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-Zeitung<br />

Rheinland-Pfalz<br />

12 / 08<br />

Fotos (Titelseite + S. 14 - 17): Lucas Schmitt<br />

BERICHTE ZUM TAG DER<br />

FRÜHKINDLICHEN BILDUNG<br />

S. 14-17<br />

BILDUNGSMINISTERIN<br />

DORIS AHNEN<br />

IM GESPRÄCH<br />

(S. 12-13)


KOLUMNE / KOMMENTAR / INHALT<br />

Einige zornige<br />

Zeilen und eine<br />

ehrliche Episode<br />

Wenn diese Ausgabe postalisch bei unseren<br />

Mitgliedern angekommen ist, sind es<br />

gerade mal noch zwei Wochen bis Weihnachten<br />

und drei bis zum neuen Jahr. Ist<br />

schon irgendwie komisch, bei strahlendem<br />

Herbstwetter in der ersten Novemberwoche<br />

dieses Editorial zu schreiben und<br />

dabei nicht vergessen zu dürfen, ein schönes Weihnachtsfest sowie ein<br />

glückliches Jahr 2009 zu wünschen. Dies sei hiermit vorneweg geschehen,<br />

bevor im üblichen Eifer des verbalen Gefechtes am Ende kein<br />

Platz mehr bleibt.<br />

Gründe, sich aufzuregen, gibt es schließlich immer. Die Lehrkräfte<br />

dürfen nun richtig gespannt sein, wie lange der Unterricht am letzten<br />

Schultag wohl gehen wird. Eigentlich ist ja der erste Ferientag ein<br />

Montag und nicht der Samstag davor; folglich müsste am Freitag regulär<br />

unterrichtet werden. Und nicht nur bis 13 Uhr, wie fälschlicherweise<br />

dargestellt wurde, sondern an manchen Schularten wie den Berufsbildenden<br />

Schulen auch nachmittags und abends.<br />

Scherz beiseite. Aber dass dieses Thema hier nochmals aufgewärmt wird,<br />

zeigt, wie verletzend die völlig unverständliche Entscheidung kurz vor<br />

den Herbstferien für uns Lehrkräfte war. Unerträglich, diese Häme<br />

in den Medien und auch der Spott, die Lehrerverbände seien es doch,<br />

die immer gegen Unterrichtsausfall protestierten. Als ginge es bei der<br />

Regelung für den letzten Schultag um die Faulheit der LehrerInnen,<br />

die ihren letzten Arbeitstag vor dem Urlaub schon als solchen sähen.<br />

So sinngemäß zu lesen in der „Rheinpfalz“ - da auch gleich zweimal<br />

in der regulären und der Sonntags-Ausgabe.<br />

Wir haben das verkraftet und würden auch eine Abschaffung der Regelung<br />

verkraften. Wäre schließlich nur eine Petitesse verglichen mit dem,<br />

was die Lehrkräfte in den letzten Jahren / Jahrzehnten an Verschlechterungen<br />

ihrer Arbeitsbedingungen hinnehmen mussten. Und dumme<br />

Sprüche von Leuten, die anscheinend lebenslang ihre Schultraumata mit<br />

sich herumschleppen, sind eh Alltag. Über die bequemen „Schullehrer“<br />

meinte bspw. ein Glossenschreiber in der „Rheinpfalz am Sonntag“ in<br />

grässlichem Pfälzisch herziehen zu können, wobei auch noch durch die<br />

Wortwahl „Schullehrer“ die Qualifikation von Lehrkräften in vorakademische<br />

Ausbildungszeiten zurückverlegt werden sollte.<br />

„Es ist schon immer so gewesen, am letzten Tag wird vorgelesen.“ Mit<br />

dem uralten Reim konnte die Volksschulklasse des Verfassers dieser<br />

zornigen Zeilen schon vor über fünfzig Jahren ihren „Schullehrer“,<br />

ansonsten alles andere als ein feinfühliger Pädagoge, davon überzeugen,<br />

AUS DEM INHALT <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 12 / 08:<br />

Kolumne / Kommentar / Tarifrunde Seiten 2 - 4<br />

Bildungspolitik Seiten 4 - 7<br />

Schulen Seiten 8 - 11<br />

Schulische Erfahrungen bekannter … Seiten 12 - 13<br />

Sozialpädagogik Seiten 14 - 17<br />

Hochschulen / Kultur Seiten 18 - 20<br />

Gesellschaft / Generation 60+ / <strong>GEW</strong> int. Seiten 21 - 25<br />

Tipps + Termine Seiten 26 - 28<br />

Kreis + Region Seiten 29 - 31<br />

Schulgeist Seite 32<br />

keinen „normalen“ Unterricht zu machen. Kinder und Jugendliche<br />

sind eben keine Maschinen, in die man möglichst lange möglichst viel<br />

reinstopfen kann, um möglichst viel Output zu bekommen. Lernen<br />

ist viel, viel mehr als die Summe der gehaltenen Stunden und des<br />

eingetrichterten Stoffes. (Sorry, an dieser Stelle so etwas Banales sagen<br />

zu müssen.) Unsere SchülerInnen lernen zum Beispiel ganz arg viel,<br />

wenn am letzten Schultag vor den Ferien eine schöne Weihnachtsfeier<br />

ausgerichtet wird. Von und mit ihnen, nicht nur für sie. Viele kennen<br />

das aus ihrem familiären Umfeld ja gar nicht mehr: in gemütlicher<br />

Atmosphäre bei Kerzenschein kommunizieren, gemeinsam singen,<br />

Gedichte und Geschichten vortragen, von Traditionen erzählen, selbst<br />

gebastelte Geschenke austauschen. Einfach mal innehalten.<br />

Ein wahres Märchen<br />

So, jetzt ist der Ärger verraucht, und die Weihnachtsstimmung kommt<br />

auch bei 17 Grad auf. Jahreszeitadäquat muss auf den Stress ein<br />

Märchen folgen. Richtig harmonisch, beschaulich, anrührend. Leider<br />

können wir damit nicht dienen, dagegen „nur“ mit einer völlig wahren<br />

Geschichte. Lehrertypisch bedarf es allerdings einiger erklärender Vorbemerkungen<br />

über die Spezies Politiker: Die sind in unserer repräsentativen<br />

Demokratie bekanntlich Volksvertreter und müssen sich daher<br />

darum bemühen, vom Volk gemocht zu werden, um wieder gewählt<br />

zu werden. Von daher kennen wir zur Genüge diverse PR-Aktivitäten:<br />

Strahlende Politiker zwischen knuddeligen Kids, Bäder in der Menge,<br />

Homestories in Illustrierten...<br />

In der folgenden Geschichte steht ein Politiker im Vordergrund, der<br />

letzten Monat bekannt gegeben hat, noch ganz lange als Landesvater<br />

dienen zu wollen. Ihm sagt man ja besondere Volksnähe nach. Kritische<br />

Gewerkschaftsschreiberlinge sind da immer skeptisch und fragen<br />

sich, was nun echt und was Kalkül ist. Die nun endlich folgende Story<br />

jedenfalls ist völlig ehrlich ohne jegliche PR-Show und nur deshalb<br />

hier zu lesen, weil die 2. Protagonistin rein zufälligerweise Kollegin<br />

des Autors ist.<br />

Es begab sich an einem schönen Sommertag in der idyllischen Fußgängerzone<br />

von Speyer. Auf einer Bank ruhte sich ein grauhaariger, leicht<br />

übergewichtiger Mann Ende fünfzig, im Hauptberuf Ministerpräsident,<br />

von einer sportlichen Aktivität aus, als ihn eine reizende Lehrerin seiner<br />

Generation erblickte. Die besondere Leidenschaft der Dame besteht<br />

darin, alle angenehmen Lebenssituationen fotografisch festzuhalten.<br />

Also nahm sie jeglichen Mut zusammen, sprach den hohen Herrn an<br />

und bat um ein paar gemeinsame Fotos. Ein netter Plausch folgte, dann<br />

machte sich die Kollegin zufrieden von dannen.<br />

Die gelungensten Fotos schickte sie Tage später an ihren obersten Chef,<br />

clevererweise an seine Privatadresse in der Südpfalz. Im Begleitschreiben<br />

bat sie diskret um Unterstützung in einer dienstlichen Angelegenheit.<br />

Was sie nicht erwartet hatte: Rasch kam die Antwort, die Frage werde<br />

der entsprechenden Abteilung zugeleitet. Was sie noch weniger erwartet<br />

hatte: Von dort erhielt sie von einem hochrangigen Beamten bald einen<br />

Vorschlag, wie ihr Problem gelöst werden könne.<br />

Da war die engagierte Lehrerin absolut gerührt: Entsprechend schrieb sie<br />

dem hilfsbereiten Ministerpräsidenten, sie habe sich nie vorstellen können,<br />

dass sich ein Landesvater so rührend um seine Bürger kümmert.<br />

Mal sehen, ob der so Gelobte tatsächlich auch ihrem Vorschlag folgt und<br />

irgendwann mal auf seiner Fahrt von Steinfeld nach Mainz auf halber<br />

Strecke kurz Pause macht, um ganz unbürokratisch ihrer netten Klasse<br />

einen Besuch abzustatten.<br />

Günter Helfrich<br />

2 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


TARIFRUNDE 2009<br />

DIE TARIFRUNDE 2009 IM ÖFFENTLICHEN DIENST GEHT UNS ALLE AN -<br />

TARIFBESCHÄFTIGTE UND BEAMTINNEN IN EINEM BOOT<br />

Mehr als 40 Jahre lang gab es in der Bundesrepublik<br />

Deutschland für die Angestellten und Arbeiter von Bund,<br />

Ländern und Kommunen ein einheitliches Tarifrecht und<br />

im Wesentlichen gleichlaufende Entgeltsysteme. Ob die<br />

Tariferhöhungen hoch oder eher bescheiden ausfielen,<br />

hing zumeist von der Kampfbereitschaft der Kommunalbeschäftigten<br />

ab, nicht selten von den Beschäftigten<br />

bei der Müllabfuhr oder den kommunalen Verkehrsbetrieben.<br />

Die erzielten Tarifabschlüsse galten stets für alle<br />

Beschäftigten im öffentlichen Dienst unabhängig davon,<br />

ob sie sich aktiv an Warnstreiks oder Streiks beteiligt<br />

hatten. Für die Beamtinnen und Beamten wurden die<br />

Tarifergebnisse meist zeit- oder zumindest inhaltsgleich<br />

übernommen.<br />

Die Ministerpräsidenten der Länder haben mit ihrer<br />

Forderung nach größerer landesspezifischer Entscheidungshoheit<br />

letztendlich entscheidend dazu beigetragen,<br />

dass im Zuge der Verhandlungen über ein moderneres<br />

Tarifrecht die Tarifeinheit von Bund, Ländern und<br />

Kommunen zerschlagen wurde. Die Länder kündigten<br />

einseitig eine Reihe von für die Gewerkschaften unverzichtbaren<br />

Beschäftigungsbedingungen des Bundesangestelltentarifvertrages<br />

und schlossen sich dem 2005 mit<br />

dem Bund und den Kommunen abgeschlossenen neuen<br />

Tarifvertrag, dem TVöD, nicht an. Nach dem längsten<br />

und härtesten Streik im öffentlichen Dienst konnte den<br />

Ländern erst 2006 ein separater Tarifvertrag für die Landestarifbeschäftigten<br />

abgerungen werden.<br />

Seitdem werden die Tarifrunden für Bund und Kommunen<br />

einerseits und für die Länder andererseits zeit- und<br />

inhaltlich getrennt geführt. Als Folge der Föderalismusreform<br />

liegt es jetzt in der Entscheidungshoheit jedes<br />

einzelnen Bundeslandes, ob und in welcher Höhe die<br />

bundesweit erzielten Tarifergebnisse auf die Beamtinnen<br />

und Beamten ihres Bundeslandes übertragen werden. Gerade<br />

in Rheinland-Pfalz haben wir leidvoll erfahren, wie<br />

die Beamtinnen und Beamten abgehängt werden können.<br />

2008 haben sie statt der zwischen den Gewerkschaften<br />

und den Ländern vereinbarten Tariferhöhung von<br />

2,9% nur zweimal 0,5 % „Erhöhung“ ihrer Bezüge, über<br />

ein Jahr gestreckt, von der Landesregierung zugebilligt<br />

bekommen.<br />

Mit Bund und Kommunen konnte 2008 nach harten<br />

Auseinandersetzungen ein recht gutes Tarifergebnis erzielt<br />

werden, nämlich eine Tabellenerhöhung von 50 Euro plus<br />

weitere 3,1 % und 2,8 % plus 225 Euro Einmalzahlung<br />

für 2009. Anfang 2009 werden nun die Tarifverhandlungen<br />

für die Beschäftigten der Länder aufgenommen.<br />

Im Januar werden die Gewerkschaften des öffentlichen<br />

Dienstes ihre Forderungen gegenüber der Tarifgemeinschaft<br />

der Länder nach Erhöhung des Entgelts für die<br />

rund 700.000 Tarifbeschäftigten bei den Ländern deutlich<br />

machen. In diesen Tarifverhandlungen geht es aber nicht<br />

nur um die Entgelte der Tarifbeschäftigten, sondern auch<br />

um die Besoldungserhöhung für die Beamtinnen und<br />

Beamten. Für die Beamtinnen und Beamten in unserem<br />

Bundesland steht die Zusage der Landesregierung, das<br />

Ergebnis der Tarifverhandlungen zeit- und inhaltsgleich<br />

auf ihren Bereich zu übertragen.<br />

Die Tarif- und Besoldungsrunde 2009 ist vor allem eine<br />

Runde für die im Bildungsbereich Beschäftigten. Von den<br />

bei den Ländern insgesamt rund 1,95 Mio. beschäftigten<br />

Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmern sind nahezu 1 Mio. in den Bereichen<br />

Bildung, Wissenschaft und Erziehung tätig. An den<br />

Schulen sind rund 940.000 Personen als Lehrerinnen und<br />

Lehrer, pädagogische und technische Fachkräfte oder als<br />

Fachpersonal in der schulischen Sozialarbeit beschäftigt.<br />

Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass die Arbeitgeber in<br />

der Tarif- und Besoldungsrunde den Bildungsbereich im<br />

besonderen Maße im Blick haben. Hier liegt aber auch<br />

das große Potenzial für die Durchsetzung der gewerkschaftlichen<br />

Forderungen.<br />

Gute Bildungsarbeit braucht gute Bezahlung. Die <strong>GEW</strong><br />

hat sich stets für bessere Arbeitsbedingungen an den<br />

Schulen und Hochschulen eingesetzt und wird dieses<br />

Ziel auch weiterhin vehement verfolgen. Der Einsatz für<br />

eine gerechte Entlohnung und Besoldung für die an den<br />

Schulen und Hochschulen arbeitenden Kolleginnen und<br />

Kollegen hat für uns Priorität.<br />

Die Länder müssen als Arbeitgeber und Dienstherren<br />

ihrer Verantwortung endlich nachkommen. Seit Jahren<br />

werden die öffentlichen Haushalte mit einer verfehlten<br />

Finanz- und Steuerpolitik saniert, schwindenden Steuereinnahmen<br />

wird hinterhergespart. Leidtragende waren<br />

vor allem die Beschäftigten von Bund, Ländern und Gemeinden,<br />

deren Arbeits- und Einkommensbedingungen<br />

sich zunehmend verschlechtert haben. Dass es Arbeitgebern<br />

nicht um bessere öffentliche Daseinsvorsorge, eine<br />

bessere Bildung und Erziehung ging und geht, zeigt die<br />

jüngste Entwicklung: Während über klamme Kassen<br />

geklagt wird, werden von der Bundesregierung über<br />

Nacht Milliarden locker gemacht, um spekulationsfreudige<br />

Banken zu sanieren. Die Gewinne sollen privatisiert<br />

und die Risiken vergesellschaftet werden. Dabei ist man<br />

eifrig bemüht zu verschweigen, dass die Finanzkrise<br />

auch die Folge einer verfehlten Einkommenspolitik ist.<br />

Seit Jahren geht die Kluft zwischen den Gewinnen und<br />

den Arbeitseinkommen weiter auseinander. Auch 2007<br />

ist der neutrale Verteilungsspielraum nicht ausgeschöpft<br />

worden, wodurch eine weitere Umverteilung zugunsten<br />

der Gewinne stattgefunden hat. Wachsende Gewinne<br />

haben aber nicht zu mehr Investitionen geführt, sondern<br />

zu einem Aufblähen der Finanzmärkte. Eine Ursache hierfür<br />

ist auch die schwache Binnennachfrage. Deutschland<br />

bildet im europäischen Vergleich bei der Entwicklung der<br />

Reallöhne das Schlusslicht.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

3


TARIFRUNDE / BILDUNGSPOLITIK<br />

Auch die Länder müssen ihren Anteil zur Stärkung der<br />

Binnennachfrage leisten. Das Geld für mehr staatliche<br />

Verantwortung und Gestaltung ist durchaus vorhanden.<br />

Die Staatsausgaben befinden sich seit Jahren im Sinkflug.<br />

Allein bis Ende Juli 2008 haben sich die Einnahmen der<br />

Länder gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5,3 Prozent<br />

erhöht. In den Flächenländern stiegen die Einnahmen bis<br />

Ende Juli 2008 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,8<br />

Prozent im Westen und um 4,2 Prozent im Osten. Bei<br />

den Stadtstaaten betrug die Einnahmesteigerung sogar<br />

10,8 Prozent.<br />

Für die Tarif- und Besoldungsrunde 2009 erwartet die<br />

<strong>GEW</strong> eine harte Auseinandersetzung mit den Ländern.<br />

Deshalb müssen die Verhandlungen gut vorbereitet<br />

werden. Das betrifft auch die Bereitschaft, die Verhandlungsrunden<br />

im Januar und Februar 2009 mit Aktionen<br />

und Warnstreiks zu begleiten. Unmittelbar gefordert<br />

sind zunächst die Tarifbeschäftigten, die von den Gewerkschaften<br />

rechtlich bedenkenlos zur Teilnahme an<br />

Streikaktionen aufgefordert werden dürfen. Wir gehen<br />

davon aus, dass sich unsere angestellten Kolleginnen und<br />

Kollegen im Schuldienst an notwendigen Streikaktionen<br />

der Gewerkschaften mit dem gleichen Elan und der gleichen<br />

Ausdauer beteiligen werden, wie dies im Frühjahr<br />

die Erzieherinnen und Erzieher aus den kommunalen<br />

Kindertageseinrichtungen getan haben. Zwei ganztägige<br />

Warnstreiks, an denen sich mehrere tausend Kommunalbeschäftigte<br />

allein in Rheinland-Pfalz beteiligten,<br />

waren für das gute Tarifergebnis im Kommunalbereich<br />

mitentscheidend. Mehr denn je sind in dieser Tarif- und<br />

Besoldungsrunde auch die Kolleginnen und Kollegen im<br />

Beamtenverhältnis gefordert, die Tarifauseinandersetzungen<br />

aktiv zu begleiten und zu unterstützen. Die <strong>GEW</strong><br />

wird auf der Einhaltung der Zusage bestehen, dass das<br />

Verhandlungsergebnis der Tarif- und Besoldungsrunde<br />

2009 zeit- und wirkungsgleich in das Besoldungsrecht<br />

übertragen wird.<br />

Wichtig: Alle aktuellen Informationen zur Tarifrunde<br />

2009 sind auf der neu eingerichteten <strong>GEW</strong>-Internetseite<br />

www.gew-tarifrunde.de zu finden, zu beziehen ist dort<br />

auch die Telegramm-Serie zur Tarifrunde.<br />

Klaus Peter Hammer, Sylvia Sund, Sybilla Hoffmann<br />

Kommentar<br />

BILDUNGSREFORM? STRUKTURREFORM?<br />

Jedermann / -frau ist klar: Unser Bildungssystem ist ungerecht,<br />

unsozial, antiquiert und nicht in der Lage, unsere Gesellschaft<br />

so aufzustellen, dass sie den zukünftigen Anforderungen in<br />

einer veränderten Welt gerecht werden kann.<br />

Eine der wesentlichen Ursachen dieser Situation ist unser<br />

Schulsystem. Der dreigliedrige Aufbau entspricht in keiner<br />

Weise den heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten und<br />

Erfordernissen. Dieses für unsere Zeit ungeeignete Schulsystem<br />

diskriminiert junge Menschen nach ihrer gesellschaftlichen<br />

Herkunft und verteilt Bildungschancen höchst ungerecht.<br />

Nicht zuletzt deshalb fordert die SPD - sie regiert in<br />

Rheinland-Pfalz allein - folgerichtig „Eine Schule für alle<br />

Kinder“ in ihren bildungspolitischen Zielsetzungen. Ist es<br />

da verwunderlich, wenn sich Eltern, Lehrer, Schüler und<br />

Bildungsinteressierte darauf einstellten, dass die geplante<br />

Schulstrukturreform zu einer konsequenten Anpassung an den<br />

Stand der Wissenschaft im Bildungsbereich führen würde?<br />

Doch die Realität sieht vollkommen anders aus. Es wird<br />

eine mutlose Änderung umgesetzt nach dem Motto: Nur<br />

niemanden - besonders keine konservativen Wählergruppen<br />

- verärgern. Nur keine streitige Diskussion entfachen. Die<br />

eigene Klientel, ob Bildungspolitiker, Eltern, Lehrer, Professoren,<br />

Kommunalpolitiker etc. ist da anscheinend nicht so<br />

wichtig. Die werden ja sowieso keine konservativen Parteien<br />

wählen.<br />

Ernsthaft an einem modernen und gerechten Schul- und<br />

Bildungssystem interessierten Bürgern treibt ein solches<br />

Vorgehen - je nach Temperament - die Tränen in die Augen<br />

oder die Wut ins Gesicht.<br />

Statt die ungerechte Verteilung der Bildungschancen, die<br />

ungerechte Bezahlung der Lehrkräfte der verschiedenen<br />

Schularten, die Vernachlässigung des ländlichen Raumes<br />

bei den Bildungseinrichtungen abzuschaffen und die „EINE<br />

SCHULE FÜR ALLE“ zu schaffen, zementiert man in<br />

Rheinland-Pfalz das ungerechte System und versucht - durch<br />

neue Namen und Etikettenschwindel - den Eindruck einer<br />

substanziellen Reform zu erwecken. „Die Hauptschule wird<br />

abgeschafft“ soll die Botschaft heißen - in Wirklichkeit versteckt<br />

man diese in „KOOPERATIVEN Schulformen“ und<br />

behält sie so in der Substanz bei.<br />

Was die Anpassung an die sogenannte Demographieentwicklung<br />

angeht, so werden die Kreise genötigt, Schulentwicklungspläne<br />

für viel Geld zu erstellen und dabei ihre<br />

regionalen Bedürfnisse zu formulieren. Liegen diese Pläne<br />

dann vor, so genügt z.B. der Hinweis einer nachgeordneten<br />

Behörde - der Schulabteilung bei der ADD - man solle „ein<br />

bewährtes System nicht abschaffen“ der Regierung, um die in<br />

den Räten der Verbandsgemeinden, Kreise und Städte ( der<br />

Schulträger ) getroffenen Entscheidungen zu ignorieren.<br />

Das ist keine gute Reform. Sie nutzt keine Chancen für<br />

Veränderungen zum Besseren, sie verhindert die auch von<br />

uns gewollte „EINE SCHULE FÜR ALLE“.<br />

Henning Caspari (Landesfachgruppe HS/RGS)<br />

4 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


BILDUNGSPOLITIK<br />

PROBLEME BEI DER STELLENBESETZUNG NICHT VERHARMLOSEN!<br />

„Wir fordern das Bildungsministerium auf, die Ursachen<br />

zu ergründen und die objektiv vorhandenen Probleme zu<br />

beseitigen, die für Nichtbesetzungen oder für sich über viele<br />

Monate hinziehende Verzögerungen bei der Besetzung von<br />

Schulleitungsstellen ausschlaggebend sind“, sagte der <strong>GEW</strong>-<br />

