen nun richtig gespannt sein, wie lange der Unterricht am letzten<br />
Schultag wohl gehen wird. Eigentlich ist ja der erste Ferientag ein<br />
Montag und nicht der Samstag davor; folglich müsste am Freitag regulär<br />
unterrichtet werden. Und nicht nur bis 13 Uhr, wie fälschlicherweise<br />
dargestellt wurde, sondern an manchen Schularten wie den Berufsbildenden<br />
Schulen auch nachmittags und abends.<br />
Scherz beiseite. Aber dass dieses Thema hier nochmals aufgewärmt wird,<br />
zeigt, wie verletzend die völlig unverständliche Entscheidung kurz vor<br />
den Herbstferien für uns Lehrkräfte war. Unerträglich, diese Häme<br />
in den Medien und auch der Spott, die Lehrerverbände seien es doch,<br />
die immer gegen Unterrichtsausfall protestierten. Als ginge es bei der<br />
Regelung für den letzten Schultag um die Faulheit der LehrerInnen,<br />
die ihren letzten Arbeitstag vor dem Urlaub schon als solchen sähen.<br />
So sinngemäß zu lesen in der „Rheinpfalz“ - da auch gleich zweimal<br />
in der regulären und der Sonntags-Ausgabe.<br />
Wir haben das verkraftet und würden auch eine Abschaffung der Regelung<br />
verkraften. Wäre schließlich nur eine Petitesse verglichen mit dem,<br />
was die Lehrkräfte in den letzten Jahren / Jahrzehnten an Verschlechterungen<br />
ihrer Arbeitsbedingungen hinnehmen mussten. Und dumme<br />
Sprüche von Leuten, die anscheinend lebenslang ihre Schultraumata mit<br />
sich herumschleppen, sind eh Alltag. Über die bequemen „Schullehrer“<br />
meinte bspw. ein Glossenschreiber in der „Rheinpfalz am Sonntag“ in<br />
grässlichem Pfälzisch herziehen zu können, wobei auch noch durch die<br />
Wortwahl „Schullehrer“ die Qualifikation von Lehrkräften in vorakademische<br />
Ausbildungszeiten zurückverlegt werden sollte.<br />
„Es ist schon immer so gewesen, am letzten Tag wird vorgelesen.“ Mit<br />
dem uralten Reim konnte die Volksschulklasse des Verfassers dieser<br />
zornigen Zeilen schon vor über fünfzig Jahren ihren „Schullehrer“,<br />
ansonsten alles andere als ein feinfühliger Pädagoge, davon überzeugen,<br />
AUS DEM INHALT <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 12 / 08:<br />
Kolumne / Kommentar / Tarifrunde Seiten 2 - 4<br />
Bildungspolitik Seiten 4 - 7<br />
Schulen Seiten 8 - 11<br />
Schulische Erfahrungen bekannter … Seiten 12 - 13<br />
Sozialpädagogik Seiten 14 - 17<br />
Hochschulen / Kultur Seiten 18 - 20<br />
Gesellschaft / Generation 60+ / <strong>GEW</strong> int. Seiten 21 - 25<br />
Tipps + Termine Seiten 26 - 28<br />
Kreis + Region Seiten 29 - 31<br />
Schulgeist Seite 32<br />
keinen „normalen“ Unterricht zu machen. Kinder und Jugendliche<br />
sind eben keine Maschinen, in die man möglichst lange möglichst viel<br />
reinstopfen kann, um möglichst viel Output zu bekommen. Lernen<br />
ist viel, viel mehr als die Summe der gehaltenen Stunden und des<br />
eingetrichterten Stoffes. (Sorry, an dieser Stelle so etwas Banales sagen<br />
zu müssen.) Unsere SchülerInnen lernen zum Beispiel ganz arg viel,<br />
wenn am letzten Schultag vor den Ferien eine schöne Weihnachtsfeier<br />
ausgerichtet wird. Von und mit ihnen, nicht nur für sie. Viele kennen<br />
das aus ihrem familiären Umfeld ja gar nicht mehr: in gemütlicher<br />
Atmosphäre bei Kerzenschein kommunizieren, gemeinsam singen,<br />
Gedichte und Geschichten vortragen, von Traditionen erzählen, selbst<br />
gebastelte Geschenke austauschen. Einfach mal innehalten.<br />
Ein wahres Märchen<br />
So, jetzt ist der Ärger verraucht, und die Weihnachtsstimmung kommt<br />
auch bei 17 Grad auf. Jahreszeitadäquat muss auf den Stress ein<br />
Märchen folgen. Richtig harmonisch, beschaulich, anrührend. Leider<br />
können wir damit nicht dienen, dagegen „nur“ mit einer völlig wahren<br />
Geschichte. Lehrertypisch bedarf es allerdings einiger erklärender Vorbemerkungen<br />
über die Spezies Politiker: Die sind in unserer repräsentativen<br />
Demokratie bekanntlich Volksvertreter und müssen sich daher<br />
darum bemühen, vom Volk gemocht zu werden, um wieder gewählt<br />
zu werden. Von daher kennen wir zur Genüge diverse PR-Aktivitäten:<br />
Strahlende Politiker zwischen knuddeligen Kids, Bäder in der Menge,<br />
Homestories in Illustrierten...<br />
In der folgenden Geschichte steht ein Politiker im Vordergrund, der<br />
letzten Monat bekannt gegeben hat, noch ganz lange als Landesvater<br />
dienen zu wollen. Ihm sagt man ja besondere Volksnähe nach. Kritische<br />
Gewerkschaftsschreiberlinge sind da immer skeptisch und fragen<br />
sich, was nun echt und was Kalkül ist. Die nun endlich folgende Story<br />
jedenfalls ist völlig ehrlich ohne jegliche PR-Show und nur deshalb<br />
hier zu lesen, weil die 2. Protagonistin rein zufälligerweise Kollegin<br />
des Autors ist.<br />
Es begab sich an einem schönen Sommertag in der idyllischen Fußgängerzone<br />
von Speyer. Auf einer Bank ruhte sich ein grauhaariger, leicht<br />
übergewichtiger Mann Ende fünfzig, im Hauptberuf Ministerpräsident,<br />
von einer sportlichen Aktivität aus, als ihn eine reizende Lehrerin seiner<br />
Generation erblickte. Die besondere Leidenschaft der Dame besteht<br />
darin, alle angenehmen Lebenssituationen fotografisch festzuhalten.<br />
Also nahm sie jeglichen Mut zusammen, sprach den hohen Herrn an<br />
und bat um ein paar gemeinsame Fotos. Ein netter Plausch folgte, dann<br />
machte sich die Kollegin zufrieden von dannen.<br />
Die gelungensten Fotos schickte sie Tage später an ihren obersten Chef,<br />
clevererweise an seine Privatadresse in der Südpfalz. Im Begleitschreiben<br />
bat sie diskret um Unterstützung in einer dienstlichen Angelegenheit.<br />
Was sie nicht erwartet hatte: Rasch kam die Antwort, die Frage werde<br />
der entsprechenden Abteilung zugeleitet. Was sie noch weniger erwartet<br />
hatte: Von dort erhielt sie von einem hochrangigen Beamten bald einen<br />
Vorschlag, wie ihr Problem gelöst werden könne.<br />
Da war die engagierte Lehrerin absolut gerührt: Entsprechend schrieb sie<br />
dem hilfsbereiten Ministerpräsidenten, sie habe sich nie vorstellen können,<br />
dass sich ein Landesvater so rührend um seine Bürger kümmert.<br />
Mal sehen, ob der so Gelobte tatsächlich auch ihrem Vorschlag folgt und<br />
irgendwann mal auf seiner Fahrt von Steinfeld nach Mainz auf halber<br />
Strecke kurz Pause macht, um ganz unbürokratisch ihrer netten Klasse<br />
einen Besuch abzustatten.<br />
Günter Helfrich<br />
2 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
TARIFRUNDE 2009<br />
DIE TARIFRUNDE 2009 IM ÖFFENTLICHEN DIENST GEHT UNS ALLE AN -<br />
TARIFBESCHÄFTIGTE UND BEAMTINNEN IN EINEM BOOT<br />
Mehr als 40 Jahre lang gab es in der Bundesrepublik<br />
Deutschland für die Angestellten und Arbeiter von Bund,<br />
Ländern und Kommunen ein einheitliches Tarifrecht und<br />
im Wesentlichen gleichlaufende Entgeltsysteme. Ob die<br />
Tariferhöhungen hoch oder eher bescheiden ausfielen,<br />
hing zumeist von der Kampfbereitschaft der Kommunalbeschäftigten<br />
ab, nicht selten von den Beschäftigten<br />
bei der Müllabfuhr oder den kommunalen Verkehrsbetrieben.<br />
Die erzielten Tarifabschlüsse galten stets für alle<br />
Beschäftigten im öffentlichen Dienst unabhängig davon,<br />
ob sie sich aktiv an Warnstreiks oder Streiks beteiligt<br />
hatten. Für die Beamtinnen und Beamten wurden die<br />
Tarifergebnisse meist zeit- oder zumindest inhaltsgleich<br />
übernommen.<br />
Die Ministerpräsidenten der Länder haben mit ihrer<br />
Forderung nach größerer landesspezifischer Entscheidungshoheit<br />
letztendlich entscheidend dazu beigetragen,<br />
dass im Zuge der Verhandlungen über ein moderneres<br />
Tarifrecht die Tarifeinheit von Bund, Ländern und<br />
Kommunen zerschlagen wurde. Die Länder kündigten<br />
einseitig eine Reihe von für die Gewerkschaften unverzichtbaren<br />
Beschäftigungsbedingungen des Bundesangestelltentarifvertrages<br />
und schlossen sich dem 2005 mit<br />
dem Bund und den Kommunen abgeschlossenen neuen<br />
Tarifvertrag, dem TVöD, nicht an. Nach dem längsten<br />
und härtesten Streik im öffentlichen Dienst konnte den<br />
Ländern erst 2006 ein separater Tarifvertrag für die Landestarifbeschäftigten<br />
abgerungen werden.<br />
Seitdem werden die Tarifrunden für Bund und Kommunen<br />
einerseits und für die Länder andererseits zeit- und<br />
inhaltlich getrennt geführt. Als Folge der Föderalismusreform<br />
liegt es jetzt in der Entscheidungshoheit jedes<br />
einzelnen Bundeslandes, ob und in welcher Höhe die<br />
bundesweit erzielten Tarifergebnisse auf die Beamtinnen<br />
und Beamten ihres Bundeslandes übertragen werden. Gerade<br />
in Rheinland-Pfalz haben wir leidvoll erfahren, wie<br />
die Beamtinnen und Beamten abgehängt werden können.<br />
2008 haben sie statt der zwischen den Gewerkschaften<br />
und den Ländern vereinbarten Tariferhöhung von<br />
2,9% nur zweimal 0,5 % „Erhöhung“ ihrer Bezüge, über<br />
ein Jahr gestreckt, von der Landesregierung zugebilligt<br />
bekommen.<br />
Mit Bund und Kommunen konnte 2008 nach harten<br />
Auseinandersetzungen ein recht gutes Tarifergebnis erzielt<br />
werden, nämlich eine Tabellenerhöhung von 50 Euro plus<br />
weitere 3,1 % und 2,8 % plus 225 Euro Einmalzahlung<br />
für 2009. Anfang 2009 werden nun die Tarifverhandlungen<br />
für die Beschäftigten der Länder aufgenommen.<br />
Im Januar werden die Gewerkschaften des öffentlichen<br />
Dienstes ihre Forderungen gegenüber der Tarifgemeinschaft<br />
der Länder nach Erhöhung des Entgelts für die<br />
rund 700.000 Tarifbeschäftigten bei den Ländern deutlich<br />
machen. In diesen Tarifverhandlungen geht es aber nicht<br />
nur um die Entgelte der Tarifbeschäftigten, sondern auch<br />
um die Besoldungserhöhung für die Beamtinnen und<br />
Beamten. Für die Beamtinnen und Beamten in unserem<br />
Bundesland steht die Zusage der Landesregierung, das<br />
Ergebnis der Tarifverhandlungen zeit- und inhaltsgleich<br />
auf ihren Bereich zu übertragen.<br />
Die Tarif- und Besoldungsrunde 2009 ist vor allem eine<br />
Runde für die im Bildungsbereich Beschäftigten. Von den<br />
bei den Ländern insgesamt rund 1,95 Mio. beschäftigten<br />
Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmern sind nahezu 1 Mio. in den Bereichen<br />
Bildung, Wissenschaft und Erziehung tätig. An den<br />
Schulen sind rund 940.000 Personen als Lehrerinnen und<br />
Lehrer, pädagogische und technische Fachkräfte oder als<br />
Fachpersonal in der schulischen Sozialarbeit beschäftigt.<br />
Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass die Arbeitgeber in<br />
der Tarif- und Besoldungsrunde den Bildungsbereich im<br />
besonderen Maße im Blick haben. Hier liegt aber auch<br />
das große Potenzial für die Durchsetzung der gewerkschaftlichen<br />
Forderungen.<br />
Gute Bildungsarbeit braucht gute Bezahlung. Die <strong>GEW</strong><br />
hat sich stets für bessere Arbeitsbedingungen an den<br />
Schulen und Hochschulen eingesetzt und wird dieses<br />
Ziel auch weiterhin vehement verfolgen. Der Einsatz für<br />
eine gerechte Entlohnung und Besoldung für die an den<br />
Schulen und Hochschulen arbeitenden Kolleginnen und<br />
Kollegen hat für uns Priorität.<br />
Die Länder müssen als Arbeitgeber und Dienstherren<br />
ihrer Verantwortung endlich nachkommen. Seit Jahren<br />
werden die öffentlichen Haushalte mit einer verfehlten<br />
Finanz- und Steuerpolitik saniert, schwindenden Steuereinnahmen<br />
wird hinterhergespart. Leidtragende waren<br />
vor allem die Beschäftigten von Bund, Ländern und Gemeinden,<br />
deren Arbeits- und Einkommensbedingungen<br />
sich zunehmend verschlechtert haben. Dass es Arbeitgebern<br />
nicht um bessere öffentliche Daseinsvorsorge, eine<br />
bessere Bildung und Erziehung ging und geht, zeigt die<br />
jüngste Entwicklung: Während über klamme Kassen<br />
geklagt wird, werden von der Bundesregierung über<br />
Nacht Milliarden locker gemacht, um spekulationsfreudige<br />
Banken zu sanieren. Die Gewinne sollen privatisiert<br />
und die Risiken vergesellschaftet werden. Dabei ist man<br />
eifrig bemüht zu verschweigen, dass die Finanzkrise<br />
auch die Folge einer verfehlten Einkommenspolitik ist.<br />
Seit Jahren geht die Kluft zwischen den Gewinnen und<br />
den Arbeitseinkommen weiter auseinander. Auch 2007<br />
ist der neutrale Verteilungsspielraum nicht ausgeschöpft<br />
worden, wodurch eine weitere Umverteilung zugunsten<br />
der Gewinne stattgefunden hat. Wachsende Gewinne<br />
haben aber nicht zu mehr Investitionen geführt, sondern<br />
zu einem Aufblähen der Finanzmärkte. Eine Ursache hierfür<br />
ist auch die schwache Binnennachfrage. Deutschland<br />
bildet im europäischen Vergleich bei der Entwicklung der<br />
Reallöhne das Schlusslicht.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
3
TARIFRUNDE / BILDUNGSPOLITIK<br />
Auch die Länder müssen ihren Anteil zur Stärkung der<br />
Binnennachfrage leisten. Das Geld für mehr staatliche<br />
Verantwortung und Gestaltung ist durchaus vorhanden.<br />
Die Staatsausgaben befinden sich seit Jahren im Sinkflug.<br />
Allein bis Ende Juli 2008 haben sich die Einnahmen der<br />
Länder gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5,3 Prozent<br />
erhöht. In den Flächenländern stiegen die Einnahmen bis<br />
Ende Juli 2008 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,8<br />
Prozent im Westen und um 4,2 Prozent im Osten. Bei<br />
den Stadtstaaten betrug die Einnahmesteigerung sogar<br />
10,8 Prozent.<br />
Für die Tarif- und Besoldungsrunde 2009 erwartet die<br />
<strong>GEW</strong> eine harte Auseinandersetzung mit den Ländern.<br />
Deshalb müssen die Verhandlungen gut vorbereitet<br />
werden. Das betrifft auch die Bereitschaft, die Verhandlungsrunden<br />
im Januar und Februar 2009 mit Aktionen<br />
und Warnstreiks zu begleiten. Unmittelbar gefordert<br />
sind zunächst die Tarifbeschäftigten, die von den Gewerkschaften<br />
rechtlich bedenkenlos zur Teilnahme an<br />
Streikaktionen aufgefordert werden dürfen. Wir gehen<br />
davon aus, dass sich unsere angestellten Kolleginnen und<br />
Kollegen im Schuldienst an notwendigen Streikaktionen<br />
der Gewerkschaften mit dem gleichen Elan und der gleichen<br />
Ausdauer beteiligen werden, wie dies im Frühjahr<br />
die Erzieherinnen und Erzieher aus den kommunalen<br />
Kindertageseinrichtungen getan haben. Zwei ganztägige<br />
Warnstreiks, an denen sich mehrere tausend Kommunalbeschäftigte<br />
allein in Rheinland-Pfalz beteiligten,<br />
waren für das gute Tarifergebnis im Kommunalbereich<br />
mitentscheidend. Mehr denn je sind in dieser Tarif- und<br />
Besoldungsrunde auch die Kolleginnen und Kollegen im<br />
Beamtenverhältnis gefordert, die Tarifauseinandersetzungen<br />
aktiv zu begleiten und zu unterstützen. Die <strong>GEW</strong><br />
wird auf der Einhaltung der Zusage bestehen, dass das<br />
Verhandlungsergebnis der Tarif- und Besoldungsrunde<br />
2009 zeit- und wirkungsgleich in das Besoldungsrecht<br />
übertragen wird.<br />
Wichtig: Alle aktuellen Informationen zur Tarifrunde<br />
2009 sind auf der neu eingerichteten <strong>GEW</strong>-Internetseite<br />
www.gew-tarifrunde.de zu finden, zu beziehen ist dort<br />
auch die Telegramm-Serie zur Tarifrunde.<br />
Klaus Peter Hammer, Sylvia Sund, Sybilla Hoffmann<br />
Kommentar<br />
BILDUNGSREFORM? STRUKTURREFORM?<br />
Jedermann / -frau ist klar: Unser Bildungssystem ist ungerecht,<br />
unsozial, antiquiert und nicht in der Lage, unsere Gesellschaft<br />
so aufzustellen, dass sie den zukünftigen Anforderungen in<br />
einer veränderten Welt gerecht werden kann.<br />
Eine der wesentlichen Ursachen dieser Situation ist unser<br />
Schulsystem. Der dreigliedrige Aufbau entspricht in keiner<br />
Weise den heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten und<br />
Erfordernissen. Dieses für unsere Zeit ungeeignete Schulsystem<br />
diskriminiert junge Menschen nach ihrer gesellschaftlichen<br />
Herkunft und verteilt Bildungschancen höchst ungerecht.<br />
Nicht zuletzt deshalb fordert die SPD - sie regiert in<br />
Rheinland-Pfalz allein - folgerichtig „Eine Schule für alle<br />
Kinder“ in ihren bildungspolitischen Zielsetzungen. Ist es<br />
da verwunderlich, wenn sich Eltern, Lehrer, Schüler und<br />
Bildungsinteressierte darauf einstellten, dass die geplante<br />
Schulstrukturreform zu einer konsequenten Anpassung an den<br />
Stand der Wissenschaft im Bildungsbereich führen würde?<br />
Doch die Realität sieht vollkommen anders aus. Es wird<br />
eine mutlose Änderung umgesetzt nach dem Motto: Nur<br />
niemanden - besonders keine konservativen Wählergruppen<br />
- verärgern. Nur keine streitige Diskussion entfachen. Die<br />
eigene Klientel, ob Bildungspolitiker, Eltern, Lehrer, Professoren,<br />
Kommunalpolitiker etc. ist da anscheinend nicht so<br />
wichtig. Die werden ja sowieso keine konservativen Parteien<br />
wählen.<br />
Ernsthaft an einem modernen und gerechten Schul- und<br />
Bildungssystem interessierten Bürgern treibt ein solches<br />
Vorgehen - je nach Temperament - die Tränen in die Augen<br />
oder die Wut ins Gesicht.<br />
Statt die ungerechte Verteilung der Bildungschancen, die<br />
ungerechte Bezahlung der Lehrkräfte der verschiedenen<br />
Schularten, die Vernachlässigung des ländlichen Raumes<br />
bei den Bildungseinrichtungen abzuschaffen und die „EINE<br />
SCHULE FÜR ALLE“ zu schaffen, zementiert man in<br />
Rheinland-Pfalz das ungerechte System und versucht - durch<br />
neue Namen und Etikettenschwindel - den Eindruck einer<br />
substanziellen Reform zu erwecken. „Die Hauptschule wird<br />
abgeschafft“ soll die Botschaft heißen - in Wirklichkeit versteckt<br />
man diese in „KOOPERATIVEN Schulformen“ und<br />
behält sie so in der Substanz bei.<br />
Was die Anpassung an die sogenannte Demographieentwicklung<br />
angeht, so werden die Kreise genötigt, Schulentwicklungspläne<br />
für viel Geld zu erstellen und dabei ihre<br />
regionalen Bedürfnisse zu formulieren. Liegen diese Pläne<br />
dann vor, so genügt z.B. der Hinweis einer nachgeordneten<br />
Behörde - der Schulabteilung bei der ADD - man solle „ein<br />
bewährtes System nicht abschaffen“ der Regierung, um die in<br />
den Räten der Verbandsgemeinden, Kreise und Städte ( der<br />
Schulträger ) getroffenen Entscheidungen zu ignorieren.<br />
Das ist keine gute Reform. Sie nutzt keine Chancen für<br />
Veränderungen zum Besseren, sie verhindert die auch von<br />
uns gewollte „EINE SCHULE FÜR ALLE“.<br />
Henning Caspari (Landesfachgruppe HS/RGS)<br />
4 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
BILDUNGSPOLITIK<br />
PROBLEME BEI DER STELLENBESETZUNG NICHT VERHARMLOSEN!<br />
„Wir fordern das Bildungsministerium auf, die Ursachen<br />
zu ergründen und die objektiv vorhandenen Probleme zu<br />
beseitigen, die für Nichtbesetzungen oder für sich über viele<br />
Monate hinziehende Verzögerungen bei der Besetzung von<br />
Schulleitungsstellen ausschlaggebend sind“, sagte der <strong>GEW</strong>-<br />
Vorsitzende Klaus-Peter Hammer gegenüber der Presse.<br />
Hammer bezog sich auf die Untersuchung und Auswertung<br />
zur Besetzung von Schulleitungsstellen, die das rheinlandpfälzische<br />
Bildungsministerium auf eine Große Anfrage der<br />
FDP-Landtagsfraktion hin vorgenommen hatte.<br />
„Derzeit 89 nicht besetzte Schulleitungsstellen bedeuten 89<br />
unzumutbare Problemfälle in den betroffenen Schulen“,<br />
meinte der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende. „Es ist wenig hilfreich,<br />
diese Problemfälle als statistisch geringfügig abzuqualifizieren<br />
und Warnungen der <strong>GEW</strong> als völlig übertriebene Darstellung<br />
der Situation zu verharmlosen“, kritisierte Hammer eine<br />
entsprechende Erklärung des Ministeriums.<br />
Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz hatte im September anhand<br />
einer statistischen Erfassung der vergangenen Jahre festgestellt,<br />
dass im Durchschnitt über alle Schularten hinweg rund 40<br />
Prozent der wieder zu besetzenden Schulleitungsstellen ein<br />
zweites Mal und rund 13 Prozent der Stellen ein drittes<br />
Mal ausgeschrieben werden mussten. Mehr als 10 Prozent<br />
konnten nach Feststellung der <strong>GEW</strong> überhaupt nicht besetzt<br />
werden.<br />
„Ursächlich dafür, dass Schulleitungsstellen nicht oder nur<br />
mit Verzögerungen besetzt werden können, sind die unzureichenden<br />
Arbeits- und Rahmenbedingungen und die in vielen<br />
Fällen wenig attraktive Bezahlung für Schulleiterinnen und<br />
Schulleiter“, betonte Hammer noch einmal. Die <strong>GEW</strong> habe<br />
nach der Veröffentlichung ihrer Zahlen im September und<br />
der Nennung der - aus Sicht der <strong>GEW</strong> - hauptsächlichen<br />
Ursachen viel Zuspruch von Lehrerinnen und Lehrern ebenso<br />
wie von Schulleiterinnen und Schulleitern erhalten. „Die<br />
