Ausgabe 2/09 mit dem Schwerpunkt Morbus Parkinson - Geronto
Ausgabe 2/09 mit dem Schwerpunkt Morbus Parkinson - Geronto
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Nr. 02/<strong>09</strong> April 20<strong>09</strong><br />
<strong>Geronto</strong>-News<br />
Die Online-Fachzeitschrift für Altenpflege<br />
Wilhelm Humboldt<br />
Theodore Roosevelt<br />
Leonid Breschnjew<br />
Erich Honecker<br />
Mao Dse Tung<br />
Salvador Dali<br />
Yassir Arafat<br />
Alois Mock<br />
Karol Wojtila<br />
Muhammed Ali<br />
Michael J. Foxx<br />
Ottfried Fischer<br />
<strong>Schwerpunkt</strong>: <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong><br />
Weiters:<br />
• Pflege-Uni Herdecke knapp vorm Konkurs gerettet<br />
• Tranquilizer verdoppeln das Sterberisiko Dementer<br />
• 1,6 Millionen alte Menschen in Deutschland unterernährt<br />
• Diskurs: Ganzheitliche Pflege – ein überhöhter Anspruch?<br />
• Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz Pflegender<br />
• Recht: Sklavenhandel und Schwarzarbeit in der Pflege<br />
• Gender-Care: Gesundheit und Krankheit haben ein Geschlecht
Werte Leserinnen und Leser!<br />
Würden wir behaupten, die erste <strong>Ausgabe</strong> der <strong>Geronto</strong>-News wäre ein Erfolg<br />
gewesen, dann würde das heißen, neue Kategorien im Bereich der Untertreibung<br />
zu schaffen. Ehrlich gesagt, haben wir schon <strong>mit</strong> positiver Resonanz gerechnet,<br />
aber nicht da<strong>mit</strong>:<br />
Schon wenige Stunden nach unserer Aussendung an rund 1000 Adressen (in der<br />
Zwischenzeit sind daraus bereits 1200 geworden) vor allem in Wien, Burgenland,<br />
Nieder- und Oberösterreich, in der Steiermark sowie an einige Dutzend in Resteuropa,<br />
trafen die ersten, der – ausschließlich positiven! – Reaktionen ein.<br />
Eine PDL im Burgenland etwa leitete die News noch am Aussendetag vor der<br />
morgendlichen Dienstübergabe an ihre MitarbeiterInnen weiter und für eine andere<br />
in Oberösterreich kam die Zeitung gerade recht als Argumentationshilfe für<br />
ein Gespräch <strong>mit</strong> den Bürgermeistern des zuständigen Gemeindeverbandes.<br />
Mag. Herzog, Direktor des Landespflegeheims in Berndorf und Intranetredakteur<br />
der Niederösterreichischen Landespflegeheime, stellt die <strong>Geronto</strong>-News ab sofort<br />
auf die Intranet-Plattform der NÖLPHs. Alle KollegInnen von den NÖLPHs können<br />
sich die <strong>Geronto</strong>-News ab nun direkt aus <strong>dem</strong> Intranet holen. Selbstverständlich<br />
schicken wir sie bei Nachfrage aber auch gerne direkt zu.<br />
Besonders gefreut hat mich aber, daß uns eines der ältesten und wichtigsten<br />
Medien der österreichischen Pflegelandschaft, der Lazarus, (www.lazarus.at) in<br />
seiner Internetausgabe einen ganzen Artikel widmete. Danke hier v. a. Erich und<br />
Lea Hofer – ihr begleitet mich nun schon seit mehr als anderthalb Jahrzehnte<br />
und ich möchte euch keinen Tag missen.<br />
Doch nun zu dieser <strong>Ausgabe</strong>:<br />
Am 11. April ist Welt-<strong>Parkinson</strong>-Tag. Daher widmen wir dieser – immerhin zweithäufigsten<br />
– neurodegenerativen Krankheit einen zwölfseitigen <strong>Schwerpunkt</strong> und<br />
hoffen, dass Sie davon für Ihre BewohnerInnen und PatientInnen, jede Menge<br />
profitieren können.<br />
Manuela Steinmetz nimmt sich einen zweiten „Welttag“ im April vor, nämlich den<br />
für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (28. April) und sieht dabei etwas<br />
genauer auf jene Betriebe, deren Geschäft eben die Gesundheit ist. Außer<strong>dem</strong><br />
widmet sie sich der Frage nach <strong>dem</strong> Geschlecht der Pflege und da<strong>mit</strong> einem –<br />
zwar nicht neuen, aber immer noch zu wenig bekannten – Thema, nämlich der<br />
gendergerechten Pflege.<br />
Als Rechtsbeitrag bringen wir diesmal einen Präzedenzfall aus Deutschland zum<br />
Thema Schwarzarbeit in der Pflege – eine Diskussion die in Österreich scheinbar<br />
gar nicht gerne geführt wird, nichts desto trotz aber geführt werden muss.<br />
Wie immer wünschen wir euch jede Menge neue Erkenntnisse, Aha-Erlebnisse<br />
und Mut zum anders denken. Passt auf euch auf und lasst euch ja nix gefallen.<br />
Euer Luksch<br />
Editorial<br />
Impressum: <strong>Geronto</strong>-News ist ein Produkt der Gruppe <strong>Geronto</strong>.at und erscheint monatlich. Die Zusendung<br />
erfolgt ungefragt und per Email. Wenn Sie das nicht möchten, dann bestellen Sie es einfach<br />
ab. Die <strong>Ausgabe</strong>n erhalten Sie als Gratis- PDF- Downloads auch auf den Webseiten www.geronto.at,<br />
www.psych-pflege.at und www.frauenlebensraeume.at .<br />
Eigentümer, Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich ist DGKP Christian Luksch,<br />
A-1140 Wien, E-Mail: office@geronto.at.<br />
2
Newsflash<br />
Gültigkeit kognitiver Tests<br />
auch biologisch nachweisbar<br />
Frankfurt / Main – Einfache Skalentests<br />
zum geriatrischen Assessment bei Demenzkranken<br />
sind neurobiologisch fundiert. Die<br />
Ergebnisse korrespondieren <strong>mit</strong> hirnbiologischen<br />
Veränderungen, die in aufwendigen<br />
Untersuchungen nachgewiesen werden<br />
können. Diese kognitiven Tests liefern also<br />
tatsächlich Hinweise auf das Ausmaß der<br />
Hirnschädigung.<br />
In der Praxis werden einfache, praktische<br />
Instrumente wie der Uhrentest eingesetzt,<br />
um beurteilen zu können, wie es bei PatientInnen<br />
<strong>mit</strong> Demenz um Alltags-Fähigkeiten,<br />
Gedächtnis oder affektive Störungen bestellt<br />
ist. Bisher war jedoch unklar, ob<br />
schlechtere Ergebnisse in diesen Assesment-Instrumenten<br />
neurobiologische Veränderungen<br />
im Gehirn widerspiegeln.<br />
Und es funktioniert doch!<br />
Dass dies tatsächlich so ist, haben Dr. Peter<br />
Häussermann von der Universität Kiel und<br />
Dr. Robert Perneczky von der Technischen<br />
Universität München nun in mehreren Studien<br />
nachgewiesen. Für ihre Arbeit sind die<br />
beiden Forscher <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> diesjährigen Preis<br />
für Hirnforschung in der Geriatrie ausgezeichnet<br />
worden. Er wird vom Lehrstuhl für<br />
Geriatrie an der Universität Witten-<br />
Herdecke verliehen und vom "Zukunftsforum<br />
Demenz", einer Initiative des Unternehmens<br />
Merz, gestiftet.<br />
TeilnehmerInnen waren PatientInnen <strong>mit</strong><br />
Lewy-Body assoziierten Erkrankungen wie<br />
der <strong>Parkinson</strong>-Demenz. Bei diesen PatientInnen<br />
wurde jeweils ein gerontopsychiatrisches<br />
Assessment zur Alltagsbewältigung<br />
und zur Gedächtnisleistung gemacht. In<br />
bildgebenden Verfahren haben Häussermann<br />
und Perneczky dann bei den PatientInnen<br />
nach geschädigten Gehirnarealen<br />
gesucht. Dabei haben sie eine deutliche<br />
Korrelation festgestellt: Schlechte Assessment-Werte<br />
korrespondierten <strong>mit</strong> einer<br />
stärker ausgeprägten Hirnschädigung. "Das<br />
geriatrische Assessment funktioniert also<br />
tatsächlich", so Häussermann bei der Preisverleihung<br />
in Frankfurt am Main.<br />
Quelle: www.ärztezeitung.de<br />
Private InvestorInnen retten<br />
Pflege-Uni Witten-Herdecke<br />
Witten - Die 1983 gegründete Hochschule<br />
Witten-Herdecke, die Studierende in Wirtschaftswissenschaft,<br />
Philosophie und Medizin<br />
ausbildet, gilt als die Elite-Schmiede im<br />
Bereich der deutschsprachigen Pflegewissenschaft<br />
schlechthin. Kurz vor Weihnachten<br />
2008 war die Uni in erhebliche finanzielle<br />
Schwierigkeiten geraten, als die nordrhein-westfälische<br />
Landesregierung überraschend<br />
Förder<strong>mit</strong>tel in der Höhe von 4,5<br />
Mio. Euro strich sowie für 2007 bereits gezahltes<br />
Geld zurückforderte.<br />
Nun wollen mehrere private InvestorInnen<br />
die Zukunft von Deutschlands ältester privaten<br />
Universität sichern, darunter eine<br />
Düsseldorfer Unternehmensberatung, eine<br />
Software Stiftung aus Darmstadt, die katholischen<br />
Diözesen Stuttgart, Essen und Paderborn,<br />
weiters eine Initiative ehemaliger<br />
HochschulabsolventInnen sowie Kuratorium<br />
und Stiftung der Privat-Universität. 16 Millionen<br />
Euro Kapitaleinlagen und eine Bürgschaft<br />
von weiteren 10 Millionen Euro sollen<br />
zur Rettung der Uni beitragen.<br />
Das Engagement der Privaten re-animierte<br />
offensichtlich das Bundesland Nordrhein-<br />
Westfalen: 13,5 Millionen Euro will das zuständige<br />
Wissenschaftsministerium nun<br />
doch wieder zur Verfügung stellen.<br />
Einschneidende Sparmaßnahmen bleiben<br />
der Hochschule dennoch nicht erspart: So<br />
sollen in den kommenden Jahren 30 von<br />
insgesamt 400 Stellen in der Verwaltung<br />
abgebaut werden. Der Anteil der Studierenden<br />
soll verdoppelt und die Studiengebühren<br />
erhöht werden.<br />
Quelle: Zeit (4/20<strong>09</strong>)<br />
3
Newsflash<br />
1,6 Millionen alte Menschen in<br />
Deutschland unterernährt<br />
Berlin - In Deutschland sind nach Angaben<br />
der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie<br />
(DGG) rund 1,6 Millionen Menschen mangelernährt.<br />
Am schlimmsten sei die Situation<br />
bei BewohnerInnen in Pflegeheimen,<br />
sagte der DGG-Vorsitzende Cornel Sieber.<br />
Bis zum 65. Lebensjahr sei Übergewicht das<br />
größte ernährungsbedingte Gesundheitsproblem.<br />
Ältere Menschen und Hochbetagte<br />
litten dann vor allem an Unterernährung.<br />
Das habe vermeidbare negative Konsequenzen<br />
für die Lebensqualität der alten<br />
Menschen zur Folge.<br />
Der DGG-Vorsitzende äußerte sich vor JournalistInnen<br />
am Jahreskongresses der DGG<br />
und ihrer österreichischen Schwesterorganisation.<br />
Dabei legt die Deutsche Gesellschaft<br />
für Ernährungsmedizin Leitlinien vor, die<br />
nachdrücklich bei akuten Erkrankungen älterer<br />
Menschen „möglichst frühzeitige“ zusätzliche<br />
Ernährung zum Beispiel durch<br />
Trinknahrung empfiehlt.<br />
Nach Angaben des DGG-Vorsitzenden sind<br />
etwa 15 % der Betagten, die zu Hause lebten,<br />
mangelernährt. Bei Menschen, die akut<br />
in eine Klinik kämen, schnelle dieser Prozentsatz<br />
auf bis zu 50 % hoch. Noch<br />
schlimmer sei die Lage in Pflegeeinrichtungen.<br />
Gewichtsabnahme hat Siebers zufolge<br />
„grundsätzlich“ ein höhere Krankheitsrate<br />
und früheren Tod zur Folge.<br />
Der Mediziner betonte, <strong>mit</strong> Blick auf künstliche<br />
Ernährung durch Magensonden oder<br />
Infusionen sollten Entscheidungen stets im<br />
Team fallen und nicht nur durch den behandelnden<br />
Arzt alleine.<br />
Quelle: www.aerzteblatt.de<br />
Tranquilizer verdoppeln das<br />
Sterberisiko Dementer<br />
London – Britische WissenschafterInnen<br />
haben die weit verbreitete Verschreibung<br />
von Beruhigungs<strong>mit</strong>teln an Demenz-<br />
PatientInnen scharf kritisiert.<br />
Eine Studie unter der Leitung von Forscher-<br />
Innen des Kings College in London ist nach<br />
Informationen des Fachblattes „The Lancet<br />
Neurology“ zu <strong>dem</strong> Ergebnis gekommen,<br />