Vorsitzende Klaus-Peter Hammer gegenüber der Presse.<br />

Hammer bezog sich auf die Untersuchung und Auswertung<br />

zur Besetzung von Schulleitungsstellen, die das rheinlandpfälzische<br />

Bildungsministerium auf eine Große Anfrage der<br />

FDP-Landtagsfraktion hin vorgenommen hatte.<br />

„Derzeit 89 nicht besetzte Schulleitungsstellen bedeuten 89<br />

unzumutbare Problemfälle in den betroffenen Schulen“,<br />

meinte der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende. „Es ist wenig hilfreich,<br />

diese Problemfälle als statistisch geringfügig abzuqualifizieren<br />

und Warnungen der <strong>GEW</strong> als völlig übertriebene Darstellung<br />

der Situation zu verharmlosen“, kritisierte Hammer eine<br />

entsprechende Erklärung des Ministeriums.<br />

Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz hatte im September anhand<br />

einer statistischen Erfassung der vergangenen Jahre festgestellt,<br />

dass im Durchschnitt über alle Schularten hinweg rund 40<br />

Prozent der wieder zu besetzenden Schulleitungsstellen ein<br />

zweites Mal und rund 13 Prozent der Stellen ein drittes<br />

Mal ausgeschrieben werden mussten. Mehr als 10 Prozent<br />

konnten nach Feststellung der <strong>GEW</strong> überhaupt nicht besetzt<br />

werden.<br />

„Ursächlich dafür, dass Schulleitungsstellen nicht oder nur<br />

mit Verzögerungen besetzt werden können, sind die unzureichenden<br />

Arbeits- und Rahmenbedingungen und die in vielen<br />

Fällen wenig attraktive Bezahlung für Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter“, betonte Hammer noch einmal. Die <strong>GEW</strong> habe<br />

nach der Veröffentlichung ihrer Zahlen im September und<br />

der Nennung der - aus Sicht der <strong>GEW</strong> - hauptsächlichen<br />

Ursachen viel Zuspruch von Lehrerinnen und Lehrern ebenso<br />

wie von Schulleiterinnen und Schulleitern erhalten. „Die<br />

Statistiken des Ministeriums werden uns nicht davon abhalten,<br />

weiter auf die Ursachen zu zeigen und die notwendigen<br />

Veränderungen gegenüber den politisch Verantwortlichen<br />

einzufordern“, stellte der <strong>GEW</strong> - Landesvorsitzende klar.<br />

pm<br />

FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN<br />

ZUR STELLENBESETZUNG<br />

Im Amtsblatt Nr. 11 vom 27.10.08<br />

waren insgesamt 63 Funktionsstellen<br />

in allen Schularten zu finden. Davon<br />

wurden 39 zur Erweiterung des Bewerberkreises<br />

erneut ausgeschrieben, hatten<br />

also keine oder nur eine Bewerbung<br />

erhalten. Das sind 61,9 %.<br />

gh<br />

„ZAHLEN DER <strong>GEW</strong> STIMMEN ABSOLUT“<br />

Helmut Thyssen, Vorsitzender im <strong>GEW</strong>-Bezirk Rheinhessen-Pfalz,<br />

hat sich intensiv mit den Problemen bei der Besetzung schulischer<br />

Funktionsstellen beschäftigt. Die <strong>GEW</strong>-Zeitung befragte ihn zur<br />

Thematik.<br />

Helmut, die Reaktion des Ministeriums auf unsere Kritik<br />

legt nur eine Schlussfolgerung nahe: Die <strong>GEW</strong> hat mal<br />

wieder übertrieben!<br />

Die Zahlen der <strong>GEW</strong> stimmen absolut. Sie sind eine Addition<br />

der im Amtsblatt ausgeschriebenen Funktionsstellen.<br />

Da ist nichts übertrieben oder gar erfunden. Ich finde<br />

es nur schade, dass dieses gerade für die Schulentwicklung<br />

so dringend zu lösende Problem klein geredet wird.<br />

Wie erklärst du dir das Herunterspielen der Probleme?<br />

Das Herunterspielen ist nach meiner Ansicht reine Hilflosigkeit.<br />

Ich gehe zwingend davon aus, dass im Ministerium<br />

die wahre Situation bekannt ist. Ich weiß, dass die<br />

Handelnden in der ADD die Problematik schon länger<br />

voller Sorge sehen. Ich kenne selbst viele, fast krampfhafte<br />

Bemühungen der Schulaufsicht, geeignete Bewerber zu<br />

Die Zahlen im einzelnen:<br />

Schulart: Stellen Zweitausschreibung in Prozent<br />

GHS 34 25 = 74 %<br />

Realschulen 3 2 = 66 %<br />

Reg. Schulen 2 1 = 50 %<br />

Gymnasien 10 4 = 40 %<br />

IGS 2 1 = 50 %<br />

Förderschulen 4 2 = 50 %<br />

BBS 8 4 = 50 %<br />

finden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Sorgen in<br />

Mainz nicht ankommen. Im Übrigen haben andere Bundesländer<br />

vergleichbare Probleme. Diese Tatsache sollte es<br />

eigentlich ermöglichen, Lösungsansätze anzugehen, ohne<br />

das parteipolitische Gesicht zu verlieren.<br />

Wie stellt sich für dich die Problematik bei differenzierter<br />

Sichtweise dar?<br />

Richtig ist, dass die einzelnen Schulformen von der<br />

Misere nicht gleichmäßig tangiert sind. Dies geht aber<br />

aus den <strong>GEW</strong>-Zahlen unmissverständlich hervor. Ganz<br />

hart betroffen sind die Grundschulen, wo es nur noch<br />

in den wenigsten Fällen gelingt, Stellen in der Erstausschreibung<br />

zu besetzen. Wer so etwas klein redet, handelt<br />

nach meiner Auffassung verantwortungslos. Es ist auch<br />

ein Irrtum (oder eine Irreführung), die Situation der<br />

übrigen Schulformen auszublenden und so zu tun, als sei<br />

alles (fast) in Ordnung. Wenn uns vor 10 Jahren jemand<br />

erzählt hätte, dass selbst an Gymnasien im Jahr 2007 jede<br />

vierte Stelle in die Zweitausschreibung muss, wäre dieser<br />

Gedanke als absurd abgetan worden. Diese Entwicklung<br />

wird sich weiter fortsetzen, wenn die Rahmenbedingungen<br />

für Schulleitungen nicht umgehend den aktuellen<br />

Erfordernissen angepasst werden.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

5


BILDUNGSPOLITIK<br />

„ENORM SPANNENDE ZEIT“<br />

Mit der <strong>GEW</strong> im Gespräch: Staatssekretärin Vera Reiß<br />

Freundlich, kompetent, hilfsbereit, bescheiden, zuhörend -<br />

alles Attribute, die nicht unbedingt dann in den Sinn kommen,<br />

wenn an Protagonisten aus der Politik gedacht wird.<br />

Auf unsere langjährige <strong>GEW</strong>-Kollegin Vera Reiß treffen sie<br />

ohne Übertreibung allesamt zu. Eine spannende Frage also,<br />

wie ihre erste Bilanz nach einem guten Jahr als Staatssekretärin<br />

im Bildungsministerium aussieht. <strong>GEW</strong>-Redakteur<br />

Günter Helfrich traf Vera Reiß in Mainz.<br />

Frau Staatssekretärin, Sie haben 1994 im Bildungsministerium<br />

als Pressereferentin angefangen. Wir haben zu dieser<br />

Zeit bei „Schule machen“ zusammengearbeitet, und ich hatte<br />

damals überhaupt nicht den Eindruck, dass Sie an Karriere<br />

orientiert seien. Wie kam es zum kontinuierlichen Aufstieg<br />

bis hin zum hohen Amt der Staatssekretärin?<br />

Also, mir gefällt die Frage wirklich gut, weil wenn man mir<br />

1994 angemerkt hätte, dass ich Staatssekretärin werden<br />

wollte, dann wäre ich mir selbst ziemlich unsympathisch.<br />

Wie es zu diesem - wie Sie das nennen - Aufstieg gekommen<br />

ist, ist Lauf der Geschichte. Da spielt eine Rolle<br />

das hohe Interesse an Bildungspolitik und sicherlich die<br />

Bereitschaft, sich in Aufgaben reinzuknien, aber auch da<br />

zu sein, wenn jemand gebraucht wird. Und dazu gehört<br />

mit Sicherheit auch eine Portion Glück. Es gehören aber<br />

auf jeden Fall Vorgesetzte dazu, die einen unterstützen<br />

und fördern: die hatte ich mit Jürgen Zöllner und Doris<br />

Ahnen, mit der ich ja über die ganzen Jahre hinweg eine<br />

besondere Verbundenheit habe.<br />

Wie darf ein Außenstehender sich solch eine Ernennung zur<br />

Staatssekretärin vorstellen? Kommt da plötzlich ein Anruf<br />

des Ministerpräsidenten, oder wie läuft das ab?<br />

Wie das wirklich abläuft, das weiß - glaube ich - niemand<br />

außer denjenigen, die das dann auch miteinander<br />

besprechen. Das waren in meinem Fall mit Sicherheit der<br />

Ministerpräsident und die Bildungsministerin. Was davor<br />

abgeht, wie viele Gespräche es da gibt, das weiß ich nicht,<br />

man ist dann auf der anderen Seite. Im konkreten Fall<br />

bekam ich einen Anruf von Doris Ahnen, die mir gesagt<br />

hat, dass mich der Ministerpräsident sprechen möchte.<br />

Ab dem Moment war ich ziemlich nervös, das gebe ich<br />

gerne zu, und dann ist es ja auch zu dem bekannten<br />

Ergebnis gekommen.<br />

Sie sind jetzt seit gut einem Jahr im Amt. Haben Sie den<br />

Schritt schon mal bereut und sich gewünscht, weniger im<br />

Rampenlicht zu stehen?<br />

Nein, den Schritt habe ich nicht bereut. Es ist eine enorm<br />

spannende Zeit, seit ich Staatssekretärin bin, also seit dem<br />

1. September 2007. In der Bildungspolitik insgesamt und<br />

gerade hier ist ja sehr viel in Bewegung, ein Stichwort hier<br />

ist: Schulstrukturreform. Das mit dem Rampenlicht ist so<br />

eine Sache: Ich bin auch wirklich ganz gerne „Innendienst-<br />

Foto: Hannah Helfrich<br />

arbeiterin“. Das ist so meine Geschichte hier im Haus.<br />

Ich sitze sehr häufig hinterm Schreibtisch. Wichtig ist für<br />

mich, dass die Mischung stimmt zwischen Innen- und<br />

Außenterminen. Somit hält sich das mit dem Rampenlicht<br />

in Grenzen, ich komme damit zurecht.<br />

Nun war Ihr Start alles andere als einfach, denn die komplette<br />

Arbeit war doch wohl dominiert von der Diskussion um<br />

die Veränderungen in der Schulstruktur. In welchem Maße<br />

waren Sie eigentlich an dem Konzept beteiligt?<br />

Ich war an diesem Konzept in starkem Maße beteiligt.<br />

Natürlich gab es schon vor meinem Amtsantritt Vorüberlegungen,<br />

wie sich die Schulstruktur in Rheinland-Pfalz<br />

weiterentwickeln kann. In diesen Prozess war ich schon<br />

als Abteilungsleiterin eingebunden, so dass ich sozusagen<br />

die Grundzüge der Konzeptentwicklung auch an aktiver<br />

Stelle mitgekriegt und begleitet habe.<br />

War das nicht furchtbar Kräfte zehrend, ein Modell verkaufen<br />

zu müssen, das den einen zu weit und den anderen nicht<br />

weit genug geht? Bis bei ein paar treuen SPD-Parteigängern<br />

war doch nirgendwo Begeisterung für die Realschule plus<br />

zu vernehmen.<br />

Das sind ja immer subjektive Wahrnehmungen mit der<br />

Begeisterung, das ist ja meistens eine Einschätzung. Ich<br />

kann die Einschätzung in der Fragestellung nicht teilen.<br />

Ich hatte nach der Vorstellung der Schulstrukturreform<br />

sehr viele Veranstaltungen und habe dadurch Rheinland-<br />

Pfalz und viele schöne Bürgerhäuser kennen gelernt, aber<br />

auch die wirklich konstruktive Stimmung. Natürlich gibt<br />

es auch Kritik an dem Modell, klar. Und in der Fragestellung<br />

„dem einen zu weit, dem anderen nicht weit genug“<br />

liegt genau die Kunst, einen Vorschlag zu machen, der<br />

neue Perspektiven eröffnet und praktikabel umsetzbar ist.<br />

Genau das ist uns mit der Realschule plus sowie der IGS<br />

als gleichberechtigter Schulart gelungen.<br />

6 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


BILDUNGSPOLITIK<br />

Liegen wir richtig mit der Vermutung, dass als Staatssekretärin<br />

Ihr Verhältnis zur <strong>GEW</strong> merklich abgekühlt ist?<br />

Man muss immer an Beziehungen arbeiten. Ich arbeite<br />

an meiner Beziehung zur <strong>GEW</strong> jeden Tag und finde, dass<br />

wir da noch in einem ganz guten Verhältnis sind. Was mir<br />

wichtig ist: Ich glaube, ich habe wirklich zu einer ganzen<br />

Reihe von <strong>GEW</strong>-Kolleginnen und <strong>GEW</strong>-Kollegen ein<br />

ausgesprochenes gutes und freundschaftliches Verhältnis,<br />

und wünsche mir, dass es auch so bleibt.<br />

In Ihrem Amt müssen Sie permanent inhaltliche und personelle<br />

Entscheidungen fällen, die einige freuen und viele<br />

ärgern. Wie gehen Sie damit um, was sich daraus z.B. an<br />

Anfeindungen ergeben kann?<br />

Ganz wichtig ist, dass man sich sehr verantwortungsvoll<br />

mit Entscheidungen auseinandersetzt, weil sie ja in der Tat<br />

ganz individuelle Auswirkungen haben können, das muss<br />

man sich auch immer klarmachen. Ich glaube, das tun<br />

wir hier im Bildungsministerium sehr stark. Deswegen<br />

ist es ganz wichtig, sorgsam Entscheidungen zu treffen,<br />

keine falschen natürlich, die dem Menschen zum Nachteil<br />

gereichen. Wenn man sich dem gewärtig ist und versucht,<br />

es so gut wie nur möglich zu machen, dann kann man<br />

auch damit umgehen, wenn man mal mit Kritik und<br />

Unzufriedenheit konfrontiert wird.<br />

Das große Projekt Schulstruktur ist nun bald gesetzlich verabschiedet.<br />

Wo setzen Sie dann Ihre Schwerpunkte?<br />

Als erstes wird mich noch auf längere Zeit die Umsetzung<br />

der neuen Schulstruktur und deren Verankerung im Land<br />

beschäftigen. Wirklich sehr wichtig ist uns aber auch,<br />

dass wir auf einem Feld deutlich weiterkommen, über<br />

das allgemein im Moment noch nicht so sehr gesprochen<br />

wird: Es geht um die bessere und stärkere Kooperation<br />

der Systeme, die wir hier im Haus vertreten - das ist die<br />

Schule auf der einen Seite, die Jugendarbeit und die<br />

Jugendhilfe auf der anderen Seite. Wenn wir mal den<br />

Spielraum hätten, hier bewusst den Schwerpunkt zu<br />

setzen, wäre das ein lohnenswertes Feld, das mir auch<br />

Spaß machen würde.<br />

PISA: <strong>GEW</strong> FORDERT MEHR CHANCENGLEICHHEIT AN<br />

„Die fehlende Chancengleichheit an den Schulen ist<br />

nach wie vor das größte Problem in Rheinland-Pfalz<br />

sowie des deutschen Bildungssystems insgesamt“,<br />

bewertete der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Klaus-Peter<br />

Hammer die PISA-Testergebnisse 2006. Schülerinnen<br />

und Schüler aus Arbeiterfamilien oder der unteren<br />

Mittelschicht seien ebenso wie Kinder aus Migrantenfamilien<br />

unverändert die Verlierer innerhalb unseres<br />

Schulsystems.<br />

„Die Bemühungen der Landesregierung in den vergangenen<br />

Jahren, Verbesserungen für das rheinland-pfälzische<br />

Bildungssystem zu erreichen und Schülerinnen und Schüler<br />

mehr individuell zu fördern, sind durchaus anzuerkennen<br />

und finden auch unsere Unterstützung“ , sagte Hammer. Er<br />

stellte fest, dass sich Rheinland-Pfalz in den Bereichen Lesekompetenz,<br />

Mathematik und Naturwissenschaften deutlich<br />

verbessert habe. Die rheinland-pfälzischen Lehrkräfte vor Ort<br />

hätten hierzu einen erheblichen Beitrag geleistet.<br />

Die Bemühungen gingen allerdings nicht weit genug, um<br />

entscheidende Veränderungen für den größten Teil der Schülerinnen<br />

und Schüler und hier insbesondere der gesellschaftlich<br />

WEITERENTWICKLUNG DER<br />

REFORMIERTEN OBERSTUFE<br />

Am 9. März 2009 wird die <strong>GEW</strong>-Fachgruppe Gymnasien in Mainz im<br />

Erbacher Hof bei einem Tag der Bildung die Weiterentwicklung der Reformierten<br />

Oberstufe erörtern. Eva-Maria Hartmann wird die Entwicklung<br />

der Oberstufe in anderen Bundesländern vorstellen, Andreas Keller die Frage<br />

nach „Oberstufe und OECD: Wo steht Rheinland-Pfalz bei der Umsetzung<br />

europäischer Standards?“ untersuchen.<br />

Red<br />

Benachteiligten zu erreichen. Die Praxis in den Schulen<br />

sähe oft so aus: Die Klassen seien zu groß, insbesondere die<br />

schwächeren Schülerinnen und Schüler würden zu wenig<br />

unterstützt, individuelle Förderung bleibe weitgehend ein<br />

frommer Wunsch, ein Pädagogenmangel drohe und die Auslese<br />

der Kinder in einem unterfinanzierten Bildungssystem<br />

werde verschärft. Viele der Reformen der letzten Jahre seien<br />

auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen<br />

worden, ohne dass die finanziellen Investitionen in Bildung<br />

entscheidend erhöht worden wäre oder sich die Arbeitssituation<br />

der Kolleginnen und Kollegen grundlegend verbessert<br />

hätte. Bei den Bildungsausgaben befinde sich Rheinland-<br />

Pfalz im Vergleich zu den anderen Bundesländern noch<br />

immer am unteren Ende.<br />

„Politik muss jetzt in das Bildungswesen investieren und<br />

Bildungsbarrieren abbauen. Insbesondere die schwächeren<br />

Schülerinnen und Schüler müssen gefördert werden. Halbherzige<br />

Absichtserklärungen, wie der Bildungsgipfel sie jüngst<br />

verabschiedet hat, ignorieren den Problemdruck. Nicht nur<br />

die Hauptschule, sondern der Hauptschulbildungsgang muss<br />

abgeschafft werden, alle Jugendlichen müssen mindestens<br />

zu einem mittleren Bildungsabschluss geführt werden“, so<br />

Hammer.<br />

Die <strong>GEW</strong> hält das gemeinsame Lernen bis zum Ende der<br />

Pflichtschulzeit für die einzig sinnvolle Antwort auf viele<br />

Probleme des traditionellen Schulsystems. Mit 10 Jahren<br />

können Kinder Entwicklungsrückstände, die sie von zu<br />

Hause mitbringen, noch nicht aufgeholt haben. Eine noch<br />

so gute Förderung im Kindergarten kann herkunftsbedingte<br />

Benachteiligung zwar mildern, aber nicht auflösen. Erst<br />

wenn alle Kinder gemeinsam lernen, wird sich eine menschenfreundliche<br />

und unterstützende Schul- und Lernkultur<br />

entwickeln Wir brauchen die „Eine Schule für alle Kinder“,<br />

betonte Hammer.<br />

pm<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

7


SCHULEN<br />

SCHULE GEMEINSAM GESTALTEN<br />

5. Ganztagsschulkongress in Berlin<br />

„Schule gemeinsam gestalten - Partizipation an Ganztagsschulen“<br />

war das Motto des 5. Ganztagsschulkongresses, der am 12.<br />

und 13. September 2008 in Berlin stattfand. 200 SchülerInnen,<br />

180 SchulleiterInnen, hunderte von LehrerInnen, Elternvertretern<br />

und außerschulischen Partnern strömten in das Berliner Congress<br />

Center am Alexanderplatz. Unter den TeilnehmerInnen waren<br />

auch 40 aus Rheinland-Pfalz. Das abwechslungsreiche Programm<br />

mit Plenumsveranstaltungen, Workshops, Foren und Diskussionsrunden<br />

wurde ergänzt durch eine Ausstellung, in der die<br />

meisten Bundesländer und eine Reihe von Schulen ihr GTS - Programm<br />

vorstellten. Am ersten Abend lud die Deutsche Kinderund<br />

Jugendstiftung, die den Kongress hauptverantwortlich organisiert<br />

hatte, zusammen mit der Jacobs Foundation zu einem<br />

Empfang, eine einzigartige Gelegenheit, um mit Personen aus<br />

der ganzen Republik ins Gespräch zu kommen.<br />

<strong>GEW</strong>-Redakteurin<br />

Gerlinde Schwarz<br />

interviewt<br />

SchülerInnen.<br />

Fotos S. 8-10:<br />

Paul Schwarz<br />

„Die wichtigste Erfahrung eines Jugendlichen<br />

ist es, gebraucht zu werden.“<br />

Während der Eröffnungsveranstaltung wies Eva Luise<br />

Köhler, die Schirmherrin der Deutschen Kinder- und<br />

Jugendstiftung, in ihrem Grußwort darauf hin, dass der<br />

Gedanke der Partizipation an Schulen nicht neu sei, dass<br />

es aber hier und jetzt um „eine Beteiligung auf Augenhöhe“,<br />

um eine „wirkliche Teilhabe“ gehe. Auf diesem Weg<br />

könnten „Schülerinnen und Schüler lernen sich gegenseitig<br />

zu respektieren und erfahren, dass sie selbst etwas<br />

bewirken.“ Sie stellte fest, dass „Partizipation und Teilhabe<br />

Grundlage einer funktionierenden Demokratie“ seien.<br />

Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und<br />

Forschung, zeigte in ihrem Referat die positive Entwicklung<br />

der GTS auf: 2004 gab es 1000 GTS, 2008 gibt<br />

es 7000 GTS. Sie betonte: „Viel ist erreicht, jede fünfte<br />

allgemeinbildende Schule hat ein entsprechendes Konzept<br />

als GTS.“ Die Ministerin unterstrich die Bedeutung der<br />

Partizipation der Schülerinnen und Schüler gerade in der<br />

Ausgestaltung der GTS und zitierte Hartmut von Hentig<br />

mit dem Satz: „Die wichtigste Erfahrung eines Jugendlichen<br />

ist es, gebraucht zu werden.“ Sie hob hervor, dass<br />

keine Schule wie die andere sei und jede Schule ihre eigene<br />

Biografie gestalte. „Wir akzeptieren, dass jede Schule ihren<br />

eigenen Weg geht“, meinte sie.<br />

Annegret Kramp-Karrenbauer, Vorsitzende der KMK<br />

und Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur<br />

des Saarlandes, öffnete in ihrer Ansprache den Blick nach<br />

draußen. Sie sagte: „Wir haben die Chance zu lernen,<br />

was in anderen Ländern gut gemacht wird“, und führte<br />

aus, dass wir hier das nachholten, was anderswo schon<br />

praktiziert werde. „Aufeinander-schauen und Voneinander-lernen“<br />

gelten nach ihrer Auffassung jedoch nicht<br />

nur international, sondern auch in Deutschland selbst.<br />

„Föderalismus bedeutet Vielfalt und Ideenwettbewerb“,<br />

erklärte sie. Für sie ist die Qualität der Ganztagsschulen<br />

ganz entscheidend für deren gesellschaftliche Anerken-<br />

nung. Mit Nachdruck hob sie hervor: „Je besser wir die<br />

Ganztagsschulen gestalten, desto höher ist die Akzeptanz<br />

und die Flächendeckung ergibt sich von selbst.“<br />

Äußerungen von SchülerInnen<br />

Partizipation<br />

„GTS muss von allen an der Schule Beteiligten gestaltet<br />

werden, vor allem von den Schülern.“ (Jürgen, 13. Kl., GTS<br />

Gymnasium in Mainz-Gonsenheim)<br />

„Der Schulleiter ist der Initiator der GTS. Er hat in der<br />

Schulkonferenz die Schüler und Schülerinnen überzeugt.....<br />

In der Schulkonferenz hat die Schülerschaft ein Viertel der<br />

Stimmen. In dieser Konferenz wurde mit den Stimmen der<br />

Schülerschaft die Einführung der GTS beschlossen.“<br />

(Lukas 8. KL., Gymnasium in Nordrhein-Westfalen)<br />

„Unsere IGS will Ganztagsschule werden. Der Direktor<br />

will eine GTS einrichten, will aber für die Ausgestaltung<br />

Partizipation von Schülern und Lehrern. Wir drei und der<br />

Rektor haben beschlossen, zu diesem Kongress zu fahren.<br />

Wir wurden ausgewählt, weil wir bei einer Lehrerkonferenz<br />

an der Schule so frei gesprochen haben und weil wir<br />

uns immer für die Schule einsetzen....Nach dem Kongress<br />

werden wir zuerst unserer Klassenlehrerin berichten, mit<br />

der wir die nächsten Aktivitäten beschließen. Wir werden<br />

eine extra Sitzung der SV einberufen und wir werden auf<br />

der Lehrerkonferenz berichten.“ (Ilena 15 J., Patricia 14<br />

J., Mauricio 14 J., IGS Kastellstr., Wiesbaden)<br />

Vorteile/Ziele<br />

„Gut an der GTS ist, dass sie den Schülerinnen und Schülern<br />

neue Chancen eröffnet. Ich beziehe das auf die betreuten<br />

Lernzeiten und GTS-Angebote von außerschulischen Partnern,<br />

z. B. das Deutsche Rote Kreuz oder die Leute aus dem<br />

Schachclub...Die GTS müsste für alle sein.“ (Jürgen 13. Kl.,<br />

GTS Gymnasium MZ-Gonsenheim)<br />

„Unser Gymnasium ist gerade bei der Umstellung von 13<br />

Schuljahren auf 12 Jahre. Die Stoffaufteilung ist für das<br />

G8 Gymnasium jetzt als GTS günstiger...Wir haben jetzt<br />

Patriotismus für die eigene Schule. Wir haben mehr Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