Statistiken des Ministeriums werden uns nicht davon abhalten,<br />
weiter auf die Ursachen zu zeigen und die notwendigen<br />
Veränderungen gegenüber den politisch Verantwortlichen<br />
einzufordern“, stellte der <strong>GEW</strong> - Landesvorsitzende klar.<br />
pm<br />
FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN<br />
ZUR STELLENBESETZUNG<br />
Im Amtsblatt Nr. 11 vom 27.10.08<br />
waren insgesamt 63 Funktionsstellen<br />
in allen Schularten zu finden. Davon<br />
wurden 39 zur Erweiterung des Bewerberkreises<br />
erneut ausgeschrieben, hatten<br />
also keine oder nur eine Bewerbung<br />
erhalten. Das sind 61,9 %.<br />
gh<br />
„ZAHLEN DER <strong>GEW</strong> STIMMEN ABSOLUT“<br />
Helmut Thyssen, Vorsitzender im <strong>GEW</strong>-Bezirk Rheinhessen-Pfalz,<br />
hat sich intensiv mit den Problemen bei der Besetzung schulischer<br />
Funktionsstellen beschäftigt. Die <strong>GEW</strong>-Zeitung befragte ihn zur<br />
Thematik.<br />
Helmut, die Reaktion des Ministeriums auf unsere Kritik<br />
legt nur eine Schlussfolgerung nahe: Die <strong>GEW</strong> hat mal<br />
wieder übertrieben!<br />
Die Zahlen der <strong>GEW</strong> stimmen absolut. Sie sind eine Addition<br />
der im Amtsblatt ausgeschriebenen Funktionsstellen.<br />
Da ist nichts übertrieben oder gar erfunden. Ich finde<br />
es nur schade, dass dieses gerade für die Schulentwicklung<br />
so dringend zu lösende Problem klein geredet wird.<br />
Wie erklärst du dir das Herunterspielen der Probleme?<br />
Das Herunterspielen ist nach meiner Ansicht reine Hilflosigkeit.<br />
Ich gehe zwingend davon aus, dass im Ministerium<br />
die wahre Situation bekannt ist. Ich weiß, dass die<br />
Handelnden in der ADD die Problematik schon länger<br />
voller Sorge sehen. Ich kenne selbst viele, fast krampfhafte<br />
Bemühungen der Schulaufsicht, geeignete Bewerber zu<br />
Die Zahlen im einzelnen:<br />
Schulart: Stellen Zweitausschreibung in Prozent<br />
GHS 34 25 = 74 %<br />
Realschulen 3 2 = 66 %<br />
Reg. Schulen 2 1 = 50 %<br />
Gymnasien 10 4 = 40 %<br />
IGS 2 1 = 50 %<br />
Förderschulen 4 2 = 50 %<br />
BBS 8 4 = 50 %<br />
finden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Sorgen in<br />
Mainz nicht ankommen. Im Übrigen haben andere Bundesländer<br />
vergleichbare Probleme. Diese Tatsache sollte es<br />
eigentlich ermöglichen, Lösungsansätze anzugehen, ohne<br />
das parteipolitische Gesicht zu verlieren.<br />
Wie stellt sich für dich die Problematik bei differenzierter<br />
Sichtweise dar?<br />
Richtig ist, dass die einzelnen Schulformen von der<br />
Misere nicht gleichmäßig tangiert sind. Dies geht aber<br />
aus den <strong>GEW</strong>-Zahlen unmissverständlich hervor. Ganz<br />
hart betroffen sind die Grundschulen, wo es nur noch<br />
in den wenigsten Fällen gelingt, Stellen in der Erstausschreibung<br />
zu besetzen. Wer so etwas klein redet, handelt<br />
nach meiner Auffassung verantwortungslos. Es ist auch<br />
ein Irrtum (oder eine Irreführung), die Situation der<br />
übrigen Schulformen auszublenden und so zu tun, als sei<br />
alles (fast) in Ordnung. Wenn uns vor 10 Jahren jemand<br />
erzählt hätte, dass selbst an Gymnasien im Jahr 2007 jede<br />
vierte Stelle in die Zweitausschreibung muss, wäre dieser<br />
Gedanke als absurd abgetan worden. Diese Entwicklung<br />
wird sich weiter fortsetzen, wenn die Rahmenbedingungen<br />
für Schulleitungen nicht umgehend den aktuellen<br />
Erfordernissen angepasst werden.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
5
BILDUNGSPOLITIK<br />
„ENORM SPANNENDE ZEIT“<br />
Mit der <strong>GEW</strong> im Gespräch: Staatssekretärin Vera Reiß<br />
Freundlich, kompetent, hilfsbereit, bescheiden, zuhörend -<br />
alles Attribute, die nicht unbedingt dann in den Sinn kommen,<br />
wenn an Protagonisten aus der Politik gedacht wird.<br />
Auf unsere langjährige <strong>GEW</strong>-Kollegin Vera Reiß treffen sie<br />
ohne Übertreibung allesamt zu. Eine spannende Frage also,<br />
wie ihre erste Bilanz nach einem guten Jahr als Staatssekretärin<br />
im Bildungsministerium aussieht. <strong>GEW</strong>-Redakteur<br />
Günter Helfrich traf Vera Reiß in Mainz.<br />
Frau Staatssekretärin, Sie haben 1994 im Bildungsministerium<br />
als Pressereferentin angefangen. Wir haben zu dieser<br />
Zeit bei „Schule machen“ zusammengearbeitet, und ich hatte<br />
damals überhaupt nicht den Eindruck, dass Sie an Karriere<br />
orientiert seien. Wie kam es zum kontinuierlichen Aufstieg<br />
bis hin zum hohen Amt der Staatssekretärin?<br />
Also, mir gefällt die Frage wirklich gut, weil wenn man mir<br />
1994 angemerkt hätte, dass ich Staatssekretärin werden<br />
wollte, dann wäre ich mir selbst ziemlich unsympathisch.<br />
Wie es zu diesem - wie Sie das nennen - Aufstieg gekommen<br />
ist, ist Lauf der Geschichte. Da spielt eine Rolle<br />
das hohe Interesse an Bildungspolitik und sicherlich die<br />
Bereitschaft, sich in Aufgaben reinzuknien, aber auch da<br />
zu sein, wenn jemand gebraucht wird. Und dazu gehört<br />
mit Sicherheit auch eine Portion Glück. Es gehören aber<br />
auf jeden Fall Vorgesetzte dazu, die einen unterstützen<br />
und fördern: die hatte ich mit Jürgen Zöllner und Doris<br />
Ahnen, mit der ich ja über die ganzen Jahre hinweg eine<br />
besondere Verbundenheit habe.<br />
Wie darf ein Außenstehender sich solch eine Ernennung zur<br />
Staatssekretärin vorstellen? Kommt da plötzlich ein Anruf<br />
des Ministerpräsidenten, oder wie läuft das ab?<br />
Wie das wirklich abläuft, das weiß - glaube ich - niemand<br />
außer denjenigen, die das dann auch miteinander<br />
besprechen. Das waren in meinem Fall mit Sicherheit der<br />
Ministerpräsident und die Bildungsministerin. Was davor<br />
abgeht, wie viele Gespräche es da gibt, das weiß ich nicht,<br />
man ist dann auf der anderen Seite. Im konkreten Fall<br />
bekam ich einen Anruf von Doris Ahnen, die mir gesagt<br />
hat, dass mich der Ministerpräsident sprechen möchte.<br />
Ab dem Moment war ich ziemlich nervös, das gebe ich<br />
gerne zu, und dann ist es ja auch zu dem bekannten<br />
Ergebnis gekommen.<br />
Sie sind jetzt seit gut einem Jahr im Amt. Haben Sie den<br />
Schritt schon mal bereut und sich gewünscht, weniger im<br />
Rampenlicht zu stehen?<br />
Nein, den Schritt habe ich nicht bereut. Es ist eine enorm<br />
spannende Zeit, seit ich Staatssekretärin bin, also seit dem<br />
1. September 2007. In der Bildungspolitik insgesamt und<br />
gerade hier ist ja sehr viel in Bewegung, ein Stichwort hier<br />
ist: Schulstrukturreform. Das mit dem Rampenlicht ist so<br />
eine Sache: Ich bin auch wirklich ganz gerne „Innendienst-<br />
Foto: Hannah Helfrich<br />
arbeiterin“. Das ist so meine Geschichte hier im Haus.<br />
Ich sitze sehr häufig hinterm Schreibtisch. Wichtig ist für<br />
mich, dass die Mischung stimmt zwischen Innen- und<br />
Außenterminen. Somit hält sich das mit dem Rampenlicht<br />
in Grenzen, ich komme damit zurecht.<br />
Nun war Ihr Start alles andere als einfach, denn die komplette<br />
Arbeit war doch wohl dominiert von der Diskussion um<br />
die Veränderungen in der Schulstruktur. In welchem Maße<br />
waren Sie eigentlich an dem Konzept beteiligt?<br />
Ich war an diesem Konzept in starkem Maße beteiligt.<br />
Natürlich gab es schon vor meinem Amtsantritt Vorüberlegungen,<br />
wie sich die Schulstruktur in Rheinland-Pfalz<br />
weiterentwickeln kann. In diesen Prozess war ich schon<br />
als Abteilungsleiterin eingebunden, so dass ich sozusagen<br />
die Grundzüge der Konzeptentwicklung auch an aktiver<br />
Stelle mitgekriegt und begleitet habe.<br />
War das nicht furchtbar Kräfte zehrend, ein Modell verkaufen<br />
zu müssen, das den einen zu weit und den anderen nicht<br />
weit genug geht? Bis bei ein paar treuen SPD-Parteigängern<br />
war doch nirgendwo Begeisterung für die Realschule plus<br />
zu vernehmen.<br />
Das sind ja immer subjektive Wahrnehmungen mit der<br />
Begeisterung, das ist ja meistens eine Einschätzung. Ich<br />
kann die Einschätzung in der Fragestellung nicht teilen.<br />
Ich hatte nach der Vorstellung der Schulstrukturreform<br />
sehr viele Veranstaltungen und habe dadurch Rheinland-<br />
Pfalz und viele schöne Bürgerhäuser kennen gelernt, aber<br />
auch die wirklich konstruktive Stimmung. Natürlich gibt<br />
es auch Kritik an dem Modell, klar. Und in der Fragestellung<br />
„dem einen zu weit, dem anderen nicht weit genug“<br />
liegt genau die Kunst, einen Vorschlag zu machen, der<br />
neue Perspektiven eröffnet und praktikabel umsetzbar ist.<br />
Genau das ist uns mit der Realschule plus sowie der IGS<br />
als gleichberechtigter Schulart gelungen.<br />
6 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
BILDUNGSPOLITIK<br />
Liegen wir richtig mit der Vermutung, dass als Staatssekretärin<br />
Ihr Verhältnis zur <strong>GEW</strong> merklich abgekühlt ist?<br />
Man muss immer an Beziehungen arbeiten. Ich arbeite<br />
an meiner Beziehung zur <strong>GEW</strong> jeden Tag und finde, dass<br />
wir da noch in einem ganz guten Verhältnis sind. Was mir<br />
wichtig ist: Ich glaube, ich habe wirklich zu einer ganzen<br />
Reihe von <strong>GEW</strong>-Kolleginnen und <strong>GEW</strong>-Kollegen ein<br />
ausgesprochenes gutes und freundschaftliches Verhältnis,<br />
und wünsche mir, dass es auch so bleibt.<br />
In Ihrem Amt müssen Sie permanent inhaltliche und personelle<br />
Entscheidungen fällen, die einige freuen und viele<br />
ärgern. Wie gehen Sie damit um, was sich daraus z.B. an<br />
Anfeindungen ergeben kann?<br />
Ganz wichtig ist, dass man sich sehr verantwortungsvoll<br />
mit Entscheidungen auseinandersetzt, weil sie ja in der Tat<br />
ganz individuelle Auswirkungen haben können, das muss<br />
man sich auch immer klarmachen. Ich glaube, das tun<br />
wir hier im Bildungsministerium sehr stark. Deswegen<br />
ist es ganz wichtig, sorgsam Entscheidungen zu treffen,<br />
keine falschen natürlich, die dem Menschen zum Nachteil<br />
gereichen. Wenn man sich dem gewärtig ist und versucht,<br />
es so gut wie nur möglich zu machen, dann kann man<br />
auch damit umgehen, wenn man mal mit Kritik und<br />
Unzufriedenheit konfrontiert wird.<br />
Das große Projekt Schulstruktur ist nun bald gesetzlich verabschiedet.<br />
Wo setzen Sie dann Ihre Schwerpunkte?<br />
Als erstes wird mich noch auf längere Zeit die Umsetzung<br />
der neuen Schulstruktur und deren Verankerung im Land<br />
beschäftigen. Wirklich sehr wichtig ist uns aber auch,<br />
dass wir auf einem Feld deutlich weiterkommen, über<br />
das allgemein im Moment noch nicht so sehr gesprochen<br />
wird: Es geht um die bessere und stärkere Kooperation<br />
der Systeme, die wir hier im Haus vertreten - das ist die<br />
Schule auf der einen Seite, die Jugendarbeit und die<br />
Jugendhilfe auf der anderen Seite. Wenn wir mal den<br />
Spielraum hätten, hier bewusst den Schwerpunkt zu<br />
setzen, wäre das ein lohnenswertes Feld, das mir auch<br />
Spaß machen würde.<br />
PISA: <strong>GEW</strong> FORDERT MEHR CHANCENGLEICHHEIT AN<br />
„Die fehlende Chancengleichheit an den Schulen ist<br />
nach wie vor das größte Problem in Rheinland-Pfalz<br />
sowie des deutschen Bildungssystems insgesamt“,<br />
bewertete der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Klaus-Peter<br />
Hammer die PISA-Testergebnisse 2006. Schülerinnen<br />
und Schüler aus Arbeiterfamilien oder der unteren<br />
Mittelschicht seien ebenso wie Kinder aus Migrantenfamilien<br />
unverändert die Verlierer innerhalb unseres<br />
Schulsystems.<br />
„Die Bemühungen der Landesregierung in den vergangenen<br />
Jahren, Verbesserungen für das rheinland-pfälzische<br />
Bildungssystem zu erreichen und Schülerinnen und Schüler<br />
mehr individuell zu fördern, sind durchaus anzuerkennen<br />
und finden auch unsere Unterstützung“ , sagte Hammer. Er<br />
stellte fest, dass sich Rheinland-Pfalz in den Bereichen Lesekompetenz,<br />
Mathematik und Naturwissenschaften deutlich<br />
verbessert habe. Die rheinland-pfälzischen Lehrkräfte vor Ort<br />
hätten hierzu einen erheblichen Beitrag geleistet.<br />
Die Bemühungen gingen allerdings nicht weit genug, um<br />
entscheidende Veränderungen für den größten Teil der Schülerinnen<br />
und Schüler und hier insbesondere der gesellschaftlich<br />
WEITERENTWICKLUNG DER<br />
REFORMIERTEN OBERSTUFE<br />
Am 9. März 2009 wird die <strong>GEW</strong>-Fachgruppe Gymnasien in Mainz im<br />
Erbacher Hof bei einem Tag der Bildung die Weiterentwicklung der Reformierten<br />
Oberstufe erörtern. Eva-Maria Hartmann wird die Entwicklung<br />
der Oberstufe in anderen Bundesländern vorstellen, Andreas Keller die Frage<br />
nach „Oberstufe und OECD: Wo steht Rheinland-Pfalz bei der Umsetzung<br />
europäischer Standards?“ untersuchen.<br />
Red<br />
Benachteiligten zu erreichen. Die Praxis in den Schulen<br />
sähe oft so aus: Die Klassen seien zu groß, insbesondere die<br />
schwächeren Schülerinnen und Schüler würden zu wenig<br />
unterstützt, individuelle Förderung bleibe weitgehend ein<br />
frommer Wunsch, ein Pädagogenmangel drohe und die Auslese<br />
der Kinder in einem unterfinanzierten Bildungssystem<br />
werde verschärft. Viele der Reformen der letzten Jahre seien<br />
auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen<br />
worden, ohne dass die finanziellen Investitionen in Bildung<br />
entscheidend erhöht worden wäre oder sich die Arbeitssituation<br />
der Kolleginnen und Kollegen grundlegend verbessert<br />
hätte. Bei den Bildungsausgaben befinde sich Rheinland-<br />
Pfalz im Vergleich zu den anderen Bundesländern noch<br />
immer am unteren Ende.<br />
„Politik muss jetzt in das Bildungswesen investieren und<br />
Bildungsbarrieren abbauen. Insbesondere die schwächeren<br />
Schülerinnen und Schüler müssen gefördert werden. Halbherzige<br />
Absichtserklärungen, wie der Bildungsgipfel sie jüngst<br />
verabschiedet hat, ignorieren den Problemdruck. Nicht nur<br />
die Hauptschule, sondern der Hauptschulbildungsgang muss<br />
abgeschafft werden, alle Jugendlichen müssen mindestens<br />
zu einem mittleren Bildungsabschluss geführt werden“, so<br />
Hammer.<br />
Die <strong>GEW</strong> hält das gemeinsame Lernen bis zum Ende der<br />
Pflichtschulzeit für die einzig sinnvolle Antwort auf viele<br />
Probleme des traditionellen Schulsystems. Mit 10 Jahren<br />
können Kinder Entwicklungsrückstände, die sie von zu<br />
Hause mitbringen, noch nicht aufgeholt haben. Eine noch<br />
so gute Förderung im Kindergarten kann herkunftsbedingte<br />
Benachteiligung zwar mildern, aber nicht auflösen. Erst<br />
wenn alle Kinder gemeinsam lernen, wird sich eine menschenfreundliche<br />
und unterstützende Schul- und Lernkultur<br />
entwickeln Wir brauchen die „Eine Schule für alle Kinder“,<br />
betonte Hammer.<br />
pm<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
7
SCHULEN<br />
SCHULE GEMEINSAM GESTALTEN<br />
5. Ganztagsschulkongress in Berlin<br />
„Schule gemeinsam gestalten - Partizipation an Ganztagsschulen“<br />
war das Motto des 5. Ganztagsschulkongresses, der am 12.<br />
und 13. September 2008 in Berlin stattfand. 200 SchülerInnen,<br />
180 SchulleiterInnen, hunderte von LehrerInnen, Elternvertretern<br />
und außerschulischen Partnern strömten in das Berliner Congress<br />
Center am Alexanderplatz. Unter den TeilnehmerInnen waren<br />
auch 40 aus Rheinland-Pfalz. Das abwechslungsreiche Programm<br />
mit Plenumsveranstaltungen, Workshops, Foren und Diskussionsrunden<br />
wurde ergänzt durch eine Ausstellung, in der die<br />
meisten Bundesländer und eine Reihe von Schulen ihr GTS - Programm<br />
vorstellten. Am ersten Abend lud die Deutsche Kinderund<br />
Jugendstiftung, die den Kongress hauptverantwortlich organisiert<br />
hatte, zusammen mit der Jacobs Foundation zu einem<br />
Empfang, eine einzigartige Gelegenheit, um mit Personen aus<br />
der ganzen Republik ins Gespräch zu kommen.<br />
<strong>GEW</strong>-Redakteurin<br />
Gerlinde Schwarz<br />
interviewt<br />
SchülerInnen.<br />
Fotos S. 8-10:<br />
Paul Schwarz<br />
„Die wichtigste Erfahrung eines Jugendlichen<br />
ist es, gebraucht zu werden.“<br />
Während der Eröffnungsveranstaltung wies Eva Luise<br />
Köhler, die Schirmherrin der Deutschen Kinder- und<br />
Jugendstiftung, in ihrem Grußwort darauf hin, dass der<br />
Gedanke der Partizipation an Schulen nicht neu sei, dass<br />
es aber hier und jetzt um „eine Beteiligung auf Augenhöhe“,<br />
um eine „wirkliche Teilhabe“ gehe. Auf diesem Weg<br />
könnten „Schülerinnen und Schüler lernen sich gegenseitig<br />
zu respektieren und erfahren, dass sie selbst etwas<br />
bewirken.“ Sie stellte fest, dass „Partizipation und Teilhabe<br />
Grundlage einer funktionierenden Demokratie“ seien.<br />
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und<br />
Forschung, zeigte in ihrem Referat die positive Entwicklung<br />
der GTS auf: 2004 gab es 1000 GTS, 2008 gibt<br />
es 7000 GTS. Sie betonte: „Viel ist erreicht, jede fünfte<br />
allgemeinbildende Schule hat ein entsprechendes Konzept<br />
als GTS.“ Die Ministerin unterstrich die Bedeutung der<br />
Partizipation der Schülerinnen und Schüler gerade in der<br />
Ausgestaltung der GTS und zitierte Hartmut von Hentig<br />
mit dem Satz: „Die wichtigste Erfahrung eines Jugendlichen<br />
ist es, gebraucht zu werden.“ Sie hob hervor, dass<br />
keine Schule wie die andere sei und jede Schule ihre eigene<br />
Biografie gestalte. „Wir akzeptieren, dass jede Schule ihren<br />
eigenen Weg geht“, meinte sie.<br />
Annegret Kramp-Karrenbauer, Vorsitzende der KMK<br />
und Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur<br />
des Saarlandes, öffnete in ihrer Ansprache den Blick nach<br />
draußen. Sie sagte: „Wir haben die Chance zu lernen,<br />
was in anderen Ländern gut gemacht wird“, und führte<br />
aus, dass wir hier das nachholten, was anderswo schon<br />
praktiziert werde. „Aufeinander-schauen und Voneinander-lernen“<br />
gelten nach ihrer Auffassung jedoch nicht<br />
nur international, sondern auch in Deutschland selbst.<br />
„Föderalismus bedeutet Vielfalt und Ideenwettbewerb“,<br />
erklärte sie. Für sie ist die Qualität der Ganztagsschulen<br />
ganz entscheidend für deren gesellschaftliche Anerken-<br />
nung. Mit Nachdruck hob sie hervor: „Je besser wir die<br />
Ganztagsschulen gestalten, desto höher ist die Akzeptanz<br />
und die Flächendeckung ergibt sich von selbst.“<br />
Äußerungen von SchülerInnen<br />
Partizipation<br />
„GTS muss von allen an der Schule Beteiligten gestaltet<br />
werden, vor allem von den Schülern.“ (Jürgen, 13. Kl., GTS<br />
Gymnasium in Mainz-Gonsenheim)<br />
„Der Schulleiter ist der Initiator der GTS. Er hat in der<br />
Schulkonferenz die Schüler und Schülerinnen überzeugt.....<br />
In der Schulkonferenz hat die Schülerschaft ein Viertel der<br />
Stimmen. In dieser Konferenz wurde mit den Stimmen der<br />
Schülerschaft die Einführung der GTS beschlossen.“<br />
(Lukas 8. KL., Gymnasium in Nordrhein-Westfalen)<br />
„Unsere IGS will Ganztagsschule werden. Der Direktor<br />
will eine GTS einrichten, will aber für die Ausgestaltung<br />
Partizipation von Schülern und Lehrern. Wir drei und der<br />
Rektor haben beschlossen, zu diesem Kongress zu fahren.<br />
Wir wurden ausgewählt, weil wir bei einer Lehrerkonferenz<br />
an der Schule so frei gesprochen haben und weil wir<br />
uns immer für die Schule einsetzen....Nach dem Kongress<br />
werden wir zuerst unserer Klassenlehrerin berichten, mit<br />
der wir die nächsten Aktivitäten beschließen. Wir werden<br />
eine extra Sitzung der SV einberufen und wir werden auf<br />
der Lehrerkonferenz berichten.“ (Ilena 15 J., Patricia 14<br />
J., Mauricio 14 J., IGS Kastellstr., Wiesbaden)<br />
Vorteile/Ziele<br />
„Gut an der GTS ist, dass sie den Schülerinnen und Schülern<br />
neue Chancen eröffnet. Ich beziehe das auf die betreuten<br />
Lernzeiten und GTS-Angebote von außerschulischen Partnern,<br />
z. B. das Deutsche Rote Kreuz oder die Leute aus dem<br />
Schachclub...Die GTS müsste für alle sein.“ (Jürgen 13. Kl.,<br />
GTS Gymnasium MZ-Gonsenheim)<br />
„Unser Gymnasium ist gerade bei der Umstellung von 13<br />
Schuljahren auf 12 Jahre. Die Stoffaufteilung ist für das<br />
G8 Gymnasium jetzt als GTS günstiger...Wir haben jetzt<br />
Patriotismus für die eigene Schule. Wir haben mehr Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
und mehr Engagement für die Schule.<br />
Wir wollen eine Schule, die unsere ist.“ (Niko und Thore 8.<br />
Kl., Gymnasium in Nordrhein-Westfalen)<br />
Dr. Gerlinde Schwarz<br />
8 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
SCHULEN<br />
GESPRÄCHE MIT RHEINLAND-PFÄLZERN<br />
BEIM GANZTAGSSCHULKONGRESS<br />
- Von Dr. Paul Schwarz -<br />
„Die Lehrer bilden sich regelmäßig fort“<br />
Elternvertreter Gerald Künzig, PAMINA-Schulzentrum<br />
Herxheim b. Landau<br />