dass die langfristige Einnahme das Risiko<br />
eines frühen Todes verdoppelt!<br />
Wie das deutsche Fachmagazin Altenpflege<br />
berichtete hatten an der Studie 165 Alzheimer-PatientInnen<br />
aus Heimen in Oxfordshire,<br />
Tyneside, London und Edinburgh teilgenommen.<br />
Ihre Behandlung <strong>mit</strong> Sedativa wurde während<br />
der Untersuchung entweder fortgesetzt<br />
oder für ein Jahr durch Blindpräparate<br />
ersetzt.<br />
54% der Testpersonen starben im ersten<br />
Jahr der Untersuchung<br />
Die Ergebnisse nach Auswertung der Studie<br />
zeigten einen deutlichen Anstieg des Sterberisikos<br />
bei denjenigen BewohnerInnen,<br />
welche die Medikamente während der Dauer<br />
der Studie weiter einnahmen – nach zwei<br />
Jahren waren noch 46 % dieser PatientInnen<br />
am Leben.<br />
Von den BewohnerInnen, die statt Sedativa<br />
nur Blindpräparate erhalten hatten, waren<br />
es hingegen 71 %. Nach drei Jahren lebten<br />
noch ein Drittel der ersten Gruppe und zwei<br />
Drittel der zweiten.<br />
Rund 100.000 BritInnen in Pflegeheimen<br />
werden nach Angaben der Rundfunkanstalt<br />
BBC routinemäßig antipsychotische Medikamente<br />
gegen Aggressionen und Ruhelosigkeit<br />
verschrieben.<br />
Die derzeitigen Richtlinien der Regierung<br />
gestatten die kurzfristige Verabreichung<br />
dieser Medikamente an PatientInnen, die<br />
schubweise unter solchen Zuständen leiden.<br />
Die Studie legt nun die Vermutung nahe,<br />
dass diese Medikamente zu häufig und<br />
durchschnittlich für die Dauer von ein bis<br />
zwei Jahren verabreicht werden.<br />
Quelle: Altenpflege (3/20<strong>09</strong>)<br />
4
Ein Pflegeheim ist so gesund wie seine MitarbeiterInnen<br />
Am 28. April ist der Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Auch für<br />
Pflegebetriebe. Eine paar notwendige Wortmeldungen dazu von Manuela Steinmetz.<br />
Auf der einen Seite immer mehr alte Menschen,<br />
auf der anderen immer weniger PensionsbeitragszahlerInnen<br />
und Berufsanfängerinnen<br />
– das bedeutet mehr Pflege- <strong>mit</strong><br />
weniger Geld und Personal. Wenn die Strukturen<br />
so bleiben, werden Altenpflegekräfte<br />
weiterhin verstärkt wegen körperlichen und<br />
psychischen c Belastungen caus cihrem cBeruf<br />
ausscheiden. Dabei die Pflege und Betreuung<br />
alter Menschen auf einem angemessenen<br />
und menschenwürdigen Niveau zu halten<br />
oder gar zu verbessern, wird kaum noch<br />
möglich sein.<br />
Arbeits- und Gesundheitsschutz auf<br />
allen betrieblichen Ebenen<br />
Dies bedeutet, dass der künftige Pflegebedarf<br />
nur <strong>mit</strong> gesunden und motivierten MitarbeiterInnen<br />
gewährleistet werden kann.<br />
Auch für ältere Beschäftigte müssen Voraussetzungen<br />
geschaffen werden, unter<br />
denen sie bis zum Pensionsantritt im Pflegeberuf<br />
tätig sein können. Um die Gesundheitsrisiken<br />
der Beschäftigten zu reduzieren,<br />
sind sowohl auf sozialpolitischer Ebene als<br />
auch in den Betrieben Entscheidungen und<br />
Maßnahmen dringend erforderlich.<br />
Die aktuelle Lage der Pflege ist sicher nicht<br />
durch Einzelmaßnahmen – wie „ein bisschen<br />
Rückenschule hier und ein bisschen<br />
Supervision dort“ zu verbessern sondern es<br />
braucht übergeordnete Strategien. Moderner<br />
Arbeits- und Gesundheitsschutz muss in<br />
die Rahmenbedingungen, Strukturen und<br />
Prozesse auf allen betrieblichen Ebenen<br />
integriert werden. Alle Beteiligten müssen<br />
nicht nur zu Veränderungen bereit sein,<br />
sondern sie auch aktiv anstreben.<br />
Wettbewerbsfaktor Gesundheit<br />
Durch geplantes Gesundheitsmanagement<br />
werden viele Vorteile für die Betriebe geschaffen:<br />
Die AltenpflegerInnen sind motivierter,<br />
fühlen sich wertgeschätzt und identifizieren<br />
sich stärker <strong>mit</strong> Beruf und Arbeitsplatz.<br />
Die Unternehmensleitungen können<br />
<strong>mit</strong> gesunden, zufriedenen Beschäftigten<br />
eine höhere Qualität der Pflege bieten –<br />
betriebliche Gesundheitsförderung wird so<strong>mit</strong><br />
zum Wettbewerbsfaktor.<br />
Gesundheitsförderung<br />
5<br />
Arbeitsschutz ist Leitungssache<br />
Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verpflichtet<br />
die ArbeitgeberInnen, Gefährdungen<br />
und gesundheitlichen Belastungen, denen<br />
Personen am Arbeitsplatz ausgesetzt<br />
sind, systematisch zu er<strong>mit</strong>teln und zu beurteilen.<br />
Aufgrund der Ergebnisse sollen dann<br />
geeignete Maßnahmen zur Gefahrenverhütung<br />
festgelegt werden.<br />
Dieser Prozess wird Arbeitsplatzevaluierung<br />
genannt. ArbeitgeberInnen müssen zu<strong>dem</strong><br />
über den neuesten Stand der Technik hinsichtlich<br />
Arbeits<strong>mit</strong>tel und Arbeitsgestaltung<br />
informiert sein.<br />
Die deutsche Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />
und Wohlfahrtspflege zeigt<br />
hierfür eine Reihe von Vorschlägen auf, die<br />
auf der Führungsebene konkret umgesetzt<br />
werden können.<br />
Dazu gehören Analyseinstrumente wie Mitarbeiterbefragung<br />
und Betriebsbarometer,<br />
Interventionsstrategien in Organisationsund<br />
Personalentwicklung sowie die Einbettung<br />
von Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />
in aufzubauende oder bereits<br />
existierende QM-Systeme.<br />
Im folgenden wird eine systematische Gefährdungsbeurteilung,<br />
wie sie in Deutschland<br />
alle ArbeitgeberInnen nach <strong>dem</strong> Arbeitsschutzgesetz<br />
und der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Vorschrift A1 für ihren<br />
Betrieb durchführen müssen, vorgestellt.<br />
Demnach werden die verschiedenen Abteilungen<br />
und Arbeitsbereiche eines Betriebes,<br />
wie Pflege, Küche, Verwaltung erfasst und<br />
in Tätigkeiten aufgeteilt (z.B. der Bereich<br />
„Pflege von bettlägeriger BewohnerInnen“).
Mittels Analyseinstrumente werden mögliche<br />
Gefährdungsfaktoren bei dieser Pflegetätigkeit<br />
er<strong>mit</strong>telt und festgestellt ob Handlungsbedarf<br />
für Arbeitsschutzmaßnahmen<br />
besteht. Die Gefährdungen werden beurteilt,<br />
in Risikoklassen eingeteilt und sogenannte<br />
Schutzziele festgelegt (das sind<br />
rechtlich vorgegebene Mindestanforderungen<br />
an Arbeitsabläufe und bereitgestellten<br />
Hilfs<strong>mit</strong>teln für diese Pflegetätigkeit).<br />
Sinnvoll und notwendig ist es auch, weiter<br />
reichende Ziele zu definieren! Danach werden<br />
Maßnahmen – technisch, organisatorisch<br />
und personell – festgelegt, die Durchführung<br />
durch wen und wann und das Datum<br />
der Überprüfung protokolliert.<br />
Praxisbeispiel Rückenschmerzen<br />
Pflegekräfte sind im Vergleich zu anderen<br />
Berufen überdurchschnittlich stark gesundheitlich<br />
gefährdet. In der Pflege nehmen die<br />
Belastungen und gesundheitlichen Folgen<br />
für Pflegende in der Langzeitbetreuung eine<br />
Spitzenposition ein. Dies zeigt sich in einer<br />
höheren Zahl von Krankmeldungen und<br />
längeren Ausfallzeiten. Muskel- und Skeletterkrankungen<br />
nehmen dabei den ersten<br />
Platz ein, gefolgt von Atemwegs- und psychischen<br />
Erkrankungen. Ausfälle bedeuten<br />
für die KollegInnen in der Regel Überstunden,<br />
die wiederum zu Mehrbelastungen und<br />
gesundheitlichen Risiken führen.<br />
Wenn Sie nun z. B. festgestellt haben, dass<br />
die Zahl der Rückenerkrankungen bei Ihren<br />
MitarbeiterInnen stark angestiegen ist<br />
könnte eine mögliche Zielsetzung lauten:<br />
Bis zum Tag X geht die Anzahl der Rückenerkrankungen<br />
um Y Prozent zurück.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, haben Sie nun<br />
mehrere Möglichkeiten. Sie können zum<br />
Beispiel technische Hilfs<strong>mit</strong>tel zum Heben<br />
und Bewegen von schweren BewohnerInnen<br />
anschaffen, Sie könnten Arbeitsabläufe<br />
verändern, Dienstpläne anpassen oder das<br />
Arbeitszeitmodell ändern, die Verteilung der<br />
Aufgaben optimieren, den Pflegepersonen<br />
eine rückengerechte Arbeitsweise ver<strong>mit</strong>teln<br />
lassen oder ihnen gar Gelegenheit geben,<br />
durch hausinterne PhysiotherapeutInnen in<br />
den Genuss von Rückengymnastik und/ o-<br />
der Massagen zu kommen.<br />
Die beste Maßnahme: Gefährdungen<br />
vermeiden<br />
Die beste Maßnahme ist aber immer noch,<br />
Gefährdungen zu vermeiden oder ganz auszuschalten.<br />
Die T-O-P-Regel kann hier zur<br />
Unterstützung herangezogen werden:<br />
T – wie technische Maßnahmen: Sie sollten<br />
bereits bei der Planung und <strong>dem</strong> Bau von<br />
Betriebsstätten berücksichtigt werden sowie<br />
bei der Beschaffung technischer Vorrichtungen,<br />
von Geräten und Arbeitsmaterialien.<br />
O – wie organisatorische Maßnahmen: Hierzu<br />
gehören zum Beispiel die Dienstpläne in<br />
Pflegeeinrichtungen sowie die Organisation<br />
von Arbeitsabläufen.<br />
P – wie personen- und verhaltensbezogene<br />
Sicherheitsmaßnahmen: Sie gelten immer<br />
dann, wenn die Gefährdung durch technische<br />
und organisatorische Maßnahmen<br />
nicht vollständig beseitigt werden kann.<br />
Risikofaktor Nachlässigkeit<br />
Grundsätzlich wissen ArbeitgeberInnen und<br />
ArbeitnehmerInnen, wie wichtig gesundes<br />
Verhalten und richtige Arbeitskleidung am<br />
Arbeitsplatz ist. Trotz<strong>dem</strong> wird das Thema<br />
vielerorts nachlässig behandelt. Auf die Einhaltung<br />
notwendiger Vorsichtsmaßnahmen<br />
und gesetzlicher Vorschriften wird nicht<br />
ausreichend geachtet.<br />
Dabei liegt die Vermeidung von Unfällen<br />
oder Erkrankungen im beiderseitigen Interesse.<br />
Kommt es durch Nachlässigkeit oder<br />
Unkenntnis zum Schadensfall, kann das für<br />
Betroffene und ArbeitgeberInnen schwerwiegende<br />
Folgen haben. In der Praxis gibt<br />
es deutliche Unterschiede, wie konsequent<br />
etwa persönliche Schutzausrüstung und<br />
Arbeitskleidung eingesetzt werden.<br />
6
Kasack statt Kleid: Das in vielen Einrichtungen<br />
immer noch übliche „Schwesternkleid“<br />
kann die Bewegungsfreiheit so beeinträchtigen,<br />
dass rückengerechtes Arbeiten<br />
unmöglich wird. Hosenanzüge bzw. Hosen<br />
<strong>mit</strong> elastischen Bündchen in Kombination<br />
<strong>mit</strong> Kasacks behindern hingegen die Arbeit<br />
nicht. Bewegungsfreundliche Kleidung ermöglicht<br />
rückenentlastende Haltungen wie<br />
ungehindertes Beugen der Knie bei Grätschund<br />
Schrittstellung.<br />
Gut zu Fuß: Viele Arbeitsunfälle sind auf<br />
ungeeignetes Schuhwerk zurückzuführen,<br />
insb. die Unfallkategorien „Stürzen“, „Stolpern“,<br />
und „Ausrutschen“. Im Pflegebereich<br />
birgt fehlende Standsicherheit beim Bewegen<br />
und Lagern von PatientInnen generell<br />
ein großes Risikopotenzial. Arbeitsschuhe<br />
müssen zu allen Seiten festen Halt bieten.<br />
Offene Schuhe sind problematisch, insb.<br />
dann, wenn Betten, Rollstühle oder Hebehilfen<br />
zu schieben sind. Denken Sie daran, wie<br />
kostbar Gesundheit ist und vermeiden Sie<br />
es, aus Nachlässigkeit, Bequemlichkeit oder<br />