und mehr Engagement für die Schule.<br />

Wir wollen eine Schule, die unsere ist.“ (Niko und Thore 8.<br />

Kl., Gymnasium in Nordrhein-Westfalen)<br />

Dr. Gerlinde Schwarz<br />

8 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


SCHULEN<br />

GESPRÄCHE MIT RHEINLAND-PFÄLZERN<br />

BEIM GANZTAGSSCHULKONGRESS<br />

- Von Dr. Paul Schwarz -<br />

„Die Lehrer bilden sich regelmäßig fort“<br />

Elternvertreter Gerald Künzig, PAMINA-Schulzentrum<br />

Herxheim b. Landau<br />

Worin sehen Eltern das besondere Profil dieser südpfälzischen<br />

Schule?<br />

Es ist eine kooperative Schule des Gymnasiums mit der<br />

Haupt- und der Realschule. Die Ganztagsschulklassen<br />

arbeiten rhythmisiert, d.h. der Unterricht erstreckt sich<br />

über den gesamten Tag. Die Schule ist sehr projektorientiert.<br />

Das beginnt bereits in der Grundschule mit<br />

Waldarbeit, Schachturnier und Tanz, um nur einige Beispiele<br />

zu nennen. Der Förderschwerpunkt ist eine neue<br />

Lernkultur, neue Lerntechniken, z.B. die Lernspiralen von<br />

Heinz Klippert. Uns Eltern gefällt auch das regelmäßige<br />

Fortbildungsprogramm der Lehrkräfte.<br />

„Manche Lehrkräfte müssen noch<br />

ganztagsschulmäßiger denken lernen“<br />

Jürgen Tramm, Leiter der Serviceagentur „Ganztägig<br />

lernen“ Rheinland-Pfalz c/o IFB Speyer<br />

Was ist eine Serviceagentur?<br />

Serviceagenturen sind Niederlassungen im Rahmen des<br />

Programms „ganztägig lernen“ in 14 Bundesländern in<br />

enger Zusammenarbeit mit den Bildungsministerien und<br />

der „Kinder- und Jugendstiftung“.<br />

Was bieten Sie an in Sachen Partizipation, dem Thema des<br />

diesjährigen Ganztagsschulkongresses?<br />

Wenn Schülerinnen und Schüler mehr Zeit an Ganztagsschulen<br />

verbringen, müssen sie dort an Entscheidungen<br />

beteiligt werden. Wie sonst sollen sie grundlegende<br />

demokratische Kompetenzen erlernen und sich in ihrer<br />

Lernumgebung wohl fühlen? Schulen profitieren auch<br />

davon, Eltern und außerschulische Partner in das Schulleben<br />

einzubeziehen - denn sie sehen Schule und ihre<br />

Schüler häufig aus anderen Blickwinkeln und können<br />

neue Impulse setzen. Wir stehen allen an Schule Beteiligten<br />

mit unserer Erfahrung bei der Einbindung aller<br />

Akteursgruppen zur Seite. Schulen, die beispielhafte Partizipationsmöglichkeiten<br />

geschaffen haben, unterstützen<br />

wir als Modellschulen für Partizipation und Demokratie.<br />

Sie geben ihre Erfahrungen an interessierte Schulen weiter<br />

und entwickeln sich selbst fort.<br />

Warum tut sich Deutschland noch immer schwer mit einer<br />

verpflichtenden Ganztagsschule, wie sie weltweit zum bildungspolitischen<br />

Standard gehört?<br />

Sehen wir die positive Entwicklung: Wir hatten vor Einführung<br />

der Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz ca. 120<br />

Ganztagsschulen, das waren Förderschulen, Integrierte<br />

Gesamtschulen und ein paar Gymnasien in privater<br />

Trägerschaft: Heute sind es seit dem Mainzer Regierungsprogramm<br />

2002 bereits 453 Ganztagsschulen, bis 2011<br />

werden wir ein flächendeckendes Angebot haben. Die<br />

Tendenz ist steigend, weil die Akzeptanz bei Schülern<br />

und Eltern wächst.<br />

Wo stehen wir 2020?<br />

Die verpflichtende Ganztagsschule wird es dann auch bei<br />

uns geben. Dankenswerterweise gibt Rheinland-Pfalz für<br />

sein Ganztagsschulprogramm viel Geld aus. Umdenken<br />

müssen noch manche Lehrkräfte, die immer noch an der<br />

Halbtagsschule hängen. Die Räumlichkeiten müssen noch<br />

ganztagsfreundlicher werden. Die Räume werden häufig<br />

von der Kommune geplant und gestaltet, aber nicht von<br />

Kindern. Auch müssen die Schulen noch teamgerechter<br />

werden. Was ganz gut läuft, ist die Vernetzung der Fortbildung<br />

für außerschulische Partner.<br />

„Mehr Mut für eine verpflichtende<br />

Ganztagsschule“<br />

Hedi Berens-Grub, Lehrerin am Gymnasium im Pamina-<br />

Schulzentrum Herxheim<br />

Was läuft gut in Ihrer Ganztagsschule und wo hängt es?<br />

Die tägliche Betreuung behebt eine ganze Reihe von Defiziten<br />

im Lernbereich, aber auch im Verhaltensbereich.<br />

Schwierig ist noch die Zusammenarbeit der Lehrkräfte<br />

vom Vormittag mit denen des Nachmittags. Da fehlt<br />

häufig die Abstimmung, z.B. bei den Hausaufgaben. Gut<br />

läuft es in den Ganztagsschulklassen 5 und 6, weil die<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

9


SCHULEN<br />

Lehrkräfte vor- und nachmittags dieselben sind. In den<br />

oberen Klassen mit ihrem Gemisch aus verschiedenen<br />

Klassen und Stufen klemmt es. Da ist es nicht leicht, in<br />

den Klasen 7 - 10 beispielsweise in Englisch ein gemeinsames<br />

Thema hinzubekommen.<br />

Wie läuft die Kooperation der Lehrkräfte mit den Partnern<br />

anderer Professionen?<br />

Das wird allmählich besser, vor allem wenn man die<br />

Leute aus dem Verein kennt. Ist bereits ein Kontakt da,<br />

gestaltet sich auch die Zusammenarbeit in der Ganztagsschule<br />

besser.<br />

Was würden Sie ändern, wenn Sie verantwortlich wären?<br />

Ich wäre mutiger und würde auch mehr Vorschriften<br />

erlassen. Nicht alles lässt sich durch Diskussionen festlegen.<br />

Die verpflichtende Ganztagsschule muss kommen,<br />

auch im Hinblick auf die berufstätigen Mütter, vor allem<br />

aber im Hinblick auf die zu fördernden Schülerinnen<br />

und Schüler. Hier erwarte ich mehr Mut seitens der<br />

Bildungsministerin.<br />

„Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />

erhöhen“<br />

Dr. Margit Theis-Scholz, Schulleiterin, und Rolf Hoffmann,<br />

Konrektor an der Diesterweg-Schule Koblenz<br />

- Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und sozialemotionaler<br />

Entwicklung<br />

Ihr schulisches Profil?<br />

Es ist die Stärkung der Sozialkompetenz und die Berufsorientierung.<br />

Unsere Schülerinnen und Schüler brauchen<br />

in besonderem Maße fördernde Zuwendung und mehr<br />

Lernzeit. Bis auf eine Handvoll Kinder besuchen alle 160<br />

Schüler bei uns die Ganztagsschule. Es ist eine GTS in Angebotsform.<br />

Wert legen wir auf die Partizipation unserer<br />

Schüler. Deren Wünsche und Anregungen sind uns sehr<br />

wichtig. Dank der außerschulischen Partner konnten wir<br />

unsere Angebote stark erweitern. Wir versuchen, die individuellen<br />

Fähigkeiten unserer Schüler zu stärken, ihnen<br />

Selbstbewusstsein mitzugeben, um damit ihre Chancen<br />

auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Seitens der Eltern<br />

gibt es hohe Zustimmungswerte, wie zwei Evaluationen<br />

ergeben haben. Sie sind glücklich über die umfassende<br />

Unterstützung der Schule für ihre Kinder. Und da hat<br />

die Ganztagsschule ihren ganz hohen Wert.<br />

VOM SCHLECHTEN SPICKZETTEL ZUM METHODIK-BUFFET<br />

Mit der <strong>GEW</strong> im Gespräch: Wolfgang Endres<br />

Wolfgang Endres ist Pädagoge und Referent in der Lehrerfortbildung.<br />

1973 gründete er das Studienhaus St. Blasien.<br />

Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Lernmethodik<br />

für SchülerInnen wie auch für LehrerInnen. Die Dauerbrenner<br />

„So macht Lernen Spaß“ und „Besser konzentrieren“<br />

gehören ebenso zu seinen Werken wie der aktuelle<br />

„Methodik-Ordner Grundschule“. Antje Fries traf ihn auf<br />

der Frankfurter Buchmesse.<br />

Fries: Herr Endres, wie kam es bei Ihnen zum Schwerpunkt<br />

Methodik?<br />

Endres: Der Auslöser waren eigentlich Spickzettel, die ich<br />

in meiner Zeit am Internatsgymnasium St. Blasien fand:<br />

Die waren so schlecht, da habe ich eine AG angeboten<br />

„Wie schreibe ich einen guten Spickzettel“, also die Anleitung<br />

zur Notiztechnik, wenn Sie so wollen. Die fand dann<br />

in den Ferien statt. Das hat sich relativ rasch verbreitet,<br />

und innerhalb kürzester Zeit haben meine Frau und ich<br />

entschieden, dann machen wir das in freiberuflicher Tätigkeit,<br />

bleiben aber mit der Schule in Verbindung.<br />

Fries: Und so entstand dann Ihr Studienhaus?<br />

Endres: Ja, das habe ich vor 35 Jahren gegründet. Schüler<br />

werden in den Ferien bis zu drei Wochen lang abgeholt<br />

mit dem Thema, dass Lernen Spaß macht. Das ist natürlich<br />

ein Freiraum, den die Schule so nicht bieten kann.<br />

Das Methodiklernen wird immer mit Freizeitangeboten<br />

gekoppelt, die von denselben Lehrkräften gemacht werden.<br />

Das ist eine Einheit. In der Hauptsaison arbeiten bis<br />

zu 200 Lehrer in unterschiedlichen Feriengebieten mit.<br />

Seit ein paar Jahren habe ich das aber an einen Kollegen<br />

abgegeben und arbeite jetzt schwerpunktmäßig in der<br />

Fortbildung. Mittlerweile kommen nicht mehr nur Lehrer,<br />

sondern auch schon Gruppen aus der freien Wirtschaft<br />

zu uns nach St. Blasien zu Lerntagen mit einem kleinen<br />

Touch Erlebnispädagogik.<br />

Fries: Wie kam es zu Ihrer Konzentration auf den Grundschulbereich?<br />

Endres: Früher legte man den Schwerpunkt des Methodiklernens<br />

auf die Sekundarstufe 1, aber dann merkte<br />

man, das ist zu spät. Das war für mich der Impuls, in<br />

10 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


SCHULEN<br />

die Grundschul-Methodik zu gehen. So entstand zum<br />

Beispiel der Lernmethodik-Ordner, mit dem man systematisch<br />

üben kann.<br />

Fries: Ihr neuestes Werk heißt „Präsentation und freies Sprechen<br />

in der Grundschule“. Wieso ist Rhetorik für Sie schon<br />

im Primarbereich so wichtig?<br />

Endres: Wenn ich in einer mündlichen Prüfung bestehen<br />

soll, ist das jedes Mal ein völliger Ausnahmezustand,<br />

weil ich diese Situation nicht geübt habe. Das führt zu<br />

ungünstig verlaufenden Lernerlebnissen, und danach<br />

beschließe ich: Nie wieder! Auch in der Erwachsenenwelt<br />

ist Sprechangst ja noch sehr weit verbreitet, dabei<br />

sind doch oft gerade die, die sich nichts zu sagen trauen,<br />

diejenigen, die am ehesten etwas zu sagen hätten. Das ist<br />

sehr bedenklich. Wichtig ist es, schon Kinder zu ermutigen<br />

und ihnen Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Ich habe<br />

bei solchen Übungen auch noch nie erlebt, dass jemand<br />

ausnahmslos einen Verriss abbekommt. Viele Kinder<br />

haben hier kein Selbstvertrauen, aber es geht doch genau<br />

darum, Kinder zu stärken und Wertschätzung zu üben,<br />

eine Bedarfslage, die in der Grundschule prägend ist!<br />

„Präsentation und freies Sprechen in der Grundschule“<br />

wurde gern aufgegriffen und von vielen Lehrern als Novum<br />

erlebt. In ihrer eigenen Ausbildung hatte das leider<br />

keine Rolle gespielt.<br />

Fries: Und wie sind Sie da mit der Schulpraxis verbunden?<br />

Endres: Bei diesem Projekt ist das Schöne, dass ich zwei<br />

Grundschullehrerinnen mit im Boot habe und Rückmeldungen<br />

von ihnen bekomme. Die eine ist seit Jahrzehnten<br />

im Dienst, eine erfahrene und versierte Kollegin, die andere<br />

ist Neueinsteigerin. Im Zusammenspiel der natürlich<br />

sehr unterschiedlichen Anregungen und Erfahrungen der<br />

beiden entwickelten sich sehr viele Dinge. Das war sehr<br />

spannend.<br />

Fries: Es ist ja erfreulich, wenn interessierte Lehrerinnen und<br />

Lehrer nach Ihrer Methodik arbeiten. Aber wie kommen<br />

Sie an die heran, die nach wie vor „Buch auf, Buch zu“<br />

unterrichten?<br />

Endres: Das findet vielfach durch pädagogische Tage im<br />

Rahmen der schulinternen Lehrerfortbildung (SchiLF)<br />

statt. Ich begleite zum Teil auch durch persönliches<br />

Mitmachen an den Schulen. Man muss den Kollegen<br />

das Gefühl vermitteln, das hilft ihm ja selber, das gibt<br />

eine Entlastung für ihn. So ist es schon gelungen, einige<br />

ins Boot zu holen, die dem Methodiklernen skeptisch<br />

gegenüber standen. Aber das kann nicht bei allen klappen<br />

und ist auch gut so: Nur Traum-Lehrer wären für ein Kind<br />

auch nicht so ideal! Abgesehen davon: „Schlechte“ Lehrer<br />

empfinde ich als Kind oft ja ganz anders als meine Eltern<br />

oder die Kollegen.<br />

Fries: In Rheinland-Pfalz wird ja allenthalben „geklippert“.<br />

Was ist der Unterschied zwischen Ihrem Angebot und dem<br />

von Klippert?<br />

Endres: Das ist der größere Freiraum. Meine Methodikangebote<br />

sind eher wie ein Buffet zu verstehen. Da bedient<br />

sich einer am Buffet und stellt am Tisch fest, die anderen<br />

haben ja alle was anderes auf dem Teller als ich. Es geht<br />

um eine breite Palette an verschiedenen Angeboten. Bei<br />

Heinz Klippert ist das eher eine strengere Struktur, ein<br />

klarer Aufbau.<br />

Fries: Also haben Sie das Buffet und er das 5-Gänge-<br />

Menü?<br />

Endres: So ist das. Vielleicht ist das 5-Gänge-Menü auch<br />

hie und da von edleren Substanzen, während mein Buffet<br />

neben den markigen Dingen auch Exotisches und Unbekanntes<br />

enthält. Mir ist wichtig, dass die Experimentierfreude<br />

der Kinder erhalten bleibt. Sich mit Unbekanntem<br />

befassen wollen, dem Unbekannten den Stempel des<br />

Unpassenden zu nehmen. Das ist zur Erweiterung der<br />

Frustrationstoleranz sehr wichtig: Man muss auch mal<br />

Misslingen aushalten und sich ums Gelingen wirklich<br />

bemühen lernen. Hohe Frustrationstoleranz korreliert<br />

ja mit einer hohen Motivation. Und das ist besonders in<br />

der Grundschule ein lohnendes Feld. Ich bemerke, dass<br />

besonders Grundschullehrer dafür eine Antenne haben.<br />

Das ist im Gymnasium nicht so.<br />

Fries: Logisch! In der Grundschule ist es notwendig, weil man<br />

alle Kinder zusammen hat, aber wer im Gymnasium nicht<br />

klarkommt, der muss halt gehen.<br />

Endres: Ja. Der Umgang mit heterogenen Gruppen hat<br />

häufig nach gleichen Regeln für alle abzulaufen, und<br />

wenn das nicht klappt, nehme ich das entsprechende<br />

Kind raus. Hilfreicher wäre, Arbeitsformen zu finden, in<br />

denen alle mitkommen. Da kommen dann ganz andere<br />

Lernformen zustande. Das kann auf den ersten Blick<br />

nach Chaos aussehen. Aber am Buffet kann sich jeder<br />

das Passende aussuchen. Der eine kann selber schöpfen,<br />

dem anderen muss ich eben noch das Fleisch schneiden.<br />

Ja, und deshalb arbeite ich seit zwanzig Jahren auch in<br />

der Lehrerfortbildung. Zum Beispiel das „LernForum“<br />

in Bad Wörishofen. In diesem Jahr fand es zum zehnten<br />

Male statt.<br />

Fries: Wer kommt dahin?<br />

Endres: Diesmal 700 Leute, die Vorträge hören und<br />

Workshops mitmachen konnten.<br />

Fries: Sie haben illustre Namen versammelt!<br />

Endres: Ja, 2008 waren etwa Reinhard Kahl, Heinz<br />

Klippert, Reinhold Miller, Bischof Wolfgang Huber oder<br />

Peter Sloterdijk dabei. Eine „Lernklimagipfelkonferenz“<br />

sozusagen! Und daneben gab es eben die vielen schul- und<br />

fachspezifischen Lernmethodik-Angebote. Oder kennen<br />

Sie „Willi will‘s wissen“?<br />

Fries: Den aus dem Fernsehen?<br />

Endres: Genau! Den habe ich jetzt mit dabei, weil ich<br />

seine Art zu fragen und sich die Welt zu erschließen, so<br />

gut finde. So finden 2009 Lerntage für Eltern und Schüler<br />

in Bad Wörishofen statt. Das ist auch immer wichtig, dass<br />

man in einer angenehmen Atmosphäre lernen kann!<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

11


SCHULISCHE ERFAHRUNGEN BEKANNTER RHEINLAND-PFÄLZER/INNEN<br />

SCHON AM ERSTEN SCHULTAG IN DER ERSTEN REIHE<br />

Im Gespräch: Bildungsministerin Doris Ahnen<br />

Seit vielen Jahren prägt Doris Ahnen die rheinland-pfälzische<br />

Bildungspolitik an entscheidender Stelle. <strong>GEW</strong>-Redakteur<br />

Günter Helfrich interviewte die Bildungsministerin in<br />

Mainz zu ihren eigenen schulischen Erfahrungen.<br />

ist etwas, wofür ich meinen Eltern bis heute unglaublich<br />

dankbar bin, weil ich weiß, dass das damals nicht unumstritten<br />

war, denn ausgerechnet die Erste und dann noch<br />

ein Mädchen, also insofern war es eine mutige Entscheidung<br />

meiner Eltern.<br />

Doris Ahnen:<br />

„Im Grundsatz war<br />

die Grundschulzeit<br />

eine sehr schöne,<br />

aber auch eine relativ<br />

strenge Zeit.“<br />

Foto: privat<br />

Frau Ministerin, bevor wir zu Ihrer Zeit als Schülerin<br />

kommen: In welchem Maße sind eigentlich die individuellen<br />

Erfahrungen in der Schulzeit prägend für das<br />

Handeln als Bildungspolitikerin?<br />

Ich glaube, man muss sich davor hüten, dass die eigenen<br />

Erfahrungen zu prägend für das Handeln sind, weil es<br />

immer ein gewisses Problem ist, wenn man als politisch<br />

Verantwortliche nicht auch ein bisschen Distanz und<br />

einen Blick auf das Ganze hat. Auf der anderen Seite sage<br />

ich ganz ehrlich: In meinem Fall wäre das völlig unproblematisch,<br />

da ich fast überwiegend positive Erfahrungen<br />

aus meiner Schulzeit habe und ein gutes Verhältnis zu<br />

meinen Lehrerinnen und Lehrern hatte.<br />

Ein unbestrittenes Aushängeschild Ihrer Politik ist die<br />

frühe Förderung im Vorschulalter. Haben Sie eigentlich<br />

eine solche erfahren?<br />

Institutionell nicht, ich war nämlich nicht im Kindergarten.<br />

Und ich muss ehrlich sagen, ich fand es damals gar<br />

nicht schön, dass ich nicht in den Kindergarten konnte.<br />

Es war aber durchaus eine finanzielle Frage, weil wir zu<br />

Hause vier Kinder waren. Auf der anderen Seite, das sage<br />

ich im Nachhinein, haben wir Geschwister auch unheimlich<br />

voneinander profitiert und dadurch sicherlich auch<br />

eine Form von Förderung gehabt.<br />

Die Grundschule wird oft gelobt für ihre innovative<br />

Didaktik. Wie war das anno 1971 in Trier?<br />

Also, was die Grundschule angeht, erinnere ich mich am<br />

allerbesten an meinen ersten Schultag. Es war ein wirklich<br />

schönes, altes Schulgebäude. Ich kam mit meiner besten<br />

Freundin, die im gleichen Haus wie ich wohnte. Wir waren<br />

aber ein bisschen spät dran mit unseren Eltern. Und<br />

dann war im Klassenzimmer nur noch der eine berühmte<br />

Tisch frei, nämlich genau der vor dem Lehrerpult. Es gab<br />

keine Alternative, und wir sind dann auch sehr lange an<br />

diesem Tisch sitzen geblieben.<br />

Im Grundsatz war die Grundschulzeit eine sehr schöne,<br />

aber auch eine relativ strenge Zeit. Damals spielten so<br />

Themen wie Mengenlehre eine große Rolle, also ich<br />

erlebte durchaus Innovationen.<br />

Ein Dauerbrenner ist die Diskussion um die Auslese nach<br />

der Grundschule. Wie lief das bei Ihnen als Tochter einer<br />

Familie, die nicht unbedingt zu den Bildungsprivilegierten<br />

gehörte?<br />

Ich komme in der Tat aus einer relativ großen Familie<br />

und war die Erste, die aufs Gymnasium gehen durfte. Das<br />

Sie waren als Schülerin schon früh politisch aktiv. Wie<br />

kam es zu diesem Engagement und welche Rolle spielten<br />

hierbei ggf. Lehrkräfte?<br />

Das kann man nie so eindeutig zuordnen. Ich glaube, ich<br />

war schon ein sozial engagierter und interessierter Mensch.<br />

Auf jeden Fall bin ich mit einer Reihe von Lehrerinnen<br />

und Lehrern konfrontiert worden, die einen sehr offenen,<br />

einen sehr aktuellen Unterricht gemacht und mit uns auch<br />

strittige Themen diskutiert haben. Ich erinnere mich,<br />

dass Atomkraft zum Beispiel damals auch im Unterricht<br />

eine wahnsinnig große Rolle spielte. Ich bin aber auch<br />

mit dem Konservativeren konfrontiert worden, wo ich<br />

durchaus sagen will: So was schult. Und dann hat sich<br />

eben die Mitarbeit in der Schülervertretung ergeben,<br />

zuerst in der eigenen Schule, später dann auf der Ebene<br />

der Landesschülervertretung: Das war eine ganz tolle Zeit,<br />

weil sie einem unglaublich viel mit auf den Weg gegeben<br />

hat für ein späteres politisches Engagement.<br />

Gab es für Sie „Lieblings- und Hassfächer“?<br />

Es gibt ein eindeutiges Lieblingsfach, das wird jetzt vielleicht<br />

die <strong>GEW</strong> nicht so freuen und das freut vielleicht<br />

manchmal meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier<br />

im Haus auch nicht so: Das ist die Mathematik. Ich liebe<br />

noch heute Zahlen, und wenn man mir Zahlen vorlegt,<br />

dann setze ich mich mit denen auseinander. Meistens<br />

finde ich auch, wenn in Berechnungen Fehler sind. Ein<br />

„Hassfach“ gab es für mich nicht.<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold hat manche Gymnasien mal als<br />