Worin sehen Eltern das besondere Profil dieser südpfälzischen<br />
Schule?<br />
Es ist eine kooperative Schule des Gymnasiums mit der<br />
Haupt- und der Realschule. Die Ganztagsschulklassen<br />
arbeiten rhythmisiert, d.h. der Unterricht erstreckt sich<br />
über den gesamten Tag. Die Schule ist sehr projektorientiert.<br />
Das beginnt bereits in der Grundschule mit<br />
Waldarbeit, Schachturnier und Tanz, um nur einige Beispiele<br />
zu nennen. Der Förderschwerpunkt ist eine neue<br />
Lernkultur, neue Lerntechniken, z.B. die Lernspiralen von<br />
Heinz Klippert. Uns Eltern gefällt auch das regelmäßige<br />
Fortbildungsprogramm der Lehrkräfte.<br />
„Manche Lehrkräfte müssen noch<br />
ganztagsschulmäßiger denken lernen“<br />
Jürgen Tramm, Leiter der Serviceagentur „Ganztägig<br />
lernen“ Rheinland-Pfalz c/o IFB Speyer<br />
Was ist eine Serviceagentur?<br />
Serviceagenturen sind Niederlassungen im Rahmen des<br />
Programms „ganztägig lernen“ in 14 Bundesländern in<br />
enger Zusammenarbeit mit den Bildungsministerien und<br />
der „Kinder- und Jugendstiftung“.<br />
Was bieten Sie an in Sachen Partizipation, dem Thema des<br />
diesjährigen Ganztagsschulkongresses?<br />
Wenn Schülerinnen und Schüler mehr Zeit an Ganztagsschulen<br />
verbringen, müssen sie dort an Entscheidungen<br />
beteiligt werden. Wie sonst sollen sie grundlegende<br />
demokratische Kompetenzen erlernen und sich in ihrer<br />
Lernumgebung wohl fühlen? Schulen profitieren auch<br />
davon, Eltern und außerschulische Partner in das Schulleben<br />
einzubeziehen - denn sie sehen Schule und ihre<br />
Schüler häufig aus anderen Blickwinkeln und können<br />
neue Impulse setzen. Wir stehen allen an Schule Beteiligten<br />
mit unserer Erfahrung bei der Einbindung aller<br />
Akteursgruppen zur Seite. Schulen, die beispielhafte Partizipationsmöglichkeiten<br />
geschaffen haben, unterstützen<br />
wir als Modellschulen für Partizipation und Demokratie.<br />
Sie geben ihre Erfahrungen an interessierte Schulen weiter<br />
und entwickeln sich selbst fort.<br />
Warum tut sich Deutschland noch immer schwer mit einer<br />
verpflichtenden Ganztagsschule, wie sie weltweit zum bildungspolitischen<br />
Standard gehört?<br />
Sehen wir die positive Entwicklung: Wir hatten vor Einführung<br />
der Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz ca. 120<br />
Ganztagsschulen, das waren Förderschulen, Integrierte<br />
Gesamtschulen und ein paar Gymnasien in privater<br />
Trägerschaft: Heute sind es seit dem Mainzer Regierungsprogramm<br />
2002 bereits 453 Ganztagsschulen, bis 2011<br />
werden wir ein flächendeckendes Angebot haben. Die<br />
Tendenz ist steigend, weil die Akzeptanz bei Schülern<br />
und Eltern wächst.<br />
Wo stehen wir 2020?<br />
Die verpflichtende Ganztagsschule wird es dann auch bei<br />
uns geben. Dankenswerterweise gibt Rheinland-Pfalz für<br />
sein Ganztagsschulprogramm viel Geld aus. Umdenken<br />
müssen noch manche Lehrkräfte, die immer noch an der<br />
Halbtagsschule hängen. Die Räumlichkeiten müssen noch<br />
ganztagsfreundlicher werden. Die Räume werden häufig<br />
von der Kommune geplant und gestaltet, aber nicht von<br />
Kindern. Auch müssen die Schulen noch teamgerechter<br />
werden. Was ganz gut läuft, ist die Vernetzung der Fortbildung<br />
für außerschulische Partner.<br />
„Mehr Mut für eine verpflichtende<br />
Ganztagsschule“<br />
Hedi Berens-Grub, Lehrerin am Gymnasium im Pamina-<br />
Schulzentrum Herxheim<br />
Was läuft gut in Ihrer Ganztagsschule und wo hängt es?<br />
Die tägliche Betreuung behebt eine ganze Reihe von Defiziten<br />
im Lernbereich, aber auch im Verhaltensbereich.<br />
Schwierig ist noch die Zusammenarbeit der Lehrkräfte<br />
vom Vormittag mit denen des Nachmittags. Da fehlt<br />
häufig die Abstimmung, z.B. bei den Hausaufgaben. Gut<br />
läuft es in den Ganztagsschulklassen 5 und 6, weil die<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
9
SCHULEN<br />
Lehrkräfte vor- und nachmittags dieselben sind. In den<br />
oberen Klassen mit ihrem Gemisch aus verschiedenen<br />
Klassen und Stufen klemmt es. Da ist es nicht leicht, in<br />
den Klasen 7 - 10 beispielsweise in Englisch ein gemeinsames<br />
Thema hinzubekommen.<br />
Wie läuft die Kooperation der Lehrkräfte mit den Partnern<br />
anderer Professionen?<br />
Das wird allmählich besser, vor allem wenn man die<br />
Leute aus dem Verein kennt. Ist bereits ein Kontakt da,<br />
gestaltet sich auch die Zusammenarbeit in der Ganztagsschule<br />
besser.<br />
Was würden Sie ändern, wenn Sie verantwortlich wären?<br />
Ich wäre mutiger und würde auch mehr Vorschriften<br />
erlassen. Nicht alles lässt sich durch Diskussionen festlegen.<br />
Die verpflichtende Ganztagsschule muss kommen,<br />
auch im Hinblick auf die berufstätigen Mütter, vor allem<br />
aber im Hinblick auf die zu fördernden Schülerinnen<br />
und Schüler. Hier erwarte ich mehr Mut seitens der<br />
Bildungsministerin.<br />
„Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />
erhöhen“<br />
Dr. Margit Theis-Scholz, Schulleiterin, und Rolf Hoffmann,<br />
Konrektor an der Diesterweg-Schule Koblenz<br />
- Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und sozialemotionaler<br />
Entwicklung<br />
Ihr schulisches Profil?<br />
Es ist die Stärkung der Sozialkompetenz und die Berufsorientierung.<br />
Unsere Schülerinnen und Schüler brauchen<br />
in besonderem Maße fördernde Zuwendung und mehr<br />
Lernzeit. Bis auf eine Handvoll Kinder besuchen alle 160<br />
Schüler bei uns die Ganztagsschule. Es ist eine GTS in Angebotsform.<br />
Wert legen wir auf die Partizipation unserer<br />
Schüler. Deren Wünsche und Anregungen sind uns sehr<br />
wichtig. Dank der außerschulischen Partner konnten wir<br />
unsere Angebote stark erweitern. Wir versuchen, die individuellen<br />
Fähigkeiten unserer Schüler zu stärken, ihnen<br />
Selbstbewusstsein mitzugeben, um damit ihre Chancen<br />
auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Seitens der Eltern<br />
gibt es hohe Zustimmungswerte, wie zwei Evaluationen<br />
ergeben haben. Sie sind glücklich über die umfassende<br />
Unterstützung der Schule für ihre Kinder. Und da hat<br />
die Ganztagsschule ihren ganz hohen Wert.<br />
VOM SCHLECHTEN SPICKZETTEL ZUM METHODIK-BUFFET<br />
Mit der <strong>GEW</strong> im Gespräch: Wolfgang Endres<br />
Wolfgang Endres ist Pädagoge und Referent in der Lehrerfortbildung.<br />
1973 gründete er das Studienhaus St. Blasien.<br />
Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Lernmethodik<br />
für SchülerInnen wie auch für LehrerInnen. Die Dauerbrenner<br />
„So macht Lernen Spaß“ und „Besser konzentrieren“<br />
gehören ebenso zu seinen Werken wie der aktuelle<br />
„Methodik-Ordner Grundschule“. Antje Fries traf ihn auf<br />
der Frankfurter Buchmesse.<br />
Fries: Herr Endres, wie kam es bei Ihnen zum Schwerpunkt<br />
Methodik?<br />
Endres: Der Auslöser waren eigentlich Spickzettel, die ich<br />
in meiner Zeit am Internatsgymnasium St. Blasien fand:<br />
Die waren so schlecht, da habe ich eine AG angeboten<br />
„Wie schreibe ich einen guten Spickzettel“, also die Anleitung<br />
zur Notiztechnik, wenn Sie so wollen. Die fand dann<br />
in den Ferien statt. Das hat sich relativ rasch verbreitet,<br />
und innerhalb kürzester Zeit haben meine Frau und ich<br />
entschieden, dann machen wir das in freiberuflicher Tätigkeit,<br />
bleiben aber mit der Schule in Verbindung.<br />
Fries: Und so entstand dann Ihr Studienhaus?<br />
Endres: Ja, das habe ich vor 35 Jahren gegründet. Schüler<br />
werden in den Ferien bis zu drei Wochen lang abgeholt<br />
mit dem Thema, dass Lernen Spaß macht. Das ist natürlich<br />
ein Freiraum, den die Schule so nicht bieten kann.<br />
Das Methodiklernen wird immer mit Freizeitangeboten<br />
gekoppelt, die von denselben Lehrkräften gemacht werden.<br />
Das ist eine Einheit. In der Hauptsaison arbeiten bis<br />
zu 200 Lehrer in unterschiedlichen Feriengebieten mit.<br />
Seit ein paar Jahren habe ich das aber an einen Kollegen<br />
abgegeben und arbeite jetzt schwerpunktmäßig in der<br />
Fortbildung. Mittlerweile kommen nicht mehr nur Lehrer,<br />
sondern auch schon Gruppen aus der freien Wirtschaft<br />
zu uns nach St. Blasien zu Lerntagen mit einem kleinen<br />
Touch Erlebnispädagogik.<br />
Fries: Wie kam es zu Ihrer Konzentration auf den Grundschulbereich?<br />
Endres: Früher legte man den Schwerpunkt des Methodiklernens<br />
auf die Sekundarstufe 1, aber dann merkte<br />
man, das ist zu spät. Das war für mich der Impuls, in<br />
10 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
SCHULEN<br />
die Grundschul-Methodik zu gehen. So entstand zum<br />
Beispiel der Lernmethodik-Ordner, mit dem man systematisch<br />
üben kann.<br />
Fries: Ihr neuestes Werk heißt „Präsentation und freies Sprechen<br />
in der Grundschule“. Wieso ist Rhetorik für Sie schon<br />
im Primarbereich so wichtig?<br />
Endres: Wenn ich in einer mündlichen Prüfung bestehen<br />
soll, ist das jedes Mal ein völliger Ausnahmezustand,<br />
weil ich diese Situation nicht geübt habe. Das führt zu<br />
ungünstig verlaufenden Lernerlebnissen, und danach<br />
beschließe ich: Nie wieder! Auch in der Erwachsenenwelt<br />
ist Sprechangst ja noch sehr weit verbreitet, dabei<br />
sind doch oft gerade die, die sich nichts zu sagen trauen,<br />
diejenigen, die am ehesten etwas zu sagen hätten. Das ist<br />
sehr bedenklich. Wichtig ist es, schon Kinder zu ermutigen<br />
und ihnen Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Ich habe<br />
bei solchen Übungen auch noch nie erlebt, dass jemand<br />
ausnahmslos einen Verriss abbekommt. Viele Kinder<br />
haben hier kein Selbstvertrauen, aber es geht doch genau<br />
darum, Kinder zu stärken und Wertschätzung zu üben,<br />
eine Bedarfslage, die in der Grundschule prägend ist!<br />
„Präsentation und freies Sprechen in der Grundschule“<br />
wurde gern aufgegriffen und von vielen Lehrern als Novum<br />
erlebt. In ihrer eigenen Ausbildung hatte das leider<br />
keine Rolle gespielt.<br />
Fries: Und wie sind Sie da mit der Schulpraxis verbunden?<br />
Endres: Bei diesem Projekt ist das Schöne, dass ich zwei<br />
Grundschullehrerinnen mit im Boot habe und Rückmeldungen<br />
von ihnen bekomme. Die eine ist seit Jahrzehnten<br />
im Dienst, eine erfahrene und versierte Kollegin, die andere<br />
ist Neueinsteigerin. Im Zusammenspiel der natürlich<br />
sehr unterschiedlichen Anregungen und Erfahrungen der<br />
beiden entwickelten sich sehr viele Dinge. Das war sehr<br />
spannend.<br />
Fries: Es ist ja erfreulich, wenn interessierte Lehrerinnen und<br />
Lehrer nach Ihrer Methodik arbeiten. Aber wie kommen<br />
Sie an die heran, die nach wie vor „Buch auf, Buch zu“<br />
unterrichten?<br />
Endres: Das findet vielfach durch pädagogische Tage im<br />
Rahmen der schulinternen Lehrerfortbildung (SchiLF)<br />
statt. Ich begleite zum Teil auch durch persönliches<br />
Mitmachen an den Schulen. Man muss den Kollegen<br />
das Gefühl vermitteln, das hilft ihm ja selber, das gibt<br />
eine Entlastung für ihn. So ist es schon gelungen, einige<br />
ins Boot zu holen, die dem Methodiklernen skeptisch<br />
gegenüber standen. Aber das kann nicht bei allen klappen<br />
und ist auch gut so: Nur Traum-Lehrer wären für ein Kind<br />
auch nicht so ideal! Abgesehen davon: „Schlechte“ Lehrer<br />
empfinde ich als Kind oft ja ganz anders als meine Eltern<br />
oder die Kollegen.<br />
Fries: In Rheinland-Pfalz wird ja allenthalben „geklippert“.<br />
Was ist der Unterschied zwischen Ihrem Angebot und dem<br />
von Klippert?<br />
Endres: Das ist der größere Freiraum. Meine Methodikangebote<br />
sind eher wie ein Buffet zu verstehen. Da bedient<br />
sich einer am Buffet und stellt am Tisch fest, die anderen<br />
haben ja alle was anderes auf dem Teller als ich. Es geht<br />
um eine breite Palette an verschiedenen Angeboten. Bei<br />
Heinz Klippert ist das eher eine strengere Struktur, ein<br />
klarer Aufbau.<br />
Fries: Also haben Sie das Buffet und er das 5-Gänge-<br />
Menü?<br />
Endres: So ist das. Vielleicht ist das 5-Gänge-Menü auch<br />
hie und da von edleren Substanzen, während mein Buffet<br />
neben den markigen Dingen auch Exotisches und Unbekanntes<br />
enthält. Mir ist wichtig, dass die Experimentierfreude<br />
der Kinder erhalten bleibt. Sich mit Unbekanntem<br />
befassen wollen, dem Unbekannten den Stempel des<br />
Unpassenden zu nehmen. Das ist zur Erweiterung der<br />
Frustrationstoleranz sehr wichtig: Man muss auch mal<br />
Misslingen aushalten und sich ums Gelingen wirklich<br />
bemühen lernen. Hohe Frustrationstoleranz korreliert<br />
ja mit einer hohen Motivation. Und das ist besonders in<br />
der Grundschule ein lohnendes Feld. Ich bemerke, dass<br />
besonders Grundschullehrer dafür eine Antenne haben.<br />
Das ist im Gymnasium nicht so.<br />
Fries: Logisch! In der Grundschule ist es notwendig, weil man<br />
alle Kinder zusammen hat, aber wer im Gymnasium nicht<br />
klarkommt, der muss halt gehen.<br />
Endres: Ja. Der Umgang mit heterogenen Gruppen hat<br />
häufig nach gleichen Regeln für alle abzulaufen, und<br />
wenn das nicht klappt, nehme ich das entsprechende<br />
Kind raus. Hilfreicher wäre, Arbeitsformen zu finden, in<br />
denen alle mitkommen. Da kommen dann ganz andere<br />
Lernformen zustande. Das kann auf den ersten Blick<br />
nach Chaos aussehen. Aber am Buffet kann sich jeder<br />
das Passende aussuchen. Der eine kann selber schöpfen,<br />
dem anderen muss ich eben noch das Fleisch schneiden.<br />
Ja, und deshalb arbeite ich seit zwanzig Jahren auch in<br />
der Lehrerfortbildung. Zum Beispiel das „LernForum“<br />
in Bad Wörishofen. In diesem Jahr fand es zum zehnten<br />
Male statt.<br />
Fries: Wer kommt dahin?<br />
Endres: Diesmal 700 Leute, die Vorträge hören und<br />
Workshops mitmachen konnten.<br />
Fries: Sie haben illustre Namen versammelt!<br />
Endres: Ja, 2008 waren etwa Reinhard Kahl, Heinz<br />
Klippert, Reinhold Miller, Bischof Wolfgang Huber oder<br />
Peter Sloterdijk dabei. Eine „Lernklimagipfelkonferenz“<br />
sozusagen! Und daneben gab es eben die vielen schul- und<br />
fachspezifischen Lernmethodik-Angebote. Oder kennen<br />
Sie „Willi will‘s wissen“?<br />
Fries: Den aus dem Fernsehen?<br />
Endres: Genau! Den habe ich jetzt mit dabei, weil ich<br />
seine Art zu fragen und sich die Welt zu erschließen, so<br />
gut finde. So finden 2009 Lerntage für Eltern und Schüler<br />
in Bad Wörishofen statt. Das ist auch immer wichtig, dass<br />
man in einer angenehmen Atmosphäre lernen kann!<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
11
SCHULISCHE ERFAHRUNGEN BEKANNTER RHEINLAND-PFÄLZER/INNEN<br />
SCHON AM ERSTEN SCHULTAG IN DER ERSTEN REIHE<br />
Im Gespräch: Bildungsministerin Doris Ahnen<br />
Seit vielen Jahren prägt Doris Ahnen die rheinland-pfälzische<br />
Bildungspolitik an entscheidender Stelle. <strong>GEW</strong>-Redakteur<br />
Günter Helfrich interviewte die Bildungsministerin in<br />
Mainz zu ihren eigenen schulischen Erfahrungen.<br />
ist etwas, wofür ich meinen Eltern bis heute unglaublich<br />
dankbar bin, weil ich weiß, dass das damals nicht unumstritten<br />
war, denn ausgerechnet die Erste und dann noch<br />
ein Mädchen, also insofern war es eine mutige Entscheidung<br />
meiner Eltern.<br />
Doris Ahnen:<br />
„Im Grundsatz war<br />
die Grundschulzeit<br />
eine sehr schöne,<br />
aber auch eine relativ<br />
strenge Zeit.“<br />
Foto: privat<br />
Frau Ministerin, bevor wir zu Ihrer Zeit als Schülerin<br />
kommen: In welchem Maße sind eigentlich die individuellen<br />
Erfahrungen in der Schulzeit prägend für das<br />
Handeln als Bildungspolitikerin?<br />
Ich glaube, man muss sich davor hüten, dass die eigenen<br />
Erfahrungen zu prägend für das Handeln sind, weil es<br />
immer ein gewisses Problem ist, wenn man als politisch<br />
Verantwortliche nicht auch ein bisschen Distanz und<br />
einen Blick auf das Ganze hat. Auf der anderen Seite sage<br />
ich ganz ehrlich: In meinem Fall wäre das völlig unproblematisch,<br />
da ich fast überwiegend positive Erfahrungen<br />
aus meiner Schulzeit habe und ein gutes Verhältnis zu<br />
meinen Lehrerinnen und Lehrern hatte.<br />
Ein unbestrittenes Aushängeschild Ihrer Politik ist die<br />
frühe Förderung im Vorschulalter. Haben Sie eigentlich<br />
eine solche erfahren?<br />
Institutionell nicht, ich war nämlich nicht im Kindergarten.<br />
Und ich muss ehrlich sagen, ich fand es damals gar<br />
nicht schön, dass ich nicht in den Kindergarten konnte.<br />
Es war aber durchaus eine finanzielle Frage, weil wir zu<br />
Hause vier Kinder waren. Auf der anderen Seite, das sage<br />
ich im Nachhinein, haben wir Geschwister auch unheimlich<br />
voneinander profitiert und dadurch sicherlich auch<br />
eine Form von Förderung gehabt.<br />
Die Grundschule wird oft gelobt für ihre innovative<br />
Didaktik. Wie war das anno 1971 in Trier?<br />
Also, was die Grundschule angeht, erinnere ich mich am<br />
allerbesten an meinen ersten Schultag. Es war ein wirklich<br />
schönes, altes Schulgebäude. Ich kam mit meiner besten<br />
Freundin, die im gleichen Haus wie ich wohnte. Wir waren<br />
aber ein bisschen spät dran mit unseren Eltern. Und<br />
dann war im Klassenzimmer nur noch der eine berühmte<br />
Tisch frei, nämlich genau der vor dem Lehrerpult. Es gab<br />
keine Alternative, und wir sind dann auch sehr lange an<br />
diesem Tisch sitzen geblieben.<br />
Im Grundsatz war die Grundschulzeit eine sehr schöne,<br />
aber auch eine relativ strenge Zeit. Damals spielten so<br />
Themen wie Mengenlehre eine große Rolle, also ich<br />
erlebte durchaus Innovationen.<br />
Ein Dauerbrenner ist die Diskussion um die Auslese nach<br />
der Grundschule. Wie lief das bei Ihnen als Tochter einer<br />
Familie, die nicht unbedingt zu den Bildungsprivilegierten<br />
gehörte?<br />
Ich komme in der Tat aus einer relativ großen Familie<br />
und war die Erste, die aufs Gymnasium gehen durfte. Das<br />
Sie waren als Schülerin schon früh politisch aktiv. Wie<br />
kam es zu diesem Engagement und welche Rolle spielten<br />
hierbei ggf. Lehrkräfte?<br />
Das kann man nie so eindeutig zuordnen. Ich glaube, ich<br />
war schon ein sozial engagierter und interessierter Mensch.<br />
Auf jeden Fall bin ich mit einer Reihe von Lehrerinnen<br />
und Lehrern konfrontiert worden, die einen sehr offenen,<br />
einen sehr aktuellen Unterricht gemacht und mit uns auch<br />
strittige Themen diskutiert haben. Ich erinnere mich,<br />
dass Atomkraft zum Beispiel damals auch im Unterricht<br />
eine wahnsinnig große Rolle spielte. Ich bin aber auch<br />
mit dem Konservativeren konfrontiert worden, wo ich<br />
durchaus sagen will: So was schult. Und dann hat sich<br />
eben die Mitarbeit in der Schülervertretung ergeben,<br />
zuerst in der eigenen Schule, später dann auf der Ebene<br />
der Landesschülervertretung: Das war eine ganz tolle Zeit,<br />
weil sie einem unglaublich viel mit auf den Weg gegeben<br />
hat für ein späteres politisches Engagement.<br />
Gab es für Sie „Lieblings- und Hassfächer“?<br />
Es gibt ein eindeutiges Lieblingsfach, das wird jetzt vielleicht<br />
die <strong>GEW</strong> nicht so freuen und das freut vielleicht<br />
manchmal meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier<br />
im Haus auch nicht so: Das ist die Mathematik. Ich liebe<br />
noch heute Zahlen, und wenn man mir Zahlen vorlegt,<br />
dann setze ich mich mit denen auseinander. Meistens<br />
finde ich auch, wenn in Berechnungen Fehler sind. Ein<br />
„Hassfach“ gab es für mich nicht.<br />
Prof. Dr. Rolf Arnold hat manche Gymnasien mal als<br />
Betonburgen gegen den Lernkulturwandel bezeichnet.<br />
Haben Sie selbstgesteuertes, schülerorientiertes Lernen<br />
erlebt?<br />
Auf jeden Fall hatte ich nicht das Gefühl, dass ich in einer<br />
Betonburg des Lernens gewesen sei. Es gab durchaus auch<br />
Unterrichtsformen, die man auch heute immer noch als<br />
gut und modern bezeichnen würde. Ich denke immer,<br />
das Entscheidende ist und das gilt für früher und für<br />
heute: Die Mischung muss stimmen. Natürlich haben<br />
wir Gruppenarbeit gemacht, natürlich haben wir Erkundungstouren<br />
durchgeführt und sind auch aus der Schule<br />
heraus, um uns Dinge zu erarbeiten. Es gab durchaus auch<br />
Formen des selbst gesteuerten Lernens. Dass wir uns als<br />
Schülerinnen und Schüler da immer noch ein bisschen<br />
mehr gewünscht hätten, ist wohl selbstredend.<br />
Was hat Sie zur Wahl Ihrer Studienfächer Pädagogik, Politische<br />
Wissenschaft und Öffentliches Recht bewogen?<br />
Ich hatte eine absolut klare Berufsvorstellung: Ich wollte<br />
12 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
SCHULISCHE ERFAHRUNGEN BEKANNTER RHEINLAND-PFÄLZER/INNEN<br />
gerne in der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung<br />