modischen Erwägungen eine Schuhwahl zu<br />
treffen, die negative Auswirkungen auf ihre<br />
Körperhaltung hat und so<strong>mit</strong> zu schmerzhaften<br />
Rückenleiden führen kann.<br />
Überzeugen statt anweisen<br />
Werden die MitarbeiterInnen schon bei<br />
Auswahl, Entscheidung und Erprobung von<br />
Arbeitsschutzmaßnahmen beteiligt, werden<br />
sie gleichzeitig von Sinn und Notwendigkeit<br />
der Maßnahmen überzeugt. Um etwa ungeeigneter<br />
Arbeitskleidung entgegenzuwirken,<br />
könnten auch Dienstvereinbarungen sinnvoll<br />
sein: Alle Pflegenden sprechen KollegInnen<br />
auf Nachlässigkeit in diesem Bereich an.<br />
ArbeitnehmerInnenschutz lohnt sich<br />
Frühzeitiges Erkennen von Gefährdungen<br />
und Belastungen im Pflegebetrieb vermindert<br />
Störungen im Arbeitsablauf sowie Fehlzeiten<br />
durch Krankheit, Arbeitsunfälle oder<br />
Berufsunfähigkeit. Durch eine sachgemäß<br />
durchgeführte Gefährdungsbeurteilung wird<br />
der verantwortliche Umgang <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Thema<br />
Arbeitssicherheit verlässlich dokumentiert<br />
und minimiert das Haftungsrisiko.<br />
Pflegekräfte, die sich bei ihrer Arbeit wohl<br />
fühlen, <strong>mit</strong>entscheiden können, Wertschätzung<br />
erhalten und für deren Gesundheit<br />
gesorgt wird, sind motivierter und leistungsfähiger.<br />
Sie erzielen gute Arbeitsergebnisse,<br />
liefern Qualität und sind die besten ImageträgerInnen<br />
einer Organisation.<br />
Quelle: www.bgw-online.de<br />
Das Seminar zum Thema:<br />
Geht’s der Pflegenden gut, geht’s auch allen andern gut<br />
Belastungen im Pflegeberuf, Stressfaktoren und Berufskrankheiten<br />
Gesundheitsrisiken verringern und Ressourcen fördern<br />
Gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung und Selbstverantwortung<br />
Auswirkungen von Gesundheitsförderung im Pflegeheim auf MitarbeiterInnen, BewohnerInnen<br />
und Öffentlichkeit<br />
Beispiele und Projekte aus der Praxis der Gesundheitsförderung<br />
Referentin: Manuela Steinmetz, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegefachkraft,<br />
Dipl. Erwachsenenbildnerin <strong>mit</strong> <strong>Schwerpunkt</strong> Persönlichkeitsentwicklung u. Frauenbildung<br />
Beitrag: 90,- € bei Einzelanmeldung; 600,- € für Gruppen bis 12 TeilnehmerInnen<br />
Termin: Dienstag, 9. Juni 20<strong>09</strong> 9:00 – 17:00<br />
Ort: Wien, <strong>mit</strong> öffentlichen Verkehrs<strong>mit</strong>teln gut erreichbar<br />
Anmeldungen sind bis 15. 5. 20<strong>09</strong> per Mail: office@frauenlebensraeume.at möglich.<br />
7
Diskurs<br />
Ganzheitliche Pflege – ein überhöhter Anspruch?<br />
Die ganzheitliche Pflege und Betreuung galt über viele Jahre hinweg als Leitbild in der professionellen<br />
Versorgung alter Menschen. Bei einer Fachtagung des Stuttgarter Wohlfahrtswerks<br />
diskutierten ExpertInnen diesen Anspruch und waren sich in einem Punkt einig: Die<br />
„Heilige Kuh“ Ganzheitlichkeit müsse entzaubert werden!<br />
Kritik an der gängigen Pflegepraxis wird<br />
häufig vom Anspruch begleitet, Pflege müsse<br />
ganzheitlich sein.<br />
Hermann Brandenburg, Professor für <strong>Geronto</strong>logie<br />
und Pflegewissenschaft, skizzierte<br />
Entstehung und Verbreitung dieser<br />
Idee: Sie hat ihren Hintergrund in der Systemtheorie<br />
und Gestaltpsychologie und kam<br />
in den 1980er Jahren aus den USA nach<br />
Europa.<br />
Ganzheitlichkeit ist überholt – ein umfassendes<br />
Verständnis nötig<br />
Heute gilt die Forderung nach Ganzheitlichkeit<br />
allerdings als überholt: „Das Ganze“<br />
erfassen zu wollen, sei unmöglich, für alle<br />
Bedürfnisse des Menschen sorgen zu wollen,<br />
sei grenzenlos. Der Begriff sei außer<strong>dem</strong><br />
diffus und unklar, so Brandenburg.<br />
Daher sprechen auch die ExpertInnen von<br />
der Uni Bielefeld, die im Auftrag des deutschen<br />
Bundesministeriums für Gesundheit<br />
einen neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit<br />
entwickelt haben, nicht mehr von Ganzheitlichkeit,<br />
sondern von einem umfassenden<br />
Verständnis, wie Dr. Andreas Büscher vom<br />
dortigen Institut für Pflegewissenschaft erläuterte.<br />
Da<strong>mit</strong> werde der Anspruch auf<br />
Vollständigkeit vermieden.<br />
Für den Philosophen Daniel Bremer lässt<br />
sich Aristoteles' Aussage, das Ganze sei<br />
mehr als die Summe seiner Teile, nicht ohne<br />
weiteres auf den Menschen übertragen.<br />
Er spricht sich stattdessen dafür aus, die<br />
Idiosynkrasien bzw. „Alltagsmarotten“ der<br />
BewohnerInnen in den Pflegealltag zu integrieren<br />
und da<strong>mit</strong> den Menschen in seiner<br />
Individualität ernst zu nehmen.<br />
Umfassende Verfügungsgewalt oder<br />
Trialog?<br />
Der Hamburger Sozialpsychiater Professor<br />
Klaus Dörner sieht die Ganzheitlichkeit e-<br />
benfalls skeptisch. Das Ziel dieses „Profi-<br />
HelferInnen-Begriffs“ sei es gewesen, eine<br />
umfassende Verfügungsgewalt über die<br />
Gepflegten zu erlangen. Stattdessen plädiert<br />
Dörner für den „Trialog“ in der Pflege -<br />
<strong>dem</strong> Zusammenwirken von Pflegenden, Betroffenen<br />
und der BürgerInnenschaft - und<br />
da<strong>mit</strong> für eine geteilte Verantwortung.<br />
Auch Norbert Mätzke, Einrichtungsleiter im<br />
Fellbacher Haus am Kappelberg, sieht die<br />
Gefahr der Vereinnahmung des Menschen<br />
im Namen der Ganzheitlichkeit. Der überhöhte<br />
Anspruch führe außer<strong>dem</strong> zu Überforderung<br />
und Frustration.<br />
In den stationären Wohngemeinschaften im<br />
Haus am Kappelberg seien Pflege und Alltag<br />
daher strikt getrennt. Pflegekräfte kümmern<br />
sich um die medizinisch-pflegerische Versorgung,<br />
während AlltagsbegleiterInnen die<br />
BewohnerInnen umsorgen und ein offenes<br />
Ohr für ihre Anliegen und Wünsche haben.<br />
Für das Wohlfahrtswerk als Träger sei es<br />
wichtig, die Berufsbilder an diese Entwicklung<br />
anzupassen, erklärte Vorstandsvorsitzende<br />
Ingrid Hastedt in ihrem abschließenden<br />
Vortrag. Von LaiInnen über AlltagsbegleiterInnen<br />
bis zur spezialisierten Pflegekraft<br />
– jede/r habe seinen/ihren besonderen<br />
Platz und müsse entsprechend seiner/ihrer<br />
Aufgabe qualifiziert werden.<br />
Quelle: Wohlfahrtswerk Baden-<br />
Württemberg<br />
8
Die <strong>Parkinson</strong> Krankheit<br />
<strong>Schwerpunkt</strong><br />
1817 beschrieb der englische Arzt James <strong>Parkinson</strong> ein pathologisches Phänomen,<br />
bestehend aus Rigor, Tremor und Akinese, das er „Shaking Palsy“ (Schüttellähmung)<br />
nannte. Heute trägt diese Erkrankung seinen Namen und ist neben <strong>dem</strong> <strong>Morbus</strong> Alzheimer<br />
die am häufigsten vorkommende neurodegenerative Erkrankung. Alleine in<br />
Österreich wird die Zahl der Erkrankten derzeit auf bis zu 30.000 geschätzt.<br />
Die Ursache der Krankheit ist nach fast<br />
200 Jahren hingegen noch immer weitgehend<br />
unbekannt. Diskutiert werden u. a.<br />
eine genetische Disposition, da in 10% der<br />
Fälle auch familiäre Häufungen auftreten,<br />
die im Alter jedoch kaum eine Rolle spielt,<br />
aber auch Neurotoxine stehen im Focus<br />
der Ursachenforschung, da vor allem bei<br />
erhöhter Herbizid- und Pestizidexposition<br />
das Krankheitsrisiko deutlich erhöht ist.<br />
Generell werden unterschieden:<br />
a) Familiäre <strong>Parkinson</strong>-Syndrome<br />
b) Das Idiopathische <strong>Parkinson</strong>-Syndrom<br />
(IPS, 75% aller <strong>Parkinson</strong>syndrome)<br />
c) Symptomatische (sekundäre) PS (etwa<br />
durch Dioxine oder aber auch Neuroleptika<br />
induziert)<br />
d) Atypische PS (durch andere neurologische<br />
Erkrankungen, z. B. Infarkte<br />
oder Traumata induziert)<br />
Neuropathologisch kommt es zu einem<br />
fortschreitenden Untergang dopaminerger<br />
Neuronen in der sog. Substantia nigra im<br />
Mittelhirn. Im Zytoplasma der degenerierten<br />
Neuronen sind eosinophile Einschlüsse<br />
(sog. Levy-Körperchen) nachweisbar.<br />
Diese Degeneration bewirkt ein Ungleichgewicht<br />
im komplexen System der Neurotrans<strong>mit</strong>ter:<br />
Bewegungshemmende Einflüsse<br />
überwiegen und es kommt zu Bewegungsarmut<br />
(Hypokinese), gesteigertem<br />
Muskeltonus (Rigor) und Gliederzittern<br />
(Tremor). Eben das Syndrom, das<br />
Mister <strong>Parkinson</strong> 1817 beschrieb.<br />
Aber auch die kognitiven Prozesse werden<br />
durch den Dopaminmangel verlangsamt<br />
(Bradyphrenie) und kommt es zu einem<br />
Serotoninmangel, was die begleitende Depression<br />
erklärt. Allerdings treten diese<br />
Symptome erst dann auf, wenn mehr als<br />
70% der dopaminproduzierenden Zellen<br />
betroffen sind, weswegen die Früherkennung<br />
besonders wichtig ist.<br />
Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt<br />
zwischen <strong>dem</strong> 50. und 60. Lebensjahr, die<br />
Prävalenz steigt <strong>mit</strong> zunehmenden Alter, bei<br />
den über 65-jährigen sind ca 5% betroffen,<br />
Männer übrigens doppelt so oft wie Frauen.<br />
Anfänglich können die Symptome sehr unspezifisch<br />
sein. So stehen oft erst schmerzhafte,<br />
überwiegend einseitige Muskelverspannungen<br />
der Schulter-Arm-Region im<br />
Vordergrund. Allgemeine Müdigkeit, depressive<br />
Verstimmungen, plötzliche Schweißausbrüche,<br />
Verstopfung oder innere Unruhe machen<br />
sich häufig vor den ersten Bewegungsstörungen<br />
bemerkbar.<br />
Allmählich fällt es den Betroffenen schwerer,<br />
feinmotorische Handgriffe wie das Schreiben,<br />
Kämmen, Zähneputzen oder Zuknöpfen einer<br />
Hose zu bewältigen. Die gleichzeitige Koordination<br />
mehrerer Bewegungen ist beeinträchtigt.<br />
Die Handschrift wird frühzeitig kleiner<br />
und schlecht lesbar (Mikrographie).<br />
Außer<strong>dem</strong> ändert sich der Gang: Die Betroffenen<br />
machen beim Gehen kleine Schritte<br />
und sind vornüber gebeugt; die Arme<br />
schwingen beim Gehen weniger <strong>mit</strong>, anfangs<br />
besonders nur auf einer Seite. Zeitweilig zittern<br />
die Hände in Ruhe. Die Gesichtsmimik<br />
erstarrt zunehmend, außer<strong>dem</strong> kann die<br />
Stimme etwas leiser werden.<br />
Ein großer Teil der Betroffenen hat bereits im<br />
Frühstadium Schlafstörungen (<strong>mit</strong> den Armen<br />
rudern, schlagen, sprechen).<br />
9
Das klinische Bild<br />
Die Kardinalsymptome, nach denen ein<br />
<strong>Parkinson</strong> diagnostiziert wird, sind neben<br />
Akinese, Rigor und Tremor die sogenannte<br />
posturale Instabilität (mangelnde Stabilität<br />
der aufrechten Körperhaltung).<br />
Je nach Gewichtung der Symptome unterscheidet<br />
man beim IPS einen akinetischrigiden<br />
Typus, einen Äquivalenztyp und<br />
einen tremordominanten Typ.<br />
Die Akinese zeigt sich sowohl im Kopfbereich<br />
als auch an den Extre<strong>mit</strong>äten. Im<br />
Kopfbereich kommt es zu Hypomimie, Hypophonie,<br />
Dysarthrie und Dysprosodie, die<br />
sich durch Starthemmungen und Stottern<br />
beim Beginn des Sprechens bis zur Beschleunigung<br />