Betonburgen gegen den Lernkulturwandel bezeichnet.<br />

Haben Sie selbstgesteuertes, schülerorientiertes Lernen<br />

erlebt?<br />

Auf jeden Fall hatte ich nicht das Gefühl, dass ich in einer<br />

Betonburg des Lernens gewesen sei. Es gab durchaus auch<br />

Unterrichtsformen, die man auch heute immer noch als<br />

gut und modern bezeichnen würde. Ich denke immer,<br />

das Entscheidende ist und das gilt für früher und für<br />

heute: Die Mischung muss stimmen. Natürlich haben<br />

wir Gruppenarbeit gemacht, natürlich haben wir Erkundungstouren<br />

durchgeführt und sind auch aus der Schule<br />

heraus, um uns Dinge zu erarbeiten. Es gab durchaus auch<br />

Formen des selbst gesteuerten Lernens. Dass wir uns als<br />

Schülerinnen und Schüler da immer noch ein bisschen<br />

mehr gewünscht hätten, ist wohl selbstredend.<br />

Was hat Sie zur Wahl Ihrer Studienfächer Pädagogik, Politische<br />

Wissenschaft und Öffentliches Recht bewogen?<br />

Ich hatte eine absolut klare Berufsvorstellung: Ich wollte<br />

12 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


SCHULISCHE ERFAHRUNGEN BEKANNTER RHEINLAND-PFÄLZER/INNEN<br />

gerne in der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung<br />

tätig werden, genauer gesagt in der politischen<br />

Bildung für junge Menschen und für Erwachsene. Da habe<br />

ich erste Erfahrungen während des Studiums gewonnen<br />

bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, das fand ich ausgesprochen<br />

reizvoll. Insofern habe ich mir überlegt, in welcher<br />

Kombination mache ich das: Die politische Wissenschaft<br />

brauche ich, ich brauche das rechtliche Verständnis - das<br />

passt immer gut dazu zumal es dann beim öffentlichen<br />

Recht primär Staatsrecht ist; und ich brauche die Pädagogik<br />

- konzentriert auf die Frage Erwachsenenbildung.<br />

Mit dieser klaren Vorstellung habe ich angefangen, das<br />

hat sich dann im Studium weiterentwickelt, und danach<br />

ist es ganz anders gekommen.<br />

Nach dem finnischen Vorbild propagieren wir, „die Besten<br />

eines Jahrganges“ sollten Lehramt studieren. Die belegen<br />

aber lieber Jura, BWL und Medizin. Mit welchen Argumenten<br />

könnten wir unsere Abiturienten in spe motivieren,<br />

Lehrkräfte zu werden?<br />

Die Philosophie „die Besten eines Jahrgangs sollen Lehrerinnen<br />

und Lehrer werden“ ist natürlich eine, die man als<br />

Bildungsministerin nur unterstützen kann. Dabei würde<br />

ich allerdings die Definition der Besten schon etwas weiter<br />

fassen. Ich würde da nicht nur auf die Noten gehen wollen,<br />

sondern meine, auch dieser pädagogische Impetus, die<br />

Freude daran, sich mit Jugendlichen und Kindern auseinanderzusetzen,<br />

gehört untrennbar dazu. Trotzdem ist es so:<br />

Das Image des Lehrerinnen- und Lehrerberufs ist nach wie<br />

vor nicht gut genug in der Gesellschaft. Ich<br />

finde jedoch, es hat sich deutlich verbessert.<br />

Die meisten Eltern sind ja mit den Lehrerinnen<br />

und Lehrern ihrer Kinder zufrieden.<br />

Auch viele Schülerinnen und Schüler sind<br />

mit eigenen ihren Lehrern zufrieden. Aber<br />

in der gesamtgesellschaftlichen Bewertung<br />

gibt es Nachbesserungsbedarf, das ist aus<br />

meiner Sicht das A und O. Ich weiß, dass<br />

die Gewerkschaft dann auch sehr gerne über<br />

Besoldungsfragen und ähnliches redet: Natürlich<br />

ist das nicht irrelevant, aber es prägt<br />

nicht die Studienentscheidung eines Schulabgängers<br />

oder einer Schulabgängerin, in<br />

welcher Besoldungsstufe man anschließend<br />

ist. Aber zu wissen, man ergreift einen Beruf,<br />

der gesellschaftlich als wichtig empfunden<br />

wird, das ist schon sehr entscheidend.<br />

Abschließende Frage: Wie erfahren Sie in<br />

Ihrem privaten Umfeld Schule?<br />

Sehr unterschiedlich. Ich bin da auf der<br />

einen Seite geprägt durch meine Schwester,<br />

die drei Schulkinder hat und selbst Lehrerin<br />

ist, und zwar in Baden-Württemberg. So<br />

habe ich immer einen direkten Vergleich.<br />

Das ist ganz interessant. Mindestens genauso<br />

interessant sind die schulischen Erfahrungen<br />

meines Patenkindes. Er ist Franzose und geht<br />

in Frankreich zur Schule. So hatte ich sehr<br />

früh Kontakt zu alldem, was dort zum Bildungssystem<br />

gehört: also zur crèche - zur Krippe, zur école maternelle<br />

und auch zum weiterführenden Schulsystem. Das hat<br />

schon geprägt, so unmittelbar einen Blick in ein anderes<br />

Land werfen zu können.<br />

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<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

13


SOZIALPÄDAGAGOGIK<br />

UNTER DREI - MIT DABEI<br />

Tag der frühkindlichen Bildung wieder mit großer Resonanz<br />

ReferendarInnen stehen vor vielen<br />

Herausforderungen: selbstständig<br />

Die Organisatoren unterrichten, der Veranstaltung Elterngespräche zeigten füh-sicren, Rückmeldungen sich mit Kollegen der Teilnehmerinnen auseinander-<br />

sind sehr positiv! Die<br />

zufrieden: „Alles lief<br />

super und die<br />

Zusammenarbeit setzen. im Ein <strong>GEW</strong>-Organisationsteam selbstbewusstes Auftreten und mit der Uni Koblenz<br />

verlief - wieder und einmal gute kommunikative - hervorragend und Fähigkeiten<br />

helfen war dabei. enorm: Wie schon beim letzten Mal hatten wir so<br />

das Interesse am Tag der frühkindlichen<br />

Bildung<br />

viele Anmeldungen, dass wir eine Reihe (c) Jupiter von Absagen Images verschicken mussten.<br />

Über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kindertageseinrichtungen<br />

aus ganz Rheinland-Pfalz kamen zum Tag der frühkindlichen Bildung nach<br />

Koblenz. Eine Teilnehmerin aus Trier: „Wir sind mit dem ganzen Team hier<br />

und haben unsere Krabbelstube heute geschlossen. Wir sind begeistert von<br />

der guten Organisation und den Inhalten der Veranstaltung. Der Weg nach<br />

Koblenz hat sich für uns gelohnt!“<br />

die Bildungschancen von Kindern während der ersten<br />

sechs Lebensjahre sowie der langjährigen Erfahrungen<br />

hinsichtlich des Aufbaus von Lernhaltungen in dieser<br />

Zeit darf sich unsere Gesellschaft - im Bezug auf diese<br />

„Basisjahre“ - keine Bildungsdefizite leisten“ schreibt<br />

Edith Ostermayer in ihrem Buch „Unter drei - mit dabei“.<br />

Für Kindertageseinrichtungen besteht also akuter<br />

Handlungsbedarf.<br />

Viele Einrichtungen haben sich bereits auf den Weg gemacht<br />

oder planen die Aufnahme von unter Dreijährigen.<br />

Hier besteht ein enormer Bedarf an Fortbildung, Beratung<br />

und Austausch, was auch das große Interesse am Tag der<br />

frühkindlichen Bildung zeigt.<br />

Große Interesse am<br />

Tag der frühkindlichen<br />

Bildung. Über 500<br />

Fachkräfte sozialpädagogischer<br />

Einrichtungen<br />

nahmen an der Fachtagung<br />

der <strong>GEW</strong> in der<br />

Universität Koblenz<br />

teil. Im großen Hörsaal<br />

wurden sie vom neuen<br />

<strong>GEW</strong>- Vorsitzenden<br />

Klaus-Peter Hammer<br />

begrüßt.<br />

Das Thema in diesem Jahr: „Kinder unter drei“. Diese<br />

Altersgruppe rückte in den letzten Jahren verstärkt in den<br />

Blickpunkt von Politik und Fachwissenschaft. Die frühe<br />

Förderung von Kindern bestimmt die familien- und bildungspolitische<br />

Diskussion Deutschlands in den letzten<br />

Jahren. Vorrangiges Ziel der Familienpolitik wurde die<br />

„Sicherung von Betreuungsangeboten für Klein(st)kinder,<br />

also von Kindern im Säugling- und Kleinkindalter“. Um<br />

die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern,<br />

trat 2004 das Tagesbetreuungs- Ausbaugesetz (TAG) in<br />

Kraft, das vor allem den Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten<br />

für die Unter-Dreijährigen vorsieht. Ein Markstein<br />

stellt der 2010 eintretende Rechtsanspruch auf einen<br />

Betreuungsplatz für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr<br />

dar, der zu einer erheblichen Ausweitung des Angebotes<br />

führen wird. Das Bundesfamilienministerium fordert<br />

den massiven Ausbau der Kinderkrippen mit dem Ziel,<br />

bis 2013 rund 35 % der Zwei- bis Dreijährigen professionell<br />

betreuen zu können. Neben den Forderungen der<br />

Politik zwingen rückläufige Belegungszahlen Kitas zur<br />

Umstellung ihrer Angebote. Vieles ist hier in Bewegung<br />

geraten.<br />

Doch es geht nicht nur um die Schaffung von Betreuungsplätzen,<br />

sondern auch um die Qualität dieser Angebote:<br />

„Angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über<br />

Die Unter-Dreijährigen kommen<br />

Die Aufnahme von Kindern unter drei in Betreuungseinrichtungen<br />

stellt eine komplexe und anspruchsvolle<br />

Aufgabe für Kindertageseinrichtungen dar und macht<br />

Veränderungen notwendig. Häufig stellt sich bei den<br />

Erzieherinnen und Erziehern Unsicherheit ein, denn diese<br />

Veränderungen berühren die bisherigen pädagogischen<br />

Inhalte und Abläufe des Kindergartenalltags. Eingewöhnungsphase,<br />

Ausstattung, Gestaltung und Nutzung der<br />

Räume, Gestaltung des Tagesablaufs und den wiederkehrenden<br />

Tagessituationen wie Mahlzeiten, Körperpflege,<br />

Spiel, Ruhe und Schlaf, Gewährleistung von Sicherheit<br />

etc. - all das sind Elemente, die vorab genau geplant und<br />

gestaltet werden müssen. In der Ausbildung von Erzieherinnen<br />

werden die Unter-Dreijährigen bis heute nur<br />

beiläufig behandelt, der Schwerpunkt der Ausbildung<br />

liegt - wenn man den Lehrplan betrachtet - weiterhin<br />

im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen. Der „Tag der<br />

frühkindlichen Bildung“ hat hier einen wichtigen Beitrag<br />

zur Fortbildung geleistet und wurde auch entsprechend<br />

zertifiziert.<br />

Als Referentin für den Hauptvortrag am Vormittag<br />

konnte Anne Heck, Diplom-Psychologin und Beraterin<br />

für Kindertageseinrichtungen, gewonnen werden. Der<br />

14 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


SOZIALPÄDAGOGIK<br />

Inhalt Ihres Referates: „Von Anfang an dabei - Entwicklungspsychologische<br />

Grundlagen für die pädagogische<br />

Arbeit mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren“ wird<br />

im Bericht „Bildung für die Kleinsten, ja - aber wie?“<br />

zusammengefasst.<br />

Die Mittagspause nutzten die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer zum Austausch untereinander. Anschließend<br />

bestand die Möglichkeit, an einem der 19 Fachforen<br />

teilzunehmen. Die Foren beschäftigten sich mit Themen<br />

wie der „sozial-emotionalen Entwicklung von Kleinstkindern“,<br />

der „Beobachtung und Dokumentation“ oder dem<br />

„Forschen im Windelalter“ und deckten so das gesamte<br />

Spektrum der frühen Pädagogik ab.<br />

„Die Kleinen kommen - Konsequenzen für die pädagogischen Rahmenbedingungen“.<br />

Abschlussdiskussion mit Michael Ebling (Staatsekretär) rechts, Norbert Hocke<br />

(<strong>GEW</strong>-Bundesvorstandsmitglied) links und Peter Blase-Geiger (Moderation)<br />

Abschlussdiskussion:<br />

Viel Applaus für Norbert Hocke<br />

Den Abschluss des Tages bildete die Diskussion mit Michael<br />

Ebling (Staatssekretär im Ministerium für Bildung,<br />

Wissenschaft, Jugend und Kultur) und Norbert Hocke<br />

(Leiter des <strong>GEW</strong>-Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit)<br />

im großen Hörsaal der Universität. Moderiert<br />

wurde die Diskussion von <strong>GEW</strong>-Gewerkschaftssekretär<br />

Peter Blase-Geiger. Die Diskussion zeigte grundlegende<br />

Differenzen in der Einschätzung der aktuellen Entwicklung<br />

auf. Während Ebling von einer „Vorreiterrolle des<br />

Landes Rheinland-Pfalz in Deutschland“ sprach, wies<br />

Hocke darauf hin, dass die Erzieher-Kind-Relation nirgendwo<br />

in Deutschland den Bedürfnissen der Kinder<br />

unter drei Jahren gerecht würde. Vielmehr müsse man<br />

sich an internationalen Empfehlungen orientieren, die<br />

für diesen Bereich eine Erzieher-Kind-Relation von 1: 3<br />

bis 1: 4 vorschlagen. In der Deutschland sei man immer<br />

noch bei einer „Diskussion über die Quantität und nicht<br />

über die Qualität von Betreuung für die Kleinsten!“ Die<br />

hohen Erwartungen an Erzieher könnten - so Norbert<br />

Hocke - unter diesen Bedingungen nicht umgesetzt<br />

werden. Er schlug daher vor, dass Erzieherinnen mit den<br />

Eltern darüber diskutieren, was Kitas wollen und was sie<br />

unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu leisten im<br />

Stande sind.<br />

Der große Beifall für die klaren Aussagen des <strong>GEW</strong>-<br />

Hauptvorstandsmitglieds zeigte, dass Norbert Hocke<br />

hier ein zentrales Problem angesprochen hat. Eine Teilnehmerin:<br />

„Als Erzieherin will ich qualitativ hochwertige<br />

Arbeit leisten, bei der die Kinder und ihre Bedürfnisse im<br />

Vordergrund stehen. Unter den derzeitigen personellen<br />

Bedingungen stoßen wir immer wieder an Grenzen!“.<br />

Teilnehmerinnen und Referentinnen äußerten sich durchweg<br />

positiv über den Inhalt, Organisation und Verlauf der<br />

Tagung. Eine Referentin: „Alles ist hervorragend organisiert,<br />

jedes Fachforum wurde mit einem <strong>GEW</strong>-Mitarbeiter<br />

betreut. So etwas ist nicht selbstverständlich!“ Die beiden<br />

Hauptorganisatoren der Veranstaltung, Bernd Huster und<br />

Peter Blase-Geiger, loben die gute Zusammenarbeit mit<br />

der <strong>GEW</strong>-Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe<br />

sowie den 35 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Ohne das<br />

Engagement dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei<br />

die Organisation und Durchführung einer solch großen<br />

Veranstaltung nicht möglich.<br />

Nuckeln und staunen -<br />

Kleinkinder als „Forscher in Windeln“ -<br />

Die fünfundzwanzig Teilnehmerinnen des Fachforums<br />

20 beobachten konzentriert ein ca. 10 Monate altes Kind<br />

das - auf dem Boden liegend - mit einem Buch spielt.<br />

Sie schreiben Notizen in ihre Blöcke und verfolgen,<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

15


SOZIALPÄDAGAGOGIK<br />

In 19 Fachforen beschäftigten<br />

sich die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer<br />

mit ausgewählten<br />

Fragen zur Arbeit mit<br />

Unter-Dreijährigen.<br />

In den überschaubaren<br />

Arbeitsgruppen bestand<br />

genügend Zeit für Diskussionen<br />

und Nachfragen.<br />

wie das Kind immer wieder den Buchdeckel anhebt,<br />

die Seiten umblättert und anschließend das Buch unter<br />

einen Schrank schiebt, um es wieder hervorzuziehen. Die<br />

Filmsequenz dauert 5 Minuten und zeigt das scheinbar<br />

alltägliche „normale“ Spiel des einjährigen Kindes, ein<br />

Vorgang, der in der Regel kaum besondere Aufmerksamkeit<br />

erfährt. Warum sollte man so etwas in einen Film<br />

festhalten? Was sollte daran „besonders“ sein? Was hat<br />

dies mit Lernen oder gar Forschen zu tun?<br />

Die Referentin Kornelia Schneider vom Deutschen<br />

Jugendinstitut (DJI) hält den Film an und fragt die Teilnehmerinnen:<br />

Was haben Sie beobachtet?<br />

Ein Kleinkind als hilfloses, instinktgesteuertes „Reflexbündel“<br />

- wie man jahrelang annahm - oder gar einen<br />

„Forscher in Winden“? Vor ca. 50 Jahren galt ein Säugling<br />

als Tabula-Rasa, als unbeschriebenes Blatt, weder in der<br />

Lage seine Umwelt wahrzunehmen, noch elementare<br />

Empfindungen wie Schmerz zu erleben.<br />

Es ist verblüffend, was die Beobachter alles auf ihren Blöcken<br />

festhalten. Ihre Beobachtungen bestätigen die Thesen<br />

des amerikanischen Forschungteams Gopnik, Meltzoff<br />

und Kuhl (Forschergeist in Windeln, München 2000),<br />

dass Ein-Dreijährige gezielt forschen, Hypothesen aufstellen,<br />

Reihenversuche anstellen und innerhalb kürzester<br />

Zeit riesige Mengen von Sinneseindrücken verarbeiten.<br />

Ihre Hirnleistung übertrifft die jedes Computers und sie<br />

lernen effektiver und schneller als jeder Erwachsene. Jede<br />

Handlung des Kindes verfolgt die Beantwortung einer<br />

Frage oder die Lösung eines Problems, keine Handlung<br />

ist „sinnlos“!<br />

Kornelia Schneider hat viele Beobachtungsvideos in ihrem<br />

Gepäck. In ihrem Workshop berichtet sie von neuen<br />

Erkenntnissen über das Lernen von Kleinkindern. Neue<br />

Beobachtungsmethoden und technische Möglichkeiten<br />

ermöglichten heute die genaue Beobachtung von Säuglingen<br />

und Kleinkindern. So können Forscher beispielsweise<br />

an der Pupillenveränderung, den Augenbewegungen oder<br />

der Nuckelintensität von Kindern Staunen oder Erregung<br />

ablesen, wenn diese neue Erfahrungen verarbeiten. Kornelia<br />

Schneider: „Kinder staunen, wenn eine neue Erfahrung<br />

nicht in ihr Weltbild passt, etwa wenn ein Ball bergauf<br />

rollt. Schon winzige Babys wissen viel von der Welt und<br />

bemühen sich aktiv, noch mehr herauszufinden!“. In<br />

diesem Zusammenhang fordert sie die Teilnehmerinnen<br />

des Workshops auf, „von der Vorstellung weg zu kommen,<br />

dass wir Bildungsarbeit für Kinder machen. Bildungsarbeit<br />

leisten diejenigen, die sich bilden!“<br />

Gemeinsam mit der Referentin machten sich die Teilnehmerinnen<br />

zum Abschluss des Fachforums Gedanken über<br />

Gestaltung von Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder.<br />

Viele Einrichtungen seien zu eng und zudem übermöbiliert.<br />

„Kinder benötigten viel freie Fläche zum Rennen<br />

und Toben“ - so Schneider. Geeignetes Spielmaterial<br />

seien „einfache Materialien“ zum Bauen, Stapeln und<br />

Dinge, die man kaputt machen dürfe wie Pappkartons<br />

oder andere Alltagsmaterialien. Freiräume und einfache<br />

Materialien ermuntern Kinder zum selbstständigen<br />

Forschen und Entdecken, oft ist weniger mehr. Kornelia<br />

Schneider empfiehlt den interessierten Besuchern ihres<br />

Forums: „Schmeißen Sie einfach mal die Möbel raus!“<br />

Christine Marx / Lucas Schmitt<br />

Schon Wochen vorher war die Veranstaltung ausgebucht. Das<br />

Interesse am „Tag der frühen Bildung“ der <strong>GEW</strong> war - wie<br />

bereits in den Jahren zuvor - riesig. Die Organisatoren der<br />

Veranstaltung Bernd Hustert und Peter Blase-Geiger.<br />

16 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


SOZIALPÄDAGOGIK<br />

BILDUNG FÜR DIE KLEINSTEN, JA - ABER WIE?<br />

Ich bin Lehrerin an einer Fachschule. Ich habe eine Praktikantin,<br />

die Mutter eines acht Monate alten Kindes ist.<br />

Sie suchte einen Platz für ihr Berufspraktikum in Teilzeit,<br />

weil sie ihr Kind nicht länger als sechs Stunden in fremde<br />

Hände geben wollte. Sie fand keinen. Eine kirchliche<br />

Einrichtung mit integrierter Krippe bot ihr neben einem<br />

Praktikumsplatz in Vollzeitausbildung einen Krippenplatz<br />

für das Kind an. Dort kann sie ihren kleinen Sohn<br />

gleich morgens hinbringen. Wenn ihr Dienst zu Ende<br />

ist, kann sie ihn wieder abholen. Das Kind wurde nach<br />

dem Berliner Modell eingewöhnt. Das klappte auch ganz<br />

gut, trotzdem hatte die junge Frau das Gefühl, dass acht<br />

Stunden einfach zu lang für das Kind seien.<br />

Mich hat die Zwangslage der jungen Mutter sehr beschäftigt<br />

und irritiert. Sie hat ihr Kind bekommen, obwohl ihre<br />

Ausbildung noch nicht fertig war. Sie hatte eine vernünftige<br />

Vorstellung davon, wie sie ohne schlechtes Gewissen<br />

Ausbildung und Kind unter einen Hut bringen könnte.<br />

Dann fand sie keinen Praktikumsplatz in Teilzeit und<br />

musste ihr eigenes Empfinden im Bezug auf die Betreuungszeit<br />

übergehen, ausschalten. Auf die Befürchtungen<br />

der jungen Mutter einzugehen, wäre dem Träger teurer<br />

gekommen. Der Personalschlüssel ließ es nicht zu, das<br />

Kind in den Mittelpunkt zu stellen. Aber das fordern alle<br />

Bildungspläne vor allem für die Kleinsten.<br />

Antje Bostelmann befürchtet in Ihrem Aufsatz „Quantität<br />

vor Qualität?“ Schnellschüsse wie beim Ausbau der Ganztagsschulen.<br />

Dass wir nämlich Betreuungsplätze anböten,<br />

ohne dass wir uns auf einheitlich gute Standards geeinigt<br />

hätten. Aber „wir wissen, dass man die Pädagogik des Kindergartens<br />

nicht einfach auf die Krippe herunterschrumpfen<br />

kann...Zweijährige sind keine zwergenwüchsigen<br />

Sechsjährigen. Auf Grund ihres jungen Alters verfügen<br />

sie über kognitive und körperliche Entwicklungsbesonderheiten,<br />

benötigen eine ganz eigene Lernwelt.“ Wer<br />

das nicht berücksichtige, gefährde die Entwicklung der<br />

Kinder. (Bostelmann, Antje: 2008, S.22)<br />

Das Einführungsreferat der Erziehungswissenschaftlerin<br />

Anne Heck aus Heidelberg, das fachlich fundiert auf die<br />

Work-Shops am Nachmittag vorbereitete, ging auf genau<br />

diesen Themenkomplex ein. Anne Heck stellte zunächst<br />

psychologische Konzepte und Theorien über die frühe<br />

Entwicklung nebeneinander. Sie beschrieb anschaulich<br />

die Entwicklungsaufgaben, die sich den Kindern in<br />

den verschiedenen Altersstufen stellen, und die daraus<br />

resultierenden Erziehungsaufgaben für Familien und<br />

Kindertageseinrichtungen. Der Vortrag machte klar,<br />

dass die Bereitstellung von Betreuungsplätzen allein<br />

nicht ausreiche. In einer gelingenden Erziehung stehe<br />

die Erfahrung emotionaler Sicherheit im Mittelpunkt.<br />

Keine neue These, aber eine, die unter der Hektik der<br />

massenhaften Schaffung von Betreuungsplätzen heiße<br />

Luft bleibt, wenn die nötigen Rahmenbedingungen im<br />

Bezug auf Ausstattung, Personalschlüssel und Aus- und<br />

Weiterbildung des Fachpersonals nicht geschaffen werden.<br />

Anne Heck wies in diesem Zusammenhang darauf<br />

hin, dass in Japan Kleinkinder im Verhältnis 1:1 betreut<br />

würden. Und das mit gutem Grund.<br />

Bildung sei nämlich vor allem bei den Kleinsten ohne<br />

Bindung nicht möglich. „Wenn Kinder Kummer haben,<br />

dann brauchen sie die ungeteilte Aufmerksamkeit der<br />

Bezugsperson für ihre emotionale Selbstregulation.“ Die<br />

Fähigkeit, einem Kind diese Aufmerksamkeit zu geben,<br />

erfordere vom einzelnen Erzieher Zeit und ein hohes<br />

Maß an Beobachtungsvermögen, Feinfühligkeit und<br />

Responsibilität, d.h. die Fähigkeit, im Stil und Tempo des<br />

Kindes zu reagieren. Feinfühlige Erwachsene antworteten<br />

prompt, angemessen, zuverlässig und zugewandt. Dabei<br />

sei der Dialog mit dem einzelnen Kind von Bedeutung.<br />

Viel Zustimmung erhielt Anne Heck für ihre These, dass<br />

die beschriebenen Grundkompetenzen nicht durch die<br />

Akademisierung der Ausbildung, wie im Heidelberger<br />

Modell vorgesehen, erreicht werden könnten, sondern<br />

eher durch „ein gutes Beratungsnetz für Erzieherinnen<br />

und Erzieher, Berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungen,<br />