tätig werden, genauer gesagt in der politischen<br />
Bildung für junge Menschen und für Erwachsene. Da habe<br />
ich erste Erfahrungen während des Studiums gewonnen<br />
bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, das fand ich ausgesprochen<br />
reizvoll. Insofern habe ich mir überlegt, in welcher<br />
Kombination mache ich das: Die politische Wissenschaft<br />
brauche ich, ich brauche das rechtliche Verständnis - das<br />
passt immer gut dazu zumal es dann beim öffentlichen<br />
Recht primär Staatsrecht ist; und ich brauche die Pädagogik<br />
- konzentriert auf die Frage Erwachsenenbildung.<br />
Mit dieser klaren Vorstellung habe ich angefangen, das<br />
hat sich dann im Studium weiterentwickelt, und danach<br />
ist es ganz anders gekommen.<br />
Nach dem finnischen Vorbild propagieren wir, „die Besten<br />
eines Jahrganges“ sollten Lehramt studieren. Die belegen<br />
aber lieber Jura, BWL und Medizin. Mit welchen Argumenten<br />
könnten wir unsere Abiturienten in spe motivieren,<br />
Lehrkräfte zu werden?<br />
Die Philosophie „die Besten eines Jahrgangs sollen Lehrerinnen<br />
und Lehrer werden“ ist natürlich eine, die man als<br />
Bildungsministerin nur unterstützen kann. Dabei würde<br />
ich allerdings die Definition der Besten schon etwas weiter<br />
fassen. Ich würde da nicht nur auf die Noten gehen wollen,<br />
sondern meine, auch dieser pädagogische Impetus, die<br />
Freude daran, sich mit Jugendlichen und Kindern auseinanderzusetzen,<br />
gehört untrennbar dazu. Trotzdem ist es so:<br />
Das Image des Lehrerinnen- und Lehrerberufs ist nach wie<br />
vor nicht gut genug in der Gesellschaft. Ich<br />
finde jedoch, es hat sich deutlich verbessert.<br />
Die meisten Eltern sind ja mit den Lehrerinnen<br />
und Lehrern ihrer Kinder zufrieden.<br />
Auch viele Schülerinnen und Schüler sind<br />
mit eigenen ihren Lehrern zufrieden. Aber<br />
in der gesamtgesellschaftlichen Bewertung<br />
gibt es Nachbesserungsbedarf, das ist aus<br />
meiner Sicht das A und O. Ich weiß, dass<br />
die Gewerkschaft dann auch sehr gerne über<br />
Besoldungsfragen und ähnliches redet: Natürlich<br />
ist das nicht irrelevant, aber es prägt<br />
nicht die Studienentscheidung eines Schulabgängers<br />
oder einer Schulabgängerin, in<br />
welcher Besoldungsstufe man anschließend<br />
ist. Aber zu wissen, man ergreift einen Beruf,<br />
der gesellschaftlich als wichtig empfunden<br />
wird, das ist schon sehr entscheidend.<br />
Abschließende Frage: Wie erfahren Sie in<br />
Ihrem privaten Umfeld Schule?<br />
Sehr unterschiedlich. Ich bin da auf der<br />
einen Seite geprägt durch meine Schwester,<br />
die drei Schulkinder hat und selbst Lehrerin<br />
ist, und zwar in Baden-Württemberg. So<br />
habe ich immer einen direkten Vergleich.<br />
Das ist ganz interessant. Mindestens genauso<br />
interessant sind die schulischen Erfahrungen<br />
meines Patenkindes. Er ist Franzose und geht<br />
in Frankreich zur Schule. So hatte ich sehr<br />
früh Kontakt zu alldem, was dort zum Bildungssystem<br />
gehört: also zur crèche - zur Krippe, zur école maternelle<br />
und auch zum weiterführenden Schulsystem. Das hat<br />
schon geprägt, so unmittelbar einen Blick in ein anderes<br />
Land werfen zu können.<br />
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<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
13
SOZIALPÄDAGAGOGIK<br />
UNTER DREI - MIT DABEI<br />
Tag der frühkindlichen Bildung wieder mit großer Resonanz<br />
ReferendarInnen stehen vor vielen<br />
Herausforderungen: selbstständig<br />
Die Organisatoren unterrichten, der Veranstaltung Elterngespräche zeigten füh-sicren, Rückmeldungen sich mit Kollegen der Teilnehmerinnen auseinander-<br />
sind sehr positiv! Die<br />
zufrieden: „Alles lief<br />
super und die<br />
Zusammenarbeit setzen. im Ein <strong>GEW</strong>-Organisationsteam selbstbewusstes Auftreten und mit der Uni Koblenz<br />
verlief - wieder und einmal gute kommunikative - hervorragend und Fähigkeiten<br />
helfen war dabei. enorm: Wie schon beim letzten Mal hatten wir so<br />
das Interesse am Tag der frühkindlichen<br />
Bildung<br />
viele Anmeldungen, dass wir eine Reihe (c) Jupiter von Absagen Images verschicken mussten.<br />
Über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kindertageseinrichtungen<br />
aus ganz Rheinland-Pfalz kamen zum Tag der frühkindlichen Bildung nach<br />
Koblenz. Eine Teilnehmerin aus Trier: „Wir sind mit dem ganzen Team hier<br />
und haben unsere Krabbelstube heute geschlossen. Wir sind begeistert von<br />
der guten Organisation und den Inhalten der Veranstaltung. Der Weg nach<br />
Koblenz hat sich für uns gelohnt!“<br />
die Bildungschancen von Kindern während der ersten<br />
sechs Lebensjahre sowie der langjährigen Erfahrungen<br />
hinsichtlich des Aufbaus von Lernhaltungen in dieser<br />
Zeit darf sich unsere Gesellschaft - im Bezug auf diese<br />
„Basisjahre“ - keine Bildungsdefizite leisten“ schreibt<br />
Edith Ostermayer in ihrem Buch „Unter drei - mit dabei“.<br />
Für Kindertageseinrichtungen besteht also akuter<br />
Handlungsbedarf.<br />
Viele Einrichtungen haben sich bereits auf den Weg gemacht<br />
oder planen die Aufnahme von unter Dreijährigen.<br />
Hier besteht ein enormer Bedarf an Fortbildung, Beratung<br />
und Austausch, was auch das große Interesse am Tag der<br />
frühkindlichen Bildung zeigt.<br />
Große Interesse am<br />
Tag der frühkindlichen<br />
Bildung. Über 500<br />
Fachkräfte sozialpädagogischer<br />
Einrichtungen<br />
nahmen an der Fachtagung<br />
der <strong>GEW</strong> in der<br />
Universität Koblenz<br />
teil. Im großen Hörsaal<br />
wurden sie vom neuen<br />
<strong>GEW</strong>- Vorsitzenden<br />
Klaus-Peter Hammer<br />
begrüßt.<br />
Das Thema in diesem Jahr: „Kinder unter drei“. Diese<br />
Altersgruppe rückte in den letzten Jahren verstärkt in den<br />
Blickpunkt von Politik und Fachwissenschaft. Die frühe<br />
Förderung von Kindern bestimmt die familien- und bildungspolitische<br />
Diskussion Deutschlands in den letzten<br />
Jahren. Vorrangiges Ziel der Familienpolitik wurde die<br />
„Sicherung von Betreuungsangeboten für Klein(st)kinder,<br />
also von Kindern im Säugling- und Kleinkindalter“. Um<br />
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern,<br />
trat 2004 das Tagesbetreuungs- Ausbaugesetz (TAG) in<br />
Kraft, das vor allem den Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten<br />
für die Unter-Dreijährigen vorsieht. Ein Markstein<br />
stellt der 2010 eintretende Rechtsanspruch auf einen<br />
Betreuungsplatz für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr<br />
dar, der zu einer erheblichen Ausweitung des Angebotes<br />
führen wird. Das Bundesfamilienministerium fordert<br />
den massiven Ausbau der Kinderkrippen mit dem Ziel,<br />
bis 2013 rund 35 % der Zwei- bis Dreijährigen professionell<br />
betreuen zu können. Neben den Forderungen der<br />
Politik zwingen rückläufige Belegungszahlen Kitas zur<br />
Umstellung ihrer Angebote. Vieles ist hier in Bewegung<br />
geraten.<br />
Doch es geht nicht nur um die Schaffung von Betreuungsplätzen,<br />
sondern auch um die Qualität dieser Angebote:<br />
„Angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über<br />
Die Unter-Dreijährigen kommen<br />
Die Aufnahme von Kindern unter drei in Betreuungseinrichtungen<br />
stellt eine komplexe und anspruchsvolle<br />
Aufgabe für Kindertageseinrichtungen dar und macht<br />
Veränderungen notwendig. Häufig stellt sich bei den<br />
Erzieherinnen und Erziehern Unsicherheit ein, denn diese<br />
Veränderungen berühren die bisherigen pädagogischen<br />
Inhalte und Abläufe des Kindergartenalltags. Eingewöhnungsphase,<br />
Ausstattung, Gestaltung und Nutzung der<br />
Räume, Gestaltung des Tagesablaufs und den wiederkehrenden<br />
Tagessituationen wie Mahlzeiten, Körperpflege,<br />
Spiel, Ruhe und Schlaf, Gewährleistung von Sicherheit<br />
etc. - all das sind Elemente, die vorab genau geplant und<br />
gestaltet werden müssen. In der Ausbildung von Erzieherinnen<br />
werden die Unter-Dreijährigen bis heute nur<br />
beiläufig behandelt, der Schwerpunkt der Ausbildung<br />
liegt - wenn man den Lehrplan betrachtet - weiterhin<br />
im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen. Der „Tag der<br />
frühkindlichen Bildung“ hat hier einen wichtigen Beitrag<br />
zur Fortbildung geleistet und wurde auch entsprechend<br />
zertifiziert.<br />
Als Referentin für den Hauptvortrag am Vormittag<br />
konnte Anne Heck, Diplom-Psychologin und Beraterin<br />
für Kindertageseinrichtungen, gewonnen werden. Der<br />
14 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
SOZIALPÄDAGOGIK<br />
Inhalt Ihres Referates: „Von Anfang an dabei - Entwicklungspsychologische<br />
Grundlagen für die pädagogische<br />
Arbeit mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren“ wird<br />
im Bericht „Bildung für die Kleinsten, ja - aber wie?“<br />
zusammengefasst.<br />
Die Mittagspause nutzten die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer zum Austausch untereinander. Anschließend<br />
bestand die Möglichkeit, an einem der 19 Fachforen<br />
teilzunehmen. Die Foren beschäftigten sich mit Themen<br />
wie der „sozial-emotionalen Entwicklung von Kleinstkindern“,<br />
der „Beobachtung und Dokumentation“ oder dem<br />
„Forschen im Windelalter“ und deckten so das gesamte<br />
Spektrum der frühen Pädagogik ab.<br />
„Die Kleinen kommen - Konsequenzen für die pädagogischen Rahmenbedingungen“.<br />
Abschlussdiskussion mit Michael Ebling (Staatsekretär) rechts, Norbert Hocke<br />
(<strong>GEW</strong>-Bundesvorstandsmitglied) links und Peter Blase-Geiger (Moderation)<br />
Abschlussdiskussion:<br />
Viel Applaus für Norbert Hocke<br />
Den Abschluss des Tages bildete die Diskussion mit Michael<br />
Ebling (Staatssekretär im Ministerium für Bildung,<br />
Wissenschaft, Jugend und Kultur) und Norbert Hocke<br />
(Leiter des <strong>GEW</strong>-Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit)<br />
im großen Hörsaal der Universität. Moderiert<br />
wurde die Diskussion von <strong>GEW</strong>-Gewerkschaftssekretär<br />
Peter Blase-Geiger. Die Diskussion zeigte grundlegende<br />
Differenzen in der Einschätzung der aktuellen Entwicklung<br />
auf. Während Ebling von einer „Vorreiterrolle des<br />
Landes Rheinland-Pfalz in Deutschland“ sprach, wies<br />
Hocke darauf hin, dass die Erzieher-Kind-Relation nirgendwo<br />
in Deutschland den Bedürfnissen der Kinder<br />
unter drei Jahren gerecht würde. Vielmehr müsse man<br />
sich an internationalen Empfehlungen orientieren, die<br />
für diesen Bereich eine Erzieher-Kind-Relation von 1: 3<br />
bis 1: 4 vorschlagen. In der Deutschland sei man immer<br />
noch bei einer „Diskussion über die Quantität und nicht<br />
über die Qualität von Betreuung für die Kleinsten!“ Die<br />
hohen Erwartungen an Erzieher könnten - so Norbert<br />
Hocke - unter diesen Bedingungen nicht umgesetzt<br />
werden. Er schlug daher vor, dass Erzieherinnen mit den<br />
Eltern darüber diskutieren, was Kitas wollen und was sie<br />
unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu leisten im<br />
Stande sind.<br />
Der große Beifall für die klaren Aussagen des <strong>GEW</strong>-<br />
Hauptvorstandsmitglieds zeigte, dass Norbert Hocke<br />
hier ein zentrales Problem angesprochen hat. Eine Teilnehmerin:<br />
„Als Erzieherin will ich qualitativ hochwertige<br />
Arbeit leisten, bei der die Kinder und ihre Bedürfnisse im<br />
Vordergrund stehen. Unter den derzeitigen personellen<br />
Bedingungen stoßen wir immer wieder an Grenzen!“.<br />
Teilnehmerinnen und Referentinnen äußerten sich durchweg<br />
positiv über den Inhalt, Organisation und Verlauf der<br />
Tagung. Eine Referentin: „Alles ist hervorragend organisiert,<br />
jedes Fachforum wurde mit einem <strong>GEW</strong>-Mitarbeiter<br />
betreut. So etwas ist nicht selbstverständlich!“ Die beiden<br />
Hauptorganisatoren der Veranstaltung, Bernd Huster und<br />
Peter Blase-Geiger, loben die gute Zusammenarbeit mit<br />
der <strong>GEW</strong>-Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe<br />
sowie den 35 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Ohne das<br />
Engagement dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei<br />
die Organisation und Durchführung einer solch großen<br />
Veranstaltung nicht möglich.<br />
Nuckeln und staunen -<br />
Kleinkinder als „Forscher in Windeln“ -<br />
Die fünfundzwanzig Teilnehmerinnen des Fachforums<br />
20 beobachten konzentriert ein ca. 10 Monate altes Kind<br />
das - auf dem Boden liegend - mit einem Buch spielt.<br />
Sie schreiben Notizen in ihre Blöcke und verfolgen,<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
15
SOZIALPÄDAGAGOGIK<br />
In 19 Fachforen beschäftigten<br />
sich die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer<br />
mit ausgewählten<br />
Fragen zur Arbeit mit<br />
Unter-Dreijährigen.<br />
In den überschaubaren<br />
Arbeitsgruppen bestand<br />
genügend Zeit für Diskussionen<br />
und Nachfragen.<br />
wie das Kind immer wieder den Buchdeckel anhebt,<br />
die Seiten umblättert und anschließend das Buch unter<br />
einen Schrank schiebt, um es wieder hervorzuziehen. Die<br />
Filmsequenz dauert 5 Minuten und zeigt das scheinbar<br />
alltägliche „normale“ Spiel des einjährigen Kindes, ein<br />
Vorgang, der in der Regel kaum besondere Aufmerksamkeit<br />
erfährt. Warum sollte man so etwas in einen Film<br />
festhalten? Was sollte daran „besonders“ sein? Was hat<br />
dies mit Lernen oder gar Forschen zu tun?<br />
Die Referentin Kornelia Schneider vom Deutschen<br />
Jugendinstitut (DJI) hält den Film an und fragt die Teilnehmerinnen:<br />
Was haben Sie beobachtet?<br />
Ein Kleinkind als hilfloses, instinktgesteuertes „Reflexbündel“<br />
- wie man jahrelang annahm - oder gar einen<br />
„Forscher in Winden“? Vor ca. 50 Jahren galt ein Säugling<br />
als Tabula-Rasa, als unbeschriebenes Blatt, weder in der<br />
Lage seine Umwelt wahrzunehmen, noch elementare<br />
Empfindungen wie Schmerz zu erleben.<br />
Es ist verblüffend, was die Beobachter alles auf ihren Blöcken<br />
festhalten. Ihre Beobachtungen bestätigen die Thesen<br />
des amerikanischen Forschungteams Gopnik, Meltzoff<br />
und Kuhl (Forschergeist in Windeln, München 2000),<br />
dass Ein-Dreijährige gezielt forschen, Hypothesen aufstellen,<br />
Reihenversuche anstellen und innerhalb kürzester<br />
Zeit riesige Mengen von Sinneseindrücken verarbeiten.<br />
Ihre Hirnleistung übertrifft die jedes Computers und sie<br />
lernen effektiver und schneller als jeder Erwachsene. Jede<br />
Handlung des Kindes verfolgt die Beantwortung einer<br />
Frage oder die Lösung eines Problems, keine Handlung<br />
ist „sinnlos“!<br />
Kornelia Schneider hat viele Beobachtungsvideos in ihrem<br />
Gepäck. In ihrem Workshop berichtet sie von neuen<br />
Erkenntnissen über das Lernen von Kleinkindern. Neue<br />
Beobachtungsmethoden und technische Möglichkeiten<br />
ermöglichten heute die genaue Beobachtung von Säuglingen<br />
und Kleinkindern. So können Forscher beispielsweise<br />
an der Pupillenveränderung, den Augenbewegungen oder<br />
der Nuckelintensität von Kindern Staunen oder Erregung<br />
ablesen, wenn diese neue Erfahrungen verarbeiten. Kornelia<br />
Schneider: „Kinder staunen, wenn eine neue Erfahrung<br />
nicht in ihr Weltbild passt, etwa wenn ein Ball bergauf<br />
rollt. Schon winzige Babys wissen viel von der Welt und<br />
bemühen sich aktiv, noch mehr herauszufinden!“. In<br />
diesem Zusammenhang fordert sie die Teilnehmerinnen<br />
des Workshops auf, „von der Vorstellung weg zu kommen,<br />
dass wir Bildungsarbeit für Kinder machen. Bildungsarbeit<br />
leisten diejenigen, die sich bilden!“<br />
Gemeinsam mit der Referentin machten sich die Teilnehmerinnen<br />
zum Abschluss des Fachforums Gedanken über<br />
Gestaltung von Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder.<br />
Viele Einrichtungen seien zu eng und zudem übermöbiliert.<br />
„Kinder benötigten viel freie Fläche zum Rennen<br />
und Toben“ - so Schneider. Geeignetes Spielmaterial<br />
seien „einfache Materialien“ zum Bauen, Stapeln und<br />
Dinge, die man kaputt machen dürfe wie Pappkartons<br />
oder andere Alltagsmaterialien. Freiräume und einfache<br />
Materialien ermuntern Kinder zum selbstständigen<br />
Forschen und Entdecken, oft ist weniger mehr. Kornelia<br />
Schneider empfiehlt den interessierten Besuchern ihres<br />
Forums: „Schmeißen Sie einfach mal die Möbel raus!“<br />
Christine Marx / Lucas Schmitt<br />
Schon Wochen vorher war die Veranstaltung ausgebucht. Das<br />
Interesse am „Tag der frühen Bildung“ der <strong>GEW</strong> war - wie<br />
bereits in den Jahren zuvor - riesig. Die Organisatoren der<br />
Veranstaltung Bernd Hustert und Peter Blase-Geiger.<br />
16 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
SOZIALPÄDAGOGIK<br />
BILDUNG FÜR DIE KLEINSTEN, JA - ABER WIE?<br />
Ich bin Lehrerin an einer Fachschule. Ich habe eine Praktikantin,<br />
die Mutter eines acht Monate alten Kindes ist.<br />
Sie suchte einen Platz für ihr Berufspraktikum in Teilzeit,<br />
weil sie ihr Kind nicht länger als sechs Stunden in fremde<br />
Hände geben wollte. Sie fand keinen. Eine kirchliche<br />
Einrichtung mit integrierter Krippe bot ihr neben einem<br />
Praktikumsplatz in Vollzeitausbildung einen Krippenplatz<br />
für das Kind an. Dort kann sie ihren kleinen Sohn<br />
gleich morgens hinbringen. Wenn ihr Dienst zu Ende<br />
ist, kann sie ihn wieder abholen. Das Kind wurde nach<br />
dem Berliner Modell eingewöhnt. Das klappte auch ganz<br />
gut, trotzdem hatte die junge Frau das Gefühl, dass acht<br />
Stunden einfach zu lang für das Kind seien.<br />
Mich hat die Zwangslage der jungen Mutter sehr beschäftigt<br />
und irritiert. Sie hat ihr Kind bekommen, obwohl ihre<br />
Ausbildung noch nicht fertig war. Sie hatte eine vernünftige<br />
Vorstellung davon, wie sie ohne schlechtes Gewissen<br />
Ausbildung und Kind unter einen Hut bringen könnte.<br />
Dann fand sie keinen Praktikumsplatz in Teilzeit und<br />
musste ihr eigenes Empfinden im Bezug auf die Betreuungszeit<br />
übergehen, ausschalten. Auf die Befürchtungen<br />
der jungen Mutter einzugehen, wäre dem Träger teurer<br />
gekommen. Der Personalschlüssel ließ es nicht zu, das<br />
Kind in den Mittelpunkt zu stellen. Aber das fordern alle<br />
Bildungspläne vor allem für die Kleinsten.<br />
Antje Bostelmann befürchtet in Ihrem Aufsatz „Quantität<br />
vor Qualität?“ Schnellschüsse wie beim Ausbau der Ganztagsschulen.<br />
Dass wir nämlich Betreuungsplätze anböten,<br />
ohne dass wir uns auf einheitlich gute Standards geeinigt<br />
hätten. Aber „wir wissen, dass man die Pädagogik des Kindergartens<br />
nicht einfach auf die Krippe herunterschrumpfen<br />
kann...Zweijährige sind keine zwergenwüchsigen<br />
Sechsjährigen. Auf Grund ihres jungen Alters verfügen<br />
sie über kognitive und körperliche Entwicklungsbesonderheiten,<br />
benötigen eine ganz eigene Lernwelt.“ Wer<br />
das nicht berücksichtige, gefährde die Entwicklung der<br />
Kinder. (Bostelmann, Antje: 2008, S.22)<br />
Das Einführungsreferat der Erziehungswissenschaftlerin<br />
Anne Heck aus Heidelberg, das fachlich fundiert auf die<br />
Work-Shops am Nachmittag vorbereitete, ging auf genau<br />
diesen Themenkomplex ein. Anne Heck stellte zunächst<br />
psychologische Konzepte und Theorien über die frühe<br />
Entwicklung nebeneinander. Sie beschrieb anschaulich<br />
die Entwicklungsaufgaben, die sich den Kindern in<br />
den verschiedenen Altersstufen stellen, und die daraus<br />
resultierenden Erziehungsaufgaben für Familien und<br />
Kindertageseinrichtungen. Der Vortrag machte klar,<br />
dass die Bereitstellung von Betreuungsplätzen allein<br />
nicht ausreiche. In einer gelingenden Erziehung stehe<br />
die Erfahrung emotionaler Sicherheit im Mittelpunkt.<br />
Keine neue These, aber eine, die unter der Hektik der<br />
massenhaften Schaffung von Betreuungsplätzen heiße<br />
Luft bleibt, wenn die nötigen Rahmenbedingungen im<br />
Bezug auf Ausstattung, Personalschlüssel und Aus- und<br />
Weiterbildung des Fachpersonals nicht geschaffen werden.<br />
Anne Heck wies in diesem Zusammenhang darauf<br />
hin, dass in Japan Kleinkinder im Verhältnis 1:1 betreut<br />
würden. Und das mit gutem Grund.<br />
Bildung sei nämlich vor allem bei den Kleinsten ohne<br />
Bindung nicht möglich. „Wenn Kinder Kummer haben,<br />
dann brauchen sie die ungeteilte Aufmerksamkeit der<br />
Bezugsperson für ihre emotionale Selbstregulation.“ Die<br />
Fähigkeit, einem Kind diese Aufmerksamkeit zu geben,<br />
erfordere vom einzelnen Erzieher Zeit und ein hohes<br />
Maß an Beobachtungsvermögen, Feinfühligkeit und<br />
Responsibilität, d.h. die Fähigkeit, im Stil und Tempo des<br />