gegen Satzende zeigt.<br />
An den Extre<strong>mit</strong>äten imponiert die Akinese<br />
als gestörte feinmotorische Kontrolle der<br />
Hände (Schwierigkeiten beim Zuknöpfen<br />
von Kleidungsstücken, Mikrographie), oft<br />
findet sich auch ein vermindertes Mitpendeln<br />
der Arme beim Gehen oder ein Nachziehen<br />
eines Beines.<br />
Typisch ist auch das kleinschrittige Gangbild<br />
<strong>mit</strong> Start-, Gang-, Stopp- und Wendehemmungen.<br />
Das zeitgleiche Durchführen<br />
von Bewegungen ist ebenso beeinträchtigt<br />
wie alternierende Bewegungen (Bradydiadochokinese).<br />
Die axiale Akinese führt zu<br />
Schwierigkeiten beim Aufstehen und Lagewechsel<br />
im Bett.<br />
Der Rigor betrifft die Streck- und Beugemuskeln.<br />
Die PatientInnen klagen über Steifheit<br />
oder ziehende Missempfindungen, objektiv<br />
kommt es zu erhöhter Resistenz bei passiven<br />
Bewegungen von Gelenken (Zahnrad-<br />
Phänomen). Das Mit-Pendeln der Handgelenke<br />
beim Schütteln des Unterarmes oder<br />
jenes der Unterarme beim Schütteln der<br />
Schultern ist deutlich verringert, wird der<br />
passiv hochgehobene Kopf plötzlich losgelassen,<br />
fällt er aufgrund des Rigors gar nicht<br />
und nur stark verlangsamt zurück.<br />
Der Tremor zeigt unterschiedliche Manifestationen.<br />
Man unterscheidet Ruhe-, Bewegungs-<br />
und Haltetremor. Typisch ist das sogenannte<br />
Pillendreherphänomen (ständiges<br />
Reiben von Daumen und Zeigefinger), dass<br />
sich bei emotionaler Anstrengung verstärkt.<br />
Etwa 25% aller PatientInnen zeigen jedoch<br />
überhaupt keinen Tremor.<br />
In der posturalen Instabilität zeigen die<br />
Betroffenen Retro- und Propulsionstendenzen<br />
auch nach passiver Ablenkung. Die Haltungsstörung<br />
führt zu einer Flexion von Hals- und<br />
Brustwirbelsäule, einer Schulteradhäsion und<br />
Flexionen im Bereich des Ellbogens, der Hüfte<br />
und Knie. Es besteht erhöhte und im<br />
Krankheitsverlauf zunehmende Sturzneigung.<br />
Weitere Symptome:<br />
Nicht selten kommt es schon zu Beginn der<br />
Krankheit zu Schlafstörungen (Restless-Legs-<br />
Syndrom, REM-Schlafstörungen und Tagesschläfrigkeit),<br />
zu olfaktorischen und optomotorischen<br />
Störungen (vertikale Blickparesen).<br />
Auftretende Autonome Dysfunktionen sind<br />
orthostatische Hypotensionen, Obstipation,<br />
Störungen von Temperaturregulation und<br />
Miktion sowie Seborrhöe („Salbengesicht“).<br />
Neuropsychologisch kommt es zu Frontalhirnfunktionsstörungen,<br />
<strong>mit</strong> Schwierigkeiten beim<br />
Generieren von Handlungsplänen und beim<br />
Entscheiden zwischen alternativen Problemlösungen.<br />
Zu<strong>dem</strong> herrscht eine aus-geprägte<br />
Perseverationsneigung.<br />
Kognitive Probleme betreffen vor allem das<br />
Gedächtnis und exekutive Funktionen. Etwa<br />
40% der Betroffenen entwickeln eine Depression,<br />
weitere 40% Angststörungen oder<br />
psychotische Symptome<br />
10
Diagnostik<br />
Die Diagnose für ein idiopathisches <strong>Parkinson</strong><br />
Syndrom wird klinisch unter Einhaltung<br />
folgender Schritte gestellt:<br />
1. Nachweis eines <strong>Parkinson</strong>syndroms<br />
durch Vorliegen von Akinese und mindestens<br />
eines der drei Symptome Rigor,<br />
Tremor und posturale Instabilität<br />
2. Ausschluss eines symptomatischen PS<br />
(Neuroleptika, Dopaminrezeptorenblocker,<br />
Ischämische Insulte, Schädel-<br />
Hirn-Traumen, Tumore, Hydrozephalus,<br />
Intoxikationen, Enzephalitis)<br />
3. Beachtung von Hinweisen auf atypische<br />
<strong>Parkinson</strong>syndrome (z. B. Nicht-<br />
Ansprechen auf hohe L-Dopa-Dosen,<br />
frühzeitig auftretende Störungen des<br />
autonomen Nervensystems, zerebelläre<br />
Zeichen, optische Halluzinationen,<br />
Somnolenz, Demenz im 1. Erkrankungsjahr,<br />
neurologische Fokalzeichen)<br />
4. Vorliegen einer familiären Form des<br />
IPS (Familienanamnese, Gen-Testung)<br />
5. Bestätigung der Diagnose durch weitere<br />
Kriterien im Verlauf wie einseitiger<br />
Beginn, Ruhetremor, eindeutiges<br />
Ansprechen auf L-Dopa, usw.<br />
Notwendig ist weiters eine neurologische<br />
Untersuchung <strong>mit</strong> besonderem Augenmerk<br />
auf Familien- und Fremdanamnese, Störungen<br />
der Okulomotorik, frontale Zeichen,<br />
Herdsymptome, Symptome einer<br />
Apraxie, einer Demenz oder anderen psychiatrischen<br />
Krankheiten.<br />
Differenzialdiagnostisch sind insbesondere<br />
folgende Kriterien zu beachten:<br />
• Essentieller Tremor<br />
• Aktuelle Neuroleptika<br />
• Normaldruckhydroencephalus<br />
• Vaskuläre Leukencophalopathie<br />
• Gangstörungen anderer Genese<br />
• Sturzangst (psychogene Immobilität)<br />
Zur Abgrenzung gegen sekundäre PS sind<br />
bildgebende Verfahren einzusetzen, etwa<br />
CT, Kernspintomographie und SPECT. Bei<br />
besonderen differenzialdiagnostischen<br />
Fragestellungen sind eine Reihe weiterer<br />
fakultativer Tests indiziert, wie etwa Riechtest,<br />
Sonographie, Polysomnographie und<br />
quantitative Tremormessungen.<br />
Verlauf und Prognose<br />
Die Krankheit zeigt meist einen langsam fortschreitenden,<br />
individuell unterschiedlichen<br />
Verlauf. Die ersten Krankheitsjahre sind oft<br />
durch eine einfache Behandelbarkeit gekennzeichnet,<br />
das Fortschreiten kann aber auch<br />
durch eine frühzeitige Therapie nicht aufgehalten<br />
werden. Die Behandlung verlängert<br />
jedoch die Lebenserwartung der Betroffenen<br />
und steigert ihre Lebensqualität sowie die der<br />
pflegenden Angehörigen deutlich.<br />
Die Prognose richtet sich nach <strong>dem</strong> Krankheitsstadium.<br />
Werden Menschen <strong>mit</strong> <strong>Parkinson</strong><br />
wirksam behandelt, können bis zu 20<br />
Jahre vergehen, ehe sie pflegebedürftig werden.<br />
Tödlich sind für die Betroffenen dann<br />
meist Infektionen der Atemwege (Pneumonien)<br />
oder die Folgen von schweren Stürzen<br />
oder Schluckstörungen.<br />
Vor Einführung der L-Dopa-Therapie betrug<br />
die durchschnittliche Lebenserwartung von<br />
<strong>Parkinson</strong>kranken kaum mehr als 10 Jahre,<br />
jetzt nähert sie sich der durchschnittlichen<br />
Lebenserwartung gleichaltriger Bevölkerungsgruppen.<br />
Der tremordominante Typ ist<br />
prognostisch günstiger, als der akinetischrigide<br />
Typ, bei <strong>dem</strong> häufig auch <strong>mit</strong> einem<br />
raschen <strong>dem</strong>entiellen Abbau zu rechnen ist.<br />
Allerdings ist hier der Tremor schlechter behandelbar<br />
als beim rigiden Typ.<br />
Der M. <strong>Parkinson</strong> schreitet allmählich fort und<br />
ist durch akute, bzw. extreme Schwankungen<br />
des Verlaufes gekennzeichnet, die sowohl <strong>mit</strong><br />
der Dauer der Krankheit als auch <strong>mit</strong> der<br />
Dauer der zunehmen. Neben den krankheitsbedingten<br />
Schwankungen treten unter langjähriger<br />
L-Dopa-Therapie dosisabhängige<br />
und dosisunabhängige Fluktuationen der Beweglichkeit<br />
auf (sog. On-/ Off-Phasen).<br />
11
Medikamentöse Therapie<br />
Die Einführung von oralem Levodopa in<br />
den früheren 1970er Jahren hat die <strong>Parkinson</strong>-Therapie<br />
revolutioniert. Bis heute<br />
ist Levodopa das am stärksten wirksame<br />
dopaminerge Therapeutikum und stellt<br />
nach wie vor den Goldstandard in der Therapie<br />
des <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong> dar.<br />
Allerdings gelangen nur weniger als 5%<br />
der eingenommenen Levodopa-Dosis in<br />
das ZNS, da es schon peripher abgebaut<br />
wird. Durch zusätzliche Gabe eines peripheren<br />
Dekarboxylase-Hemmers wie Benserazid<br />
werden bei erhöhter intrazerebraler<br />
Konzentration die peripheren Dopamin-<br />
Nebenwirkungen reduziert.<br />
Wegen seiner hohen Eiweißbindung<br />
sollte L-Dopa möglichst nicht zu den<br />
Mahlzeiten verabreicht werden; bei<br />
schlechtem Ansprechen auf die Therapie<br />
sollte die Eiweißzufuhr insgesamt<br />
reduziert werden.<br />
Das frühe Stadium der Erkrankung ist<br />
durch ein sehr gutes Ansprechen auf die<br />
dopaminerge Therapie gekennzeichnet –<br />
L-Dopa wirkt auf alle Kardinalsymptome.<br />
Mit zunehmender Erkrankungsdauer wird<br />
das Management aber in vielen Fällen<br />
durch das Auftreten von motorischen<br />
Komplikationen erschwert. Das erste Anzeichen<br />
ist zumeist ein Nachlassen der<br />
Wirkung einer einzelnen Dosis gegen Ende<br />
des Dosierungsintervalls (wearing-off).<br />
Levodopa weist nur eine kurze Halbwertszeit<br />
von etwa 90 Minuten auf, und <strong>mit</strong><br />
<strong>dem</strong> Fortschreiten der Erkrankung kann<br />
eine einzelne Levodopa- Tablette oft nur<br />
mehr eine etwa 90 bis 120 Minuten anhaltende<br />
Verbesserung der motorischen Symptome<br />
bewirken.<br />
Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es<br />
aber neben einer Degeneration dopaminerger<br />
Neurone auch zu solcher des noradrenergen,<br />
serotonergen und cholinergen Systems<br />
und zum Auftreten von Symptomen,<br />
(Demenz, Dysarthrie, Dysphagie) die nicht<br />
bzw. nur schlecht auf eine dopaminerge Therapie<br />
ansprechen.<br />
12<br />
Eine initiale Monotherapie <strong>mit</strong> Dopaminagonisten<br />
führt bei zwei- bis fünfjährigen<br />
Therapieverläufen seltener zum Auftreten<br />
von motorischen Komplikationen.<br />
Bei über 70-jährigen Patienten sollten<br />
Dopaminagonisten aber nur zurückhaltend<br />
eingesetzt werden, weil sie deutlich<br />
häufiger <strong>mit</strong> Verwirrtheitszuständen<br />
und Psychosen assoziiert sind und Patienten<br />
in dieser Altersgruppe selten klinisch<br />
relevante Dyskinesien entwickeln. Die<br />
Neueinstellung von <strong>Parkinson</strong>-Patienten<br />
über 70 Jahre sollte daher in erster Linie<br />
<strong>mit</strong> Levodopa erfolgen.<br />
Der MAO-B-Hemmer Selegilin vermindert<br />
die Abbaurate von Dopamin und wird ebenfalls<br />
in der Kombinationstherapie zur Reduktion<br />
der L-Dopa-Nebenwirkungen eingesetzt.<br />
Amantadin hemmt die Glutamatinduzierte<br />
Acetylcholin-Freisetzung. In einer akinetischen<br />
Krise ist es das Mittel der Wahl.<br />
Anticholinergika werden in Kombination<br />
<strong>mit</strong> L-Dopa eingesetzt und ebenfalls langsam<br />
aufdosiert. Biperiden etwa ist das Mittel der<br />
Wahl zur Behandlung eines Neuroleptikainduzierten<br />
<strong>Parkinson</strong>-Syndroms.<br />
Unter Anticholinergika und L-Dopa müssen<br />
regelmäßig augenärztliche Kontrollen<br />
vorgenommen werden, um eine Glaukom-Entwicklung<br />
frühzeitig festzustellen!<br />
Der Ruhetremor lässt sich oft nur schwer<br />
beeinflussen. Anticholinergika haben keine<br />
bessere Wirksamkeit als L-Dopa und Dopamin-Agonisten.<br />
Überwiegt ein Haltetremor,<br />
ist der Einsatz von ß-Rezeptoren-Blockern<br />
indiziert.<br />
Die Gefahr psychotischer Episoden besteht<br />
bei allen der hier genannten Antiparkinson<strong>mit</strong>tel;<br />
die Nebenwirkungsrate ist besonders<br />
hoch bei rascher Aufdosierung bzw. bei parenteraler<br />
Anwendung.