Supervision und gruppendynamische Trainingseinheiten.“<br />

Als Anne Heck die Betreuungszeiten ansprach – von<br />

morgens acht bis abends sechs sei zu lang, meinte sie<br />

– da dachte ich an den kleinen Sohn meiner Berufspraktikantin,<br />

der mit acht Monaten funktionieren muss,<br />

damit seine Mama die Ausbildung beenden kann, und<br />

an die Mama, der man das ungute Gefühl ausredet,<br />

damit sie auch funktioniert. Und ich fragte mich, ob es<br />

uns flächendeckend gelingt, jenseits von Sachzwängen<br />

Bedingungen zu schaffen, unter denen Bindung und<br />

Bildung gelingen können.<br />

Karin Wiegand<br />

Literatur:<br />

Bostelmann, Antje: Quantität vor Qualität, Die Krippenmisere<br />

in Deutschland, in: klein und groß, Lebensorte für<br />

Kinder, Zeitschrift für Frühpädagogik, 10/08, S. 22<br />

Bostelmann, Antje: Praxisbuch Krippenarbeit: Leben und<br />

lernen mit Kindern unter 3, Verlag An der Ruhr (Feb 2008)<br />

- 129 Seiten, broschiert, ISBN 3834603538, ISBN-13<br />

9783834603531<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

17


HOCHSCHULEN<br />

ZUR GLEICHWERTIGKEIT VON BERUFLICHER<br />

UND HOCHSCHULISCHER AUSBILDUNG<br />

Überlegungen eines Mitglieds der Landeskommission<br />

für Duale Studiengänge<br />

– von Barbara Hellinge –<br />

Durchlässigkeit, Verzahnung, Anerkennung, Studierbarkeit,<br />

Verschulung, Verdichtung: das sind die (nicht mehr ganz so<br />

neuen) brennenden Leitgedanken, die eben nicht nur Gegenstand<br />

konsesualer Bemühungen von Gewerkschaften 1 ,<br />

Hochschulen und Unternehmerverbänden auf nationaler<br />

Ebene 2 sind, sondern auch in unserem Bundesland z.B. der<br />

Landeskommission für Duale Studiengänge.<br />

Die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage<br />

der FDP zu Dualen Studiengängen in Rheinland-Pfalz<br />

zu der Frage „Wie viele Punkte ...(ECTS) werden in den<br />

jeweiligen Studiengängen für den beruflichen Ausbildungsteil<br />

(Berufsschulinhalte bzw. Prüfungsinhalte der<br />

jeweiligen Kammerprüfung) im Rahmen des dualen<br />

Studiums anerkannt?“ ist eher ernüchternd: obwohl die<br />

KMK3 und die von der Landeskommission erstellten<br />

Standards 4 eine Anerkennung von bis zu 50% zulassen,<br />

weisen nur 3 von 15 aufgeführten Studiengängen einen<br />

Anteil von 11, 14 und 50% auf; in 12 Studiengängen ist<br />

keine Anerkennung nachweisbar!<br />

Diesem Problemfeld widmet sich z.Zt. die ständige<br />

Arbeitsgruppe der Landeskommission intensiv. Hochschulvertreter<br />

dort argumentieren, dass eine Verzahnung<br />

(keine Anerkennung!) innerhalb des Studiums durchaus<br />

stattfinde, daß es im Übrigen den Hochschulen und ihren<br />

Fachvertretungen überlassen bleiben müsse, was aus der<br />

beruflichen Ausbildung anerkennenswert sei. Darüber<br />

hinaus - und dies trifft das Argument der Studierbarkeit<br />

(sind die dualen Studiengänge überhaupt in der Regelstudienzeit<br />

studierbar?) bestehe Übereinstimmung, dass<br />

die Studierenden in dualen Studiengängen besonders<br />

motiviert seien und die Studienabbrecherquote eh sehr<br />

gering sei. 5<br />

Damit wird Wasser auf die Mühlen der Argumente der<br />

Studierenden getan, die ja beklagen, dass die neuen Bachelorstudiengänge<br />

zu einer enormen Verschulung und<br />

Verdichtung des Studiums beigetragen haben. Anhänger<br />

der Studienstrukturreform (Bologna-Prozess, Umstrukturierung<br />

auf Bachelor-/ Masterstudiengänge) wiederum<br />

Die Autorin:<br />

Dipl.-Mediat. (FH) Barbara Hellinge, M.A. ist z.Zt. Beschäftigte der FH Trier im<br />

Bereich des Qualitätsmanagements in Studium und Lehre. Sie gehört innnerhab<br />

der <strong>GEW</strong> zum Leitungsteam der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung, ist<br />

Mitglied der Bundesfachgruppe Hochschule und Forschung und die gewerkschaftliche<br />

Vertretung (DGB) in der Landeskommission für Duale Studiengänge.<br />

argumentieren, dass eine ausgewiesene Arbeitsbelastung/<br />

Workload der Studierenden von 1.800 Stunden im Jahr<br />

keine zusätzlich parallel während der ersten Jahre des<br />

Studiums laufende berufliche Ausbildung zulässt - wenn<br />

denn die Hochschulen den geforderten Workload, der<br />

sich ja nicht nur auf die Vorlesungszeit bezieht sondern<br />

auf das Semester (!) = 6 Monate, ernst nehmen! Studierende<br />

brauchen, wollen sie ein Studium erfolgreich in der<br />

Regelstudienzeit beenden, all ihre Kraft und Energie zur<br />

erfolgreichen Beendigung.<br />

An dieser Stelle muss das Gebaren der Akkreditierungsagenturen,<br />

die Duale Studiengänge - ohne auf<br />

Anerkennung beruflicher Ausbildungsteile zu achten<br />

- akkreditieren, aufs Schärfste kritisiert werden. Sie haben<br />

sich eben nicht an die Vorgaben der KMK in ihren<br />

Akkreditierungen gehalten. Das ist umso schlimmer,<br />

weil ja (s.o.) auch die Landeskommission der Auffassung<br />

ist, dass eine Feststellung der Studierbarkeit bereits im<br />

Rahmen der Akkreditierung erfolge und es eben nicht<br />

ihre Aufgabe sei, die Studierbarkeit in jedem beantragten<br />

Studiengang zu prüfen.<br />

Daher meine ich, dass der Landeskommission die Aufgabe<br />

einer Qualitätskontrolle gut anstünde, etwa dergestalt,<br />

dass sie umfassende und detaillierte Untersuchungen<br />

von Abbruchquoten als ihre strategischen Erkenntnisse<br />

für die „Produktentwicklung“ des „Produkts“ Dualer<br />

Studiengang im Rahmen eines ihr eigenen Qualitätsmanagements<br />

nutzt.<br />

Zurück zur Anerkennung: hier:<br />

Hilfen für Hochschulen und Unternehmen, Leistungspunkte<br />

(ECTS) aus der beruflichen Ausbildung zu<br />

vergeben, bzw. in der beruflichen Ausbildung erworbene<br />

Kompetenzen auch in den Studienplänen der Hochschulen<br />

formal anzuerkennen:<br />

Das Qualifikationsziel eines Bachelorstudiengangs ist<br />

ein berufsqualifizierender Abschluss. Dazu „müssen die<br />

Bachelorstudiengänge wissenschaftliche Grundlagen,<br />

Methodenkompetenz und berufsfeldbezogene Qualifikationen<br />

vermitteln.“ 7 mit anderen Worten, Hochschulen<br />

müssen Fachkompetenz, Methodenkompetenz und<br />

Schlüsselqualifikationen vermitteln 8 . Der Akkreditierungsrat<br />

differenziert die zuvor genannten Ziele:<br />

„Das Studiengangskonzept orientiert sich an fachlichen<br />

und überfachlichen Qualifikationszielen, die dem angestrebten<br />

wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Ausbildungsziel<br />

und Abschlussniveau entsprechen.<br />

Die Qualifikationsziele beziehen sich vor allem auf die<br />

Bereiche<br />

• wissenschaftliche Befähigung,<br />

• Befähigung, eine qualifizierte Beschäftigung aufzunehmen,<br />

• Befähigung zum zivilgesellschaftlichen Engagement,<br />

und<br />

• Persönlichkeitsentwicklung.“ 9<br />

Fachkompetenz: In der Tat sollten Vertretungen der Berufspraxis<br />

und Hochschulfachvertretungen gemeinsam<br />

anhand eines Vergleichs der jeweiligen Ausbildungsord-<br />

18 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


HOCHSCHULEN<br />

nung und zu erstellendem Studiengangscurriculum darüber<br />

nachdenken, welche Fachkompetenzen an welchem<br />

Ausbildungsort (Betrieb und Hochschule) zur Erreichung<br />

des Studienziels Fachkompetenz bzw. wissenschaftliche<br />

Grundlagen vermittelt werden können. Häufig wird es<br />

gerade zu Beginn des Studiums Schnittstellen geben:<br />

z.B. ist es kaum vorstellbar, dass sich nicht Teile der anspruchsvollen<br />

Ausbildung zur „MechatronikerIn“ auch<br />

im Grundstudium des Maschinenbau, der Elektrotechnik<br />

oder der Informatik wiederfinden lassen oder Teile der<br />

Ausbildung zu z.B. Industriekauffrau/Industriekaufmann<br />

nicht in der des Betriebswirtschaftlichen Bachelorstudiums<br />

an Fachhochschulen.<br />

Methodenkompetenz: „umfasst die Kompetenzen, die<br />

einen Absolventen dazu befähigen, Wissen anzuwenden<br />

(Methodenkompetenz), und einen Wissenstransfer zu<br />

leisten“. Die Ausbildung an Fachhochschulen hat sich<br />

immer schon durch ihre „praxisorientierte“ Ausbildung<br />

ausgezeichnet. Dies wird nicht zuletzt festgemacht an<br />

vielen Lehrveranstaltungstypen wie„Praktikum“, „Labor“<br />

„praktisches Studiensemester“ (früher: „Praxissemester“).<br />

Auch hier ist die Frage zu stellen, ob nicht z. B. berufliche<br />

Ausbildungen im Laborbereich Chemie, Biologie durchaus<br />

grundlegende Methoden von Untersuchungen/Tests<br />

vermitteln, die parallel in der Hochschulausbildung<br />

ebenfalls Gegenstand der ersten Praktika sind.<br />

Berufsfeldbezogene Qualifikationen/ Schlüsselqualifikationen:<br />

Diese dritte Kategorie wird vom Akkreditierungsrat<br />

noch einmal ausdifferenziert in: „Befähigung,<br />

eine qualifizierte Beschäftigung aufzunehmen, Befähigung<br />

zum zivilgesellschaftlichen Engagement, Persönlichkeitsentwicklung.“<br />

10<br />

Abb.: Gesellschaftspolitische Einbettung der „Schlüsselkompetenzen“<br />

gemäß OECD2002 (Figur in Anlehnung an den<br />

OECD-Text entwickelt durch RN) 11<br />

An Fachhochschulen in Rheinland-Pfalz werden diese<br />

Befähigungen = Kompetenzen meistens in fachübergreifenden<br />

Lehrveranstaltungen zur Fremdsprachenausbildung;<br />

und zu i.w. S. Kommunikation, Präsentation,<br />

Konfliktmanagement, Selbstmanagement innerhalb der<br />

Curricula vor den Akkreditierungsinstanzen nachgewiesen.<br />

Studentische Partizipation/studentisches Engagement<br />

in der Selbstverwaltung gehört ebenso nicht dazu wie<br />

in Dualen Studiengängen der Nachweis über das Engagement<br />

in der Jugend- und Auszubildendenvertretung<br />

(JAV). Aber wie sonst soll z.Zt. das Qualifikationsziel<br />

„Befähigung zum zivilgesellschaftlichen Engagement“ in<br />

Hochschulen akkreditierbar nachgewiesen werden?<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

so z.B. auf auf dem 2. Hochschulpolitische Forum der Hans-<br />

Böckler-Stiftung, wo sich die „Bildungsgewerkschaften“ des DGB<br />

zusammenfanden<br />

2<br />

z.B. bei der Formulierung eines Nationalen Qualifikationsrahmens<br />

auf der Grundlage des Europäischen Qualifikationsrahmens<br />

und der Lissabon-Konvention<br />

3<br />

Beschluss der KMK von 2002; s. http://www.kmk.org/doc/beschl/anrechnung.pdf:<br />

„Außerhalb des Hochschulwesens erworbene<br />

Kenntnisse und Fähigkeiten können höchstens 50 % eines Hochschulstudiums<br />

ersetzen.“<br />

4<br />

zu den Prüfkriterien s. http://dualesstudium.rlp.de/main/index.<br />

php?port=port_hochs&inc=Foerderung&sub=H_Foerderung_<br />

Pruefkriterien<br />

5<br />

Das Verständnis der Landeskommission zur Studierfähigkeit<br />

und Zugangsgerechtigkeit kann an dieser Stelle nicht thematisiert<br />

werden. Gegenstand des „heimlichen Curriculums“ ist auf jeden<br />

Fall: „Wir wollen nur die Besten“.<br />

6<br />

das enspricht einer durchschnittlichen Arbeitnehmerarbeitszeit<br />

mit 3 - 4 Wochen Urlaub<br />

7<br />

Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG<br />

für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen<br />

(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i.d.F.<br />

vom 15.06.2007), S. 3<br />

8<br />

„Die Kategorie Wissen und Verstehen beschreibt die erworbenen<br />

Kompetenzen mit Blick auf den fachspezifischen Wissenserwerb<br />

(Fachkompetenz). Die Kategorie Können umfasst die Kompetenzen,<br />

die einen Absolventen dazu befähigen, Wissen anzuwenden<br />

(Methodenkompetenz), und einen Wissenstransfer zu leisten.<br />

Darüber hinaus finden sich hier die kommunikativen und sozialen<br />

Kompetenzen wieder.“ (Qualifikationsrahmen für Deutsche<br />

Hochschulabschlüsse; Im Zusammenwirken von Hochschulrektorenkonferenz,<br />

Kultusministerkonferenz und Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung erarbeitet und von der Kultusministerkonferenz<br />

am 21.04.2005 beschlossen)<br />

9<br />

Akkreditierungsrat: Drs. AR 15/2008; Kriterien für die Akkreditierung<br />

von Studiengängen (beschlossen am 17.07.2006, geändert<br />

am 08.10.2007 und 29.02.2008)<br />

10<br />

Akkreditierungsrat: Drs. AR 15/2008; Kriterien für die Akkreditierung<br />

von Studiengängen (beschlossen am 17.07.2006,<br />

geändert am 08.10.2007 und 29.02.2008)<br />

11<br />

Nägeli, Rudolf Andreas: Europäische Kompetenzen-Konzepte<br />

im Bildungsbereich. Bedeutung und Nutzen für die Curriculum-<br />

Entwicklung. In: Handbuch Qualität in Studium und Lehre,<br />

(Benz, Kohler, Landfried (Hgg.); Raabe Verlag Berlin, Loseblattsammlung,<br />

D 3.4<br />

12<br />

Landfried Klaus, Senger Ulrike: Neue Lehr-und Lernformen.<br />

Lehren und Lernen im Zeichen ganzheitlicher Persönlichkeitsbildung.<br />

In: Handbuch Qualität in Studium und Lehre, (Benz,<br />

Kohler, Landfried (Hgg.); Raabe Verlag Berlin, Loseblattsammlung,<br />

E. 5.4<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

19


HOCHSCHULEN<br />

Studierende beklagen z.Zt. eine bis zu 60 Stunden umfassende<br />

Arbeitswoche. Persönlichkeitsbildung? Persönlichkeitsbildung<br />

in den dualen Studiengängen? Ich meine,<br />

z.Zt. lässt das Bachelorstudium und das duale Bachelorstudium<br />

insbesondere lediglich Anpassung aber nicht Ausbildung/Entwicklung<br />

der Persönlichkeit zu. Studierende<br />

produzieren das Bestehen abfragbarer Leistungen. Für<br />

die Ausbildung gesellschaftlich relevanter Kompetenzen<br />

wie z.B. Reflexivität, Flexibilität, bewusste, kritische und<br />

verantwortliche Einschätzung und Bewertung des eigenen<br />

und fremden Tuns bleibt keine Zeit; kurz, die Ausbildung<br />

o.g. Kompetenzen für sozial verantwortliches Handeln<br />

und Entwickeln bleibt auf der Strecke.<br />

Aber: Unternehmen brauchen flexible, selbstreflexible<br />

Köpfe, die über den Tellerrand schauen.<br />

Mehr Partizipation:<br />

Es kommt künftig also darauf an, dass die Vertretungen<br />

aus Wirtschaft gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretungen<br />

in der Landeskommission für Duale Studiengänge<br />

darauf drängen, dass das Studium nachweisbar studierbar<br />

ist und sich die Gleichwertigkeit von Beruflicher und<br />

Hochschulausbildung in der formalen Anerkennung von<br />

beruflichen Ausbildungsinhalten in der Hochschulausbildung<br />

nachweisbar abbildet.<br />

Es darf nicht nur den Fachkulturen der Hochschulen<br />

überlassen werden, zu beurteilen, was ein gutes Duales<br />

Studium ist.<br />

Mehr Persönlichkeitsbildung leben<br />

und formal anerkennen<br />

„Bei den neuen Formen des Lernens geht es ... um neue<br />

Methoden und Gegenstände, die neue Formen bedingen:<br />

Das Selbstlernen, das fach- und kulturenübergreifende<br />

Lernen, das Trainieren sozialer Kompetenzen. Diese<br />

Herausforderungen zeigen: Lernen muss heute bedeuten,<br />

Selbstständigkeit zu lernen, selbständig in Hörsaal,<br />

Labor, Bücherei und auch in digitalen Netzen zu lernen,<br />

ethischen Prinzipien zu folgen, die das bloße Wissen transzendieren,<br />

lernen in einer Ausbildung, die Bildung im<br />

umfassenden Sinne einschließt und die gesamte Persönlichkeit<br />

formt. Organisierbar ist vieles davon, die nötige<br />

Begeisterung und das vorbildliche Leben nicht. Hier ist<br />

Charakter gefragt. Und der Wille zur aktiven Gestaltung<br />

der Zukunft, in sozialer Verantwortung.“ 12<br />

KULTUR<br />

AUF DEN GABENTISCH: KURPFALZ-KRIMIS<br />

Regionalkrimis haben immer noch<br />

Konjunktur. Inzwischen hat fast jede<br />

Stadt seinen eigenen Ermittler, bald<br />

wohl auch jedes Dorf. Der Reiz liegt<br />

auf der Hand: Die Kombination<br />

von bekanntem Lokalkolorit (bzw.<br />

dadurch bekannt werdendem) und<br />

kriminalistischer Handlung ergibt oft<br />

eine fesselnde Mischung.<br />

Die Kehrseite: Der Boom hat einiges<br />

auf den Markt gebracht, was<br />

literarischen Ansprüchen nicht mal<br />

im Ansatz genügt. Was nützt es,<br />

wenn man die Gegend kennt, in der<br />

eine unschlüssige Handlung spielt?<br />

Zum Glück gibt es Ausnahmen: Die<br />

Rheinhessen-Krimis von Antje Fries<br />

gehören dazu, ebenso die Kurpfalz-<br />

Krimis aus dem Wellhöfer-Verlag.<br />

Bei letzterem sind inzwischen sechs<br />

Bände dieser Reihe erschienen, und<br />

zwar drei Krimis und drei Krimi-<br />

Anthologien, allesamt sorgfältig lektoriert und auf<br />

ansprechendem sprachlichem Niveau. Gleich zwei Kriminalromane<br />

geschrieben hat der aus der Pfalz stammende<br />

Mannheimer Autor Walter Landin, Realschullehrer im<br />

Brotberuf: „Mord im Quadrat“ heißt der eine, „Mann-<br />

heimer Karussell“ der andere. Gut angekommen in der<br />

Region ist auch „Tod im Seminar“ des Ludwigshafener<br />

Personalleiters Manfred H. Schmitt.<br />

Die Anthologien versammeln zahlreiche AutorInnen,<br />

die in der Szene Rang und Namen haben, und sind lokal<br />

bzw. regional bezogen: „Mörderische Pfalz“, „Mörderische<br />

Kurpfalz“ und „Mörderisches Mannheim“.<br />

Im Kurpfalz-Band ist auch eine Kurzgeschichte unseres<br />

langjährigen Autors und BBS-Kollegen Dr. Hubert Bär<br />

zu finden: „Der Drachen“ ist die spannende, raffiniert<br />

konstruierte und eloquent formulierte Story betitelt. Ein<br />

Drachen stürzt ab, und dass das für die Protagonistin<br />

nichts Angenehmes bedeutet, lässt sich erahnen.<br />

Vorschlag also zur Vermeidung vorweihnachtlichen<br />

Einkaufsstresses: einfach dieses zudem auch noch preiswerte<br />

Sixpack (zusammen 67,80 Euro, einzeln 9,80<br />

Euro oder 12,80 Euro) ordern und auf dem Gabentisch<br />

platzieren.<br />

Weitere Infos: www.wellhoefer-verlag.de gh<br />

20 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


GESELLSCHAFT<br />

DIE SCHNECKE MARSCHIERT<br />

50 Jahre Gleichberechtigung: Anspruch - Wirklichkeit - Perspektiven<br />

1958 - vor 50 Jahren - trat das erste Bundesgesetz zur<br />

Gleichberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland in<br />

Kraft, 2008 legte die Landesregierung von Rheinland-Pfalz<br />

den 3. Bericht zur Gleichstellung nach dem Gleichstellungsgesetz<br />

von 1994 vor. Diese beiden Ereignisse nahmen der<br />

Landesfrauenbeirat, die DGB-Frauen RLP und die Landesarbeitsgemeinschaft<br />

der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten<br />

RLP/LAG zum Anlass, am 10. November<br />

in den Wappensaal des Landtages einzuladen.<br />

Mit Selbstbewusstsein<br />

für gleiche Bedingungen<br />

„ICH BIN<br />

MEHR WERT“<br />

Quelle: DGB /<br />

Susann Loessin<br />

Eine Bestandsaufnahme des Erreichten und des noch<br />

Anzustrebenden in Sachen Gleichberechtigung sollte<br />

gemacht werden. Aber auch das Feiern war angesagt, trotz<br />

der immer noch klaffenden Lücke zwischen Anspruch<br />

und Wirklichkeit beim Thema Geschlechtergerechtigkeit<br />

in Gesellschaft und Beruf.<br />

„Die Schnecke marschiert“ meinte Hildegard Hamm-<br />

Brücher vor kurzem in einem Fernsehinterview zum<br />

Tempo der Verwirklichung von Gleichberechtigung. Diese<br />

Aussage griffen die Veranstalterinnen auf und stellten<br />

das Treffen unter dieses Motto. Es beinhaltet gleichzeitig<br />

die Unzufriedenheit über das Tempo der Veränderungen<br />

und die Beständigkeit, mit der die Frauen an diesem<br />

Thema „dran bleiben.“ Und dass sie Beharrlichkeit haben,<br />

zeigte die große Zahl der Teilnehmerinnen, die aus ganz<br />

Rheinland-Pfalz nach Mainz gekommen waren.<br />

Leider waren nur je eine Vertreterin der CDU- und<br />

der FDP-Fraktion der Einladung der Veranstalterinnen<br />

gefolgt, die anderen Parlametarierinnen ließen sich entschuldigen,<br />

weil sie andere Termine wahrnahmen. Auch<br />

Bildungsministerin Doris Ahnen ließ sich vertreten und<br />

ihren Wunsch übermitteln, dass aus „der Schnecke eine<br />

Windhündin“ werden möge. Ob die allein von der SPD<br />

gestellte Landesregierung diesen Wunsch der Ministerin<br />

in absehbarer Zeit wohl erfüllen wird?<br />

Seit 1957 Gesetz:<br />

Mann und Frau tragen die gleiche Verantwortung<br />

für Haushalt und Familie.<br />

Gisela Abts, selbstständige Frauenbildungsreferentin,<br />

folgte in ihrer Festansprache dem Satz Gustav Heinemanns,<br />

dass man seine Vergangenheit kennen muss, um<br />

die Gegenwart gestalten zu können. Sie erinnerte an die<br />

Frauen der proletarischen, bürgerlichen und politischen<br />

Frauenbewegung. Als eine Vertreterin der proletarischen<br />

Frauenbewegung nannte sie Luise Otto, die im 19. Jahrhundert<br />

für die Berufsarbeit der Frauen kämpfte. Alice<br />

Salomon war eine Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung,<br />

die sich um 1900 für gleiche Bildungschancen<br />

für Frauen einsetzte. Das Wahlrecht erhielten die Frauen<br />

dann durch die Weimarer Republik. Erst 1953 gelang es<br />

Helene Wessel, Helene Weber, Elisabeth Selbert und ihren<br />

Mitstreiterinnen die Gleichberechtigung von Männern<br />

und Frauen im Grundgesetz zu verankern. Aber es dauerte<br />

noch fast fünf Jahre, bis das erste Bundesgesetz zur Umsetzung<br />

der Gleichberechtigung im Bundestag verabschiedet<br />

wurde und in Kraft treten konnte. Abgeschafft wurde der<br />

so genannte Gehorsamsparagraf des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

aus dem Jahr 1896, nach welchem der Mann allein<br />

über Wohnort und Wohnung des Ehepaares bestimmte.<br />

Endlich hinfällig wurde auch die Regelung, dass eine Ehefrau<br />

nur mit Zustimmung ihres Ehemannes erwerbstätig<br />

sein durfte. Aber noch zwei weitere Jahrzehnte mussten<br />

vergehen, bis die „Hausfrauenehe“ als gesetzliches Leitbild<br />

abgeschafft wurde. Die tatsächliche Gleichbehandlung<br />

von Frauen im Erwerbsleben stand damals noch lange<br />

nicht auf der Tagesordnung.<br />

Ab1958 durfte der Mädchenname der<br />

Frau an den Familiennamen (Name des<br />

Mannes) angehängt werden.<br />

Die 2. Rentenreform (1972/73) und die Änderungen des<br />

Paragrafen 218 (1974/1976) waren weitere Schritte auf<br />

dem Weg zur Gleichberechtigung. Aber erst die sozial-liberale<br />

Koalition in Rheinland-Pfalz schrieb 1994 fest, dass<br />

die Gleichstellung eine kommunale Aufgabe ist, und 1995<br />

trat dann das Landesgleichstellungsgesetz in Kraft.<br />

Gisela Abts fasste die lange Geschichte der Gleichberechtigung<br />

ganz kurz so zusammen:„Meine Großmutter erstritt<br />

das Wahlrecht. Meine Mutter durfte studieren, hätte aber<br />

zölibatär leben müssen, wenn sie hätte berufstätig bleiben<br />

wollen. Ich kann Beruf und Familie gleichzeitig haben.<br />

Meine Töchter hielten sich für nicht diskriminiert, das<br />

hat sich aber gelegt. Meine Enkelin wird Ärztin anstatt<br />

Krankenschwester.“<br />

Seit 1972 Freiheit der Namenswahl<br />

durch die Ehepartner.<br />

Dem Bewegungsbedürfnis kam ein „Brain-walking“ in<br />

vier Gruppen entgegen, das sich anschloss. Dabei wurde<br />

„Teilzeit“ als Maßnahme der Frauenförderung aus den<br />

verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die Teilnehmerinnen<br />

widersprachen der gängigen These, dass Teilzeit<br />

grundsätzlich als eine Form der Frauenförderung zu<br />

betrachten sei. „Teilzeit bedeutet Karriereknick“, „Wiedereinstieg<br />

in Vollzeit wird verweigert“ , „30 Stunden<br />

pro Arbeitswoche für alle ist die bessere Lösung“, meinte<br />

dagegen die Mehrzahl der Frauen.<br />

Sicht- und spürbare Benachteiligungen in den Entgeltregelungen<br />

machten die Teilnehmerinnen bei den Eingruppierungen<br />

von Tätigkeiten aus, die überwiegend von<br />

Frauen ausgeübt werden. Zum Beispiel verrichten nicht<br />

nur Monteure schwere körperliche Arbeit, auch Alten-<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