Kindes zu reagieren. Feinfühlige Erwachsene antworteten<br />
prompt, angemessen, zuverlässig und zugewandt. Dabei<br />
sei der Dialog mit dem einzelnen Kind von Bedeutung.<br />
Viel Zustimmung erhielt Anne Heck für ihre These, dass<br />
die beschriebenen Grundkompetenzen nicht durch die<br />
Akademisierung der Ausbildung, wie im Heidelberger<br />
Modell vorgesehen, erreicht werden könnten, sondern<br />
eher durch „ein gutes Beratungsnetz für Erzieherinnen<br />
und Erzieher, Berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungen,<br />
Supervision und gruppendynamische Trainingseinheiten.“<br />
Als Anne Heck die Betreuungszeiten ansprach – von<br />
morgens acht bis abends sechs sei zu lang, meinte sie<br />
– da dachte ich an den kleinen Sohn meiner Berufspraktikantin,<br />
der mit acht Monaten funktionieren muss,<br />
damit seine Mama die Ausbildung beenden kann, und<br />
an die Mama, der man das ungute Gefühl ausredet,<br />
damit sie auch funktioniert. Und ich fragte mich, ob es<br />
uns flächendeckend gelingt, jenseits von Sachzwängen<br />
Bedingungen zu schaffen, unter denen Bindung und<br />
Bildung gelingen können.<br />
Karin Wiegand<br />
Literatur:<br />
Bostelmann, Antje: Quantität vor Qualität, Die Krippenmisere<br />
in Deutschland, in: klein und groß, Lebensorte für<br />
Kinder, Zeitschrift für Frühpädagogik, 10/08, S. 22<br />
Bostelmann, Antje: Praxisbuch Krippenarbeit: Leben und<br />
lernen mit Kindern unter 3, Verlag An der Ruhr (Feb 2008)<br />
- 129 Seiten, broschiert, ISBN 3834603538, ISBN-13<br />
9783834603531<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
17
HOCHSCHULEN<br />
ZUR GLEICHWERTIGKEIT VON BERUFLICHER<br />
UND HOCHSCHULISCHER AUSBILDUNG<br />
Überlegungen eines Mitglieds der Landeskommission<br />
für Duale Studiengänge<br />
– von Barbara Hellinge –<br />
Durchlässigkeit, Verzahnung, Anerkennung, Studierbarkeit,<br />
Verschulung, Verdichtung: das sind die (nicht mehr ganz so<br />
neuen) brennenden Leitgedanken, die eben nicht nur Gegenstand<br />
konsesualer Bemühungen von Gewerkschaften 1 ,<br />
Hochschulen und Unternehmerverbänden auf nationaler<br />
Ebene 2 sind, sondern auch in unserem Bundesland z.B. der<br />
Landeskommission für Duale Studiengänge.<br />
Die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage<br />
der FDP zu Dualen Studiengängen in Rheinland-Pfalz<br />
zu der Frage „Wie viele Punkte ...(ECTS) werden in den<br />
jeweiligen Studiengängen für den beruflichen Ausbildungsteil<br />
(Berufsschulinhalte bzw. Prüfungsinhalte der<br />
jeweiligen Kammerprüfung) im Rahmen des dualen<br />
Studiums anerkannt?“ ist eher ernüchternd: obwohl die<br />
KMK3 und die von der Landeskommission erstellten<br />
Standards 4 eine Anerkennung von bis zu 50% zulassen,<br />
weisen nur 3 von 15 aufgeführten Studiengängen einen<br />
Anteil von 11, 14 und 50% auf; in 12 Studiengängen ist<br />
keine Anerkennung nachweisbar!<br />
Diesem Problemfeld widmet sich z.Zt. die ständige<br />
Arbeitsgruppe der Landeskommission intensiv. Hochschulvertreter<br />
dort argumentieren, dass eine Verzahnung<br />
(keine Anerkennung!) innerhalb des Studiums durchaus<br />
stattfinde, daß es im Übrigen den Hochschulen und ihren<br />
Fachvertretungen überlassen bleiben müsse, was aus der<br />
beruflichen Ausbildung anerkennenswert sei. Darüber<br />
hinaus - und dies trifft das Argument der Studierbarkeit<br />
(sind die dualen Studiengänge überhaupt in der Regelstudienzeit<br />
studierbar?) bestehe Übereinstimmung, dass<br />
die Studierenden in dualen Studiengängen besonders<br />
motiviert seien und die Studienabbrecherquote eh sehr<br />
gering sei. 5<br />
Damit wird Wasser auf die Mühlen der Argumente der<br />
Studierenden getan, die ja beklagen, dass die neuen Bachelorstudiengänge<br />
zu einer enormen Verschulung und<br />
Verdichtung des Studiums beigetragen haben. Anhänger<br />
der Studienstrukturreform (Bologna-Prozess, Umstrukturierung<br />
auf Bachelor-/ Masterstudiengänge) wiederum<br />
Die Autorin:<br />
Dipl.-Mediat. (FH) Barbara Hellinge, M.A. ist z.Zt. Beschäftigte der FH Trier im<br />
Bereich des Qualitätsmanagements in Studium und Lehre. Sie gehört innnerhab<br />
der <strong>GEW</strong> zum Leitungsteam der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung, ist<br />
Mitglied der Bundesfachgruppe Hochschule und Forschung und die gewerkschaftliche<br />
Vertretung (DGB) in der Landeskommission für Duale Studiengänge.<br />
argumentieren, dass eine ausgewiesene Arbeitsbelastung/<br />
Workload der Studierenden von 1.800 Stunden im Jahr<br />
keine zusätzlich parallel während der ersten Jahre des<br />
Studiums laufende berufliche Ausbildung zulässt - wenn<br />
denn die Hochschulen den geforderten Workload, der<br />
sich ja nicht nur auf die Vorlesungszeit bezieht sondern<br />
auf das Semester (!) = 6 Monate, ernst nehmen! Studierende<br />
brauchen, wollen sie ein Studium erfolgreich in der<br />
Regelstudienzeit beenden, all ihre Kraft und Energie zur<br />
erfolgreichen Beendigung.<br />
An dieser Stelle muss das Gebaren der Akkreditierungsagenturen,<br />
die Duale Studiengänge - ohne auf<br />
Anerkennung beruflicher Ausbildungsteile zu achten<br />
- akkreditieren, aufs Schärfste kritisiert werden. Sie haben<br />
sich eben nicht an die Vorgaben der KMK in ihren<br />
Akkreditierungen gehalten. Das ist umso schlimmer,<br />
weil ja (s.o.) auch die Landeskommission der Auffassung<br />
ist, dass eine Feststellung der Studierbarkeit bereits im<br />
Rahmen der Akkreditierung erfolge und es eben nicht<br />
ihre Aufgabe sei, die Studierbarkeit in jedem beantragten<br />
Studiengang zu prüfen.<br />
Daher meine ich, dass der Landeskommission die Aufgabe<br />
einer Qualitätskontrolle gut anstünde, etwa dergestalt,<br />
dass sie umfassende und detaillierte Untersuchungen<br />
von Abbruchquoten als ihre strategischen Erkenntnisse<br />
für die „Produktentwicklung“ des „Produkts“ Dualer<br />
Studiengang im Rahmen eines ihr eigenen Qualitätsmanagements<br />
nutzt.<br />
Zurück zur Anerkennung: hier:<br />
Hilfen für Hochschulen und Unternehmen, Leistungspunkte<br />
(ECTS) aus der beruflichen Ausbildung zu<br />
vergeben, bzw. in der beruflichen Ausbildung erworbene<br />
Kompetenzen auch in den Studienplänen der Hochschulen<br />
formal anzuerkennen:<br />
Das Qualifikationsziel eines Bachelorstudiengangs ist<br />
ein berufsqualifizierender Abschluss. Dazu „müssen die<br />
Bachelorstudiengänge wissenschaftliche Grundlagen,<br />
Methodenkompetenz und berufsfeldbezogene Qualifikationen<br />
vermitteln.“ 7 mit anderen Worten, Hochschulen<br />
müssen Fachkompetenz, Methodenkompetenz und<br />
Schlüsselqualifikationen vermitteln 8 . Der Akkreditierungsrat<br />
differenziert die zuvor genannten Ziele:<br />
„Das Studiengangskonzept orientiert sich an fachlichen<br />
und überfachlichen Qualifikationszielen, die dem angestrebten<br />
wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Ausbildungsziel<br />
und Abschlussniveau entsprechen.<br />
Die Qualifikationsziele beziehen sich vor allem auf die<br />
Bereiche<br />
• wissenschaftliche Befähigung,<br />
• Befähigung, eine qualifizierte Beschäftigung aufzunehmen,<br />
• Befähigung zum zivilgesellschaftlichen Engagement,<br />
und<br />
• Persönlichkeitsentwicklung.“ 9<br />
Fachkompetenz: In der Tat sollten Vertretungen der Berufspraxis<br />
und Hochschulfachvertretungen gemeinsam<br />
anhand eines Vergleichs der jeweiligen Ausbildungsord-<br />
18 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
HOCHSCHULEN<br />
nung und zu erstellendem Studiengangscurriculum darüber<br />
nachdenken, welche Fachkompetenzen an welchem<br />
Ausbildungsort (Betrieb und Hochschule) zur Erreichung<br />
des Studienziels Fachkompetenz bzw. wissenschaftliche<br />
Grundlagen vermittelt werden können. Häufig wird es<br />
gerade zu Beginn des Studiums Schnittstellen geben:<br />
z.B. ist es kaum vorstellbar, dass sich nicht Teile der anspruchsvollen<br />
Ausbildung zur „MechatronikerIn“ auch<br />
im Grundstudium des Maschinenbau, der Elektrotechnik<br />
oder der Informatik wiederfinden lassen oder Teile der<br />
Ausbildung zu z.B. Industriekauffrau/Industriekaufmann<br />
nicht in der des Betriebswirtschaftlichen Bachelorstudiums<br />
an Fachhochschulen.<br />
Methodenkompetenz: „umfasst die Kompetenzen, die<br />
einen Absolventen dazu befähigen, Wissen anzuwenden<br />
(Methodenkompetenz), und einen Wissenstransfer zu<br />
leisten“. Die Ausbildung an Fachhochschulen hat sich<br />
immer schon durch ihre „praxisorientierte“ Ausbildung<br />
ausgezeichnet. Dies wird nicht zuletzt festgemacht an<br />
vielen Lehrveranstaltungstypen wie„Praktikum“, „Labor“<br />
„praktisches Studiensemester“ (früher: „Praxissemester“).<br />
Auch hier ist die Frage zu stellen, ob nicht z. B. berufliche<br />
Ausbildungen im Laborbereich Chemie, Biologie durchaus<br />
grundlegende Methoden von Untersuchungen/Tests<br />
vermitteln, die parallel in der Hochschulausbildung<br />
ebenfalls Gegenstand der ersten Praktika sind.<br />
Berufsfeldbezogene Qualifikationen/ Schlüsselqualifikationen:<br />
Diese dritte Kategorie wird vom Akkreditierungsrat<br />
noch einmal ausdifferenziert in: „Befähigung,<br />
eine qualifizierte Beschäftigung aufzunehmen, Befähigung<br />
zum zivilgesellschaftlichen Engagement, Persönlichkeitsentwicklung.“<br />
10<br />
Abb.: Gesellschaftspolitische Einbettung der „Schlüsselkompetenzen“<br />
gemäß OECD2002 (Figur in Anlehnung an den<br />
OECD-Text entwickelt durch RN) 11<br />
An Fachhochschulen in Rheinland-Pfalz werden diese<br />
Befähigungen = Kompetenzen meistens in fachübergreifenden<br />
Lehrveranstaltungen zur Fremdsprachenausbildung;<br />
und zu i.w. S. Kommunikation, Präsentation,<br />
Konfliktmanagement, Selbstmanagement innerhalb der<br />
Curricula vor den Akkreditierungsinstanzen nachgewiesen.<br />
Studentische Partizipation/studentisches Engagement<br />
in der Selbstverwaltung gehört ebenso nicht dazu wie<br />
in Dualen Studiengängen der Nachweis über das Engagement<br />
in der Jugend- und Auszubildendenvertretung<br />
(JAV). Aber wie sonst soll z.Zt. das Qualifikationsziel<br />
„Befähigung zum zivilgesellschaftlichen Engagement“ in<br />
Hochschulen akkreditierbar nachgewiesen werden?<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
so z.B. auf auf dem 2. Hochschulpolitische Forum der Hans-<br />
Böckler-Stiftung, wo sich die „Bildungsgewerkschaften“ des DGB<br />
zusammenfanden<br />
2<br />
z.B. bei der Formulierung eines Nationalen Qualifikationsrahmens<br />
auf der Grundlage des Europäischen Qualifikationsrahmens<br />
und der Lissabon-Konvention<br />
3<br />
Beschluss der KMK von 2002; s. http://www.kmk.org/doc/beschl/anrechnung.pdf:<br />
„Außerhalb des Hochschulwesens erworbene<br />
Kenntnisse und Fähigkeiten können höchstens 50 % eines Hochschulstudiums<br />
ersetzen.“<br />
4<br />
zu den Prüfkriterien s. http://dualesstudium.rlp.de/main/index.<br />
php?port=port_hochs&inc=Foerderung&sub=H_Foerderung_<br />
Pruefkriterien<br />
5<br />
Das Verständnis der Landeskommission zur Studierfähigkeit<br />
und Zugangsgerechtigkeit kann an dieser Stelle nicht thematisiert<br />
werden. Gegenstand des „heimlichen Curriculums“ ist auf jeden<br />
Fall: „Wir wollen nur die Besten“.<br />
6<br />
das enspricht einer durchschnittlichen Arbeitnehmerarbeitszeit<br />
mit 3 - 4 Wochen Urlaub<br />
7<br />
Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG<br />
für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen<br />
(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i.d.F.<br />
vom 15.06.2007), S. 3<br />
8<br />
„Die Kategorie Wissen und Verstehen beschreibt die erworbenen<br />
Kompetenzen mit Blick auf den fachspezifischen Wissenserwerb<br />
(Fachkompetenz). Die Kategorie Können umfasst die Kompetenzen,<br />
die einen Absolventen dazu befähigen, Wissen anzuwenden<br />
(Methodenkompetenz), und einen Wissenstransfer zu leisten.<br />
Darüber hinaus finden sich hier die kommunikativen und sozialen<br />
Kompetenzen wieder.“ (Qualifikationsrahmen für Deutsche<br />
Hochschulabschlüsse; Im Zusammenwirken von Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Kultusministerkonferenz und Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung erarbeitet und von der Kultusministerkonferenz<br />
am 21.04.2005 beschlossen)<br />
9<br />
Akkreditierungsrat: Drs. AR 15/2008; Kriterien für die Akkreditierung<br />
von Studiengängen (beschlossen am 17.07.2006, geändert<br />
am 08.10.2007 und 29.02.2008)<br />
10<br />
Akkreditierungsrat: Drs. AR 15/2008; Kriterien für die Akkreditierung<br />
von Studiengängen (beschlossen am 17.07.2006,<br />
geändert am 08.10.2007 und 29.02.2008)<br />
11<br />
Nägeli, Rudolf Andreas: Europäische Kompetenzen-Konzepte<br />
im Bildungsbereich. Bedeutung und Nutzen für die Curriculum-<br />
Entwicklung. In: Handbuch Qualität in Studium und Lehre,<br />
(Benz, Kohler, Landfried (Hgg.); Raabe Verlag Berlin, Loseblattsammlung,<br />
D 3.4<br />
12<br />
Landfried Klaus, Senger Ulrike: Neue Lehr-und Lernformen.<br />
Lehren und Lernen im Zeichen ganzheitlicher Persönlichkeitsbildung.<br />
In: Handbuch Qualität in Studium und Lehre, (Benz,<br />
Kohler, Landfried (Hgg.); Raabe Verlag Berlin, Loseblattsammlung,<br />
E. 5.4<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
19
HOCHSCHULEN<br />
Studierende beklagen z.Zt. eine bis zu 60 Stunden umfassende<br />
Arbeitswoche. Persönlichkeitsbildung? Persönlichkeitsbildung<br />
in den dualen Studiengängen? Ich meine,<br />
z.Zt. lässt das Bachelorstudium und das duale Bachelorstudium<br />
insbesondere lediglich Anpassung aber nicht Ausbildung/Entwicklung<br />
der Persönlichkeit zu. Studierende<br />
produzieren das Bestehen abfragbarer Leistungen. Für<br />
die Ausbildung gesellschaftlich relevanter Kompetenzen<br />
wie z.B. Reflexivität, Flexibilität, bewusste, kritische und<br />
verantwortliche Einschätzung und Bewertung des eigenen<br />
und fremden Tuns bleibt keine Zeit; kurz, die Ausbildung<br />
o.g. Kompetenzen für sozial verantwortliches Handeln<br />
und Entwickeln bleibt auf der Strecke.<br />
Aber: Unternehmen brauchen flexible, selbstreflexible<br />
Köpfe, die über den Tellerrand schauen.<br />
Mehr Partizipation:<br />
Es kommt künftig also darauf an, dass die Vertretungen<br />
aus Wirtschaft gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretungen<br />
in der Landeskommission für Duale Studiengänge<br />
darauf drängen, dass das Studium nachweisbar studierbar<br />
ist und sich die Gleichwertigkeit von Beruflicher und<br />
Hochschulausbildung in der formalen Anerkennung von<br />
beruflichen Ausbildungsinhalten in der Hochschulausbildung<br />
nachweisbar abbildet.<br />
Es darf nicht nur den Fachkulturen der Hochschulen<br />
überlassen werden, zu beurteilen, was ein gutes Duales<br />
Studium ist.<br />
Mehr Persönlichkeitsbildung leben<br />
und formal anerkennen<br />
„Bei den neuen Formen des Lernens geht es ... um neue<br />
Methoden und Gegenstände, die neue Formen bedingen:<br />
Das Selbstlernen, das fach- und kulturenübergreifende<br />
Lernen, das Trainieren sozialer Kompetenzen. Diese<br />
Herausforderungen zeigen: Lernen muss heute bedeuten,<br />
Selbstständigkeit zu lernen, selbständig in Hörsaal,<br />
Labor, Bücherei und auch in digitalen Netzen zu lernen,<br />
ethischen Prinzipien zu folgen, die das bloße Wissen transzendieren,<br />
lernen in einer Ausbildung, die Bildung im<br />
umfassenden Sinne einschließt und die gesamte Persönlichkeit<br />
formt. Organisierbar ist vieles davon, die nötige<br />
Begeisterung und das vorbildliche Leben nicht. Hier ist<br />
Charakter gefragt. Und der Wille zur aktiven Gestaltung<br />
der Zukunft, in sozialer Verantwortung.“ 12<br />
KULTUR<br />
AUF DEN GABENTISCH: KURPFALZ-KRIMIS<br />
Regionalkrimis haben immer noch<br />
Konjunktur. Inzwischen hat fast jede<br />
Stadt seinen eigenen Ermittler, bald<br />
wohl auch jedes Dorf. Der Reiz liegt<br />
auf der Hand: Die Kombination<br />
von bekanntem Lokalkolorit (bzw.<br />
dadurch bekannt werdendem) und<br />
kriminalistischer Handlung ergibt oft<br />
eine fesselnde Mischung.<br />
Die Kehrseite: Der Boom hat einiges<br />
auf den Markt gebracht, was<br />
literarischen Ansprüchen nicht mal<br />
im Ansatz genügt. Was nützt es,<br />
wenn man die Gegend kennt, in der<br />
eine unschlüssige Handlung spielt?<br />
Zum Glück gibt es Ausnahmen: Die<br />
Rheinhessen-Krimis von Antje Fries<br />
gehören dazu, ebenso die Kurpfalz-<br />
Krimis aus dem Wellhöfer-Verlag.<br />
Bei letzterem sind inzwischen sechs<br />
Bände dieser Reihe erschienen, und<br />
zwar drei Krimis und drei Krimi-<br />
Anthologien, allesamt sorgfältig lektoriert und auf<br />
ansprechendem sprachlichem Niveau. Gleich zwei Kriminalromane<br />
geschrieben hat der aus der Pfalz stammende<br />
Mannheimer Autor Walter Landin, Realschullehrer im<br />
Brotberuf: „Mord im Quadrat“ heißt der eine, „Mann-<br />
heimer Karussell“ der andere. Gut angekommen in der<br />
Region ist auch „Tod im Seminar“ des Ludwigshafener<br />
Personalleiters Manfred H. Schmitt.<br />
Die Anthologien versammeln zahlreiche AutorInnen,<br />
die in der Szene Rang und Namen haben, und sind lokal<br />
bzw. regional bezogen: „Mörderische Pfalz“, „Mörderische<br />
Kurpfalz“ und „Mörderisches Mannheim“.<br />
Im Kurpfalz-Band ist auch eine Kurzgeschichte unseres<br />
langjährigen Autors und BBS-Kollegen Dr. Hubert Bär<br />
zu finden: „Der Drachen“ ist die spannende, raffiniert<br />
konstruierte und eloquent formulierte Story betitelt. Ein<br />
Drachen stürzt ab, und dass das für die Protagonistin<br />
nichts Angenehmes bedeutet, lässt sich erahnen.<br />
Vorschlag also zur Vermeidung vorweihnachtlichen<br />
Einkaufsstresses: einfach dieses zudem auch noch preiswerte<br />
Sixpack (zusammen 67,80 Euro, einzeln 9,80<br />
Euro oder 12,80 Euro) ordern und auf dem Gabentisch<br />
platzieren.<br />
Weitere Infos: www.wellhoefer-verlag.de gh<br />
20 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
GESELLSCHAFT<br />
DIE SCHNECKE MARSCHIERT<br />
50 Jahre Gleichberechtigung: Anspruch - Wirklichkeit - Perspektiven<br />
1958 - vor 50 Jahren - trat das erste Bundesgesetz zur<br />
Gleichberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland in<br />
Kraft, 2008 legte die Landesregierung von Rheinland-Pfalz<br />
den 3. Bericht zur Gleichstellung nach dem Gleichstellungsgesetz<br />
von 1994 vor. Diese beiden Ereignisse nahmen der<br />
Landesfrauenbeirat, die DGB-Frauen RLP und die Landesarbeitsgemeinschaft<br />
der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten<br />
RLP/LAG zum Anlass, am 10. November<br />
in den Wappensaal des Landtages einzuladen.<br />
Mit Selbstbewusstsein<br />
für gleiche Bedingungen<br />
„ICH BIN<br />
MEHR WERT“<br />
Quelle: DGB /<br />
Susann Loessin<br />
Eine Bestandsaufnahme des Erreichten und des noch<br />
Anzustrebenden in Sachen Gleichberechtigung sollte<br />
gemacht werden. Aber auch das Feiern war angesagt, trotz<br />
der immer noch klaffenden Lücke zwischen Anspruch<br />
und Wirklichkeit beim Thema Geschlechtergerechtigkeit<br />
in Gesellschaft und Beruf.<br />
„Die Schnecke marschiert“ meinte Hildegard Hamm-<br />
Brücher vor kurzem in einem Fernsehinterview zum<br />
Tempo der Verwirklichung von Gleichberechtigung. Diese<br />
Aussage griffen die Veranstalterinnen auf und stellten<br />
das Treffen unter dieses Motto. Es beinhaltet gleichzeitig<br />
die Unzufriedenheit über das Tempo der Veränderungen<br />
und die Beständigkeit, mit der die Frauen an diesem<br />
Thema „dran bleiben.“ Und dass sie Beharrlichkeit haben,<br />
zeigte die große Zahl der Teilnehmerinnen, die aus ganz<br />
Rheinland-Pfalz nach Mainz gekommen waren.<br />
Leider waren nur je eine Vertreterin der CDU- und<br />
der FDP-Fraktion der Einladung der Veranstalterinnen<br />
gefolgt, die anderen Parlametarierinnen ließen sich entschuldigen,<br />
weil sie andere Termine wahrnahmen. Auch<br />
Bildungsministerin Doris Ahnen ließ sich vertreten und<br />
ihren Wunsch übermitteln, dass aus „der Schnecke eine<br />
Windhündin“ werden möge. Ob die allein von der SPD<br />
gestellte Landesregierung diesen Wunsch der Ministerin<br />
in absehbarer Zeit wohl erfüllen wird?<br />
Seit 1957 Gesetz:<br />
Mann und Frau tragen die gleiche Verantwortung<br />
für Haushalt und Familie.<br />
Gisela Abts, selbstständige Frauenbildungsreferentin,<br />
folgte in ihrer Festansprache dem Satz Gustav Heinemanns,<br />
dass man seine Vergangenheit kennen muss, um<br />
die Gegenwart gestalten zu können. Sie erinnerte an die<br />
Frauen der proletarischen, bürgerlichen und politischen<br />
Frauenbewegung. Als eine Vertreterin der proletarischen<br />
Frauenbewegung nannte sie Luise Otto, die im 19. Jahrhundert<br />
für die Berufsarbeit der Frauen kämpfte. Alice<br />