Invasive Therapien<br />
Sog. Stereotaktische Hirnoperationen<br />
werden gelegentlich bei einseitiger tremordominantem<br />
<strong>Parkinson</strong> durchgeführt. Möglichkeiten<br />
dazu sind die Thalamotomie oder<br />
die Pallidotomie, bei denen abhängig von<br />
den Symptomen Areale im Nukleus subthalamicus<br />
oder im Pallidum durch Thermokoagulation<br />
zerstört werden.<br />
Als Alternative zu diesen irreversiblen Verfahren<br />
wird von manchen Neurochirurgen<br />
inzwischen die stereotaktische Hochfrequenzstimulation<br />
der Kerne favorisiert.<br />
Bei diesem prinzipiell reversiblen Eingriff<br />
bekommen Patienten Elektroden ins Gehirn<br />
implantiert. Da<strong>mit</strong> verbunden sind unter der<br />
Haut im Brustbereich implantierte Impulsgeber,<br />
deren hochfrequente Signale die<br />
Nervenaktivität der Kerne unterbrechen.<br />
<strong>Parkinson</strong>-Kranken, deren Symptome medikamentös<br />
nicht mehr beherrschbar sind,<br />
kann in einigen Ländern auch <strong>mit</strong> der<br />
Transplantation fetalen Hirngewebes geholfen<br />
werden. Allerdings sind die klinischen<br />
Verbesserungen bei den PatientInnen oft<br />
nicht vollständig, sogar eher gering.<br />
Weitere Therapieformen<br />
Je länger die Krankheit dauert und je älter<br />
der Patient ist, desto wichtiger wird auch<br />
eine begleitende Physiotherapie zur Kräftigung<br />
von Muskulatur, Verbesserung der<br />
Körperachsenkontrolle und der Gehfähigkeit.<br />
Die Ergotherapie dient der Verbesserung<br />
der Feinmotorik sowie alltagsrelevanter<br />
Funktionen. Oftmals sind auch<br />
Adaptationen des Wohnbereichs erforderlich<br />
(Reduktion des Sturzrisikos).<br />
Die PatientInnen benötigen meist auch eine<br />
psychologische Betreuung, da depressive<br />
Verstimmung, Ängstlichkeit, Selbstunsicherheit<br />
und das Gefühl des Nicht-Mehr-<br />
Verstanden-Werdens und der ästhetischen<br />
Beeinträchtigung einen bedeutenden Effekt<br />
auf die Lebensqualität der Patienten haben.<br />
Die <strong>Parkinson</strong>-Krankheit ist eine langjährige,<br />
chronische Erkrankung. LebenspartnerInnen<br />
sind häufig sehr beansprucht, einerseits<br />
durch die motorische Beeinträchtigung der<br />
Erkrankten, andererseits durch psychische<br />
und mentale Phänomene der Erkrankung.<br />
Es ist wichtig, dass sich pflegende Angehörige,<br />
aber auch PatientInnen, Erfahr-ungen<br />
zur Bewältigung des Alltags und Kenntnisse<br />
zur Verminderung der Pflegebedürftigkeit in<br />
Selbsthilfegruppen und über entsprechende<br />
Literatur bzw. Informationen aus <strong>dem</strong> Internet<br />
aneignen. Aufenthalte in Rehabilitationszentren<br />
und Spezialkliniken helfen pflegenden<br />
Angehörigen, sich kurze Zeit zu erholen,<br />
bzw. eigene Bedürfnisse und Interessen<br />
wahrzunehmen.<br />
In Spezialabteilungen und Kliniken lässt sich<br />
das gesamte Spektrum der Krankheitssymptome<br />
sowie der Bedürfnisse der PatientInnen<br />
nicht alleine durch Ärzte abdecken.<br />
Pflegepersonen <strong>mit</strong> Spezialausbildung, SozialarbeiterInnen,<br />
klinische PsychologInnen,<br />
Ergo- und PhysiotherapeutInnen sowie LogopädInnen<br />
spielen eine wichtige Rolle in<br />
einem therapeutischen Team.<br />
Literatur:<br />
• <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong> von Dr. Bernhard<br />
Iglseder in „Geriatrie“ (Herausgeber von<br />
Franz Böhmer & Ingo Füsgen, Böhlau<br />
2008)<br />
• <strong>Parkinson</strong> – Diagnose und Therapieoptionen<br />
von Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard<br />
Ransmayr sowie <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong> - Besonderheiten<br />
von Univ.-Doz. Dr. Willibald<br />
Gerschlager;<br />
beide Artikel auf www.geriatrie-online.at<br />
Webseiten zum Thema:<br />
• www.neuro24.de<br />
• www.parkinson-sh.at<br />
• www.parkinson-net.de<br />
• www.parkinson-vereinigung.de<br />
• www.kompetenznetz-parkinson.de<br />
13
<strong>Schwerpunkt</strong><br />
<strong>Parkinson</strong> und Harninkontinenz<br />
Harninkontinenz ist ein bei <strong>Parkinson</strong>-Patienten häufig vorkommendes Problem, das<br />
die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Umgebung in erheblichem Maße beeinflusst.<br />
Abhängig vom Schweregrad und der Variante der <strong>Parkinson</strong>- Erkrankung leiden<br />
25 bis 90 Prozent der Patienten an Blasenfunktionsstörungen.<br />
Die Pathogenese der Harninkontinenz bei<br />
<strong>Parkinson</strong>kranken ist meist multifaktoriell.<br />
Als mögliche Ursachen kommen in Frage:<br />
direkte Einflüsse der Erkrankung auf die<br />
Steuerung der Blase, indirekte Folgen durch<br />
funktionelle Einschränkungen, Nebenwirkungen<br />
der medikamentösen Therapie sowie<br />
andere urologische bzw. gynäkologische<br />
Erkrankungen<br />
Dranginkontinenz ist die häufigste Blasenfunktionsstörung,<br />
die bei 45 bis 90% der<br />
<strong>Parkinson</strong>-Patienten zu finden ist. Dieser<br />
liegt meist eine neurogene Detrusorhyperaktivität<br />
zugrunde. Typische, da<strong>mit</strong> einhergehende<br />
Beschwerden sind Nykturie, imperativer<br />
Harndrang und Pollakisurie. Hohe L-<br />
Dopa-Dosen können dies verschlimmern.<br />
Eine adäquate Therapie führt jedoch langfristig<br />
meist zu einer Besserung der Drangsymptomatik<br />
und Miktionsprobleme.<br />
Diagnostik<br />
Jede/r PatientIn <strong>mit</strong> <strong>Parkinson</strong>-Symptomatik<br />
sollte systematisch nach einer Blasenfunktionsstörung<br />
befragt werden. Bei Vorliegen<br />
einer solchen, sollte eine Basis-Diagnostik<br />
durchgeführt werden, die aus Inkontinenzanamnese,<br />
körperlicher Untersuchung,<br />
einem Miktionsprotokoll über 72 Stunden,<br />
sowie Restharnbestimmung und Urinanalyse<br />
besteht.<br />
Therapie<br />
Unabhängig von der Form der Blasenfunktionsstörung<br />
kann <strong>mit</strong> allgemeinen Maßnahmen<br />
häufig eine Verbesserung erzielt werden.<br />
Neben der Aufklärung der PatientInnen<br />
und ihrer Angehörigen zählen dazu:<br />
ausreichende Flüssigkeitszufuhr (sic!), Anpassung<br />
der Umgebung und Kleidung, ausreichende<br />
Verordnung von Inkontinenz-<br />
Hilfs<strong>mit</strong>teln und Verbesserung der Mobilität<br />
durch Physiotherapie. Bei der Umsetzung<br />
der Maßnahmen ist die Kooperation des<br />
gesamten interdisziplinären Teams, vor allem<br />
aber eine spezielle Inkontinenz-<br />
Pflegefachkraft, von größter Bedeutung.<br />
In der Therapie der Dranginkontinenz<br />
sind Verhaltensinterventionen wie Änderung<br />
der Trinkgewohnheiten nach Auswertung<br />
der Miktionsprotokolle, Beckenbodengymnastik<br />
und Toilettentraining hilfreich. Das<br />
Toilettentraining alleine oder häufig in<br />
Kombination <strong>mit</strong> medikamentöser Therapie<br />
ist die Hauptsäule der Therapie der Dranginkontinenz.<br />
In der medikamentösen Therapie werden<br />
vor allem peripher wirkende Anticholinergika<br />
eingesetzt. Häufige, dosisabhängige<br />
Nebenwirkungen sind Restharnentwicklung<br />
und Mundtrockenheit. Als Grundsatz gilt:<br />
Keine Therapie <strong>mit</strong> Anticholinergika ohne<br />
Toilettentraining!<br />
Bei Blasenentleerungsstörungen sollte<br />
zunächst überprüft werden, ob die Reduktion<br />
der <strong>Parkinson</strong>-Medikamente eine Verbesserung<br />
bewirkt.<br />
Bei größeren Restharnmengen und daraus<br />
resultierenden Komplikationen bleibt häufig<br />
nur die instrumentelle Harnableitung. Insbesondere<br />
bei passageren Problemen, sollte<br />
der inter<strong>mit</strong>tierende (Selbst-) Katherismus<br />
vor einem suprapubischen oder transurethralen<br />
Blasenverweilkatheter eingesetzt<br />
werden. Eine operative Therapie ist nur in<br />
besonderen Fällen zu empfehlen.<br />
Nicht immer wird nach einer gezielten Abklärung<br />
und entsprechenden Therapieversuchen<br />
eine Kontinenz erreicht werden. Eine<br />
Verbesserung der Lebensqualität ist jedoch<br />
durch ein professionelles Kontinenzmanagement<br />
immer zu erreichen.<br />
Quelle: www.geriatrie-online.at<br />
14
<strong>Parkinson</strong> und Demenz<br />
<strong>Schwerpunkt</strong><br />
<strong>Parkinson</strong> und Demenz sind nicht nur die beiden, am meisten vorkommenden neurodegenerativen<br />
Erkrankungen, sie treten auch häufig gemeinsam auf. Manchmal bedingt<br />
das eine aber auch das andere (<strong>Parkinson</strong>-Demenz) oder das eine hat die Symptome<br />
des anderen (Levy-Body-Demenz). Die Unterscheidung gestaltet sich nicht<br />
immer ganz einfach, ist <strong>mit</strong>unter aber überlebenswichtig<br />
Die <strong>Parkinson</strong>-Demenz<br />
Bis in die 1970er Jahre galt die Annahme<br />
von James <strong>Parkinson</strong>, dass bei der von ihm<br />
entdeckten Krankheit „Sinne und Verstand<br />
unbeschädigt bleiben“. Neuere Untersuchungen<br />
belegen jedoch einen hohen Anteil<br />
der Entwicklung einer Demenz im Verlauf<br />
der <strong>Parkinson</strong>-Krankheit. Kommt es zu einer<br />
primär degenerativen Demenz, so ist diese<br />
bis zu einem Drittel durch eine Pathologie<br />
der Levy-Körperchen verursacht, in über der<br />
Hälfte jedoch handelt es sich um eine Alzheimer-<br />
Erkrankung.<br />
Die Diagnostik entspricht im Wesentlichen<br />
jener bei <strong>Parkinson</strong> oder bei der Alzheimer-<br />
Demenz. Als Risikofaktoren für die Entwicklung<br />
einer <strong>Parkinson</strong>-Demenz gelten frühes<br />
Auftreten von L-Dopa-verursachten Psychosen<br />
und Depressionen.<br />
Die zu beobachtenden Symptome sind sehr<br />
unterschiedlich: Depressionen, Apathie, erhöhte<br />
Reizbarkeit, Denkverlangsamung und<br />
Störungen der Aufmerksamkeit, aber auch<br />
solche der Geruchs- und Farbwahrnehmung<br />
kommen vor. Wird bei diesen PatientInnen<br />
die Anti-<strong>Parkinson</strong>-Therapie verstärkt, verschlechtern<br />
sich die Demenzsymptome oft<br />
deutlich.<br />
Den Betroffenen fällt die spontane Wiedergabe<br />
ihrer Gedanken und auch das Wiedererkennen<br />
schwer, sprachliche und praktische<br />
Störungen sind jedoch weniger stark<br />
ausgeprägt als bei der Alzheimer-Demenz.<br />
Ein Problem ist die Frage, ob bei diesen<br />
PatientInnen die funktionellen Störungen<br />