21


GESELLSCHAFT<br />

pflegerinnen tun dies. Aber nur in den Entgeltregelungen<br />

der Monteure schlägt sich dies in der entsprechenden<br />

Bezahlung nieder.<br />

In den 1990er Jahren wurde still und leise<br />

der Kranzgeldparagraf* abgeschafft,<br />

da er nicht mehr angewendet wurde.<br />

* Kranzgeld war die finanzielle Entschädigung,<br />

wenn die Jungfernschaft während einer Verlobungszeit,<br />

die nicht zu einer Eheschließung führte,<br />

verloren ging (!!!).<br />

Eine indirekte Diskriminierung bei der Entlohnung<br />

sahen die Teilnehmerinnen auch in der geringen Anzahl<br />

von Beförderungen von Frauen. Und da schließt sich der<br />

Kreis wieder, denn Teilzeit wird meist von Frauen ausgeübt<br />

und stellt ein Hindernis bei Beförderungen dar, weil<br />

Führungsaufgaben nicht in Teilzeit angeboten werden.<br />

Zum Abschluss des Plenums formulierten die Teilnehmerinnen<br />

einige Forderungen an die Politik, damit „die<br />

Schnecke Gleichberechtigung in Bewegung bleibt.“<br />

• Das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) muss novelliert<br />

werden, da es zu unverbindlich ist. Verstöße gegen das<br />

Gesetz müssen geahndet werden.<br />

• Das LGG muss gleiche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit<br />

erzwingen können.<br />

• Die Befugnisse der Gleichstellungsbeauftragten müssen<br />

gestärkt und ausgeweitet werden.<br />

• Die Kontrolle der Umsetzung des LGG muss durchgesetzt<br />

werden.<br />

• Das Gleichstellungsgesetz ist auf die Privatwirtschaft<br />

anzudehnen.<br />

2008: Noch immer verdienen Frauen<br />

12% bis 37% weniger als Männer.<br />

Das Feiern und Lachen vergaßen die Frauen aber trotz<br />

alledem nicht. Die Kabarettistin Hilde Wackerhagen betrachtete<br />

die Männer, Frauen, Menschen ganz subjektiv<br />

durch die weibliche Brille, weil Objektivität schon seit<br />

Jahrtausenden ja eh reine Männersache ist, sagen die<br />

Männer. Die Frauen hatten ihre helle Freude an dieser<br />

Sichtweise.<br />

Ursel Karch<br />

2008: Hartz IV- Empfängerinnen erhalten<br />

keine Empfängnisverhütungsmittel,<br />

da Schwangerschaft kein regelwidriger<br />

Zustand für Frauen ist.<br />

(Ablehnungsbegründung eines Sozialgerichts)<br />

KERNIGE KERLE<br />

Klar doch, Fußball ist die Sportart Nummer 1 in Deutschland.<br />

Doch auch wer den Fußballsport mit Begeisterung<br />

verfolgt, sollte ab und zu mal einen Blick über den Tellerrand<br />

(hier: aus dem Fußballstadion) wagen. Faszinierendes ist dort<br />

nämlich zu entdecken. Zum Beispiel Hallenhandball.<br />

Und da gibt es in Ludwigshafen ein tolles Angebot: Zweitligahandball<br />

bei der TSG Friesenheim, einem traditionsreichen<br />

Verein in einem nördlichen Stadtteil, wo ein bekannter<br />

Altkanzler aufwuchs, der fälschlicherweise immer als „Oggersheimer“<br />

bezeichnet wird.<br />

Die Halle(n), in denen die TSG spielt, sind quasi eine<br />

Puppenstube des Betzenbergs. Hier ist alles im Kleinformat<br />

zu finden: Fanclub und Fanartikel, Stadionzeitschrift und<br />

VIP-Bereich, Gastronomie und Pressekonferenz, Edelfans<br />

und Sponsoren.<br />

Die Zweitligaspiele der TSG zu verfolgen, macht richtig<br />

Spaß. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen gibt es<br />

im Hallenhandball keinen Leerlauf; es geht 60 effektive<br />

Spielminuten rauf und runter mit manchmal fast schon<br />

akrobatischen Szenen und tollem Einsatz. Wahrlich nichts<br />

für schlechte Nerven. Kampf, Taktik, Spielwitz, alles ist drin.<br />

Zum anderen sind viele Handballer ganz andere Typen als<br />

Fußballer. Wo letztere gefönt, gegelt, gestylt sich schon bei<br />

einer kleinen Berührung theatralisch fallen lassen oder gar<br />

Verletzungen simulieren, hängen sich diese kernigen, meist<br />

völlig uneitlen Kerle bis zur totalen Erschöpfung leidenschaftlich<br />

rein. Echte Typen eben, wie man sie früher bei<br />

Ruhrgebietskickern kannte. Allerdings mit einem riesigen<br />

Unterschied: nix mit „gib misch die Kirsche“, das genaue<br />

Gegenteil: Viele Handballer studieren und verdienen sich<br />

mit ihrem Sport den Lebensunterhalt.<br />

Schon diese wenigen Sätze zur Beschreibung des Eventcharakters<br />

guten Hallenhandballs könnten nahe legen, regelmäßig<br />

an dieser Stelle darüber zu schreiben. Das war auch so<br />

vorgesehen. Der Bitte um Presseakkreditierung bei der TSG<br />

wurde vom Vereinsmanagement zunächst rasch stattgegeben,<br />

dann wurde diese jedoch in Form von Untätigkeit trotz<br />

Rückfrage wieder zurückgezogen. Über den Grund ließe<br />

sich spekulieren, was jedoch Zeit- und Platzverschwendung<br />

wäre. Es ist halt so: Ohne Akkreditierung schreiben wir<br />

nicht; weder über die Didacta noch über die Frankfurter<br />

Buchmesse und schon gar nicht bis auf dieses eine Mal über<br />

die TSG Friesenheim, obwohl man dort angesichts der doch<br />

eher mageren Zuschauerresonanz über jede Form der Aufmerksamkeit<br />

froh sein müsste.<br />

Zu den Spielen gehen wir aber trotzdem regelmäßig.<br />

Günter Helfrich<br />

22 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


GESELLSCHAFT<br />

Glossiert<br />

TECHNIK MIT TÜCKEN<br />

Haben Sie auch schon von diesen neuen Dingern gehört, diesen Ebooks?<br />

Ich hab‘ sie neulich mal vorsichtig angefasst.<br />

Einige sind in Leder eingebunden, so nobel hab‘ ich‘s ja zu Hause eher<br />

nicht, denn meist lese ich Paperbacks. Manche kann man tatsächlich<br />

aufschlagen wie ein Buch, aber dann ist halt schnell Ende, und genau<br />

dieses Blättern würde mir fehlen. Möglich, dass irgendwelche Japaner<br />

schon längst daran arbeiten, den entsprechenden Sound mit anzubieten.<br />

Tja, und dann die Schriftgröße: Ich lese normalerweise keine Senioren-<br />

Großdruck-Ausgaben, aber die meisten Ebook-Angebote haben irgendwie<br />

eine Mini-Schrift, und nicht alle lassen Vergrößerungen zu.<br />

Fünfzig bis hundert Romane kriegt man in so ein Ebook rein, berichtete<br />

mir ein Verkäufer. Klasse, nur: Was zur Hölle mache ich dann mit all‘<br />

den Regalen und Bücherschränken, die ich über die Jahre angeschafft<br />

habe? Nachher ist auch noch meine Wohnung zu groß! Obwohl es mir<br />

als Allergikerin ja entgegenkommen würde, dass die ganzen Staubfänger<br />

entsorgt und steril auf USB gelagert werden könnten. Und hätten Sie<br />

nicht auch ein Problem damit, einen guten Roman zu verleihen? So<br />

ein Ebook ist eben schon teurer als ein Papierbuch.<br />

Oder stellen Sie sich vor, einen Liebesroman als Ebook auf der Couch<br />

zu lesen. Was wäre mit all‘ meinen Tränen, die ich beim Lesen vergösse?<br />

Da wäre doch die Technik schnell im Eimer. Tränen auf Papier trocknen<br />

beizeiten wieder, und selbst wenn das Buch dadurch aufquillt, dann<br />

sagt mir das auch nach Jahren noch, dass ich den Helden der Lektüre<br />

mal sehr geliebt habe.<br />

Am Baggersee nutze ich im Sommer die Zeit zum Lesen. Was macht das<br />

Ebook-Display eigentlich in der Sonne? Und ob ihm die zahlreichen<br />

Sandkörner gut tun, die vorbeiflitzende Kinder aufwirbeln? Kann man<br />

es mal eben neben die nassen Badehosen in den Beutel stopfen, wenn<br />

plötzlich ein Gewitter aufzieht? Ausgeschlossen!<br />

Das E-cook-book kann man bestimmt besser als ein Papier-Kochbuch<br />

auf der Arbeitsfläche an die Kacheln lehnen, um daraus das Rezept<br />

abzulesen. Das hat mich schon immer geärgert, dass das Kochbuch<br />

ausgerechnet dann, wenn ich die Arme gerade bis zu den Ellbogen im<br />

Truthahn stecken hatte, zuklappte. Mit dem Ebook kein Thema mehr.<br />

Aber was wäre mit den Fettspritzern? Im herkömmlichen Kochbuch<br />

eine Art Patina: Da, wo besonders viele Spritzer drauf sind, muss ein<br />

beliebtes Rezept stehen. Aber jedes Mal nach dem Kochen auch noch<br />

das Ebook schrubben, ach nee!<br />

Verschenken Sie mal Liebesgedichte als Ebook. Da liefe nicht mal mit<br />

rosa Display was bei mir, ehrlich!<br />

Und ob die Omis in der Kirche auf ihr Gesangbuch verzichten mögen<br />

und auf‘s E-Songbook umsteigen, das der Pfarrer mittels USB-Anschluss<br />

an den Beamer klemmen und an die Wand zwischen Maria und Sankt<br />

Benediktus werfen kann?<br />

Ach, wie das wohl in der Schule wird? Natürlich, die Ranzen werden<br />

leichter, weil jedes Kind nur noch ein Ebook braucht. Und das<br />

Weiterverkaufen ist auch kein Thema mehr, weil eh‘ niemand was<br />

reinkritzeln kann. Aber kommt dann nicht zum täglichen „Ich hatte<br />

das Buch vergessen und konnte meine Aufgaben nicht machen!“ auch<br />

noch das „Au weia, ich hab‘ vergessen, denn Akku aufzuladen!“ hinzu?<br />

Kriegen wir dann demnächst alle multiple Akku-Ladegeräte in den<br />

Klassensaal?<br />

Als Gewerkschafterin muss ich eigentlich sowieso absolut gegen Ebooks<br />

sein: Drucker, Papierhändler, Schreiner, Möbelverkäufer, Buchhändler<br />

und so weiter hätten weniger zu tun, nur Chip-Programmierer und<br />

-Hersteller hätten ernsthaft was davon. Und das ganz sicher nicht am<br />

Wirtschaftsstandort Deutschland, oder?<br />

Nein, ich bin da ganz furchtbar konservativ. Vielleicht werde ich<br />

einfach alt.<br />

Meine Freundin Uta sah‘s beim gemeinsamen Ebook-Testen ganz<br />

pragmatisch: „Also, wenn du mal auf Weltreise gehst, wär‘ so ein Ding<br />

schon gut!“ Bislang reicht mein Etat nur für eine Woche an der Nordsee,<br />

aber man kann ja nie wissen. Dann also würde ich ein Ebook im<br />

Rucksack mitnehmen und unterwegs ausgiebig daraus lesen. Nur: Wo<br />

lade ich in Patagonien meinen Akku auf?<br />

Antje Fries<br />

WENN DIE BÖRSENKURSE FALLEN<br />

Wenn die Börsenkurse fallen,<br />

regt sich Kummer fast bei Allen,<br />

aber manche blühen auf:<br />

Ihr Rezept heißt Leerverkauf.<br />

Trifft`s hingegen große Banken,<br />

kommt die ganze Welt ins Wanken -<br />

auch die Spekulantenbrut<br />

zittert jetzt um Hab und Gut!<br />

Für die Zechen dieser Frechen<br />

hat der Kleine Mann zu blechen<br />

und - das ist das Feine ja -<br />

nicht nur in Amerika!<br />

Keck verhökern diese Knaben<br />

Dinge, die sie gar nicht haben,<br />

treten selbst den Absturz los,<br />

den sie brauchen - echt famos!<br />

Soll man das System gefährden?<br />

Da muss eingeschritten werden:<br />

Der Gewinn, der bleibt privat,<br />

die Verluste kauft der Staat.<br />

Und wenn Kurse wieder steigen,<br />

fängt von vorne an der Reigen -<br />

ist halt Umverteilung pur,<br />

stets in eine Richtung nur.<br />

Kurt Tucholsky<br />

Foto: users.telenet.be/<br />

gaston<br />

Leichter noch bei solchen Taten<br />

tun sie sich mit Derivaten:<br />

Wenn Papier den Wert frisiert,<br />

wird die Wirkung potenziert.<br />

Dazu braucht der Staat Kredite,<br />

und das bringt erneut Profite,<br />

hat man doch in jenem Land<br />

die Regierung in der Hand.<br />

Aber sollten sich die Massen<br />

das mal nimmer bieten lassen,<br />

ist der Ausweg längst bedacht:<br />

Dann wird bisschen Krieg gemacht.<br />

Wenn in Folge Banken krachen,<br />

haben Sparer nichts zu lachen,<br />

und die Hypothek aufs Haus<br />

heißt, Bewohner müssen raus.<br />

Kurt Tucholsky, 1930,<br />

veröffentlicht in<br />

„Die Weltbühne“<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

23


GENERATION 60+<br />

DIE <strong>GEW</strong> GRATULIERT …<br />

im Januar 2009<br />

zum 70. Geburtstag<br />

Frau Almuth Kloss<br />

04.01.1939<br />

Ziegeleiweg 4 · 55590 Meisenheim<br />

Frau Helma Henrich<br />

15.01.1939<br />

Rodenbacher Str. 42 · 67661 Kaiserslautern<br />

Frau Ingrid Gaertner<br />

22.01.1939<br />

Wolfsangel 30 · 67663 Kaiserslautern<br />

Frau Ursula Rücker<br />

26.01.1939<br />

Tiergarten 4 · 56412 Welschneudorf<br />

zum 75. Geburtstag<br />

Herrn Otto Butzbach<br />

20.01.1934<br />

Im Horstberg 16 · 56368 Katzenelnbogen<br />

Herrn Wilfried Wentz<br />

29.01.1934<br />

Kaiserslauterer Str. 55 · 66424 Homburg<br />

zum 80. Geburtstag<br />

Frau Therese Schneider<br />

15.01.1929<br />

Alter Hof 3 · 55452 Rümmelsheim<br />

Frau Anneliese Koerper<br />

17.01.1929<br />

Bruehl 7 · 55592 Rehborn<br />

Herrn Horst Weber<br />

31.01.1929<br />

Taunusstr. 12 · 55262 Heidesheim<br />

zum 85. Geburtstag<br />

Herrn Heinz Bittermann<br />

12.01.1924<br />

Johannes-Frech-Str. 30 · 67069 Ludwigshafen<br />

Herrn Gottfried Mueller<br />

15.01.1924<br />

Wittenberger Weg 7/32 · 68309 Mannheim<br />

zum 86. Geburtstag<br />

Herrn Alfred Schank<br />

15.01.1923<br />

Donnersbergstr. 3 · 67294 Morschheim<br />

zum 87. Geburtstag<br />

Herrn Karl Korn<br />

28.01.1922<br />

Goethestr. 8 · 76870 Kandel<br />

zum 89. Geburtstag<br />

Herrn Fritz Schröder<br />

08.01.1920<br />

Horchheimer Höhe 20 · 56076 Koblenz<br />

im Februar 2009<br />

zum 70. Geburtstag<br />

Herr Wolf von Ahnen<br />

12.02.1939<br />

An den Ziegeläckern 14 · 67294 Bischheim<br />

Herr Horst Steuer<br />

19.02.1939<br />

Birkenstr. 7 · 67459 Böhl-Iggelheim<br />

Frau Heike Strüder<br />

21.02.1939<br />

Bismarckstr 37 A · 56470 Bad Marienberg<br />

Herr Adolf Stauffer<br />

24.02.1939<br />

Kolpingstr.33 · 67722 Winnweiler<br />

Herr Peter Bienengräber<br />

28.02.1939<br />

Goethestr 26 · 55743 Idar-Oberstein<br />

zum 75. Geburtstag<br />

Herr Walter Degreif<br />

16.02.1934<br />

Fasanenstr 4 · 55271 Stadecken-Elsheim<br />

zum 80. Geburtstag<br />

Herr Siegfried Fitting<br />

26.02.1929<br />

Ringstr 22 · 67707 Schopp<br />

zum 85. Geburtstag<br />

Frau Anneliese Klein<br />

27.02.1924<br />

Auf der Halde 1 · 67269 Grünstadt<br />

zum 86. Geburtstag<br />

Herr Helmut Guthmann<br />

11.02.1923<br />

Spelzengasse 14 · 65474 Bischofsheim<br />

zum 88. Geburtstag<br />

Herr Johannes Rempel<br />

23.02.1921<br />

Büchnerallee 16 · 55127 Mainz<br />

Der Landesvorstand<br />

24 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


GENERATION 60+ / <strong>GEW</strong>-INTERN<br />

DIE KREISSENIORENVERTRETERINNEN TAGTEN IN TRIER<br />

Die neue Vorsitzende des Landesausschusses für Seniorinnen und<br />

Senioren, Hedda Lungwitz, lud Anfang September die KreisseniorenvertreterInnen<br />

zur Sitzung des Landesausschusses ein. Die<br />

Sitzung begann mit einem Rückblick auf den Gewerkschaftstag<br />

im Mai 2008. Die KreisvertreterInnen diskutierten lebhaft über<br />

positive als auch über negative Begleiterscheinungen während des<br />

Gewerkschaftstages. Trotz einiger Mängel an der Durchführung war<br />

der <strong>GEW</strong>-Tag aus Sicht der SeniorInnen erfolgreich.<br />

Nun folgten Berichte von den Landesvorstandssitzungen sowie<br />

von einem Workshop, der sich mit der Generation 55+ und 60+<br />

befasste. In diesem Workshop ging es vor allem darum, zu erkennen,<br />

dass man durch attraktive Angebote die Mitglieder an ihre <strong>GEW</strong><br />

binden kann. Die anschließende Diskussion war sehr rege und es<br />

wurde über erfolgreiche Aktivitäten in den einzelnen <strong>GEW</strong>-Kreisen<br />

gesprochen.<br />

Anschließend wurde den TeilnehmernInnen die Zeitung „Aktiver<br />

Ruhestand“ vorgestellt. Die Zeitung wird von der <strong>GEW</strong>-Baden-<br />

Württemberg / Seniorenpolitik herausgegeben. Sie kann aber von<br />

allen Bundesländern in Stuttgart bestellt werden. Die Zeitung<br />

erscheint viermal im Jahr zu einem Bezugspreis von insgesamt<br />

1,28 Euro. In jeder Ausgabe findet man interessante Artikel oder<br />

Hinweise, die allgemein für Seniorinnen und Senioren gehalten sind<br />

und sich nicht unbedingt auf das Bundesland Baden-Württemberg<br />

beziehen.<br />

Außerdem befürworteten die KreisvertreterInnen, dass zukünftig<br />

die Rubrik „Alter und Ruhestand“ in der <strong>GEW</strong>-Zeitung durch<br />

„Generation 60 plus“ ersetzt werden soll.<br />

Die KreisseniorenvertreterInnen bedankten sich bei dem ehemaligen<br />

Vorsitzenden des Landesseniorenausschusses Edmund Theiß mit<br />

einem Präsent für sein jahrelanges Engagement.<br />

Im Vorfeld der Sitzung wurden die KreisvertreterInnen durch den<br />

Kreis Trier zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Henny Weber stellte<br />

dabei ihren Kreis vor und berichtete von verschiedenen Aktivitäten<br />

vor Ort. Einen herzlichen Dank an den Kreis Trier für die gute<br />

Bewirtung.<br />

Auch der kulturelle Teil kam nicht zu kurz. Durch die Vermittlung<br />

von Peter Heisig- Bezirksvorsitzender des Bezirks Trier- führte uns<br />

der Bänkelsänger Walter Liederschmidt auf einen musikalischliterarischen<br />

Rundgang durch Trier. Anschließend erkundeten die<br />

TeilnehmerInnen den Trierer Dom sowie das Karl-Marx-Haus.<br />

Lg<br />

Der Wahlausschuss informiert:<br />

VORBEREITUNGEN ZUM<br />

<strong>GEW</strong>-BUNDES<strong>GEW</strong>ERKSCHAFTSTAG<br />

Der Wahlausschuss für den 26. ordentlichen Gewerkschaftstag der <strong>GEW</strong> vom<br />

25. bis 29. April 2009 in Nürnberg hat sich am 07. März 2008 in Magdeburg<br />

unter Vorsitz von Rose-Marie Seggelke entsprechend der Richtlinien des<br />

Wahlausschusses konstituiert. Dem Wahlausschuss gehören an:<br />

1. Die Vorsitzenden der 16 <strong>GEW</strong>-Landesverbände<br />

Doro Moritz (Baden-Württemberg) ab 24. April 2008, Angelika Neubäcker<br />

(Bayern), Rose-Marie Seggelke (Berlin), Günther Fuchs (Brandenburg),<br />

Bernd Winkelmann (Bremen),Klaus Bullan (Hamburg),Jochen Nagel<br />

(Hessen), Annett Linder (Mecklenburg-Vorpommern), Eberhard Brandt<br />

(Niedersachsen), Andreas Meyer-Lauber (Nordrhein-Westfalen), Klaus-Peter<br />

Hammer (Rheinland-Pfalz) ab 20. Mai 2008, Klaus Kessler (Saarland), Dr.<br />

Sabine Gerold (Sachsen), Thomas Lippmann (Sachsen-Anhalt), Matthias<br />

Heidn (Schleswig-Holstein), Jürgen Röhreich (Thüringen).<br />

2. Drei Vertreterinnen und Vertreter der Bundesausschüsse im Hauptvorstand:<br />

Uta Sändig (BFGA Hochschule und Forschung), Marliese Seiler-Beck (BFGA<br />

Realschulen), Annelie Strack (BFGA Kaufmännische Schulen).<br />

3. Vier von den größten Landesverbänden benannte Kolleginnen:<br />

Hildegard Klenk (LV Baden-Württemberg), Susanne Hoeth (LV Hessen),<br />

Cordula Mielke (LV Niedersachsen), Renate Boese (LV Nordhein-Westfalen).<br />

Der Wahlausschuss wählte zu seinem Vorsitzenden Andreas Meyer-Lauber<br />

(LV Nordrhein-Westfalen), zur stellvertretenden Vorsitzenden Annett Lindner<br />