Salomon war eine Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung,<br />
die sich um 1900 für gleiche Bildungschancen<br />
für Frauen einsetzte. Das Wahlrecht erhielten die Frauen<br />
dann durch die Weimarer Republik. Erst 1953 gelang es<br />
Helene Wessel, Helene Weber, Elisabeth Selbert und ihren<br />
Mitstreiterinnen die Gleichberechtigung von Männern<br />
und Frauen im Grundgesetz zu verankern. Aber es dauerte<br />
noch fast fünf Jahre, bis das erste Bundesgesetz zur Umsetzung<br />
der Gleichberechtigung im Bundestag verabschiedet<br />
wurde und in Kraft treten konnte. Abgeschafft wurde der<br />
so genannte Gehorsamsparagraf des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
aus dem Jahr 1896, nach welchem der Mann allein<br />
über Wohnort und Wohnung des Ehepaares bestimmte.<br />
Endlich hinfällig wurde auch die Regelung, dass eine Ehefrau<br />
nur mit Zustimmung ihres Ehemannes erwerbstätig<br />
sein durfte. Aber noch zwei weitere Jahrzehnte mussten<br />
vergehen, bis die „Hausfrauenehe“ als gesetzliches Leitbild<br />
abgeschafft wurde. Die tatsächliche Gleichbehandlung<br />
von Frauen im Erwerbsleben stand damals noch lange<br />
nicht auf der Tagesordnung.<br />
Ab1958 durfte der Mädchenname der<br />
Frau an den Familiennamen (Name des<br />
Mannes) angehängt werden.<br />
Die 2. Rentenreform (1972/73) und die Änderungen des<br />
Paragrafen 218 (1974/1976) waren weitere Schritte auf<br />
dem Weg zur Gleichberechtigung. Aber erst die sozial-liberale<br />
Koalition in Rheinland-Pfalz schrieb 1994 fest, dass<br />
die Gleichstellung eine kommunale Aufgabe ist, und 1995<br />
trat dann das Landesgleichstellungsgesetz in Kraft.<br />
Gisela Abts fasste die lange Geschichte der Gleichberechtigung<br />
ganz kurz so zusammen:„Meine Großmutter erstritt<br />
das Wahlrecht. Meine Mutter durfte studieren, hätte aber<br />
zölibatär leben müssen, wenn sie hätte berufstätig bleiben<br />
wollen. Ich kann Beruf und Familie gleichzeitig haben.<br />
Meine Töchter hielten sich für nicht diskriminiert, das<br />
hat sich aber gelegt. Meine Enkelin wird Ärztin anstatt<br />
Krankenschwester.“<br />
Seit 1972 Freiheit der Namenswahl<br />
durch die Ehepartner.<br />
Dem Bewegungsbedürfnis kam ein „Brain-walking“ in<br />
vier Gruppen entgegen, das sich anschloss. Dabei wurde<br />
„Teilzeit“ als Maßnahme der Frauenförderung aus den<br />
verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die Teilnehmerinnen<br />
widersprachen der gängigen These, dass Teilzeit<br />
grundsätzlich als eine Form der Frauenförderung zu<br />
betrachten sei. „Teilzeit bedeutet Karriereknick“, „Wiedereinstieg<br />
in Vollzeit wird verweigert“ , „30 Stunden<br />
pro Arbeitswoche für alle ist die bessere Lösung“, meinte<br />
dagegen die Mehrzahl der Frauen.<br />
Sicht- und spürbare Benachteiligungen in den Entgeltregelungen<br />
machten die Teilnehmerinnen bei den Eingruppierungen<br />
von Tätigkeiten aus, die überwiegend von<br />
Frauen ausgeübt werden. Zum Beispiel verrichten nicht<br />
nur Monteure schwere körperliche Arbeit, auch Alten-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
21
GESELLSCHAFT<br />
pflegerinnen tun dies. Aber nur in den Entgeltregelungen<br />
der Monteure schlägt sich dies in der entsprechenden<br />
Bezahlung nieder.<br />
In den 1990er Jahren wurde still und leise<br />
der Kranzgeldparagraf* abgeschafft,<br />
da er nicht mehr angewendet wurde.<br />
* Kranzgeld war die finanzielle Entschädigung,<br />
wenn die Jungfernschaft während einer Verlobungszeit,<br />
die nicht zu einer Eheschließung führte,<br />
verloren ging (!!!).<br />
Eine indirekte Diskriminierung bei der Entlohnung<br />
sahen die Teilnehmerinnen auch in der geringen Anzahl<br />
von Beförderungen von Frauen. Und da schließt sich der<br />
Kreis wieder, denn Teilzeit wird meist von Frauen ausgeübt<br />
und stellt ein Hindernis bei Beförderungen dar, weil<br />
Führungsaufgaben nicht in Teilzeit angeboten werden.<br />
Zum Abschluss des Plenums formulierten die Teilnehmerinnen<br />
einige Forderungen an die Politik, damit „die<br />
Schnecke Gleichberechtigung in Bewegung bleibt.“<br />
• Das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) muss novelliert<br />
werden, da es zu unverbindlich ist. Verstöße gegen das<br />
Gesetz müssen geahndet werden.<br />
• Das LGG muss gleiche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit<br />
erzwingen können.<br />
• Die Befugnisse der Gleichstellungsbeauftragten müssen<br />
gestärkt und ausgeweitet werden.<br />
• Die Kontrolle der Umsetzung des LGG muss durchgesetzt<br />
werden.<br />
• Das Gleichstellungsgesetz ist auf die Privatwirtschaft<br />
anzudehnen.<br />
2008: Noch immer verdienen Frauen<br />
12% bis 37% weniger als Männer.<br />
Das Feiern und Lachen vergaßen die Frauen aber trotz<br />
alledem nicht. Die Kabarettistin Hilde Wackerhagen betrachtete<br />
die Männer, Frauen, Menschen ganz subjektiv<br />
durch die weibliche Brille, weil Objektivität schon seit<br />
Jahrtausenden ja eh reine Männersache ist, sagen die<br />
Männer. Die Frauen hatten ihre helle Freude an dieser<br />
Sichtweise.<br />
Ursel Karch<br />
2008: Hartz IV- Empfängerinnen erhalten<br />
keine Empfängnisverhütungsmittel,<br />
da Schwangerschaft kein regelwidriger<br />
Zustand für Frauen ist.<br />
(Ablehnungsbegründung eines Sozialgerichts)<br />
KERNIGE KERLE<br />
Klar doch, Fußball ist die Sportart Nummer 1 in Deutschland.<br />
Doch auch wer den Fußballsport mit Begeisterung<br />
verfolgt, sollte ab und zu mal einen Blick über den Tellerrand<br />
(hier: aus dem Fußballstadion) wagen. Faszinierendes ist dort<br />
nämlich zu entdecken. Zum Beispiel Hallenhandball.<br />
Und da gibt es in Ludwigshafen ein tolles Angebot: Zweitligahandball<br />
bei der TSG Friesenheim, einem traditionsreichen<br />
Verein in einem nördlichen Stadtteil, wo ein bekannter<br />
Altkanzler aufwuchs, der fälschlicherweise immer als „Oggersheimer“<br />
bezeichnet wird.<br />
Die Halle(n), in denen die TSG spielt, sind quasi eine<br />
Puppenstube des Betzenbergs. Hier ist alles im Kleinformat<br />
zu finden: Fanclub und Fanartikel, Stadionzeitschrift und<br />
VIP-Bereich, Gastronomie und Pressekonferenz, Edelfans<br />
und Sponsoren.<br />
Die Zweitligaspiele der TSG zu verfolgen, macht richtig<br />
Spaß. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen gibt es<br />
im Hallenhandball keinen Leerlauf; es geht 60 effektive<br />
Spielminuten rauf und runter mit manchmal fast schon<br />
akrobatischen Szenen und tollem Einsatz. Wahrlich nichts<br />
für schlechte Nerven. Kampf, Taktik, Spielwitz, alles ist drin.<br />
Zum anderen sind viele Handballer ganz andere Typen als<br />
Fußballer. Wo letztere gefönt, gegelt, gestylt sich schon bei<br />
einer kleinen Berührung theatralisch fallen lassen oder gar<br />
Verletzungen simulieren, hängen sich diese kernigen, meist<br />
völlig uneitlen Kerle bis zur totalen Erschöpfung leidenschaftlich<br />
rein. Echte Typen eben, wie man sie früher bei<br />
Ruhrgebietskickern kannte. Allerdings mit einem riesigen<br />
Unterschied: nix mit „gib misch die Kirsche“, das genaue<br />
Gegenteil: Viele Handballer studieren und verdienen sich<br />
mit ihrem Sport den Lebensunterhalt.<br />
Schon diese wenigen Sätze zur Beschreibung des Eventcharakters<br />
guten Hallenhandballs könnten nahe legen, regelmäßig<br />
an dieser Stelle darüber zu schreiben. Das war auch so<br />
vorgesehen. Der Bitte um Presseakkreditierung bei der TSG<br />
wurde vom Vereinsmanagement zunächst rasch stattgegeben,<br />
dann wurde diese jedoch in Form von Untätigkeit trotz<br />
Rückfrage wieder zurückgezogen. Über den Grund ließe<br />
sich spekulieren, was jedoch Zeit- und Platzverschwendung<br />
wäre. Es ist halt so: Ohne Akkreditierung schreiben wir<br />
nicht; weder über die Didacta noch über die Frankfurter<br />
Buchmesse und schon gar nicht bis auf dieses eine Mal über<br />
die TSG Friesenheim, obwohl man dort angesichts der doch<br />
eher mageren Zuschauerresonanz über jede Form der Aufmerksamkeit<br />
froh sein müsste.<br />
Zu den Spielen gehen wir aber trotzdem regelmäßig.<br />
Günter Helfrich<br />
22 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
GESELLSCHAFT<br />
Glossiert<br />
TECHNIK MIT TÜCKEN<br />
Haben Sie auch schon von diesen neuen Dingern gehört, diesen Ebooks?<br />
Ich hab‘ sie neulich mal vorsichtig angefasst.<br />
Einige sind in Leder eingebunden, so nobel hab‘ ich‘s ja zu Hause eher<br />
nicht, denn meist lese ich Paperbacks. Manche kann man tatsächlich<br />
aufschlagen wie ein Buch, aber dann ist halt schnell Ende, und genau<br />
dieses Blättern würde mir fehlen. Möglich, dass irgendwelche Japaner<br />
schon längst daran arbeiten, den entsprechenden Sound mit anzubieten.<br />
Tja, und dann die Schriftgröße: Ich lese normalerweise keine Senioren-<br />
Großdruck-Ausgaben, aber die meisten Ebook-Angebote haben irgendwie<br />
eine Mini-Schrift, und nicht alle lassen Vergrößerungen zu.<br />
Fünfzig bis hundert Romane kriegt man in so ein Ebook rein, berichtete<br />
mir ein Verkäufer. Klasse, nur: Was zur Hölle mache ich dann mit all‘<br />
den Regalen und Bücherschränken, die ich über die Jahre angeschafft<br />
habe? Nachher ist auch noch meine Wohnung zu groß! Obwohl es mir<br />
als Allergikerin ja entgegenkommen würde, dass die ganzen Staubfänger<br />
entsorgt und steril auf USB gelagert werden könnten. Und hätten Sie<br />
nicht auch ein Problem damit, einen guten Roman zu verleihen? So<br />
ein Ebook ist eben schon teurer als ein Papierbuch.<br />
Oder stellen Sie sich vor, einen Liebesroman als Ebook auf der Couch<br />
zu lesen. Was wäre mit all‘ meinen Tränen, die ich beim Lesen vergösse?<br />
Da wäre doch die Technik schnell im Eimer. Tränen auf Papier trocknen<br />
beizeiten wieder, und selbst wenn das Buch dadurch aufquillt, dann<br />
sagt mir das auch nach Jahren noch, dass ich den Helden der Lektüre<br />
mal sehr geliebt habe.<br />
Am Baggersee nutze ich im Sommer die Zeit zum Lesen. Was macht das<br />
Ebook-Display eigentlich in der Sonne? Und ob ihm die zahlreichen<br />
Sandkörner gut tun, die vorbeiflitzende Kinder aufwirbeln? Kann man<br />
es mal eben neben die nassen Badehosen in den Beutel stopfen, wenn<br />
plötzlich ein Gewitter aufzieht? Ausgeschlossen!<br />
Das E-cook-book kann man bestimmt besser als ein Papier-Kochbuch<br />
auf der Arbeitsfläche an die Kacheln lehnen, um daraus das Rezept<br />
abzulesen. Das hat mich schon immer geärgert, dass das Kochbuch<br />
ausgerechnet dann, wenn ich die Arme gerade bis zu den Ellbogen im<br />
Truthahn stecken hatte, zuklappte. Mit dem Ebook kein Thema mehr.<br />
Aber was wäre mit den Fettspritzern? Im herkömmlichen Kochbuch<br />
eine Art Patina: Da, wo besonders viele Spritzer drauf sind, muss ein<br />
beliebtes Rezept stehen. Aber jedes Mal nach dem Kochen auch noch<br />
das Ebook schrubben, ach nee!<br />
Verschenken Sie mal Liebesgedichte als Ebook. Da liefe nicht mal mit<br />
rosa Display was bei mir, ehrlich!<br />
Und ob die Omis in der Kirche auf ihr Gesangbuch verzichten mögen<br />
und auf‘s E-Songbook umsteigen, das der Pfarrer mittels USB-Anschluss<br />
an den Beamer klemmen und an die Wand zwischen Maria und Sankt<br />
Benediktus werfen kann?<br />
Ach, wie das wohl in der Schule wird? Natürlich, die Ranzen werden<br />
leichter, weil jedes Kind nur noch ein Ebook braucht. Und das<br />
Weiterverkaufen ist auch kein Thema mehr, weil eh‘ niemand was<br />
reinkritzeln kann. Aber kommt dann nicht zum täglichen „Ich hatte<br />
das Buch vergessen und konnte meine Aufgaben nicht machen!“ auch<br />
noch das „Au weia, ich hab‘ vergessen, denn Akku aufzuladen!“ hinzu?<br />
Kriegen wir dann demnächst alle multiple Akku-Ladegeräte in den<br />
Klassensaal?<br />
Als Gewerkschafterin muss ich eigentlich sowieso absolut gegen Ebooks<br />
sein: Drucker, Papierhändler, Schreiner, Möbelverkäufer, Buchhändler<br />
und so weiter hätten weniger zu tun, nur Chip-Programmierer und<br />
-Hersteller hätten ernsthaft was davon. Und das ganz sicher nicht am<br />
Wirtschaftsstandort Deutschland, oder?<br />
Nein, ich bin da ganz furchtbar konservativ. Vielleicht werde ich<br />
einfach alt.<br />
Meine Freundin Uta sah‘s beim gemeinsamen Ebook-Testen ganz<br />
pragmatisch: „Also, wenn du mal auf Weltreise gehst, wär‘ so ein Ding<br />
schon gut!“ Bislang reicht mein Etat nur für eine Woche an der Nordsee,<br />
aber man kann ja nie wissen. Dann also würde ich ein Ebook im<br />
Rucksack mitnehmen und unterwegs ausgiebig daraus lesen. Nur: Wo<br />
lade ich in Patagonien meinen Akku auf?<br />
Antje Fries<br />
WENN DIE BÖRSENKURSE FALLEN<br />
Wenn die Börsenkurse fallen,<br />
regt sich Kummer fast bei Allen,<br />
aber manche blühen auf:<br />
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.<br />
Trifft`s hingegen große Banken,<br />
kommt die ganze Welt ins Wanken -<br />
auch die Spekulantenbrut<br />
zittert jetzt um Hab und Gut!<br />
Für die Zechen dieser Frechen<br />
hat der Kleine Mann zu blechen<br />
und - das ist das Feine ja -<br />
nicht nur in Amerika!<br />
Keck verhökern diese Knaben<br />
Dinge, die sie gar nicht haben,<br />
treten selbst den Absturz los,<br />
den sie brauchen - echt famos!<br />
Soll man das System gefährden?<br />
Da muss eingeschritten werden:<br />
Der Gewinn, der bleibt privat,<br />
die Verluste kauft der Staat.<br />
Und wenn Kurse wieder steigen,<br />
fängt von vorne an der Reigen -<br />
ist halt Umverteilung pur,<br />
stets in eine Richtung nur.<br />
Kurt Tucholsky<br />
Foto: users.telenet.be/<br />
gaston<br />
Leichter noch bei solchen Taten<br />
tun sie sich mit Derivaten:<br />
Wenn Papier den Wert frisiert,<br />
wird die Wirkung potenziert.<br />
Dazu braucht der Staat Kredite,<br />
und das bringt erneut Profite,<br />
hat man doch in jenem Land<br />
die Regierung in der Hand.<br />
Aber sollten sich die Massen<br />
das mal nimmer bieten lassen,<br />
ist der Ausweg längst bedacht:<br />
Dann wird bisschen Krieg gemacht.<br />
Wenn in Folge Banken krachen,<br />
haben Sparer nichts zu lachen,<br />
und die Hypothek aufs Haus<br />
heißt, Bewohner müssen raus.<br />
Kurt Tucholsky, 1930,<br />
veröffentlicht in<br />
„Die Weltbühne“<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
23
GENERATION 60+<br />
DIE <strong>GEW</strong> GRATULIERT …<br />
im Januar 2009<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Frau Almuth Kloss<br />
04.01.1939<br />
Ziegeleiweg 4 · 55590 Meisenheim<br />
Frau Helma Henrich<br />
15.01.1939<br />
Rodenbacher Str. 42 · 67661 Kaiserslautern<br />
Frau Ingrid Gaertner<br />
22.01.1939<br />
Wolfsangel 30 · 67663 Kaiserslautern<br />
Frau Ursula Rücker<br />
26.01.1939<br />
Tiergarten 4 · 56412 Welschneudorf<br />
zum 75. Geburtstag<br />
Herrn Otto Butzbach<br />
20.01.1934<br />
Im Horstberg 16 · 56368 Katzenelnbogen<br />
Herrn Wilfried Wentz<br />
29.01.1934<br />
Kaiserslauterer Str. 55 · 66424 Homburg<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Frau Therese Schneider<br />
15.01.1929<br />
Alter Hof 3 · 55452 Rümmelsheim<br />
Frau Anneliese Koerper<br />
17.01.1929<br />
Bruehl 7 · 55592 Rehborn<br />
Herrn Horst Weber<br />
31.01.1929<br />
Taunusstr. 12 · 55262 Heidesheim<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Herrn Heinz Bittermann<br />
12.01.1924<br />
Johannes-Frech-Str. 30 · 67069 Ludwigshafen<br />
Herrn Gottfried Mueller<br />
15.01.1924<br />
Wittenberger Weg 7/32 · 68309 Mannheim<br />
zum 86. Geburtstag<br />
Herrn Alfred Schank<br />
15.01.1923<br />
Donnersbergstr. 3 · 67294 Morschheim<br />
zum 87. Geburtstag<br />
Herrn Karl Korn<br />
28.01.1922<br />
Goethestr. 8 · 76870 Kandel<br />
zum 89. Geburtstag<br />
Herrn Fritz Schröder<br />
08.01.1920<br />
Horchheimer Höhe 20 · 56076 Koblenz<br />
im Februar 2009<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Herr Wolf von Ahnen<br />
12.02.1939<br />
An den Ziegeläckern 14 · 67294 Bischheim<br />
Herr Horst Steuer<br />
19.02.1939<br />
Birkenstr. 7 · 67459 Böhl-Iggelheim<br />
Frau Heike Strüder<br />
21.02.1939<br />
Bismarckstr 37 A · 56470 Bad Marienberg<br />
Herr Adolf Stauffer<br />
24.02.1939<br />
Kolpingstr.33 · 67722 Winnweiler<br />
Herr Peter Bienengräber<br />
28.02.1939<br />
Goethestr 26 · 55743 Idar-Oberstein<br />
zum 75. Geburtstag<br />
Herr Walter Degreif<br />
16.02.1934<br />
Fasanenstr 4 · 55271 Stadecken-Elsheim<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Herr Siegfried Fitting<br />
26.02.1929<br />
Ringstr 22 · 67707 Schopp<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Frau Anneliese Klein<br />
27.02.1924<br />
Auf der Halde 1 · 67269 Grünstadt<br />
zum 86. Geburtstag<br />
Herr Helmut Guthmann<br />
11.02.1923<br />
Spelzengasse 14 · 65474 Bischofsheim<br />
zum 88. Geburtstag<br />
Herr Johannes Rempel<br />
23.02.1921<br />
Büchnerallee 16 · 55127 Mainz<br />
Der Landesvorstand<br />
24 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
GENERATION 60+ / <strong>GEW</strong>-INTERN<br />
DIE KREISSENIORENVERTRETERINNEN TAGTEN IN TRIER<br />
Die neue Vorsitzende des Landesausschusses für Seniorinnen und<br />
Senioren, Hedda Lungwitz, lud Anfang September die KreisseniorenvertreterInnen<br />
zur Sitzung des Landesausschusses ein. Die<br />
Sitzung begann mit einem Rückblick auf den Gewerkschaftstag<br />
im Mai 2008. Die KreisvertreterInnen diskutierten lebhaft über<br />
positive als auch über negative Begleiterscheinungen während des<br />
Gewerkschaftstages. Trotz einiger Mängel an der Durchführung war<br />
der <strong>GEW</strong>-Tag aus Sicht der SeniorInnen erfolgreich.<br />
Nun folgten Berichte von den Landesvorstandssitzungen sowie<br />
von einem Workshop, der sich mit der Generation 55+ und 60+<br />
befasste. In diesem Workshop ging es vor allem darum, zu erkennen,<br />
dass man durch attraktive Angebote die Mitglieder an ihre <strong>GEW</strong><br />
binden kann. Die anschließende Diskussion war sehr rege und es<br />
wurde über erfolgreiche Aktivitäten in den einzelnen <strong>GEW</strong>-Kreisen<br />
gesprochen.<br />
Anschließend wurde den TeilnehmernInnen die Zeitung „Aktiver<br />
Ruhestand“ vorgestellt. Die Zeitung wird von der <strong>GEW</strong>-Baden-<br />
Württemberg / Seniorenpolitik herausgegeben. Sie kann aber von<br />
allen Bundesländern in Stuttgart bestellt werden. Die Zeitung<br />
erscheint viermal im Jahr zu einem Bezugspreis von insgesamt<br />
1,28 Euro. In jeder Ausgabe findet man interessante Artikel oder<br />
Hinweise, die allgemein für Seniorinnen und Senioren gehalten sind<br />
und sich nicht unbedingt auf das Bundesland Baden-Württemberg<br />
beziehen.<br />
Außerdem befürworteten die KreisvertreterInnen, dass zukünftig<br />
die Rubrik „Alter und Ruhestand“ in der <strong>GEW</strong>-Zeitung durch<br />
„Generation 60 plus“ ersetzt werden soll.<br />
Die KreisseniorenvertreterInnen bedankten sich bei dem ehemaligen<br />
Vorsitzenden des Landesseniorenausschusses Edmund Theiß mit<br />
einem Präsent für sein jahrelanges Engagement.<br />
Im Vorfeld der Sitzung wurden die KreisvertreterInnen durch den<br />
Kreis Trier zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Henny Weber stellte<br />
dabei ihren Kreis vor und berichtete von verschiedenen Aktivitäten<br />
vor Ort. Einen herzlichen Dank an den Kreis Trier für die gute<br />
Bewirtung.<br />
Auch der kulturelle Teil kam nicht zu kurz. Durch die Vermittlung<br />
von Peter Heisig- Bezirksvorsitzender des Bezirks Trier- führte uns<br />
der Bänkelsänger Walter Liederschmidt auf einen musikalischliterarischen<br />
Rundgang durch Trier. Anschließend erkundeten die<br />
TeilnehmerInnen den Trierer Dom sowie das Karl-Marx-Haus.<br />
Lg<br />
Der Wahlausschuss informiert:<br />
VORBEREITUNGEN ZUM<br />
<strong>GEW</strong>-BUNDES<strong>GEW</strong>ERKSCHAFTSTAG<br />
Der Wahlausschuss für den 26. ordentlichen Gewerkschaftstag der <strong>GEW</strong> vom<br />
25. bis 29. April 2009 in Nürnberg hat sich am 07. März 2008 in Magdeburg<br />
unter Vorsitz von Rose-Marie Seggelke entsprechend der Richtlinien des<br />
Wahlausschusses konstituiert. Dem Wahlausschuss gehören an:<br />
1. Die Vorsitzenden der 16 <strong>GEW</strong>-Landesverbände<br />
Doro Moritz (Baden-Württemberg) ab 24. April 2008, Angelika Neubäcker<br />
(Bayern), Rose-Marie Seggelke (Berlin), Günther Fuchs (Brandenburg),<br />
Bernd Winkelmann (Bremen),Klaus Bullan (Hamburg),Jochen Nagel<br />
(Hessen), Annett Linder (Mecklenburg-Vorpommern), Eberhard Brandt<br />
(Niedersachsen), Andreas Meyer-Lauber (Nordrhein-Westfalen), Klaus-Peter<br />
Hammer (Rheinland-Pfalz) ab 20. Mai 2008, Klaus Kessler (Saarland), Dr.<br />
Sabine Gerold (Sachsen), Thomas Lippmann (Sachsen-Anhalt), Matthias<br />
Heidn (Schleswig-Holstein), Jürgen Röhreich (Thüringen).<br />
2. Drei Vertreterinnen und Vertreter der Bundesausschüsse im Hauptvorstand:<br />