durch die <strong>Parkinson</strong>symptome oder durch<br />
den kognitiven Abbau entstanden sind – im<br />
ersten Fall würden Physiotherapie im Vordergrund<br />
der Therapie stehen, im zweiten<br />
kognitives Training und Anleitung.<br />
Das Verhalten der Betroffenen ist geprägt<br />
durch depressive Symptome und psychische<br />
Auffälligkeiten bis hin zu deliranten Zuständen,<br />
Wahn und Halluzinationen.<br />
Die Levy-Body-Demenz<br />
Diese primär degenerative Demenzform hat<br />
sowohl Ähnlichkeiten <strong>mit</strong> der Demenz als<br />
auch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Parkinson</strong>krankheit. Und sie<br />
kann sowohl in Kombination <strong>mit</strong> einer Alzheimer-<br />
als auch <strong>mit</strong> einer <strong>Parkinson</strong>-<br />
Erkrankung, aber auch isoliert auftreten.<br />
Finden sich im Verlauf einer Demenz bereits<br />
früh <strong>Parkinson</strong>-Symptome so ist immer an<br />
diesen Typ zu denken, vor allem deswegen,<br />
weil gegen Neuroleptika eine deutlich erhöhte<br />
Empfindlichkeit vorliegt.<br />
Die Schauspielerin Estelle Getty (Golden Girls)<br />
verstarb 2008 an einer Lewy-Body-Demenz<br />
Für die Diagnose ist ein progredienter kognitiver<br />
Abbau nötig, auffällig sind Störungen<br />
von Aufmerksamkeit und optisch-räumlicher<br />
Vorstellung. Weitere Symptome sind detaillierte<br />
und angstvoll erlebte Halluzinationen,<br />
systematisierter Wahn, Agitiertheit, hohe<br />
Neuroleptikaempfindlichkeit, eine ausgeprägte<br />
Sturzgeschichte und motorische<br />
<strong>Parkinson</strong>symptome (innerhalb eines Jahres<br />
vor oder nach <strong>dem</strong> Auftreten der Demenz).<br />
Klassische Neuroleptika wie Haloperidol o-<br />
der ähnliche sind – trotz der massiven psychotischen<br />
Symptome – kontraindiziert, da<br />
diese zu schweren akinetischen Krisen und<br />
vegetativen Entgleisungen führen können.<br />
Mittel der Wahl sind stattdessen Cholinesterasehemmer<br />
wie Aricept, Reminyl oder Exelon<br />
unter denen sich neben Verwirrtheit und<br />
Verhaltensstörungen auch die Halluzinationen<br />
bessern.<br />
15
<strong>Schwerpunkt</strong><br />
Pflegerische <strong>Schwerpunkt</strong>e bei <strong>Parkinson</strong>kranken<br />
Die Aufgaben der Pflege parkinsonkranker Menschen bewegen sich vorwiegend in<br />
zwei Dimensionen: zum einen in der körperlich-funktionellen, die sich hauptsächlich<br />
aus der Symptomtrias Rigor, Tremor, Akinese sowie der Begleitsymptomatik ergibt<br />
und zum anderen in der psychosozialen Dimension der Krankheit. In beiden liegt die<br />
besondere Herausforderung in der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> anderen Berufsgruppen<br />
Die funktionelle Dimension<br />
Wie bereits angedeutet ergeben sich die<br />
pflegerischen <strong>Schwerpunkt</strong>e in der körperlich-funktionellen<br />
Dimension vorwiegend<br />
aus der Kardinalsymptomatik. Akinese, Rigor<br />
und Tremor ergeben <strong>mit</strong> zunehmender<br />
Dauer der Krankheit zunehmende Einschränkungen<br />
der instrumentellen wie auch<br />
der allgemeinen Aktivitäten des täg-lichen<br />
Lebens. Vor allem die Verlangsamung und<br />
Schwerfälligkeit der Bewegungsabläufe sind<br />
hier zu berücksichtigen.<br />
<strong>Parkinson</strong>kranke scheinen bisweilen hilfloser<br />
zu sein, als sie tatsächlich sind. Dies hat<br />
zum Effekt, dass sie leicht „überpflegt“ werden<br />
und ihnen Dinge abgenommen werden,<br />
die sie durchaus noch selbst, tun könnten.<br />
Die erforderte Hilfe ist daher auf den<br />
Grad der Beeinträchtigung abzustimmen<br />
hat die Erreichung bzw. Erhaltung<br />
größtmöglicher Selbständigkeit und<br />
Unabhängigkeit zum Ziel.<br />
Körperpflege<br />
Auch bei stärkeren Bewegungseinschränkungen<br />
sollten die Betroffenen zum Waschen<br />
aus <strong>dem</strong> Bett kommen und sich alleine<br />
vor <strong>dem</strong> Waschbecken waschen, pflegen<br />
und anziehen. Mit Geduld muß die Pflegeperson<br />
hier die Tätigkeit begleiten und das<br />
Tempo beeinflussen.<br />
Der Hautpflege, vor allem des Gesichtes,<br />
muss aufgrund der Seborrhöe entsprechende<br />
Aufmerksamkeit gelenkt werden – eine<br />
Rücksprache <strong>mit</strong> DermatologInnen bzw.<br />
KosmetikerInnen bezüglich geeigneter Cremes<br />
ist anzuraten.<br />
Kleidung<br />
Ähnliches gilt für Auswahl und Benutzen der<br />
eigenen Kleidung. Geachtet muss hier vor<br />
allem auf lockere Kleider ohne komplizierte<br />
Schließen (zu kleine Knöpfe, Reißverschlüsse,<br />
etc.) sowie auf ein sturzsicheres Schuhwerk<br />
werden.<br />
Essen und Trinken<br />
<strong>Parkinson</strong>kranke brauchen mehr Zeit, auch<br />
beim Essen. Da<strong>mit</strong> dieses nicht kalt wird,<br />
sind Warmhalteteller zu benutzen. Durch<br />
Tremor und Steifigkeit der Finger haben die<br />
Betroffenen oft Mühe, das Essbesteck zu<br />
halten. Das gelingt besser, wenn die Griffe<br />
beispielsweise <strong>mit</strong> Knetmasse verstärkt und<br />
griffsicher gemacht werden – ErgotherapeutInnen<br />
wissen hier wertvolle Tricks.<br />
Brot und Fingerfood ist unter Umständen in<br />
mundgerechte Stücke zu schneiden und<br />
kann auch <strong>mit</strong> einer Gabel gegessen werden.<br />
Auf eine ausreichende Trinkmenge ist<br />
in je<strong>dem</strong> Fall zu achten, da der Antrieb zum<br />
Trinken vermindert sein kann. Eine Exsikkose<br />
führt bald zu einer generellen Verschlechterung<br />
des Krankheitszustandes.<br />
Zum Trinken können diverse Hilfs<strong>mit</strong>tel angeboten<br />
werden, ein Strohhalm ist einer<br />
Schnabeltasse in je<strong>dem</strong> Fall vorzuziehen. Ist<br />
das Schlucken beeinträchtigt wird eingedicktes<br />
oder passiertes Essen gegeben.<br />
Weiters ist bei den Mahlzeiten zu beachten,<br />
dass vor allem eiweißreiche Kost Levodopa<br />
bindet – daher anderthalb Stunden vor und<br />
nach der Gabe von Antiparkinsonika keine<br />
Milchprodukte und ähnliche Nahrungs<strong>mit</strong>tel!<br />
16
Bewegung<br />
Die Bewegungsarmut darf nicht dazu verleiten,<br />
<strong>Parkinson</strong>kranke im Bett liegen oder im<br />
Stuhl sitzen zu lassen. Immer wieder müssen<br />
sie zu Bewegungen angeregt werden –<br />
am besten spielerisch – etwa durch Sitzgymnastik<br />
bei der täglichen Morgenrunde<br />
aber auch dadurch, dass die Pflegepersonen<br />
<strong>mit</strong> ihnen gehen.<br />
Beim Laufen ist bewusst auf große Schritte<br />
und eine Mitbewegung der Arme zu achten.<br />
Immer wieder müssen Aktivitäten angeboten<br />
werden, weil auch der Antrieb vermindert<br />
ist. Körperliche Aktivität trägt dazu bei,<br />
depressiv-resignierende Grundhaltung zu<br />
überwinden und Selbständigkeit sowie<br />
Selbstbewusstsein zu fördern.<br />
Auf Rollstühle sollte so lange es geht verzichtet<br />
werden, ebenso sind reziproke Gehgestelle<br />
nicht ideal, besser sind hier Gehhilfen<br />
<strong>mit</strong> Räder oder – so lange es geht der<br />
ergonomisch angepasste Stock.<br />
Da die krankengymnastischen Therapieeinheiten<br />
in ihrer Frequenz alleine oft nicht<br />
ausreichen, ist es sinnvoll diese, unter Anleitung<br />
der/des Physiotherapeuten/in, niederschwellig<br />
in verschiedene geeignete<br />
Pflegehandlungen zu übernehmen.<br />
Prophylaxen<br />
Das Umdrehen im Bett kann Schwierigkeiten<br />
bereiten, so dass die Kranken zwei bis<br />
dreistündig umgelagert werden müssen, um<br />
einem Dekubitus vorzubeugen. Das häufige<br />
Umlagern und aktiv-assistive Durchbewegen<br />
der Extre<strong>mit</strong>äten beugt aber auch Pneumonien<br />
und Kontrakturen vor.<br />
Bewegungsmangel und Medikamente<br />
bewirken häufig chronische Obstipation, die<br />
bis zum Ileus führen kann. Schlackenreiche<br />
Kost ist für <strong>Parkinson</strong>kranke daher wichtig,<br />
ebenso ist es von Bedeutung viel zu trinken.<br />
Wenn Obstipation <strong>mit</strong> Laxantien behandelnd<br />
wird, sollten sogenannte Quell<strong>mit</strong>tel<br />
wie Floh- oder Leinsamen stimulierenden<br />
Mitteln stets bevorzugt werden<br />
Besonderen Wert ist auf die Sturzprophylaxe<br />
zu legen. Hierher gehört neben einer<br />
adäquaten Risikoeinschätzung der Betroffenen<br />
die Adaptierung des un<strong>mit</strong>telbaren<br />
räumlichen Umfeldes (Entfernung aller<br />
Schwellen und Niveauunterschiede), ein<br />
entsprechendes Kraft-, Ausdauer-, Aufmerksamkeits-<br />
und Konzentrationstraining<br />
sowie ein kritisches Medikamentenmanagement.<br />
Tranquilizer als Schlaf<strong>mit</strong>tel sind<br />
aufgrund ihrer anhaltenden muskelrelaxierenden<br />
Wirkung zu vermeiden.<br />
Massagen<br />
Bewegungsverlangsamung und Muskeltonuserhöhung<br />
bei <strong>Parkinson</strong>-Kranken bedingen<br />
muskuläre Verspannungszustände, die zu<br />
beträchtlichen Schmerzen im Nacken-<br />
Schulterbereich, Rücken sowie im Hüft- und<br />
Kniegelenksbereich führen können und<br />
„rheumatische" Schmerzen oder Beschwerden<br />
wie bei Arthrosen i<strong>mit</strong>ieren.<br />
Bereits eine einfache Bindegewebsmassage<br />
bewirkt eine nachhaltige Lockerung der verspannten<br />
Muskulatur und wird besonders<br />
im Schulter-Nackenbereich als angenehm<br />
und wohltuend empfunden.<br />
Die Massage allein ist aber lediglich eine<br />
unterstützende Maßnahme und soll niemals<br />
die einzige physikalische Behandlung sein,<br />
sie sollte immer <strong>mit</strong> gezielter Heilgymnastik<br />
gekoppelt sein. Auch hierzu ist die Zusammenarbeit<br />
<strong>mit</strong> PhysiotherapeutInnen dringend<br />
anzuraten.<br />
17
Die psychosoziale Dimension<br />
Der Leidensdruck von <strong>Parkinson</strong>-Kranken ist<br />
sehr unterschiedlich ausgeprägt, jede/r hat<br />
seinen eigenen Umgang <strong>mit</strong> der Krankheit.<br />
Dennoch können im Erkrankungsverlauf<br />
typische Phasen differenziert werden. Sie<br />
bringen für den Patienten unterschiedliche<br />
Belastungen <strong>mit</strong> sich und erfordern eine an<br />
die jeweilige Situation angepasste psychosoziale<br />
Betreuung.<br />
Die erste kritische Phase ist die Zeit der<br />
Diagnosestellung. Hier stehen Angstgefühle<br />
und Schock im Vordergrund. Konfrontiert<br />