(LV Mecklenburg Vorpommern) und zum Bericht erstattenden Mitglied Uta<br />

Sändig (FG Hochschule und Forschung).<br />

Der Wahlausschuss beschloss darüber hinaus entsprechend der Richtlinien<br />

folgenden Terminplan:<br />

Die Bekanntgabe der Konstituierung des Wahlausschusses und der Ämter, die<br />

durch Wahl auf dem Gewerkschaftstag zu besetzen sind, erfolgt in der November-Ausgabe<br />

2008 von „E&W“ und in den <strong>GEW</strong>-Landeszeitungen.<br />

Bis zum 24. Januar 2009 besteht dann die Möglichkeit der Einreichung von<br />

Wahlvorschlägen beim Vorstand des Wahlausschusses. Nach Prüfung der Gültigkeit<br />

der eingereichten Wahlvorschläge und Einholung der Zustimmung der<br />

Kandidatinnen und Kandidaten zur Veröffentlichung erfolgt die Bekanntgabe<br />

der Kandidatinnen und Kandidaten im Vormonat des Gewerkschaftstages,<br />

also in der März-Ausgabe 2009 von „E&W“.<br />

Vor diesem Hintergrund gibt der Wahlausschuss bekannt, dass gemäß geltender<br />

Satzung auf dem Gewerkschaftstag 2009 nachstehende Ämter durch<br />

Wahl zu besetzen sind:<br />

1. Geschäftsführender Vorstand<br />

Die Vorsitzende oder der Vorsitzende (§ 20, Ziffer 1a);<br />

Die Mitglieder der Arbeitsbereiche (§ 20, Ziffer 1b)<br />

Finanzen, Frauenpolitik, Angestellten- und Beamtenpolitik<br />

Vier Mitglieder für die Organisationsbereiche (§ 20, Ziffer 1c)<br />

Jugendhilfe und Sozialarbeit, Schule, Hochschule und Forschung, Berufliche<br />

Bildung und Weiterbildung.<br />

Gemäß § 20, Ziffer 4 wird aus der Mitte der Mitglieder des Geschäftsführenden<br />

Vorstandes nach Ziffer 1b) und c) die oder der stellvertretende Vorsitzende<br />

in einem gesonderten Wahlgang gewählt. Einer der beiden Vorsitzenden nach<br />

Ziffer 1a und Ziffer 4)soll eine Frau sein.<br />

Bundesschiedskommission<br />

Drei ständige und drei stellvertretende Mitglieder der Bundesschiedskommission<br />

(§ 9).<br />

Gemäß den Richtlinien des Wahlausschusses können die <strong>GEW</strong>-Landesverbände<br />

sowie die Bundesausschüsse bis zum 24. Januar 2009 Wahlvorschläge<br />

beim Vorsitzenden des Wahlausschusses, z. H. des Geschäftsführers, <strong>GEW</strong>-<br />

Hauptvorstand, Postfach 90 04 09, 60444 Frankfurt am Main, einreichen.<br />

Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des Wahlausschusses,<br />

Annett Lindner, stellvertretende Vorsitzende des Wahlausschusses,<br />

Uta Sändig, Bericht erstattendes Mitglied.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

25


TIPPS + TERMINE<br />

BÜCHERTIPPS VON ANTJE FRIES<br />

Live dabei<br />

„Die Welt des Mittelalters“ heißt ein neues Werk in der Jugend-Brockhaus-<br />

Reihe „Live dabei“. Für SchülerInnen ab<br />

elf Jahren und natürlich sämtliche Interessierten werden<br />

zwanzig besondere Ereignisse des Mittelalters geschildert,<br />

die das Leben zu jeder Zeit charakterisieren: Zu Beginn<br />

geht es um Römer, Hunnen und Völkerwanderungen,<br />

später um das Leben im Kloster, die Karolinger, die<br />

Raubzüge der Wikinger und die Araber in Spanien. Auch<br />

Landwirtschaft, Handwerk und Bürgertum werden beleuchtet,<br />

bevor es um die Ritter geht. Ein Kapitel widmet<br />

sich speziell dem „Hoffest zu Mainz“ von Barbarossa zu<br />

Pfingsten 1184. Natürlich wird auch über die Kreuzzüge<br />

berichtet, über die Pest, die ersten Universitäten und das<br />

Leben auf den Burgen: Ein kunterbunter, lesenswerter,<br />

absolut informativer Rundumschlag ist gelungen. Rund<br />

300 Fotos machen „Die Welt des Mittelalters“ gleichzeitig<br />

zur Augenweide.<br />

Mira Hofmann: Die Welt des Mittelalters. Weinheim/<br />

Mannheim 2008. 176 Seiten, 16,95 Euro. ISBN 978-<br />

3-407-75344-1<br />

Männerthema<br />

Die Schwedin Pija Lindenbaum hat ein neues, wunderbares<br />

Bilderbuch zu bieten: „Paul und die Puppen“. Paul<br />

kann super Fußball spielen und mit Lasermessern umgehen<br />

und die Kleineren in der Kita besiegen und so weiter.<br />

Aber irgendwann wird’s ihm doch langweilig, und so klebt<br />

er „Goldböppel“ an seinen Roboter. Das verwundert die<br />

anderen Jungs, aber so lange Paul als Fußballer spitze ist,<br />

was soll’s. Bei den Mädels hat er es gar nicht leicht, mit<br />

seiner Barbie zu landen. Wieso ist es in Ordnung, dass<br />

Agnes’ Barbie ein Fleischbällchen zur Welt bringt, aber gar<br />

nicht okay, wenn Pauls Barbie Mutter eines Fischstäbchens<br />

wird? Die Annäherung dauert eine Weile. Der Bann ist<br />

gebrochen, als die Verkleidungskiste durchwühlt wird und<br />

sowieso alle Mädchen und Paul andere Rollen spielen.<br />

Au weia, und dann kommen die Kerle und suchen Paul,<br />

der mit geblümtem Rüschenrock zur Sicherheit aufs Klo<br />

flüchtet. Aber die starken Männer im Kindergartenalter<br />

nehmen’s gelassen und verkleiden sich schließlich auch.<br />

Und dann spielen sie zur Abwechslung alle mal Fußball.<br />

Ein rundum witziges und schön gemaltes Buch, dessen<br />

Autorin die Kita-Kinder ganz genau beobachtet hat.<br />

Pija Lindenbaum: Paul und die Puppen. Weinheim 2008.<br />

40 Seiten, 12,90 Euro. ISBN 978-3-407-79373-7<br />

Begleiten statt nur vermitteln<br />

Um „Lerncoaching“ geht es im neuen Buch von Michele<br />

Eschelmüller. Schon im Vorwort plädiert der Autor für<br />

ein erweitertes Rollenrepertoire von LehrerInnen: Weg<br />

vom reinen Vermitteln, hin zum Prozess, intelligentes<br />

Wissen zu erreichen, das flexibel, übertragbar und breit<br />

gefächert ist. Denken lernen statt Fachwissen anhäufen<br />

eben! Eschelmüller stellt sein Konzept vor und gibt<br />

zahlreiche Anregungen und Umsetzungshilfen für den<br />

Unterricht. Viele Schaubilder strukturieren das Thema<br />

und helfen bei der Übersichtlichkeit. Hochinteressant<br />

und brennend aktuell!<br />

Michele Eschelmüller: Lerncoaching. Vom Wissensvermittler<br />

zum Lernbegleiter. Mülheim 2008. 142 Seiten, 16,80<br />

Euro. ISBN 978-3-8346-0393-7<br />

Problemfall Junge?<br />

Das neue „Handbuch Jungenpädagogik“ bringt zu Papier,<br />

was in den letzten Jahren ins Blickfeld der Pädagogen<br />

gerückt ist: Jungen sind im Vergleich zu Mädchen bei<br />

Schulerfolg und Schulleistungen ins Hintertreffen geraten.<br />

Aber warum? Biologie, Psychologie und Soziologie sollen<br />

dies im ersten Teil des Buches klären helfen. Wie es speziell<br />

mit Jungen in Kindergärten oder der Schule aussieht, wird<br />

ebenfalls geschildert. Und auch die sozialpädagogischen<br />

Einrichtungen sind wichtig: Da geht es auch um Integrationsprobleme<br />

von ausländischen Kindern. Einzelfragen<br />

behandeln zum Beispiel die Gesundheit, Sexualität,<br />

Erlebnispädagogik, Gewalt, Medien, Leseförderung und<br />

die Rolle der Väter. Sie haben Jungs in Ihrer Klasse? Na<br />

dann: Ran ans Handbuch, es lohnt sich!<br />

Michael Matzner/Wolfgang Tischner (Hg.): Handbuch<br />

Jungen-Pädagogik. Weinheim 2008. 416 Seiten, 39,90<br />

Euro. ISBN 978-3-407-83163-7<br />

Viele Sinne angesprochen<br />

Viele Kinder kennen schon den Hund und den Biber, die<br />

durch die DUDEN-Materialien führen. Auch im neuen<br />

„großen Vorschulbuch“ sind sie natürlich mit dabei. Zur<br />

Vorbereitung auf die Schule kommen sie mit in die vier<br />

Kapitel (Lesen, Schreiben, Zahlen, Konzentration), die<br />

gewohnt ansprechend illustriert sind und gleich mehrere<br />

Sinne ansprechen. Symbole mit den Tieren auf jeder Seite<br />

zeigen, worum es primär geht, ums Hören, genaue Hinschauen,<br />

Sprechen, Zählen, Bewegen oder auch Lesen.<br />

Ulrike Holzwarth-Raether / Ute Müller-Wolfangel: Das<br />

große Vorschulbuch. Mannheim 2008. 96 Seiten, 6,95<br />

Euro. ISBN 978-3-411-06070-2<br />

Handbuch für alle Probleme<br />

Natürlich hat’s was zu bedeuten, wenn ein Buch schon<br />

in der siebten Auflage erscheint! Das „Handbuch Verhaltens-<br />

und Lernschwierigkeiten“ ist überarbeitet und<br />

aktualisiert zu haben: Erst geht’s um Allgemeines wie die<br />

Definitionsproblematik, Ursachen von Verhaltensschwierigkeiten,<br />

deren Diagnosen und mögliche Therapien<br />

und Hilfsangebote. Danach vertiefen sich die Autoren<br />

in Einzelfälle, die in der Regel auf den schulischen Alltag<br />

bezogen sind. Körperliche Auffälligkeiten, funktionale<br />

Störungen, anomale Gewohnheiten und natürlich auch<br />

ein gestörtes Gefühlsleben werden betrachtet. Zudem geht<br />

es um Störungen der Motivation, der sozialen Integration,<br />

der Sprache und des Sprechens. Ein Kapitel widmet<br />

sich besonders komplexen Problemfällen wie u. a. ADS,<br />

Schuleschwänzen, Hochbegabung oder Linkshändigkeit,<br />

ein weiteres den Lernschwächen. Zahlreiche Fallbeispiele<br />

veranschaulichen die Artikel und lassen bestens Querverbindungen<br />

zum eigenen Schulalltag ziehen.<br />

26 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


TIPPS + TERMINE<br />

Werner G. Leitner u.a. (Hg.): Handbuch Verhaltens- und<br />

Lernschwierigkeiten. Weinheim 2008. 448 Seiten, 49,90<br />

Euro ISBN 978-3-407-83161-3<br />

FLEX<br />

Die flexible Schuleingangsphase (FLEX) in Brandenburg<br />

ist den Planungen der meisten Bundesländer weit voraus,<br />

denn hier gibt es bereits Evaluationen zum Thema: Nach<br />

einer Einschulung ohne vorherige Selektion wurden<br />

Kinder in 150 Klassen jahrgangsübergreifend unterrichtet<br />

und in Kleingruppen gefördert. Von 2004 bis 2006<br />

wurde aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven<br />

evaluiert, was nun inklusive des Bezugs zu bundesweiten<br />

und internationalen Konzepten in einem neuen Buch zu<br />

lesen ist. Ja, einerseits zeigt sich in „Die flexible Schuleingangsphase“<br />

die starke zusätzliche Arbeitsbelastung der<br />

beteiligten Lehrerinnen und Lehrer, aber andererseits wird<br />

auch dokumentiert, für wie deutlich sinnvoll gerade diese<br />

PädagogInnen diese Art der Neugestaltung des Anfangsunterrichts<br />

halten. Spannende Lektüre für Betroffene,<br />

Interessierte und Landespolitiker, die es in Rheinland-<br />

Pfalz vielleicht (noch) besser machen wollen!<br />

Katrin Liebers u.a. (Hg.): Die flexible Schuleingangsphase.<br />

Weinheim 2008. 294 Seiten, 49,90 Euro. ISBN<br />

978-3-407-32090-2<br />

P4_185x130_4c:1 17.09.08 13:32 Seite 1<br />

Pädagogik oder Ökonomie?<br />

Ulf Preuss-Lausitz beschreibt in seinem neuen Werk<br />

„Gemeinschaftsschule - Ausweg aus der Schulkrise?“,<br />

wie häufig Gemeinschaftsschulen nicht etwa aus pädagogischen<br />

Gründen eingerichtet werden, sondern dass<br />

oft ökonomische Erwägungen im Vordergrund stehen.<br />

Wundert uns das noch? Aber immerhin entstehen so<br />

neue Chancen gerade für Integration und Förderung.<br />

Allerdings gibt es durch die verschiedensten Formen von<br />

Gemeinschaftsschulen auch kein allgemeines Konzept.<br />

Preuss-Lausitz hat fünfzehn Beiträge von kompetenten<br />

Menschen aus Theorie und Praxis herausgegeben, die das<br />

Thema aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten<br />

und ihre Erfahrungen, Konzeptideen und Problemlösungen<br />

vorstellen.<br />

Ulf Preuss-Lausitz (Hg.): Gemeinschaftsschule - Ausweg<br />

aus der Schulkrise?<br />

Weinheim 2008. 208 Seiten, 29,90 Euro ISBN 978-3-<br />

407-32089-6<br />

Früh kommunizieren lernen<br />

„Gespräche mit Kindern“ ist gerade in der 5. Auflage erschienen<br />

und beinhaltet Basiswissen und Anregungen für<br />

die Gesprächserziehung in den Klassen 1 bis 4. Nach der<br />

theoretischen Einführung geht‘s in die Praxis: Wie kann<br />

ich das Gespräch in der Klasse fördern oder leiten? Welche<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

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Mit der Sparkassen-PrämienRente.<br />

Zugeschnitten auf Ihr Leben.<br />

Die Sparkassen-Altersvorsorge.<br />

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Wenn Ihre Altersvorsorge gut sitzen soll, nehmen Sie eine nach Maß! Wir stecken Ihre Bedürfnisse genau ab<br />

und schneidern Ihnen ein ganzheitliches Vorsorgekonzept direkt auf den Leib. Damit Ihre finanziellen Freiräume<br />

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*Die Höhe der staatlichen Förderung für Ihre Vorsorge ist abhängig von Ihrer Lebenssituation.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

27


TIPPS + TERMINE<br />

Rituale sind dabei wichtig? Methoden und Übungen werden<br />

vorgestellt, mit denen die Kinder letzten Endes auch<br />

ganz selbstständig kommunizieren lernen. Kopiervorlagen<br />

(z.B. für Gesprächsregeln) und Beobachtungsbögen sind<br />

ebenfalls im Buch enthalten.<br />

Ulrike Potthoff u.a. (Hg.): Gespräche mit Kindern.<br />

Berlin 2008. 112 Seiten, 12,95 Euro. ISBN 978-3-<br />

589-05137-3<br />

Grundschule von A bis Z<br />

Das neue „Taschenlexikon Grundschulpraxis“ enthält<br />

hundert Beiträge zu pädagogischen Begriffen, die im<br />

Prinzip täglich gebraucht werden. Von A wie Aggression<br />

bis Z wie Zeugnisse ist einfach alles drin, und das von<br />

namhaften und erfahrenen Pädagogen geschrieben. 32<br />

zusätzliche Artikel befassen sich speziell mit den Fächern<br />

Mathematik und Deutsch. Da geht es dann um<br />

Sprachförderung und produktive Verfahren oder aber um<br />

Entdeckendes Lernen und Sachrechnen. Gute zwei Seiten<br />

pro Artikel fassen prägnant das Wichtigste zusammen. Ein<br />

AN DER BASIS BRODELT ES!<br />

Unzufriedenheit herrscht allenthalben: bei Schülern und<br />

Eltern wie auch bei Lehrkräften und Schulleitungen. Es<br />

brodelt an der Basis von Schule -- die Bewegung von unten<br />

wird immer lebhafter. „Schüler, Lehrer, Eltern zeigen<br />

Zivilcourage“ heißt darum das neue Heft der Zeitschrift<br />

„Humane Schule“. Darin lässt der Bundesverband Aktion<br />

Humane Schule e.V. (AHS) alle an Schule beteiligten<br />

Gruppen zu Wort kommen.<br />

Leitartikel ist die Rede von Otto Herz auf einer Kundgebung<br />

der Initiative „Schule mit Zukunft“ in Stuttgart.<br />

AHS-Bundesvorsitzender Detlef Träbert zeigt die Richtung<br />

auf, in die die Bewegung von unten gehen muss: „Es<br />

geht um das Kind!“ Handlungsmöglichkeiten von Eltern<br />

dokumentieren einen Leserbrief, der Artikel des AHS-<br />

Landesvorsitzenden Ba.-Wü., Dr. Hans-Peter Waldrich,<br />

über eine „Küchentisch-Initiative“ und der Bericht von<br />

Bernhard Strube über die saarländische Landesinitiative<br />

für Bildung e.V.. Teile der Schülerbewegung sind der<br />

Nachwuchs-Kabarettist Oli Kube und das „Bildungswerk<br />

Schüler- und Jugendwettbewerb 2009<br />

Beim nächsten Wettbewerb der Landeszentrale für Politische<br />

Bildung können folgende Themen bearbeitet<br />

werden:<br />

1. 20 Jahre nach dem Mauerfall - Was wissen wir von den<br />

neuen Bundesländern?<br />

2. Vorsicht und Rücksicht im digitalen Glashaus<br />

3. Viele Kulturen - gemeinsam leben: ein interkulturelles<br />

Miteinander<br />

Einsendeschluss für die Arbeiten ist der 31. März 2009.<br />

Weitere Infos: www.politische-bildung-rlp.de.<br />

Red.<br />

nützliches Handbuch - nicht nur für Berufsanfänger!<br />

Reinhold Christiani und Klaus Metzger (Hg.): Taschenlexikon<br />

Grundschulpraxis. Berlin 2008. 270 Seiten, 18,95<br />

Euro. ISBN 978-3-589-05133-5<br />

Mathe mit Nudeln<br />

Fangen Sie ruhig schon mal an, Knöpfe, Nudeln, Muscheln<br />

und Perlen zu sammeln, denn nach Lektüre von<br />

„Mathe kann man anfassen“ werden Sie sofort loslegen<br />

wollen! Handlungsorientierte Mathe-Tipps auf über 160<br />

Seiten, einfach klasse! Alle wichtigen Bereiche des Mathematikunterrichts<br />

der Klasse 1 werden abgedeckt, und<br />

über 200 Praxisideen und Kopiervorlagen machen Lust<br />

auf jede neue Mathestunde. So, genug, ich muss wieder<br />

in meine Küche, weiter heimlich schon mal vorab mit<br />

Keksen rechnen, Obst probieren und sortieren und meine<br />

Haustiere in einfache Balkendiagramme einbauen!<br />

Virginia Johnson: Mathe kann man anfassen. Mülheim<br />

2008. 162 Seiten, 21 Euro. ISBN 978-2-8346-0429-3<br />

WETTBEWERB ZU<br />

20 JAHRE MAUERFALL<br />

Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls organisieren der Cornelsen<br />

Verlag und Berlin.de den SchülerInnenwettbewerb<br />

„1961/1989/2009 - Geteiltes Berlin - Vereintes Berlin“.<br />

Schulklassen sind eingeladen, sich mit der Berliner Mauer<br />

auseinanderzusetzen. Einsendeschluss ist der 31. Januar<br />

2009. Infos: www.klassenziel-berlin.de/wettbewerb<br />

pm<br />

für Schülervertretungsarbeit“, über das Vincent Steinl<br />

berichtet.<br />

Gerhild Kirschner hat erfahren, „Lehrer sein heißt kämpfen“,<br />

und Jonas Lanig zeigt mit zwei Artikeln, wie die<br />

Lobbys ohne Lobbyisten das tun. Weitere kritische und<br />

auch satirische Beiträge, ein Kommentar und Rezensionen<br />

aktueller Buchtitel runden das 28-seitige, nichtkommerzielle<br />

und werbefreie Heft ab.<br />

pm<br />

„Schüler, Lehrer, Eltern zeigen Zivilcourage“ kann zum<br />

Preis von 3,- Euro zzgl. Versand bestellt werden auf www.<br />

aktion-humane-schule.de, per eMail über info@aktionhumane-schule.de<br />

oder telefonisch unter 0 22 08 / 921<br />

99 47 (Fax: 921 99 46).<br />

Klassenfahrten nach Berlin<br />

(incl. Transfer, Unterkunft, Programmgestaltung nach Absprache).<br />

Broschüre anfordern bei:<br />

Berliner Informations- und Studienservice e.V. (BISS e.V.)<br />

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www.berlin-mit-biss.de · Email: kontakt@berlin-mit-biss.de<br />

28 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


KREIS + REGION<br />

Foto: Görner<br />

Kreis Ludwigshafen / Speyer<br />

Wider das Vergessen<br />

Mit 166 Taschentüchern, die die Namen von 166 Menschen jüdischen<br />

Glaubens aus Ludwigshafen trugen, erinnerten am 28. Oktober<br />

SchülerInnen aus dem Carl-Bosch-, dem Geschwister-Scholl-,<br />

dem Max-Planck- Gymnasium, der Integrierten Gesamtschule Ernst<br />

Bloch und der Hauptschule Pestalozzi an das Schicksal der vor 70<br />

Jahren Verschleppten.<br />

In der so genannten Polenaktion in der Nacht zum 28. Oktober<br />

1938 wurden 17 000 Juden mit polnischem Pass aus dem Schlaf<br />

gerissen und an die polnische Grenze deportiert. Sie blieben tagelang<br />

ohne Verpflegung und Unterkunft, da Polen diese Menschen<br />

nicht aufnehmen wollte, weil sie oft schon vor dem 1. Weltkrieg<br />

ins Kaiserreich eingewandert waren. Aber SS und Polizei trieben die<br />

Deportierten mit Waffengewalt auf polnisches Gebiet.<br />

Marcel Reich-Ranicki schreibt in seinen Memoiren, dass er „in der<br />

Eile noch schnell ein Reservetaschentuch einsteck(t)e“, da er nicht<br />

wisse, was mit ihm geschehen solle. Und da das Taschentuch ein<br />

Symbol für Trauer und Trost zugleich sein kann, wurde es ausgewählt,<br />

um an die 166 deportierten Ludwigshafener zu erinnern.<br />

Die SchülerInnen verlasen ihre Namen und ihr Alter, denn Juden<br />

glauben, dass ein Mensch erst dann tot ist, wenn sein Name vergessen<br />

ist.<br />

UK<br />

Kreis Ludwigshafen/Speyer<br />

2010: Eine IGS in Speyer?<br />

Jetzt ist es auch in Speyer soweit: Die Haupt- und die Realschule im<br />

Kolb-Schulzentrum sollen ab 2010 durch den Aufbau einer Integrierten<br />

Gesamtschule ersetzt werden. Die Stadtverwaltung und die<br />

Kollegien beider Schulformen sind sich in diesem Wunsche einig.<br />

In den ersten beiden Novemberwochen lief dazu die informelle<br />

Befragung der Eltern der SchülerInnen aller dritten Klassen in der<br />

Stadt. Wenn auch die Eltern die Einrichtung einer Gesamtschule<br />

wünschen, dann wird die Schulverwaltung im März 2009 den<br />

Antrag dazu beim Bildungsministerium in Mainz einreichen, teilte<br />

der Speyerer Schuldezernent Hanspeter Brohm in einer öffentlichen<br />

Informationsveranstaltung des <strong>GEW</strong>-Kreises Ludwigshafen/Speyer<br />

dazu mit.<br />

„Die Hauptschule ist abgewählt“ stellte Brohm lapidar fest, „denn<br />

von 8000 Speyerer SchülerInnen in der SK I und II besuchen nur<br />

noch rund 600 die Hauptschule, das sind weniger als 10% der<br />

Gesamtzahl“.<br />

Der Kreisvorsitzende Gerald Hebling begrüßte die Aussage des Bürgermeisters<br />

und stellte fest, dass sich Speyer damit für die zukünftige<br />

Schulentwicklung gut positioniere. 25 Gesamtschulen gibt es bereits<br />

in Rheinland-Pfalz und jährlich werden von den Schulträgern so<br />

zahlreiche Errichtungsanträge an das Ministerium gerichtet, dass<br />

immer nur einer Auswahl stattgegeben wird.<br />

Der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Klaus-Peter Hammer stellte überzeugend<br />

dar, warum es dringend notwendig ist, Gesamtschulen in<br />

integrierter Form zu schaffen. Er verwies dabei auf die laut Pisa-<br />

Studie (2000) so erfolgreichen Schulsysteme der skandinavischen<br />

Länder. Die deutschen Grundschulen, die integrierte Schulen sind,<br />

schnitten in diesen Untersuchungen erheblich erfolgreicher ab als die<br />

weiterführenden Schulen, die dreigliedrig konzipiert sind. Außerdem<br />

produziere das dreigliedrige Schulsystem nachweisbar zu viele<br />

Verlierer. Nur Österreich und Bulgarien (!) haben mit Deutschland<br />

vergleichbare geringe Abiturientenzahlen.<br />

In der Diskussion mit den teilnehmenden Eltern wurde deutlich,<br />

dass die Integrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz immer<br />

noch fast als „das unbekannte Wesen“ der Schullandschaft gilt,<br />

obwohl diese Schulform nun schon seit mehr als 30 Jahren existiert.<br />

Differenzierung (innere /äußere), Niveaukurse, Tutoren, Auf- und<br />

Abstufung in Kursen, Auswahl der SchülerInnen bei Schulaufnahme<br />

und so weiter sind Begriffe, die den Eltern weitgehend unbekannt<br />

sind oder auch falsch interpretiert werden. Für den <strong>GEW</strong>-Kreis<br />

und die KollegInnen im Kolb-Schulzentrum bedeutet dies, dass der<br />

Info-Abend nur ein Auftakt gewesen sein kann. Die innere Struktur<br />

der geplanten Gesamtschule muss mit den Eltern intensiv erörtert<br />

werden, damit die Arbeitsweise dieser Schulform klar wird. Besuche<br />

in benachbarten, bereits erfolgreich arbeitenden IGSen sollten zum<br />

zukünftigen Informationsprogramm gehören.<br />

UK<br />

Kreis Westerwald<br />

Dank für langjährige Mitgliedschaft<br />

Zu einer Mitgliederversammlung hatte die <strong>GEW</strong>-Westerwald in die<br />