Uta Sändig (BFGA Hochschule und Forschung), Marliese Seiler-Beck (BFGA<br />
Realschulen), Annelie Strack (BFGA Kaufmännische Schulen).<br />
3. Vier von den größten Landesverbänden benannte Kolleginnen:<br />
Hildegard Klenk (LV Baden-Württemberg), Susanne Hoeth (LV Hessen),<br />
Cordula Mielke (LV Niedersachsen), Renate Boese (LV Nordhein-Westfalen).<br />
Der Wahlausschuss wählte zu seinem Vorsitzenden Andreas Meyer-Lauber<br />
(LV Nordrhein-Westfalen), zur stellvertretenden Vorsitzenden Annett Lindner<br />
(LV Mecklenburg Vorpommern) und zum Bericht erstattenden Mitglied Uta<br />
Sändig (FG Hochschule und Forschung).<br />
Der Wahlausschuss beschloss darüber hinaus entsprechend der Richtlinien<br />
folgenden Terminplan:<br />
Die Bekanntgabe der Konstituierung des Wahlausschusses und der Ämter, die<br />
durch Wahl auf dem Gewerkschaftstag zu besetzen sind, erfolgt in der November-Ausgabe<br />
2008 von „E&W“ und in den <strong>GEW</strong>-Landeszeitungen.<br />
Bis zum 24. Januar 2009 besteht dann die Möglichkeit der Einreichung von<br />
Wahlvorschlägen beim Vorstand des Wahlausschusses. Nach Prüfung der Gültigkeit<br />
der eingereichten Wahlvorschläge und Einholung der Zustimmung der<br />
Kandidatinnen und Kandidaten zur Veröffentlichung erfolgt die Bekanntgabe<br />
der Kandidatinnen und Kandidaten im Vormonat des Gewerkschaftstages,<br />
also in der März-Ausgabe 2009 von „E&W“.<br />
Vor diesem Hintergrund gibt der Wahlausschuss bekannt, dass gemäß geltender<br />
Satzung auf dem Gewerkschaftstag 2009 nachstehende Ämter durch<br />
Wahl zu besetzen sind:<br />
1. Geschäftsführender Vorstand<br />
Die Vorsitzende oder der Vorsitzende (§ 20, Ziffer 1a);<br />
Die Mitglieder der Arbeitsbereiche (§ 20, Ziffer 1b)<br />
Finanzen, Frauenpolitik, Angestellten- und Beamtenpolitik<br />
Vier Mitglieder für die Organisationsbereiche (§ 20, Ziffer 1c)<br />
Jugendhilfe und Sozialarbeit, Schule, Hochschule und Forschung, Berufliche<br />
Bildung und Weiterbildung.<br />
Gemäß § 20, Ziffer 4 wird aus der Mitte der Mitglieder des Geschäftsführenden<br />
Vorstandes nach Ziffer 1b) und c) die oder der stellvertretende Vorsitzende<br />
in einem gesonderten Wahlgang gewählt. Einer der beiden Vorsitzenden nach<br />
Ziffer 1a und Ziffer 4)soll eine Frau sein.<br />
Bundesschiedskommission<br />
Drei ständige und drei stellvertretende Mitglieder der Bundesschiedskommission<br />
(§ 9).<br />
Gemäß den Richtlinien des Wahlausschusses können die <strong>GEW</strong>-Landesverbände<br />
sowie die Bundesausschüsse bis zum 24. Januar 2009 Wahlvorschläge<br />
beim Vorsitzenden des Wahlausschusses, z. H. des Geschäftsführers, <strong>GEW</strong>-<br />
Hauptvorstand, Postfach 90 04 09, 60444 Frankfurt am Main, einreichen.<br />
Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des Wahlausschusses,<br />
Annett Lindner, stellvertretende Vorsitzende des Wahlausschusses,<br />
Uta Sändig, Bericht erstattendes Mitglied.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
25
TIPPS + TERMINE<br />
BÜCHERTIPPS VON ANTJE FRIES<br />
Live dabei<br />
„Die Welt des Mittelalters“ heißt ein neues Werk in der Jugend-Brockhaus-<br />
Reihe „Live dabei“. Für SchülerInnen ab<br />
elf Jahren und natürlich sämtliche Interessierten werden<br />
zwanzig besondere Ereignisse des Mittelalters geschildert,<br />
die das Leben zu jeder Zeit charakterisieren: Zu Beginn<br />
geht es um Römer, Hunnen und Völkerwanderungen,<br />
später um das Leben im Kloster, die Karolinger, die<br />
Raubzüge der Wikinger und die Araber in Spanien. Auch<br />
Landwirtschaft, Handwerk und Bürgertum werden beleuchtet,<br />
bevor es um die Ritter geht. Ein Kapitel widmet<br />
sich speziell dem „Hoffest zu Mainz“ von Barbarossa zu<br />
Pfingsten 1184. Natürlich wird auch über die Kreuzzüge<br />
berichtet, über die Pest, die ersten Universitäten und das<br />
Leben auf den Burgen: Ein kunterbunter, lesenswerter,<br />
absolut informativer Rundumschlag ist gelungen. Rund<br />
300 Fotos machen „Die Welt des Mittelalters“ gleichzeitig<br />
zur Augenweide.<br />
Mira Hofmann: Die Welt des Mittelalters. Weinheim/<br />
Mannheim 2008. 176 Seiten, 16,95 Euro. ISBN 978-<br />
3-407-75344-1<br />
Männerthema<br />
Die Schwedin Pija Lindenbaum hat ein neues, wunderbares<br />
Bilderbuch zu bieten: „Paul und die Puppen“. Paul<br />
kann super Fußball spielen und mit Lasermessern umgehen<br />
und die Kleineren in der Kita besiegen und so weiter.<br />
Aber irgendwann wird’s ihm doch langweilig, und so klebt<br />
er „Goldböppel“ an seinen Roboter. Das verwundert die<br />
anderen Jungs, aber so lange Paul als Fußballer spitze ist,<br />
was soll’s. Bei den Mädels hat er es gar nicht leicht, mit<br />
seiner Barbie zu landen. Wieso ist es in Ordnung, dass<br />
Agnes’ Barbie ein Fleischbällchen zur Welt bringt, aber gar<br />
nicht okay, wenn Pauls Barbie Mutter eines Fischstäbchens<br />
wird? Die Annäherung dauert eine Weile. Der Bann ist<br />
gebrochen, als die Verkleidungskiste durchwühlt wird und<br />
sowieso alle Mädchen und Paul andere Rollen spielen.<br />
Au weia, und dann kommen die Kerle und suchen Paul,<br />
der mit geblümtem Rüschenrock zur Sicherheit aufs Klo<br />
flüchtet. Aber die starken Männer im Kindergartenalter<br />
nehmen’s gelassen und verkleiden sich schließlich auch.<br />
Und dann spielen sie zur Abwechslung alle mal Fußball.<br />
Ein rundum witziges und schön gemaltes Buch, dessen<br />
Autorin die Kita-Kinder ganz genau beobachtet hat.<br />
Pija Lindenbaum: Paul und die Puppen. Weinheim 2008.<br />
40 Seiten, 12,90 Euro. ISBN 978-3-407-79373-7<br />
Begleiten statt nur vermitteln<br />
Um „Lerncoaching“ geht es im neuen Buch von Michele<br />
Eschelmüller. Schon im Vorwort plädiert der Autor für<br />
ein erweitertes Rollenrepertoire von LehrerInnen: Weg<br />
vom reinen Vermitteln, hin zum Prozess, intelligentes<br />
Wissen zu erreichen, das flexibel, übertragbar und breit<br />
gefächert ist. Denken lernen statt Fachwissen anhäufen<br />
eben! Eschelmüller stellt sein Konzept vor und gibt<br />
zahlreiche Anregungen und Umsetzungshilfen für den<br />
Unterricht. Viele Schaubilder strukturieren das Thema<br />
und helfen bei der Übersichtlichkeit. Hochinteressant<br />
und brennend aktuell!<br />
Michele Eschelmüller: Lerncoaching. Vom Wissensvermittler<br />
zum Lernbegleiter. Mülheim 2008. 142 Seiten, 16,80<br />
Euro. ISBN 978-3-8346-0393-7<br />
Problemfall Junge?<br />
Das neue „Handbuch Jungenpädagogik“ bringt zu Papier,<br />
was in den letzten Jahren ins Blickfeld der Pädagogen<br />
gerückt ist: Jungen sind im Vergleich zu Mädchen bei<br />
Schulerfolg und Schulleistungen ins Hintertreffen geraten.<br />
Aber warum? Biologie, Psychologie und Soziologie sollen<br />
dies im ersten Teil des Buches klären helfen. Wie es speziell<br />
mit Jungen in Kindergärten oder der Schule aussieht, wird<br />
ebenfalls geschildert. Und auch die sozialpädagogischen<br />
Einrichtungen sind wichtig: Da geht es auch um Integrationsprobleme<br />
von ausländischen Kindern. Einzelfragen<br />
behandeln zum Beispiel die Gesundheit, Sexualität,<br />
Erlebnispädagogik, Gewalt, Medien, Leseförderung und<br />
die Rolle der Väter. Sie haben Jungs in Ihrer Klasse? Na<br />
dann: Ran ans Handbuch, es lohnt sich!<br />
Michael Matzner/Wolfgang Tischner (Hg.): Handbuch<br />
Jungen-Pädagogik. Weinheim 2008. 416 Seiten, 39,90<br />
Euro. ISBN 978-3-407-83163-7<br />
Viele Sinne angesprochen<br />
Viele Kinder kennen schon den Hund und den Biber, die<br />
durch die DUDEN-Materialien führen. Auch im neuen<br />
„großen Vorschulbuch“ sind sie natürlich mit dabei. Zur<br />
Vorbereitung auf die Schule kommen sie mit in die vier<br />
Kapitel (Lesen, Schreiben, Zahlen, Konzentration), die<br />
gewohnt ansprechend illustriert sind und gleich mehrere<br />
Sinne ansprechen. Symbole mit den Tieren auf jeder Seite<br />
zeigen, worum es primär geht, ums Hören, genaue Hinschauen,<br />
Sprechen, Zählen, Bewegen oder auch Lesen.<br />
Ulrike Holzwarth-Raether / Ute Müller-Wolfangel: Das<br />
große Vorschulbuch. Mannheim 2008. 96 Seiten, 6,95<br />
Euro. ISBN 978-3-411-06070-2<br />
Handbuch für alle Probleme<br />
Natürlich hat’s was zu bedeuten, wenn ein Buch schon<br />
in der siebten Auflage erscheint! Das „Handbuch Verhaltens-<br />
und Lernschwierigkeiten“ ist überarbeitet und<br />
aktualisiert zu haben: Erst geht’s um Allgemeines wie die<br />
Definitionsproblematik, Ursachen von Verhaltensschwierigkeiten,<br />
deren Diagnosen und mögliche Therapien<br />
und Hilfsangebote. Danach vertiefen sich die Autoren<br />
in Einzelfälle, die in der Regel auf den schulischen Alltag<br />
bezogen sind. Körperliche Auffälligkeiten, funktionale<br />
Störungen, anomale Gewohnheiten und natürlich auch<br />
ein gestörtes Gefühlsleben werden betrachtet. Zudem geht<br />
es um Störungen der Motivation, der sozialen Integration,<br />
der Sprache und des Sprechens. Ein Kapitel widmet<br />
sich besonders komplexen Problemfällen wie u. a. ADS,<br />
Schuleschwänzen, Hochbegabung oder Linkshändigkeit,<br />
ein weiteres den Lernschwächen. Zahlreiche Fallbeispiele<br />
veranschaulichen die Artikel und lassen bestens Querverbindungen<br />
zum eigenen Schulalltag ziehen.<br />
26 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
TIPPS + TERMINE<br />
Werner G. Leitner u.a. (Hg.): Handbuch Verhaltens- und<br />
Lernschwierigkeiten. Weinheim 2008. 448 Seiten, 49,90<br />
Euro ISBN 978-3-407-83161-3<br />
FLEX<br />
Die flexible Schuleingangsphase (FLEX) in Brandenburg<br />
ist den Planungen der meisten Bundesländer weit voraus,<br />
denn hier gibt es bereits Evaluationen zum Thema: Nach<br />
einer Einschulung ohne vorherige Selektion wurden<br />
Kinder in 150 Klassen jahrgangsübergreifend unterrichtet<br />
und in Kleingruppen gefördert. Von 2004 bis 2006<br />
wurde aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven<br />
evaluiert, was nun inklusive des Bezugs zu bundesweiten<br />
und internationalen Konzepten in einem neuen Buch zu<br />
lesen ist. Ja, einerseits zeigt sich in „Die flexible Schuleingangsphase“<br />
die starke zusätzliche Arbeitsbelastung der<br />
beteiligten Lehrerinnen und Lehrer, aber andererseits wird<br />
auch dokumentiert, für wie deutlich sinnvoll gerade diese<br />
PädagogInnen diese Art der Neugestaltung des Anfangsunterrichts<br />
halten. Spannende Lektüre für Betroffene,<br />
Interessierte und Landespolitiker, die es in Rheinland-<br />
Pfalz vielleicht (noch) besser machen wollen!<br />
Katrin Liebers u.a. (Hg.): Die flexible Schuleingangsphase.<br />
Weinheim 2008. 294 Seiten, 49,90 Euro. ISBN<br />
978-3-407-32090-2<br />
P4_185x130_4c:1 17.09.08 13:32 Seite 1<br />
Pädagogik oder Ökonomie?<br />
Ulf Preuss-Lausitz beschreibt in seinem neuen Werk<br />
„Gemeinschaftsschule - Ausweg aus der Schulkrise?“,<br />
wie häufig Gemeinschaftsschulen nicht etwa aus pädagogischen<br />
Gründen eingerichtet werden, sondern dass<br />
oft ökonomische Erwägungen im Vordergrund stehen.<br />
Wundert uns das noch? Aber immerhin entstehen so<br />
neue Chancen gerade für Integration und Förderung.<br />
Allerdings gibt es durch die verschiedensten Formen von<br />
Gemeinschaftsschulen auch kein allgemeines Konzept.<br />
Preuss-Lausitz hat fünfzehn Beiträge von kompetenten<br />
Menschen aus Theorie und Praxis herausgegeben, die das<br />
Thema aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten<br />
und ihre Erfahrungen, Konzeptideen und Problemlösungen<br />
vorstellen.<br />
Ulf Preuss-Lausitz (Hg.): Gemeinschaftsschule - Ausweg<br />
aus der Schulkrise?<br />
Weinheim 2008. 208 Seiten, 29,90 Euro ISBN 978-3-<br />
407-32089-6<br />
Früh kommunizieren lernen<br />
„Gespräche mit Kindern“ ist gerade in der 5. Auflage erschienen<br />
und beinhaltet Basiswissen und Anregungen für<br />
die Gesprächserziehung in den Klassen 1 bis 4. Nach der<br />
theoretischen Einführung geht‘s in die Praxis: Wie kann<br />
ich das Gespräch in der Klasse fördern oder leiten? Welche<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
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Mit der Sparkassen-PrämienRente.<br />
Zugeschnitten auf Ihr Leben.<br />
Die Sparkassen-Altersvorsorge.<br />
S<br />
Wenn Ihre Altersvorsorge gut sitzen soll, nehmen Sie eine nach Maß! Wir stecken Ihre Bedürfnisse genau ab<br />
und schneidern Ihnen ein ganzheitliches Vorsorgekonzept direkt auf den Leib. Damit Ihre finanziellen Freiräume<br />
durch attraktive Erträge ständig wachsen. Infos in Ihrer Geschäftsstelle oder auf www.sparkasse.de.<br />
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*Die Höhe der staatlichen Förderung für Ihre Vorsorge ist abhängig von Ihrer Lebenssituation.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
27
TIPPS + TERMINE<br />
Rituale sind dabei wichtig? Methoden und Übungen werden<br />
vorgestellt, mit denen die Kinder letzten Endes auch<br />
ganz selbstständig kommunizieren lernen. Kopiervorlagen<br />
(z.B. für Gesprächsregeln) und Beobachtungsbögen sind<br />
ebenfalls im Buch enthalten.<br />
Ulrike Potthoff u.a. (Hg.): Gespräche mit Kindern.<br />
Berlin 2008. 112 Seiten, 12,95 Euro. ISBN 978-3-<br />
589-05137-3<br />
Grundschule von A bis Z<br />
Das neue „Taschenlexikon Grundschulpraxis“ enthält<br />
hundert Beiträge zu pädagogischen Begriffen, die im<br />
Prinzip täglich gebraucht werden. Von A wie Aggression<br />
bis Z wie Zeugnisse ist einfach alles drin, und das von<br />
namhaften und erfahrenen Pädagogen geschrieben. 32<br />
zusätzliche Artikel befassen sich speziell mit den Fächern<br />
Mathematik und Deutsch. Da geht es dann um<br />
Sprachförderung und produktive Verfahren oder aber um<br />
Entdeckendes Lernen und Sachrechnen. Gute zwei Seiten<br />
pro Artikel fassen prägnant das Wichtigste zusammen. Ein<br />
AN DER BASIS BRODELT ES!<br />
Unzufriedenheit herrscht allenthalben: bei Schülern und<br />
Eltern wie auch bei Lehrkräften und Schulleitungen. Es<br />
brodelt an der Basis von Schule -- die Bewegung von unten<br />
wird immer lebhafter. „Schüler, Lehrer, Eltern zeigen<br />
Zivilcourage“ heißt darum das neue Heft der Zeitschrift<br />
„Humane Schule“. Darin lässt der Bundesverband Aktion<br />
Humane Schule e.V. (AHS) alle an Schule beteiligten<br />
Gruppen zu Wort kommen.<br />
Leitartikel ist die Rede von Otto Herz auf einer Kundgebung<br />
der Initiative „Schule mit Zukunft“ in Stuttgart.<br />
AHS-Bundesvorsitzender Detlef Träbert zeigt die Richtung<br />
auf, in die die Bewegung von unten gehen muss: „Es<br />
geht um das Kind!“ Handlungsmöglichkeiten von Eltern<br />
dokumentieren einen Leserbrief, der Artikel des AHS-<br />
Landesvorsitzenden Ba.-Wü., Dr. Hans-Peter Waldrich,<br />
über eine „Küchentisch-Initiative“ und der Bericht von<br />
Bernhard Strube über die saarländische Landesinitiative<br />
für Bildung e.V.. Teile der Schülerbewegung sind der<br />
Nachwuchs-Kabarettist Oli Kube und das „Bildungswerk<br />
Schüler- und Jugendwettbewerb 2009<br />
Beim nächsten Wettbewerb der Landeszentrale für Politische<br />
Bildung können folgende Themen bearbeitet<br />
werden:<br />
1. 20 Jahre nach dem Mauerfall - Was wissen wir von den<br />
neuen Bundesländern?<br />
2. Vorsicht und Rücksicht im digitalen Glashaus<br />
3. Viele Kulturen - gemeinsam leben: ein interkulturelles<br />
Miteinander<br />
Einsendeschluss für die Arbeiten ist der 31. März 2009.<br />
Weitere Infos: www.politische-bildung-rlp.de.<br />
Red.<br />
nützliches Handbuch - nicht nur für Berufsanfänger!<br />
Reinhold Christiani und Klaus Metzger (Hg.): Taschenlexikon<br />
Grundschulpraxis. Berlin 2008. 270 Seiten, 18,95<br />
Euro. ISBN 978-3-589-05133-5<br />
Mathe mit Nudeln<br />
Fangen Sie ruhig schon mal an, Knöpfe, Nudeln, Muscheln<br />
und Perlen zu sammeln, denn nach Lektüre von<br />
„Mathe kann man anfassen“ werden Sie sofort loslegen<br />
wollen! Handlungsorientierte Mathe-Tipps auf über 160<br />
Seiten, einfach klasse! Alle wichtigen Bereiche des Mathematikunterrichts<br />
der Klasse 1 werden abgedeckt, und<br />
über 200 Praxisideen und Kopiervorlagen machen Lust<br />
auf jede neue Mathestunde. So, genug, ich muss wieder<br />
in meine Küche, weiter heimlich schon mal vorab mit<br />
Keksen rechnen, Obst probieren und sortieren und meine<br />
Haustiere in einfache Balkendiagramme einbauen!<br />
Virginia Johnson: Mathe kann man anfassen. Mülheim<br />
2008. 162 Seiten, 21 Euro. ISBN 978-2-8346-0429-3<br />
WETTBEWERB ZU<br />
20 JAHRE MAUERFALL<br />
Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls organisieren der Cornelsen<br />
Verlag und Berlin.de den SchülerInnenwettbewerb<br />
„1961/1989/2009 - Geteiltes Berlin - Vereintes Berlin“.<br />
Schulklassen sind eingeladen, sich mit der Berliner Mauer<br />
auseinanderzusetzen. Einsendeschluss ist der 31. Januar<br />
2009. Infos: www.klassenziel-berlin.de/wettbewerb<br />
pm<br />
für Schülervertretungsarbeit“, über das Vincent Steinl<br />
berichtet.<br />
Gerhild Kirschner hat erfahren, „Lehrer sein heißt kämpfen“,<br />
und Jonas Lanig zeigt mit zwei Artikeln, wie die<br />
Lobbys ohne Lobbyisten das tun. Weitere kritische und<br />
auch satirische Beiträge, ein Kommentar und Rezensionen<br />
aktueller Buchtitel runden das 28-seitige, nichtkommerzielle<br />
und werbefreie Heft ab.<br />
pm<br />
„Schüler, Lehrer, Eltern zeigen Zivilcourage“ kann zum<br />
Preis von 3,- Euro zzgl. Versand bestellt werden auf www.<br />
aktion-humane-schule.de, per eMail über info@aktionhumane-schule.de<br />
oder telefonisch unter 0 22 08 / 921<br />
99 47 (Fax: 921 99 46).<br />
Klassenfahrten nach Berlin<br />
(incl. Transfer, Unterkunft, Programmgestaltung nach Absprache).<br />
Broschüre anfordern bei:<br />
Berliner Informations- und Studienservice e.V. (BISS e.V.)<br />
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www.berlin-mit-biss.de · Email: kontakt@berlin-mit-biss.de<br />
28 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
KREIS + REGION<br />
Foto: Görner<br />
Kreis Ludwigshafen / Speyer<br />
Wider das Vergessen<br />
Mit 166 Taschentüchern, die die Namen von 166 Menschen jüdischen<br />
Glaubens aus Ludwigshafen trugen, erinnerten am 28. Oktober<br />
SchülerInnen aus dem Carl-Bosch-, dem Geschwister-Scholl-,<br />
dem Max-Planck- Gymnasium, der Integrierten Gesamtschule Ernst<br />
Bloch und der Hauptschule Pestalozzi an das Schicksal der vor 70<br />
Jahren Verschleppten.<br />
In der so genannten Polenaktion in der Nacht zum 28. Oktober<br />
1938 wurden 17 000 Juden mit polnischem Pass aus dem Schlaf<br />
gerissen und an die polnische Grenze deportiert. Sie blieben tagelang<br />
ohne Verpflegung und Unterkunft, da Polen diese Menschen<br />
nicht aufnehmen wollte, weil sie oft schon vor dem 1. Weltkrieg<br />
ins Kaiserreich eingewandert waren. Aber SS und Polizei trieben die<br />
Deportierten mit Waffengewalt auf polnisches Gebiet.<br />
Marcel Reich-Ranicki schreibt in seinen Memoiren, dass er „in der<br />
Eile noch schnell ein Reservetaschentuch einsteck(t)e“, da er nicht<br />
wisse, was mit ihm geschehen solle. Und da das Taschentuch ein<br />
Symbol für Trauer und Trost zugleich sein kann, wurde es ausgewählt,<br />
um an die 166 deportierten Ludwigshafener zu erinnern.<br />
Die SchülerInnen verlasen ihre Namen und ihr Alter, denn Juden<br />
glauben, dass ein Mensch erst dann tot ist, wenn sein Name vergessen<br />
ist.<br />
UK<br />
Kreis Ludwigshafen/Speyer<br />
2010: Eine IGS in Speyer?<br />
Jetzt ist es auch in Speyer soweit: Die Haupt- und die Realschule im<br />
Kolb-Schulzentrum sollen ab 2010 durch den Aufbau einer Integrierten<br />
Gesamtschule ersetzt werden. Die Stadtverwaltung und die<br />
Kollegien beider Schulformen sind sich in diesem Wunsche einig.<br />
In den ersten beiden Novemberwochen lief dazu die informelle<br />
Befragung der Eltern der SchülerInnen aller dritten Klassen in der<br />
Stadt. Wenn auch die Eltern die Einrichtung einer Gesamtschule<br />
wünschen, dann wird die Schulverwaltung im März 2009 den<br />
Antrag dazu beim Bildungsministerium in Mainz einreichen, teilte<br />
der Speyerer Schuldezernent Hanspeter Brohm in einer öffentlichen<br />
Informationsveranstaltung des <strong>GEW</strong>-Kreises Ludwigshafen/Speyer<br />
dazu mit.<br />
„Die Hauptschule ist abgewählt“ stellte Brohm lapidar fest, „denn<br />
von 8000 Speyerer SchülerInnen in der SK I und II besuchen nur<br />
noch rund 600 die Hauptschule, das sind weniger als 10% der<br />
Gesamtzahl“.<br />
Der Kreisvorsitzende Gerald Hebling begrüßte die Aussage des Bürgermeisters<br />
und stellte fest, dass sich Speyer damit für die zukünftige<br />
Schulentwicklung gut positioniere. 25 Gesamtschulen gibt es bereits<br />
in Rheinland-Pfalz und jährlich werden von den Schulträgern so<br />
zahlreiche Errichtungsanträge an das Ministerium gerichtet, dass<br />
immer nur einer Auswahl stattgegeben wird.<br />