<strong>mit</strong> der Diagnose <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong> reagierten<br />
viele PatientInnen <strong>mit</strong> Passivität und<br />
Rückzug, weil sie das Gefühl haben, ihr Leben<br />
sei jetzt vorbei. In dieser Phase dürfen<br />
die Betroffenen aber auch ihre Angehörige<br />
nicht allein gelassen werden, sondern müssen<br />
ausführlich über Symptome der Erkrankung,<br />
Möglichkeiten der medikamentösen<br />
Therapie und Krankheitsverlauf aufgeklärt<br />
werden.<br />
Es reicht hier nicht aus, den Betroffenen<br />
eine Broschüre in die Hand zu drücken. Sie<br />
müssen auch darüber informiert werden,<br />
was in ihrem Körper passiert. Betroffene<br />
und ihre LebenspartnerInnen müssen in<br />
dieser Phase neu über ihre Ziele und den<br />
Lebenssinn reflektieren und ihre Einstellungen<br />
den neuen Bedingungen anpassen.<br />
Hierbei müssen wir sie begleiten.<br />
Die zweite Phase ist durch das Auftreten<br />
von Symptomen gekennzeichnet: Die PatientInnen<br />
können die Erkrankung nicht länger<br />
verbergen und merken die Grenzen der<br />
medikamentösen Therapie. Auch stellen sie<br />
erstmals eine Einengung ihrer Leistungsmöglichkeiten<br />
fest.<br />
Hier ist es wichtig, die Betroffenen zur Eigenverantwortlichkeit<br />
und Selbständigkeit<br />
zu motivieren. Nur so sind sie in der Lage,<br />
all ihre Kräfte für eine Verbesserung der<br />
Symptomatik und ein Zurechtkommen <strong>mit</strong><br />
der Krankheit zu mobilisieren.<br />
Stabilisierend wirken Entspannungsübungen<br />
und Trainings zur Stressbewältigung. Außer<strong>dem</strong><br />
brauchen die PatientInnen psychologische<br />
Unterstützung, um sich <strong>mit</strong> einem<br />
zukünftigen Leben unter den Bedingungen<br />
von Behinderung und deren Konsequenzen<br />
auseinander zu setzen.<br />
18<br />
Besonders einschneidend ist dann die dritte<br />
Phase, in welcher die PatientInnen verstärkt<br />
ihre Kontrollverluste erleben und<br />
kognitive Veränderungen wahrnehmen. Sie<br />
reagieren darauf oft <strong>mit</strong> emotionaler Instabilität,<br />
Depression, Hoffnungslosigkeit und<br />
einer Art Burn-out-Syndrom.<br />
Die Erkrankung und ihre Auswirkungen<br />
rückten nun in den Mittelpunkt des Lebens.<br />
Daher sind psychotherapeutische Einzelund<br />
Gruppengespräche notwendig. Die PatientInnen<br />
müssen angewiesen werden,<br />
Alltagsgestaltung und Tagesplanung flexibel<br />
an ihre Befindlichkeit anzupassen.<br />
Krankengymnastik und Entspannungstraining<br />
sind beizubehalten, da<strong>mit</strong> die PatientInnen<br />
eine verstärkte Kontrolle im physischen<br />
und psychischen Bereich gewinnen.<br />
Die zunehmende Abhängigkeit von anderen<br />
macht ebenfalls vielen Betroffenen zu<br />
schaffen. Sie müssen oftmals erst lernen,<br />
Hilfsangebote zu akzeptieren.<br />
In dieser Phase ist auch eine Beratung und<br />
Begleitung der Angehörigen unverzichtbar.<br />
Sie müssen über das mögliche Auftreten<br />
psychischer Begleitsymptome informiert<br />
werden, aber auch lernen, <strong>mit</strong> Suizidäußerungen<br />
umzugehen. Darüber hinaus brauchen<br />
auch sie selbst konkrete Maßnahmen<br />
zu ihrer eigenen Entlastung und müssen<br />
lernen, Hilfe von Dritten zu akzeptieren.<br />
Bewährt haben sich hier vor allem Angehörigenselbsthilfegruppen.<br />
Spätestens hier muß schließlich auch die<br />
klinische Sozialarbeit auf den Plan treten<br />
um sowohl arbeits- als auch sozialrechtliche<br />
Angelegenheiten (Pflegegeld, Behindertenausweis,<br />
extramurale Betreuung etc.), aber<br />
auch andere soziale Rehabilitationsmaßnahmen<br />
in die Wege zu leiten.
<strong>Schwerpunkt</strong><br />
Ernährung bei der <strong>Parkinson</strong>-Krankheit<br />
Obwohl sogar schon Dosennahrung für <strong>Parkinson</strong>-PatientInnen hergestellt wird, gibt<br />
es keine spezifische Diät für die <strong>Parkinson</strong>krankheit. Es ist auch nicht möglich <strong>mit</strong><br />
einer bestimmten Diät die Krankheit aufzuhalten. Es gibt aber einige Besonderheiten<br />
in der Ernährung von <strong>Parkinson</strong>-Patienten, die im Folgenden erörtert werden sollen.<br />
Ein bedeutendes Problem ist die Interaktion<br />
zwischen L-Dopa und der Eiweißaufnahme.<br />
Diese basiert auf der Tatsache, dass L-Dopa<br />
nur eine kurze Halbwertzeit im Blut hat,<br />
<strong>dem</strong>zufolge der Plasmaspiegel auch sehr<br />
schwankend ist. Die Resorption von L-Dopa,<br />
einer Aminosäure, erfolgt im Dünndarm.<br />
Resorption und Überwindung der Bluthirnschranke<br />
wird durch Transportmechanismen<br />
gesichert, die schnell gesättigt sind. Sind<br />
neben Levodopa gleichzeitig noch andere<br />
Aminosäuren (Eiweiß!) in größeren Mengen<br />
vorhanden, wird weniger L-Dopa aufgenommen<br />
und im Gehirn steht entsprechend<br />
weniger Dopamin zur Verfügung.<br />
Um diese Interaktion zu vermeiden wird<br />
empfohlen, dass L-Dopa eine Stunde vor<br />
oder 1,5 Stunden nach der Nahrungsaufnahme<br />
genommen wird.<br />
Von dieser Empfehlung gibt es Ausnahmen:<br />
• PatientInnen, die diese sogenannte „Eiweiß-Akinese“<br />
nicht haben.<br />
• PatientInnen, bei denen das nüchtern<br />
genommene L-Dopa Brechreiz, auslöst.<br />
Diese können vor der Einnahme ein<br />
Stück Keks zu sich nehmen.<br />
• PatientInnen, die starke Überbewegungen<br />
entwickeln, wenn sie L-Dopa nüchtern<br />
nehmen. Diese sollten L-Dopa während<br />
der Mahlzeiten nehmen.<br />
Es gibt aber auch PatientInnen, die nach<br />
der Hauptmahlzeit in den frühen Nach<strong>mit</strong>tagsstunden<br />
eine starke Akinese haben.<br />
Diese PatientInnengruppe sollte versuchen,<br />
die Mahlzeiten tagsüber eher eiweißarm zu<br />
gestalten und die nötige Tagesmenge nur<br />
beim Abendessen zu sich zu nehmen.<br />
Eiweiß ist in allen tierischen und – in kleinen<br />
Mengen – auch in pflanzlichen Produkten<br />
enthalten. Zu den eiweißhaltigen Lebens<strong>mit</strong>teln<br />
zählen Milch, Joghurt und Topfen,<br />
mageres Fleisch, Wurst und Fisch, Eier, Käse,<br />
Kartoffeln, Getreide, Hülsenfrüchte und<br />
Sojaprodukte.<br />
Kohlenhydrate spielen in der Resorption<br />
von L-Dopa ebenfalls eine Rolle – sie fördern<br />
die Aufnahme ins Gehirn. Eine erhöhte<br />
Zufuhr ist vor allem bei Gewichtsverlust<br />
empfohlen, kann aber, wie eine allzu eiweißarme<br />
Diät, zur Verstärkung der Hyperkinesen<br />
führen.<br />
Eine wichtige Rolle spielt auch die Magenentleerung.<br />
Je länger das L-Dopa im Magen<br />
bleibt, desto weniger steht im Dünndarm<br />
für die Resorption zur Verfügung.<br />
Zahlreiche Faktoren beeinflussen dabei die<br />
Geschwindigkeit der Magenentleerung: Erhöhte<br />
Magensäure und Medikamente wie<br />
z.B. Anticholinergika können verlangsamend<br />
wirken. Antazida und Medikamente, die die<br />
Magenentleerung beschleunigen, verstärken<br />
die Wirkung von L-Dopa hingegen deutlich.<br />
Untersuchungen haben gezeigt, dass L-<br />
Dopa nüchtern eingenommen am schnellsten<br />
wirkt. Auflösbare Präparate können diese<br />
Wirkung deutlich beschleunigen.<br />
Bei der frühmorgendlichen Akinese und bei<br />
Resorptionsstörungen und Schluckstörungen<br />
aber auch bei Eiweiß-Akinese können<br />
auflösbare L-Dopa-Präparate hilfreich sein.<br />
Die Wirkung von Dopamin-Agonisten wie<br />
Ropinirol und Lisurid, wird in der Regel<br />
nicht durch die Mahlzeiten oder eine eiweißreiche<br />
Kost beeinträchtigt.<br />
Quelle: www.parkinson-web.de<br />
19
<strong>Schwerpunkt</strong><br />
Krankengymnastik und Physiotherapie bei <strong>Parkinson</strong><br />
Bei der Mehrzahl der <strong>Parkinson</strong>-Kranken entwickelt sich eine Verlangsamung der<br />
Bewegungsabläufe bei fehlen<strong>dem</strong> Eigenantrieb, so daß vor allem die automatischen<br />
Bewegungsabläufe verloren gehen. Neben der medikamentösen Therapie sollten<br />
durch krankengymnastische Übungen, die durch die Erkrankung verlorengegangenen<br />
automatischen Bewegungsabläufe wieder systematisch geübt werden.<br />
Hiezu ist es nötig, daß den PatientInnen<br />
verschiedene Bewegungsabläufe bewusst<br />
gemacht werden, da<strong>mit</strong> diese wieder automatisiert<br />
ablaufen können. Das Ziel der Ü-<br />
bungsprogramme dient daher weniger einer<br />
Kräftigung der Muskulatur als <strong>dem</strong> Erhalten<br />
bzw. Erleichtern harmonischer Bewegungen<br />
sowie der Wiedererlangung der flüssigen<br />
(automatischen) Bewegungen, wie sie für<br />
den Alltag erforderlich sind.<br />
Übungsprogramme sollten stets von ausgebildeten<br />
PhysiotherapeutInnen initiiert und<br />
kontrolliert sowie Angehörige und Pflegende<br />
instruiert werden.<br />
Angehörige und Pflegekräfte sollen hierbei<br />
den PatientInnen eine Hilfe sein, sie aber in<br />
ihrer vorhandenen Eigenaktivität nicht einschränken.<br />
Auch ein Zuviel an Bewegung<br />
bis zu Überforderung und Erschöpfung kann<br />
schaden. Man muß also sehr individuell abschätzen,<br />
was den Patientinnen zugemutet<br />
werden darf.<br />
Unter Einbeziehung von „Kommandos" <strong>mit</strong><br />
Hilfe bestimmter optischer und akustischer<br />
Signale können Startstörungen überwunden<br />
werden, z.B. bei Starthemmungen am Beginn<br />
des Gehens, durch ein kurzes Aufstampfen<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Fuß durch den/die Pflegende<br />
und zugleich einen Ausruf wie „los".<br />
Sehr wichtig ist auch eine sinnvolle Beschäftigung.<br />
Die PatientInnen sollten einen bestimmten<br />
Aufgabenbereich erhalten, den sie<br />
täglich erfüllen müssen, egal wie lange sie<br />
dafür brauchen (z. B. den Tisch decken,<br />
Müll wegtragen, Zeitung holen usw.).<br />
Die Fortbildung zum Thema in Ihrer Organisation:<br />
Inhouse-Seminar: Pflege bei <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong><br />
Ziel: Die SeminarteilnehmerInnen sollen Ursachen, Risikofaktoren und Komplikationen<br />
sowie therapeutische und pflegerische Behandlungsmöglichkeiten des <strong>Morbus</strong><br />
<strong>Parkinson</strong> kennen und anwenden lernen<br />
Inhalte: Pathogenese des <strong>Morbus</strong> <strong>Parkinson</strong> Induziert oder Idiopathisch? -<br />
Differentialdiagnose Früh-, Kardinal- und Begleitsymptome Verlaufsformen<br />