Stadtgalerie Westerburg eingeladen. Im Namen des Kreisvorstands<br />

begrüßte Hartmut Lehmann die TeilnehmerInnen, den Ehrenvorsitzenden<br />

Edmund Theiß, den langjährigen früheren Vorsitzenden<br />

Erwin Wolf und ganz besonders den Referenten des Tages, den<br />

Landesvorsitzenden Klaus-Peter Hammer. Hartmut berichtete kurz<br />

über die Arbeitsschwerpunkte der vergangenen 12 Monate. Diese<br />

reichten von geselligen Veranstaltungen und Fortbildungen bis hin<br />

zur Teilnahme an den Demonstrationen in Mainz, mit denen ver.<br />

di, <strong>GEW</strong> und GdP den Forderungen nach Gehaltsverbesserungen<br />

für die Angestellten und Beamten des Öffentlichen Dienstes Nachdruck<br />

verliehen.<br />

Ein Schwerpunkt der Vorstandsarbeit ist die Pflege der Vertrauensleute-Listen.<br />

Insbesondere angesichts der bevorstehenden Personalratswahlen<br />

und der zu erwartenden harten Auseinandersetzungen<br />

im Rahmen der Besoldungsrunden 2009 ist die <strong>GEW</strong> auf eine<br />

gute Vernetzung und einen gesicherten Informationsfluss in die<br />

Dienststellen angewiesen.<br />

Zum Thema „Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz“ sprach Klaus-<br />

Peter Hammer: „Trotz einiger positiver Ansätze müssen wir die<br />

anstehende Strukturreform der Sekundarstufe I als halbherzig<br />

ablehnen. Gymnasien und Förderschulen bleiben ganz außen vor.<br />

Weiterhin darf abgeschult werden. Dem pädagogischen Ziel einer<br />

individuellen Förderung sowohl der hochbegabten als auch der<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

29


KREIS + REGION<br />

Schüler mit Lernschwierigkeiten kommen wir so nicht näher. Dies<br />

wird nur in einer „Schule für alle“ erreichbar sein.“<br />

In lebhaftem Dialog mit den Westerwälder Gewerkschaftsmitgliedern<br />

wurden weitere Kritikpunkte und Forderungen thematisiert:<br />

So verlangt die <strong>GEW</strong> gleiche Besoldung und gleiche Arbeitszeit<br />

für alle Lehrkräfte der Realschule PLUS und den vollständigen<br />

Verbleib der Fachoberschule im bewährten System der Berufsbildenden<br />

Schulen.<br />

Zum Projekt von Ministerin Doris Ahnen „Keiner ohne Abschluss“<br />

wurde auf die Erfolge der Berufsvorbreitungsjahre in der BBS<br />

verwiesen. Hier erinnerte Klaus-Peter Hammer an die alte <strong>GEW</strong>-<br />

Forderung, nicht erst nach 4 oder 5 Jahren in der Sekundarstufe I<br />

mit Unterstützungsmaßnahmen zu beginnen, sondern Lerndefizite<br />

bereits in der Grundschule zu diagnostizieren und durchgängig<br />

Hilfen anzubieten.<br />

Kreis Südpfalz<br />

Eine schwungvolle Jubilarfeier<br />

„Saure Wochen, frohe Feste!“ unter diesem Motto stand die Jubiläumsfeier<br />

des <strong>GEW</strong> Kreisverbandes Südpfalz im Haus am Westbahnhof.<br />

Für ihre 25-jährige Mitgliedschaft wurden 40 Mitglieder<br />

geehrt, 10 Mitglieder haben der <strong>GEW</strong> schon 50 Jahre die Treue<br />

gehalten. In ihrer Begrüßung bedankte sich die Kreisvorsitzende<br />

Dr. Gerlinde Schwarz vor allem für die aktive Unterstützung, für<br />

das Einbringen von Ideen, Meinungen, Vorschlägen und Kritik und<br />

meinte: „Dieses Feedback gibt uns die Motivation weiterzumachen.<br />

Bleiben wir im Gespräch!“ Karl-Heinz Seibel, <strong>GEW</strong> Seniorenvertreter<br />

und -betreuer, bot Ernsthaftes und Spaßiges über Schule, Kinder<br />

und Lehrer dar. Der Schriftsteller und pensionierte Lehrer Werner<br />

Laubscher las ausgewählte Abschnitte aus seinem Werk und erzählte<br />

die Geschichte seiner aufregendsten Visitation durch den Schulrat,<br />

die am besten bewertet wurde, obwohl er gar nicht anwesend war.<br />

Das musikalische Rahmenprogramm eröffneten die beiden Schülerinnen<br />

Tabea Linz (Querflöte) und Anna Chik (Klavier) gekonnt<br />

und gut aufeinander abgestimmt mit einem Rondo von Bach und<br />

einer Sonatine von Jardanyi Pal. Die beiden <strong>GEW</strong> Senioren Peter<br />

Mann (Querflöte) und Helmut Sieber (Gitarre) setzten mit Elan und<br />

Ausdauer die schwungvollen Melodien fort und trugen wesentlich<br />

zum guten Gelingen des Abends bei.<br />

Anschließend ehrten Klaus-Peter und Hartmut die Jubilare mit<br />

einer Urkunde und einem kleinen Geschenk.<br />

Auf 25 Jahre in der <strong>GEW</strong> können zurückblicken:<br />

Wolfgang Klein, Rainer Probst, Annemarie Schneiders, Irene Klank-<br />

Wirbelauer, Dorothea Stein und Elke Bach.<br />

40 Mitgliedsjahre weisen auf Helmut Mohl, Doris Musche, Dr.<br />

Bernd Schwenk, Günter Stockhausen, Reinhold Baumgärtner,<br />

Armin Menk und Ilse Schild.<br />

Bereits vor 50 Jahren in die <strong>GEW</strong> eingetreten sind Hinrich Rieken<br />

und Hans Wirbelauer.<br />

hl<br />

Kreis Mainz-Bingen<br />

Eine unbequeme Wahrheit<br />

Der Film „Eine unbequeme Wahrheit“, 2007 als bester Dokumentarfilm<br />

mit dem Oscar ausgezeichnet, wird am 26. Februar 2009<br />

um 14.30 Uhr beim Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz, Petersstraße<br />

3, in Mainz bei einer Veranstaltung der SeniorInnen der <strong>GEW</strong>-<br />

Mainz/Bingen gezeigt.<br />

Al Gore, ehemaliger amerikanischer Vizepräsident, konzentrierte<br />

sich im Jahre 2000 darauf, ein Bewusstsein für die Problematik der<br />

globalen Erwärmung zu schaffen und die Menschen zum Handeln zu<br />

bewegen. Der Film zeigt in hervorragender Weise die Auswirkungen<br />

des Treibhauseffektes auf das Klima.<br />

Anmeldung an: Hedda Lungwitz, Kastanienweg 19, 55128 Mainz,<br />

Tel.: 06131 366959, Fax: 06131 7208594, hedda@lungwitz.org<br />

Anmeldeschluss: 21.Februar 2009, Teilnahmegebühr: pro Person<br />

3,00 Euro<br />

Kreis Birkenfeld<br />

Sprechstunde gut angenommen<br />

Holger Müller, Vorsitzender des <strong>GEW</strong>-Kreisverbandes Birkenfeld,<br />

lud die Mitglieder zu einer Sprechstunde ins DGB-Haus in Idar-<br />

Oberstein ein.<br />

Die interessierten TeilnehmerInnen hatten Gelegenheit, mit Dieter<br />

Roß, dem Leiter der <strong>GEW</strong>-Landesrechtsschutzstelle, in Einzelgesprächen<br />

eine Anzahl von Problemen zu erörtern. In allen Fällen<br />

konnten wertvolle Hinweise und Tipps gegeben und die weiteren<br />

Verfahrensschritte festgelegt werden. „In absehbarer Zeit werden wir<br />

das Angebot wiederholen!“, kündigt Holger Müller an.<br />

pm<br />

Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz<br />

(117. Jahrgang)<br />

Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116<br />

Mainz, Tel.: 0 61 31 28988-0, Fax: 0 61 31 28988-80, E-mail: gew@gew-rlp.de<br />

Redaktion: Günter Helfrich (verantw.), Dr. Paul Schwarz (Stellvertr./Bildungspolitik), Ursel Karch<br />

(Gewerkschaftspolitik), Dr. Gerlinde Schwarz (Reportagen), Karin Helfrich (Redaktionsmanagement)<br />

Redaktionsanschrift: <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen, Tel./<br />

Fax: 06 21 564995, e-mail: <strong>GEW</strong>ZTGRL1@aol.com oder gew-zeitung-rlp@web.de<br />

Verlag und Anzeigen, Satz und Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433 Neustadt<br />

a.d.W., Tel.: 063 21 8 03 77; Fax: 0 63 21 8 62 17; e-mail: vpp.nw@t-online.de<br />

Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen<br />

nicht in jedem Falle der Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes oder der Redaktion. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte oder zugemailte Daten wird keine Gewähr übernommen.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglieder jährlich Euro 18,-- incl. Porto +<br />

MWSt. (Bestellungen nur beim Herausgeber.) Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres. Im<br />

anderen Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />

Anzeigenpreisliste Nr. 13 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluss: jeweils der 1. des Vormonats.<br />

30 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008


KREIS + REGION<br />

Kreis Vulkaneifel<br />

Daun-Gerolstein heißt jetzt Vulkaneifel<br />

In Anwesenheit des Landesvorsitzenden Klaus -Peter Hammer, der<br />

stellvertretenden Vorsitzenden Sylvia Sund, der <strong>GEW</strong> Juristin Brigitte<br />

Strubel-Mattes sowie der Kreisvorsitzenden Hildegard Muriel<br />

(Bitburg-Prüm), die an diesem Abend auch den Bezirk Trier vertrat,<br />

fanden im Kreis Daun-Gerolstein Neuwahlen statt.<br />

Auf der Grundlage einer neu verabschiedeten Kreissatzung wurde<br />

ein neues Führungsteam für den Kreis Daun-Gerolstein, der künftig<br />

den Namen Vulkaneifel führt, gewählt. Neben der langjährigen<br />

Kreisvorsitzenden Marianne Roesner (GS Gerlostein) wurden Ute<br />

Giershausen (FöZ Daun) und Heinz Heumann (FöZ Gerolstein)<br />

als gleichberechtigte Vorstandsmitglieder gewählt.<br />

Nicht nur die neu gewählten Vorstandsmitglieder, sondern auch alle<br />

an diesem Abend erschienenen Kreismitglieder waren sich einig, dass<br />

die Kreisarbeit mit neuem Schwung fortgesetzt werden soll.<br />

Die aktuellen Herausforderungen, die die Schulstrukturreform mit<br />

sich bringt, die anstehenden Personalratswahlen 2009 und auch<br />

die gerade verabschiedete Grundschulordnung bieten ausreichend<br />

Anlass für eine engagierte Kreisarbeit.<br />

In diesem Sinne hielt Werner Lang , <strong>GEW</strong> Mitglied und Fachleiter<br />

des Studienseminars Kusel, an diesem Abend sein Eingangsreferat<br />

zum Thema „Individuelle Förderung -Baustein einer pädagogischen<br />

Leistungsstruktur“.<br />

In seinem sehr anschaulichen und praxisbezogenen Vortrag zeigte<br />

er auf, wie mit einer methodisch vielfältigen Unterrichtskultur sowohl<br />

individuelle und kooperative Lernwege wie auch individuelle<br />

Rückmeldungen möglich sind und wie es gelingen kann, die Vorgabe<br />

der neuen Grundschulordnung im Interesse der Schülerinnen und<br />

Schüler umzusetzen.<br />

mr<br />

Kreise Kusel und Zweibrücken<br />

Auf Studienfahrt nach Riga<br />

Die <strong>GEW</strong>-Kreisverbände Kusel und Zweibrücken organisierten<br />

vom 3. bis 8. Oktober 2008 eine Studienfahrt nach Riga in dem<br />

baltischen Staat Lettland. Für die Durchführung und Organisation<br />

waren Sabine Merdian und Gregor Simon verantwortlich. Fast<br />

30 Kolleginnen und Kollegen aller Schularten nahmen an dieser<br />

erlebnisvollen Reise teil.<br />

Ausgangspunkt war der Flughafen Hahn, von wo man per Flugzeug<br />

am frühen Morgen des 3. Oktobers nach Riga startete. Gestartet bei<br />

trübem, regnerischen Wetter, kam man bei Sonnenschein in Riga<br />

mit guter Laune an. Erste Eindrücke konnten auf der Fahrt mit<br />

dem Bus ins Hotel sowie auf den letzten Metern per Fuß gesammelt<br />

werden. Riga mit seinen rund 734.000 Einwohnern ist die größte<br />

Stadt im Baltikum und gilt heute wieder wie schon in den goldenen<br />

Zwanzigern des letzten Jahrhunderts als das Paris des Nordens.<br />

Bewundert werden konnten in der Altstadt die zahlreichen wunderschönen<br />

Fassaden von Renaissance bis Barock und spätem<br />

Jugendstil. Ausruhen und genießen konnte man in den herrlichen<br />

Bistros und Cafés in der verkehrsberuhigten Altstadt mit ihren<br />

engen Gässchen.<br />

Am nächsten Morgen zeigte und erklärte der lettische Fremdenführer<br />

Ludwig eindrucksvoll die Sehenswürdigkeiten der reizvollen Stadt<br />

in einem dreistündigen Rundgang. Auf den Spuren von Deutschen,<br />

Dänen, Polen, Schweden und Russen wurden so die letzten Jahrhunderte<br />

Geschichte der Stadt offenbar. Beeindruckt von der Schönheit<br />

und Vielfalt der Stadt konnten sich die Teilnehmer am Nachmittag<br />

selbst auf eigenen Erkundungen das Ganze nochmals vor Augen<br />

führen, so etwa den Dom, das Rathaus, den Rathausvorplatz, die<br />

Petrikirche, das Schwarzhäupterhaus, das Schloss, den Pulverturm,<br />

das Freiheitsdenkmal, das Opernhaus u. v. m. Einige nutzten aber<br />

auch die Gelegenheit, bei strahlendem Sonnenschein an der Ufern<br />

des Flusses Daugava zu promenieren. Am Abend standen Besuche<br />

von Oper, Ballett bzw. Jazzkonzerten auf dem Programm.<br />

Das Ostsee-Strandbad Jurmala, ca. 25 km von Riga entfernt, wurde<br />

am Sonntag besucht. Mit der lettischen Eisenbahn wurde der Weg<br />

zur See zurückgelegt. Es lohnt sich zu jeder Jahreszeit, nach Jurmala<br />

zu kommen, nicht nur in der Badesaison. Auf der Strandpromenade<br />

lockten die vielen Cafés zu einem Besuch. Am Nachmittag schlenderten<br />

viele in Riga noch über den Markt nahe des Bahnhofs.<br />

Am Dienstag stand der Besuch des Nationalparks Gauja sowie der<br />

Städte Sigulda und Cesis auf dem Programm. In dem malerische<br />

Städtchen Sigulda am Ostufer der Gauja wurde das mittelalterliche<br />

Schloss besichtigt. Danach ging es weiter zur Gutmanns Höhle. Mit<br />

ihrem Volumen von 500 m 3 ist sie die größte Höhle Lettland. Das<br />

weitere Etappenziel an diesem Tag war der Museumspark Turaida.<br />

In dem 42 Hektar großen Museumsreservat konnten zahlreiche<br />

Naturreichtümer, Geschichts- und Kulturdenkmäler besichtigt<br />

werden. Einen Höhepunkt stellte die im Park gelegene Burg Turaida<br />

dar, von deren Burgturm man eine eindrucksvolle Aussicht über das<br />

Urstromtal der Gauja hatte. Ebenso beeindruckend waren die in<br />

der Nähe gelegene Holzkirche aus dem 18. Jahrhundert sowie die<br />

Gedenkstätte für die „Rose von Turaida“, die mit einer Legende über<br />

die große Liebe und den Tod einer jungen Frau verbunden ist. Zum<br />

Abschluss dieses Tages wurde noch das mittelalterliche Städtchen<br />

Cesis besucht. Am Dienstag konnte jeder auf eigene Faust noch<br />

einmal Riga bei herrlichem Sonnenschein in Augenschein nehmen,<br />

bevor es mittwochs zurück nach Deutschland ging.<br />

Um die Erinnerung aufzufrischen, werden alle Teilnehmer von der<br />

<strong>GEW</strong> zu einem Abendessen eingeladen, auf dem Bilder der Fahrt<br />

und die gesammelten Eindrücke im Vordergrund stehen. Jeder<br />

Teilnehmer erhält eine CD mit Bildern und Filmdokumenten der<br />

Fahrt. Viele Teilnehmer der diesjährigen Fahrt -einige fahren bereits<br />

seit über 10 Jahren immer mit- freuen sich schon auf die Fahrt im<br />

nächsten Jahr, die nach England gehen soll.<br />

gs<br />

Gruppenbild der TeilnehmerInnen<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008<br />

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SCHULGEIST<br />

GRUSEL-WICHTELN<br />

Als Beamtin darf ich keine Geschenke annehmen und<br />

muss Diamanten, Jachten und Rennpferde leider zurückweisen.<br />

Sogar den Zwanzig-Euro-Schein, den mir<br />

eine Mutter für meine Unkosten in die Hand drücken<br />

will (ich hatte sie mehrfach angerufen, weil ihre Tochter<br />

lieber ins Einkaufszentrum als in die Schule ging).<br />

Einen Blumenstrauß hingegen dürfte ich annehmen.<br />

Ich bekomme aber keinen. Nicht mal, wenn ich nach<br />

anstrengenden Klassenfahrten mit tiefen Augenringen<br />

aus dem Bus schwanke. Wenn ich großes Glück habe,<br />

sagen manche Eltern „Guten Morgen“ oder in äußerst<br />

seltenen Fällen sogar „Danke“. An anderen Schulen soll<br />

es Kindseltern geben, die den Lehrern zu jeder Gelegenheit<br />

Blumen schenken, sich hinterher aber in Büchern<br />

darüber beklagen, dass sie damit nur notgedrungen für<br />

gute Stimmung sorgen. Dann lieber keine Blumen. Die<br />

leuchtenden Augen meiner Schüler sind Dank genug...<br />

Aber manchmal lassen sich die lieben Kleinen zu Geschenken<br />

hinreißen und wollen partout, dass man ihre<br />

milden Gaben vor der ganzen Klasse auspackt. Ich beherrsche<br />

mittlerweile mein Mienenspiel recht gut und kann<br />

glaubhaft Rührung, Freude und tiefes Glück darstellen.<br />

Zum Beispiel, als Selma mir diese gehäkelten Haussocken<br />

aus der Türkei mitbringt: in leuchtendem Orange mit lila<br />

Ornamenten und in Kleinkindergröße. Selma murmelt<br />

ein wenig verschämt: „Die dehnen sich noch!“ Das stimmt<br />

aber nicht. Und da ich nichts wegwerfen kann, habe ich<br />

die Socken bei meinem Freund im Schrank versteckt. Der<br />

kann auch nichts wegwerfen.<br />

Schwere Süßigkeiten müssen sofort verkostet werden.<br />

Das ist eine Herausforderung an meine schauspielerischen<br />

Talente, denn morgens kann ich Süßes nicht ausstehen.<br />

Glücklicherweise gibt es Kollegen, die alles essen, wenn<br />

es umsonst ist. Die Schachteln, die ich im Lehrerzimmer<br />

deponiere, leeren sich wie von selbst. Nur den Asti Spumante<br />

für 1,99 will niemand trinken.<br />

Ich bekomme auch hübsche Figurinen aus aller Welt: eine<br />

vollbusige Barby zum Aufziehen, die Flamenco tanzt,<br />

einen dicken nackten Fischer aus Speckstein - oder soll<br />

das Buddha sein? Einen Delfin mit Zylinder, ein Schweineorchester<br />

und einen Jesus mit Lamm (aus Marzipan).<br />

Mohammed schenkt mir einen großen hölzernen Würfel.<br />

Statt Zahlen stehen Freizeitmöglichkeiten drauf. Allerdings<br />

weniger Radfahren und Häkeln, sondern Küssen<br />

und weiterführende Aktivitäten. Die Klasse findet den<br />

Würfel so toll, dass ich ihn in der Schule „vergesse“. Kollegen<br />

berichten von ihren Geschenken: alte Schweinsfüße<br />

von einer feinfühligen Jungenklasse, schwüle Parfüms aus<br />

dem Orient, kitschige Blumenvasen und Wandteller mit<br />

ringenden Athleten, Zuckerbrot und Peitsche für eine<br />

gestrenge Zuchtmeisterin des Englischen. Eine Kollegin<br />

ohne Garten bekommt einen Apfelbaum. Ein Kollege<br />

wird mit dem Titel „Bestgekleideter Lehrer“ und großen<br />

Feinrippunterhosen belohnt.<br />

Meine Klasse weiß, dass ich Psycho-Thriller mag. Ich<br />

betone aber oft, dass ich Andeutungen und dezenten<br />

Grusel schätze und mich ungern ekle. Zum Geburtstag<br />

packe ich eine DVD aus, die ich noch am selben Abend<br />

ansehen soll. Es fällt mir schwer, bis zum Ende durchzuhalten:<br />

Vier Jugendliche trampen in aller Unschuld durch<br />

Australien und werden von einem Eremiten eingefangen,<br />

der seine Beute zerteilt und für Notzeiten einweckt. Die<br />

DVD habe ich entsorgt.<br />

Vor kurzem treffe ich einen Ex-Schüler auf der Straße,<br />

der mir stolz erzählt, er sei jetzt Theaterleiter. „Und Sie?<br />

Immer noch Lehrerin?“ Er hat was Gönnerhaftes in der<br />

Stimme. Ich kann meinen Neid kaum unterdrücken.<br />

Schließlich habe ich mal Germanistik studiert und davon<br />

geträumt, Intendantin zu werden. Bei näherem Nachfragen<br />

stellt sich jedoch heraus, dass Jakob ein Filmtheater in<br />

einem Außenbezirk leitet. Er verspricht mir Frei-Popcorn,<br />

wenn ich vorbeikomme. Das ist doch ein sinnvolles Geschenk!<br />

Genau wie dieser Pokal, auf dem ein Männlein<br />

ganz offensichtlich Golf spielt. Auf den ursprünglich<br />

eingravierten Text hat Sina einen Zettel geklebt: „Der<br />

besten Lehrerin der Welt“!<br />

Ich freue mich schon auf Weihnachten! Vielleicht gewinne<br />

ich beim Grusel-Wichteln diesen singenden, tanzenden<br />

Elch! (Grusel-Wichteln: das ideale Würfelspiel für alle,<br />

die scheußliche Geschenke los werden wollen. Spielregeln<br />

auf Wunsch bei der Autorin erhältlich.)<br />

Gabriele Frydrych<br />

32 Beilage zur E&W: <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 12 / 2008

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