Der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Klaus-Peter Hammer stellte überzeugend<br />
dar, warum es dringend notwendig ist, Gesamtschulen in<br />
integrierter Form zu schaffen. Er verwies dabei auf die laut Pisa-<br />
Studie (2000) so erfolgreichen Schulsysteme der skandinavischen<br />
Länder. Die deutschen Grundschulen, die integrierte Schulen sind,<br />
schnitten in diesen Untersuchungen erheblich erfolgreicher ab als die<br />
weiterführenden Schulen, die dreigliedrig konzipiert sind. Außerdem<br />
produziere das dreigliedrige Schulsystem nachweisbar zu viele<br />
Verlierer. Nur Österreich und Bulgarien (!) haben mit Deutschland<br />
vergleichbare geringe Abiturientenzahlen.<br />
In der Diskussion mit den teilnehmenden Eltern wurde deutlich,<br />
dass die Integrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz immer<br />
noch fast als „das unbekannte Wesen“ der Schullandschaft gilt,<br />
obwohl diese Schulform nun schon seit mehr als 30 Jahren existiert.<br />
Differenzierung (innere /äußere), Niveaukurse, Tutoren, Auf- und<br />
Abstufung in Kursen, Auswahl der SchülerInnen bei Schulaufnahme<br />
und so weiter sind Begriffe, die den Eltern weitgehend unbekannt<br />
sind oder auch falsch interpretiert werden. Für den <strong>GEW</strong>-Kreis<br />
und die KollegInnen im Kolb-Schulzentrum bedeutet dies, dass der<br />
Info-Abend nur ein Auftakt gewesen sein kann. Die innere Struktur<br />
der geplanten Gesamtschule muss mit den Eltern intensiv erörtert<br />
werden, damit die Arbeitsweise dieser Schulform klar wird. Besuche<br />
in benachbarten, bereits erfolgreich arbeitenden IGSen sollten zum<br />
zukünftigen Informationsprogramm gehören.<br />
UK<br />
Kreis Westerwald<br />
Dank für langjährige Mitgliedschaft<br />
Zu einer Mitgliederversammlung hatte die <strong>GEW</strong>-Westerwald in die<br />
Stadtgalerie Westerburg eingeladen. Im Namen des Kreisvorstands<br />
begrüßte Hartmut Lehmann die TeilnehmerInnen, den Ehrenvorsitzenden<br />
Edmund Theiß, den langjährigen früheren Vorsitzenden<br />
Erwin Wolf und ganz besonders den Referenten des Tages, den<br />
Landesvorsitzenden Klaus-Peter Hammer. Hartmut berichtete kurz<br />
über die Arbeitsschwerpunkte der vergangenen 12 Monate. Diese<br />
reichten von geselligen Veranstaltungen und Fortbildungen bis hin<br />
zur Teilnahme an den Demonstrationen in Mainz, mit denen ver.<br />
di, <strong>GEW</strong> und GdP den Forderungen nach Gehaltsverbesserungen<br />
für die Angestellten und Beamten des Öffentlichen Dienstes Nachdruck<br />
verliehen.<br />
Ein Schwerpunkt der Vorstandsarbeit ist die Pflege der Vertrauensleute-Listen.<br />
Insbesondere angesichts der bevorstehenden Personalratswahlen<br />
und der zu erwartenden harten Auseinandersetzungen<br />
im Rahmen der Besoldungsrunden 2009 ist die <strong>GEW</strong> auf eine<br />
gute Vernetzung und einen gesicherten Informationsfluss in die<br />
Dienststellen angewiesen.<br />
Zum Thema „Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz“ sprach Klaus-<br />
Peter Hammer: „Trotz einiger positiver Ansätze müssen wir die<br />
anstehende Strukturreform der Sekundarstufe I als halbherzig<br />
ablehnen. Gymnasien und Förderschulen bleiben ganz außen vor.<br />
Weiterhin darf abgeschult werden. Dem pädagogischen Ziel einer<br />
individuellen Förderung sowohl der hochbegabten als auch der<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
29
KREIS + REGION<br />
Schüler mit Lernschwierigkeiten kommen wir so nicht näher. Dies<br />
wird nur in einer „Schule für alle“ erreichbar sein.“<br />
In lebhaftem Dialog mit den Westerwälder Gewerkschaftsmitgliedern<br />
wurden weitere Kritikpunkte und Forderungen thematisiert:<br />
So verlangt die <strong>GEW</strong> gleiche Besoldung und gleiche Arbeitszeit<br />
für alle Lehrkräfte der Realschule PLUS und den vollständigen<br />
Verbleib der Fachoberschule im bewährten System der Berufsbildenden<br />
Schulen.<br />
Zum Projekt von Ministerin Doris Ahnen „Keiner ohne Abschluss“<br />
wurde auf die Erfolge der Berufsvorbreitungsjahre in der BBS<br />
verwiesen. Hier erinnerte Klaus-Peter Hammer an die alte <strong>GEW</strong>-<br />
Forderung, nicht erst nach 4 oder 5 Jahren in der Sekundarstufe I<br />
mit Unterstützungsmaßnahmen zu beginnen, sondern Lerndefizite<br />
bereits in der Grundschule zu diagnostizieren und durchgängig<br />
Hilfen anzubieten.<br />
Kreis Südpfalz<br />
Eine schwungvolle Jubilarfeier<br />
„Saure Wochen, frohe Feste!“ unter diesem Motto stand die Jubiläumsfeier<br />
des <strong>GEW</strong> Kreisverbandes Südpfalz im Haus am Westbahnhof.<br />
Für ihre 25-jährige Mitgliedschaft wurden 40 Mitglieder<br />
geehrt, 10 Mitglieder haben der <strong>GEW</strong> schon 50 Jahre die Treue<br />
gehalten. In ihrer Begrüßung bedankte sich die Kreisvorsitzende<br />
Dr. Gerlinde Schwarz vor allem für die aktive Unterstützung, für<br />
das Einbringen von Ideen, Meinungen, Vorschlägen und Kritik und<br />
meinte: „Dieses Feedback gibt uns die Motivation weiterzumachen.<br />
Bleiben wir im Gespräch!“ Karl-Heinz Seibel, <strong>GEW</strong> Seniorenvertreter<br />
und -betreuer, bot Ernsthaftes und Spaßiges über Schule, Kinder<br />
und Lehrer dar. Der Schriftsteller und pensionierte Lehrer Werner<br />
Laubscher las ausgewählte Abschnitte aus seinem Werk und erzählte<br />
die Geschichte seiner aufregendsten Visitation durch den Schulrat,<br />
die am besten bewertet wurde, obwohl er gar nicht anwesend war.<br />
Das musikalische Rahmenprogramm eröffneten die beiden Schülerinnen<br />
Tabea Linz (Querflöte) und Anna Chik (Klavier) gekonnt<br />
und gut aufeinander abgestimmt mit einem Rondo von Bach und<br />
einer Sonatine von Jardanyi Pal. Die beiden <strong>GEW</strong> Senioren Peter<br />
Mann (Querflöte) und Helmut Sieber (Gitarre) setzten mit Elan und<br />
Ausdauer die schwungvollen Melodien fort und trugen wesentlich<br />
zum guten Gelingen des Abends bei.<br />
Anschließend ehrten Klaus-Peter und Hartmut die Jubilare mit<br />
einer Urkunde und einem kleinen Geschenk.<br />
Auf 25 Jahre in der <strong>GEW</strong> können zurückblicken:<br />
Wolfgang Klein, Rainer Probst, Annemarie Schneiders, Irene Klank-<br />
Wirbelauer, Dorothea Stein und Elke Bach.<br />
40 Mitgliedsjahre weisen auf Helmut Mohl, Doris Musche, Dr.<br />
Bernd Schwenk, Günter Stockhausen, Reinhold Baumgärtner,<br />
Armin Menk und Ilse Schild.<br />
Bereits vor 50 Jahren in die <strong>GEW</strong> eingetreten sind Hinrich Rieken<br />
und Hans Wirbelauer.<br />
hl<br />
Kreis Mainz-Bingen<br />
Eine unbequeme Wahrheit<br />
Der Film „Eine unbequeme Wahrheit“, 2007 als bester Dokumentarfilm<br />
mit dem Oscar ausgezeichnet, wird am 26. Februar 2009<br />
um 14.30 Uhr beim Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz, Petersstraße<br />
3, in Mainz bei einer Veranstaltung der SeniorInnen der <strong>GEW</strong>-<br />
Mainz/Bingen gezeigt.<br />
Al Gore, ehemaliger amerikanischer Vizepräsident, konzentrierte<br />
sich im Jahre 2000 darauf, ein Bewusstsein für die Problematik der<br />
globalen Erwärmung zu schaffen und die Menschen zum Handeln zu<br />
bewegen. Der Film zeigt in hervorragender Weise die Auswirkungen<br />
des Treibhauseffektes auf das Klima.<br />
Anmeldung an: Hedda Lungwitz, Kastanienweg 19, 55128 Mainz,<br />
Tel.: 06131 366959, Fax: 06131 7208594, hedda@lungwitz.org<br />
Anmeldeschluss: 21.Februar 2009, Teilnahmegebühr: pro Person<br />
3,00 Euro<br />
Kreis Birkenfeld<br />
Sprechstunde gut angenommen<br />
Holger Müller, Vorsitzender des <strong>GEW</strong>-Kreisverbandes Birkenfeld,<br />
lud die Mitglieder zu einer Sprechstunde ins DGB-Haus in Idar-<br />
Oberstein ein.<br />
Die interessierten TeilnehmerInnen hatten Gelegenheit, mit Dieter<br />
Roß, dem Leiter der <strong>GEW</strong>-Landesrechtsschutzstelle, in Einzelgesprächen<br />
eine Anzahl von Problemen zu erörtern. In allen Fällen<br />
konnten wertvolle Hinweise und Tipps gegeben und die weiteren<br />
Verfahrensschritte festgelegt werden. „In absehbarer Zeit werden wir<br />
das Angebot wiederholen!“, kündigt Holger Müller an.<br />
pm<br />
Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz<br />
(117. Jahrgang)<br />
Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116<br />
Mainz, Tel.: 0 61 31 28988-0, Fax: 0 61 31 28988-80, E-mail: gew@gew-rlp.de<br />
Redaktion: Günter Helfrich (verantw.), Dr. Paul Schwarz (Stellvertr./Bildungspolitik), Ursel Karch<br />
(Gewerkschaftspolitik), Dr. Gerlinde Schwarz (Reportagen), Karin Helfrich (Redaktionsmanagement)<br />
Redaktionsanschrift: <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen, Tel./<br />
Fax: 06 21 564995, e-mail: <strong>GEW</strong>ZTGRL1@aol.com oder gew-zeitung-rlp@web.de<br />
Verlag und Anzeigen, Satz und Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433 Neustadt<br />
a.d.W., Tel.: 063 21 8 03 77; Fax: 0 63 21 8 62 17; e-mail: vpp.nw@t-online.de<br />
Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen<br />
nicht in jedem Falle der Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes oder der Redaktion. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte oder zugemailte Daten wird keine Gewähr übernommen.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglieder jährlich Euro 18,-- incl. Porto +<br />
MWSt. (Bestellungen nur beim Herausgeber.) Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres. Im<br />
anderen Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />
Anzeigenpreisliste Nr. 13 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluss: jeweils der 1. des Vormonats.<br />
30 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008
KREIS + REGION<br />
Kreis Vulkaneifel<br />
Daun-Gerolstein heißt jetzt Vulkaneifel<br />
In Anwesenheit des Landesvorsitzenden Klaus -Peter Hammer, der<br />
stellvertretenden Vorsitzenden Sylvia Sund, der <strong>GEW</strong> Juristin Brigitte<br />
Strubel-Mattes sowie der Kreisvorsitzenden Hildegard Muriel<br />
(Bitburg-Prüm), die an diesem Abend auch den Bezirk Trier vertrat,<br />
fanden im Kreis Daun-Gerolstein Neuwahlen statt.<br />
Auf der Grundlage einer neu verabschiedeten Kreissatzung wurde<br />
ein neues Führungsteam für den Kreis Daun-Gerolstein, der künftig<br />
den Namen Vulkaneifel führt, gewählt. Neben der langjährigen<br />
Kreisvorsitzenden Marianne Roesner (GS Gerlostein) wurden Ute<br />
Giershausen (FöZ Daun) und Heinz Heumann (FöZ Gerolstein)<br />
als gleichberechtigte Vorstandsmitglieder gewählt.<br />
Nicht nur die neu gewählten Vorstandsmitglieder, sondern auch alle<br />
an diesem Abend erschienenen Kreismitglieder waren sich einig, dass<br />
die Kreisarbeit mit neuem Schwung fortgesetzt werden soll.<br />
Die aktuellen Herausforderungen, die die Schulstrukturreform mit<br />
sich bringt, die anstehenden Personalratswahlen 2009 und auch<br />
die gerade verabschiedete Grundschulordnung bieten ausreichend<br />
Anlass für eine engagierte Kreisarbeit.<br />
In diesem Sinne hielt Werner Lang , <strong>GEW</strong> Mitglied und Fachleiter<br />
des Studienseminars Kusel, an diesem Abend sein Eingangsreferat<br />
zum Thema „Individuelle Förderung -Baustein einer pädagogischen<br />
Leistungsstruktur“.<br />
In seinem sehr anschaulichen und praxisbezogenen Vortrag zeigte<br />
er auf, wie mit einer methodisch vielfältigen Unterrichtskultur sowohl<br />
individuelle und kooperative Lernwege wie auch individuelle<br />
Rückmeldungen möglich sind und wie es gelingen kann, die Vorgabe<br />
der neuen Grundschulordnung im Interesse der Schülerinnen und<br />
Schüler umzusetzen.<br />
mr<br />
Kreise Kusel und Zweibrücken<br />
Auf Studienfahrt nach Riga<br />
Die <strong>GEW</strong>-Kreisverbände Kusel und Zweibrücken organisierten<br />
vom 3. bis 8. Oktober 2008 eine Studienfahrt nach Riga in dem<br />
baltischen Staat Lettland. Für die Durchführung und Organisation<br />
waren Sabine Merdian und Gregor Simon verantwortlich. Fast<br />
30 Kolleginnen und Kollegen aller Schularten nahmen an dieser<br />
erlebnisvollen Reise teil.<br />
Ausgangspunkt war der Flughafen Hahn, von wo man per Flugzeug<br />
am frühen Morgen des 3. Oktobers nach Riga startete. Gestartet bei<br />
trübem, regnerischen Wetter, kam man bei Sonnenschein in Riga<br />
mit guter Laune an. Erste Eindrücke konnten auf der Fahrt mit<br />
dem Bus ins Hotel sowie auf den letzten Metern per Fuß gesammelt<br />
werden. Riga mit seinen rund 734.000 Einwohnern ist die größte<br />
Stadt im Baltikum und gilt heute wieder wie schon in den goldenen<br />
Zwanzigern des letzten Jahrhunderts als das Paris des Nordens.<br />
Bewundert werden konnten in der Altstadt die zahlreichen wunderschönen<br />
Fassaden von Renaissance bis Barock und spätem<br />
Jugendstil. Ausruhen und genießen konnte man in den herrlichen<br />
Bistros und Cafés in der verkehrsberuhigten Altstadt mit ihren<br />
engen Gässchen.<br />
Am nächsten Morgen zeigte und erklärte der lettische Fremdenführer<br />
Ludwig eindrucksvoll die Sehenswürdigkeiten der reizvollen Stadt<br />
in einem dreistündigen Rundgang. Auf den Spuren von Deutschen,<br />
Dänen, Polen, Schweden und Russen wurden so die letzten Jahrhunderte<br />
Geschichte der Stadt offenbar. Beeindruckt von der Schönheit<br />
und Vielfalt der Stadt konnten sich die Teilnehmer am Nachmittag<br />
selbst auf eigenen Erkundungen das Ganze nochmals vor Augen<br />
führen, so etwa den Dom, das Rathaus, den Rathausvorplatz, die<br />
Petrikirche, das Schwarzhäupterhaus, das Schloss, den Pulverturm,<br />
das Freiheitsdenkmal, das Opernhaus u. v. m. Einige nutzten aber<br />
auch die Gelegenheit, bei strahlendem Sonnenschein an der Ufern<br />
des Flusses Daugava zu promenieren. Am Abend standen Besuche<br />
von Oper, Ballett bzw. Jazzkonzerten auf dem Programm.<br />
Das Ostsee-Strandbad Jurmala, ca. 25 km von Riga entfernt, wurde<br />
am Sonntag besucht. Mit der lettischen Eisenbahn wurde der Weg<br />
zur See zurückgelegt. Es lohnt sich zu jeder Jahreszeit, nach Jurmala<br />
zu kommen, nicht nur in der Badesaison. Auf der Strandpromenade<br />
lockten die vielen Cafés zu einem Besuch. Am Nachmittag schlenderten<br />
viele in Riga noch über den Markt nahe des Bahnhofs.<br />
Am Dienstag stand der Besuch des Nationalparks Gauja sowie der<br />
Städte Sigulda und Cesis auf dem Programm. In dem malerische<br />
Städtchen Sigulda am Ostufer der Gauja wurde das mittelalterliche<br />
Schloss besichtigt. Danach ging es weiter zur Gutmanns Höhle. Mit<br />
ihrem Volumen von 500 m 3 ist sie die größte Höhle Lettland. Das<br />
weitere Etappenziel an diesem Tag war der Museumspark Turaida.<br />
In dem 42 Hektar großen Museumsreservat konnten zahlreiche<br />
Naturreichtümer, Geschichts- und Kulturdenkmäler besichtigt<br />
werden. Einen Höhepunkt stellte die im Park gelegene Burg Turaida<br />
dar, von deren Burgturm man eine eindrucksvolle Aussicht über das<br />
Urstromtal der Gauja hatte. Ebenso beeindruckend waren die in<br />
der Nähe gelegene Holzkirche aus dem 18. Jahrhundert sowie die<br />
Gedenkstätte für die „Rose von Turaida“, die mit einer Legende über<br />
die große Liebe und den Tod einer jungen Frau verbunden ist. Zum<br />
Abschluss dieses Tages wurde noch das mittelalterliche Städtchen<br />
Cesis besucht. Am Dienstag konnte jeder auf eigene Faust noch<br />
einmal Riga bei herrlichem Sonnenschein in Augenschein nehmen,<br />
bevor es mittwochs zurück nach Deutschland ging.<br />
Um die Erinnerung aufzufrischen, werden alle Teilnehmer von der<br />
<strong>GEW</strong> zu einem Abendessen eingeladen, auf dem Bilder der Fahrt<br />
und die gesammelten Eindrücke im Vordergrund stehen. Jeder<br />
Teilnehmer erhält eine CD mit Bildern und Filmdokumenten der<br />
Fahrt. Viele Teilnehmer der diesjährigen Fahrt -einige fahren bereits<br />
seit über 10 Jahren immer mit- freuen sich schon auf die Fahrt im<br />
nächsten Jahr, die nach England gehen soll.<br />
gs<br />
Gruppenbild der TeilnehmerInnen<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />
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SCHULGEIST<br />
GRUSEL-WICHTELN<br />
Als Beamtin darf ich keine Geschenke annehmen und<br />
muss Diamanten, Jachten und Rennpferde leider zurückweisen.<br />
Sogar den Zwanzig-Euro-Schein, den mir<br />
eine Mutter für meine Unkosten in die Hand drücken<br />
will (ich hatte sie mehrfach angerufen, weil ihre Tochter<br />
lieber ins Einkaufszentrum als in die Schule ging).<br />
Einen Blumenstrauß hingegen dürfte ich annehmen.<br />
Ich bekomme aber keinen. Nicht mal, wenn ich nach<br />
anstrengenden Klassenfahrten mit tiefen Augenringen<br />
aus dem Bus schwanke. Wenn ich großes Glück habe,<br />
sagen manche Eltern „Guten Morgen“ oder in äußerst<br />
seltenen Fällen sogar „Danke“. An anderen Schulen soll<br />
es Kindseltern geben, die den Lehrern zu jeder Gelegenheit<br />
Blumen schenken, sich hinterher aber in Büchern<br />
darüber beklagen, dass sie damit nur notgedrungen für<br />
gute Stimmung sorgen. Dann lieber keine Blumen. Die<br />
leuchtenden Augen meiner Schüler sind Dank genug...<br />
Aber manchmal lassen sich die lieben Kleinen zu Geschenken<br />
hinreißen und wollen partout, dass man ihre<br />
milden Gaben vor der ganzen Klasse auspackt. Ich beherrsche<br />
mittlerweile mein Mienenspiel recht gut und kann<br />
glaubhaft Rührung, Freude und tiefes Glück darstellen.<br />
Zum Beispiel, als Selma mir diese gehäkelten Haussocken<br />
aus der Türkei mitbringt: in leuchtendem Orange mit lila<br />
Ornamenten und in Kleinkindergröße. Selma murmelt<br />
ein wenig verschämt: „Die dehnen sich noch!“ Das stimmt<br />
aber nicht. Und da ich nichts wegwerfen kann, habe ich<br />
die Socken bei meinem Freund im Schrank versteckt. Der<br />
kann auch nichts wegwerfen.<br />
Schwere Süßigkeiten müssen sofort verkostet werden.<br />
Das ist eine Herausforderung an meine schauspielerischen<br />
Talente, denn morgens kann ich Süßes nicht ausstehen.<br />
Glücklicherweise gibt es Kollegen, die alles essen, wenn<br />
es umsonst ist. Die Schachteln, die ich im Lehrerzimmer<br />
deponiere, leeren sich wie von selbst. Nur den Asti Spumante<br />
für 1,99 will niemand trinken.<br />
Ich bekomme auch hübsche Figurinen aus aller Welt: eine<br />
vollbusige Barby zum Aufziehen, die Flamenco tanzt,<br />
einen dicken nackten Fischer aus Speckstein - oder soll<br />
das Buddha sein? Einen Delfin mit Zylinder, ein Schweineorchester<br />
und einen Jesus mit Lamm (aus Marzipan).<br />
Mohammed schenkt mir einen großen hölzernen Würfel.<br />
Statt Zahlen stehen Freizeitmöglichkeiten drauf. Allerdings<br />
weniger Radfahren und Häkeln, sondern Küssen<br />
und weiterführende Aktivitäten. Die Klasse findet den<br />
Würfel so toll, dass ich ihn in der Schule „vergesse“. Kollegen<br />
berichten von ihren Geschenken: alte Schweinsfüße<br />
von einer feinfühligen Jungenklasse, schwüle Parfüms aus<br />
dem Orient, kitschige Blumenvasen und Wandteller mit<br />
ringenden Athleten, Zuckerbrot und Peitsche für eine<br />
gestrenge Zuchtmeisterin des Englischen. Eine Kollegin<br />
ohne Garten bekommt einen Apfelbaum. Ein Kollege<br />
wird mit dem Titel „Bestgekleideter Lehrer“ und großen<br />
Feinrippunterhosen belohnt.<br />
Meine Klasse weiß, dass ich Psycho-Thriller mag. Ich<br />
betone aber oft, dass ich Andeutungen und dezenten<br />
Grusel schätze und mich ungern ekle. Zum Geburtstag<br />
packe ich eine DVD aus, die ich noch am selben Abend<br />
ansehen soll. Es fällt mir schwer, bis zum Ende durchzuhalten:<br />
Vier Jugendliche trampen in aller Unschuld durch<br />
Australien und werden von einem Eremiten eingefangen,<br />
der seine Beute zerteilt und für Notzeiten einweckt. Die<br />
DVD habe ich entsorgt.<br />
Vor kurzem treffe ich einen Ex-Schüler auf der Straße,<br />
der mir stolz erzählt, er sei jetzt Theaterleiter. „Und Sie?<br />
Immer noch Lehrerin?“ Er hat was Gönnerhaftes in der<br />
Stimme. Ich kann meinen Neid kaum unterdrücken.<br />
Schließlich habe ich mal Germanistik studiert und davon<br />
geträumt, Intendantin zu werden. Bei näherem Nachfragen<br />
stellt sich jedoch heraus, dass Jakob ein Filmtheater in<br />
einem Außenbezirk leitet. Er verspricht mir Frei-Popcorn,<br />
wenn ich vorbeikomme. Das ist doch ein sinnvolles Geschenk!<br />
Genau wie dieser Pokal, auf dem ein Männlein<br />
ganz offensichtlich Golf spielt. Auf den ursprünglich<br />
eingravierten Text hat Sina einen Zettel geklebt: „Der<br />
besten Lehrerin der Welt“!<br />
Ich freue mich schon auf Weihnachten! Vielleicht gewinne<br />
ich beim Grusel-Wichteln diesen singenden, tanzenden<br />
Elch! (Grusel-Wichteln: das ideale Würfelspiel für alle,<br />
die scheußliche Geschenke los werden wollen. Spielregeln<br />
auf Wunsch bei der Autorin erhältlich.)<br />
Gabriele Frydrych<br />
32 Beilage zur E&W: <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008