und Komplikationen Konservative Behandlungsansätze Physiotherapeutische<br />
Trainingspläne Psychosoziale und pflegerische Behandlung<br />
Dozent: DGKP Christian Luksch, Dozent für <strong>Geronto</strong>psychiatrische Pflege<br />
Methoden: Impulsreferate, Gruppenarbeiten, Fallbesprechungen, Skripten,<br />
Preis: 1200,- € für insgesamt 12 TeilnehmerInnen (inkl. USt.)<br />
Dauer: 16 Unterrichtseinheiten (2 Tage)<br />
Kontakt: office@geronto.at<br />
20
Schwarzarbeit in der Altenpflege<br />
Ein Münchner Rechtsanwalt muss sich vor Gericht verantworten, weil er ungarische<br />
Pflegerinnen illegal an deutsche Haushalte ver<strong>mit</strong>telt haben soll. Er soll Bußgelder in<br />
Höhe von rund 180.000 Euro zahlen. Nach Angaben des Zolls handelt es sich um einen<br />
Musterprozess, da erstmals ein im großen Stil tätiger Ver<strong>mit</strong>tler belangt werde.<br />
Was formal wie eine unscheinbare Ordnungswidrigkeit<br />
wirkt, könnte sich zu einem<br />
Verfahren <strong>mit</strong> bundesweiter Bedeutung<br />
entwickeln. Im Mittelpunkt des Prozesses,<br />
der jetzt vor <strong>dem</strong> Amtsgericht begonnen<br />
hat, steht der Münchner Wirtschaftsanwalt<br />
Kurt Fischer (Name geändert).<br />
Dem 41-Jährigen wirft der Zoll vor, von Oktober<br />
2004 bis Juli 2006 im großen Stil Ungarinnen<br />
an deutsche Familien ver<strong>mit</strong>telt zu<br />
haben, um dort pflegebedürftige Angehörige<br />
zu betreuen.<br />
Die weit mehr als 100 Frauen lebten als<br />
Altenpflegerinnen bei den Familien, hatten<br />
tatsächlich aber keinerlei beruflichen Vorkenntnisse.<br />
Sie arbeiteten für Stundenlöhne<br />
von rund 1,80 Euro, was der Zoll "ausbeuterisch"<br />
nennt. Die meisten Familien leben im<br />
Großraum München.<br />
"Alle waren glücklich!"<br />
Der juristische Knackpunkt ist die Frage, ob<br />
die Frauen selbständig tätig waren. Wenn<br />
ja, wäre alles in Ordnung, denn seit <strong>dem</strong><br />
EU-Beitritt Ungarns 2004 gilt die Dienstleistungsfreiheit.<br />
Die Fahnder der Finanzkontrolle<br />
Schwarzarbeit beim Münchner Hauptzollamt<br />
wie auch die Staatsanwaltschaft<br />
sind aber der Überzeugung, dass die Frauen<br />
abhängig beschäftigt waren. Dafür hätten<br />
sie eine Arbeitsgenehmigung gebraucht, die<br />
sie aber nicht hatten.<br />
Trifft dies zu, hätten sich nicht nur die un<strong>mit</strong>telbar<br />
beteiligten Familien und Pflegerinnen<br />
einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht,<br />
sondern auch der ver<strong>mit</strong>telnde Anwalt.<br />
Mit ihm muss sich nach Angaben des<br />
Chefs der Münchner Schwarzarbeitsfahnder,<br />
René Matschke, erstmals ein Ver<strong>mit</strong>tler von<br />
illegalen Pflegekräften vor Gericht verantworten.<br />
Bundesweit gebe es Dutzende dieser Ver<strong>mit</strong>tler,<br />
die sich alle in einem juristischen<br />
Graubereich bewegten. Wird Fischer verurteilt,<br />
könnte sich dies auch auf deren Geschäftsmodell<br />
auswirken.<br />
Law & Order<br />
21<br />
Der Zoll stellte Fischer, nach<strong>dem</strong> seine<br />
Kanzlei durchsucht worden war und die<br />
Familien vernommen worden waren, einen<br />
Bußgeldbescheid über gut 65.000 Euro zu<br />
sowie eine sogenannte Verfallsanordnung<br />
über 114.000 Euro. Da<strong>mit</strong> will man die Gewinne<br />
des Anwalts abschöpfen.<br />
Fischer wies vor Gericht alle Vorwürfe zurück,<br />
zeigte sich "fassungslos" und sprach<br />
von "Hexenjagd". Er habe "nach bestem<br />
Wissen und Gewissen" gehandelt. In Richtung<br />
Zoll rief er: "Alle waren glücklich.<br />
Durch Ihre Aktion haben Sie alles kaputt<br />
gemacht." Gegen beide Bescheide legte er<br />
Einspruch ein, und so kam der Fall auf den<br />
Tisch von Richter Heinz Mecklinger. Der<br />
warnte Fischer und seinen Anwalt Michael<br />
Fröschl eindringlich.<br />
Sollte man zum Ergebnis kommen, dass die<br />
Frauen tatsächlich abhängig beschäftigt<br />
waren, drohten auch strafrechtliche Konsequenzen,<br />
so der Richter: "Das sind keine<br />
Hirngespinste."
Fischer stellt die Angelegenheit so dar:<br />
Nach <strong>dem</strong> EU-Beitritt Ungarns habe er, der<br />
zahlreiche Firmen in Ungarn betreut, dort<br />
Kontakt zu Frauen aufgenommen, die Interesse<br />
an einer Arbeit in Deutschland als<br />
Pflegerin hatten. Gegen eine Pauschalgebühr<br />
von 1200 Euro habe er die Formalien<br />
erledigt, so dass sie arbeiten konnten –<br />
ganz legal in seinen Augen.<br />
Ein langer Musterprozess<br />
Er sei davon ausgegangen, dass die Frauen<br />
selbständig seien. Um die genaue Vertragsausgestaltung<br />
zwischen den Familien<br />
und den Pflegerinnen habe er sich nicht<br />
gekümmert, er habe nur "irgendwann" einen<br />
Mustervertrag angeboten.<br />
Er deutet an, dass er bereits bestehende<br />
illegale Vertragsverhältnisse zwischen Familien<br />
und Ungarinnen allenfalls legalisiert<br />
habe. Jedenfalls sei er nicht für mögliche<br />
Verfehlungen der un<strong>mit</strong>telbar Beteiligten<br />
verantwortlich. "Was habe ich da<strong>mit</strong> zu<br />
tun", fragte er aufgebracht.<br />
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm indes vor,<br />
die Beteiligten nicht ausreichend aufgeklärt<br />
zu haben. Denn nach Meinung der Behörden<br />
in Deutschland sei eine selb-ständige<br />
Beschäftigung als Pflegekraft in einem<br />
Haushalt so gut wie unmöglich.<br />
Bei einer 24-Stunden-Pflegebereitschaft wie<br />
in den fraglichen Fällen könnten die Frauen<br />
keine weiteren Auftraggeber haben, zu<strong>dem</strong><br />
müssten sie logischerweise das ausführen,<br />
was ihnen die Angehörigen des Kranken<br />
auftragen. Alles Merkmale, die einer Selbständigkeit<br />
widersprechen.<br />
Stattdessen habe er in einem Werbeschreiben<br />
<strong>dem</strong> Familien suggeriert, alles sei ohne<br />
Probleme cmöglich. cEin cTrugschluss: cGegen<br />
51 Familien und 90 Pflegerinnen sind nach<br />
Angaben des Zolls rechtskräftige Bußgelder<br />
bis 500 Euro verhängt worden.<br />
Womöglich könnte Fischer sich am Ende<br />
auch strafrechtlich als "<strong>mit</strong>telbarer Täter"<br />
verantworten müssen. Dann nämlich, wenn<br />
bewiesen würde, dass sich die Familien und<br />
Pflegerinnen in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum<br />
befanden, also sich ihres Vergehens<br />
nicht bewusst waren, weil sie sich von<br />
einem vermeintlich kundigen Anwalt beraten<br />
ließen.<br />
Zu<strong>dem</strong> stelle sich dann auch die Frage, so<br />
Richter Mecklinger, wer juristisch betrachtet<br />
tatsächlich Arbeitgeber der Pflegerinnen<br />
war: Die Familie, oder womöglich - indirekt<br />
- Anwalt Fischer.<br />
Grund für die Überlegung sind dessen Verbindungen<br />
nach Ungarn: Angeworben und<br />
an Fischer ver<strong>mit</strong>telt wurden die Frauen von<br />
einer ungarischen Busfirma, die die Frauen<br />
auch nach Deutschland transportierte. Die<br />
Firma könnte juristisch auch "Verleiher"<br />
sein, und an dieser Firma ist ein anderes<br />
ungarisches Unternehmen beteiligt, das<br />
wiederum zu Teilen Anwalt Fischer gehört.<br />
Dieser bestritt vor Gericht, etwas von dieser<br />
Beteiligung zu wissen. Der Juniorchef der<br />
<strong>mit</strong> ihm kooperierenden Busfirma ist laut<br />
Zoll wegen Verstoßes gegen das Ausländerrecht<br />
bereits zu einer Bewährungsstrafe<br />
verurteilt worden.<br />
Sollte Anwalt Fischer seinen Einspruch gegen<br />
die Bußgeldbescheide nicht zurückziehen,<br />
dürfte ein langer und aufwändiger Prozess<br />
bevorstehen. Die Akten umfassen<br />
mehr als 70 Ordner, und Richter Mecklinger<br />
hat angekündigt, zahlreiche Pflegerinnen<br />
und Familien als Zeugen zu laden.<br />
Redaktionelle Anmerkung:<br />
Quelle: www.sueddeutsche.de<br />
In Österreich wurde zum Zweck der Unterstützung<br />
der 24-Stunden-Betreuung vom<br />
Sozialministerium ein Fördermodell entwickelt.<br />
Die Förderung beträgt bei Vorliegen von<br />
(unselbständigen) Arbeitsverhältnissen bis<br />
zu 1.100, bei Vorliegen von Werkverträgen<br />
(bei selbständigen Betreuungskräften) bis<br />
zu 550,- Euro.<br />
Seit 1. Jänner 20<strong>09</strong> müssen Betreuungskräfte<br />
entweder eine theoretische Ausbildung,<br />
die im Wesentlichen derjenigen eines/r<br />
Heimhelfers/in entspricht, nachweisen<br />
oder seit mindesten sechs Monaten die<br />
Betreuung des Förderwerbers sachgerecht<br />
durchgeführt haben oder es muss eine<br />
fachspezifische Ermächtigung der Betreuungskraft<br />
zu pflegerischen Tätigkeiten vorliegen.<br />
Nähere Informationen gibt es unter<br />
www.bmask.gv.at<br />
22
Gender Care<br />
Gesundheit und Krankheit haben ein Geschlecht<br />
Der Begriff „Gender Mainstreaming“ bezeichnet den Versuch, die Gleichstellung von<br />
Mann und Frau auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen. Bekannt wurde<br />
Gender Mainstreaming insbesondere dadurch, dass der Amsterdamer Vertrag 1997<br />
das Konzept zum offiziellen Ziel der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union<br />
machte. Gender Mainstreaming unterscheidet sich von expliziter Frauenpolitik dadurch,<br />
dass Männer und Frauen gleichermaßen einbezogen werden sollen.<br />
Gender Medicine beinhaltet eine geschlechtergerechte<br />
Sichtweise der Gesundheit<br />
und beruht auf einem wachsenden Bewusstsein<br />
für Unterschiede zwischen Männern<br />
und Frauen in Gesundheitsbereichen.<br />
Es geht darum, wie das Gesundheitswesen<br />
und die medizinische Versorgung Männern<br />
und Frauen gleichermaßen entsprechen<br />
können.<br />
Es gibt Gesundheitsrisiken und Krankheiten,<br />
die ausschließlich bei Frauen auftreten<br />
(z. B. Brustkrebs) oder bei Frauen häufiger<br />
vorkommen (z. B. Depressionen), e-<br />
benso gibt es männerspezifische Gesundheitsrisiken<br />
und Erkrankungen (z. B. Prostatakrebs,<br />
Herzinfarkt, etc.).<br />
Bei manchen Erkrankungen entsteht der<br />
Eindruck, dass es sich um eher frauen- oder<br />
eher männerspezifische Krankheiten handelt<br />
und diese deshalb beim jeweiligen anderen<br />
Geschlecht keine so große Rolle spielen,<br />
was wiederum Auswirkungen auf Prävention<br />
und Therapie hat. Die Osteoporose etwa<br />
wurde immer als Frauenkrankheit angesehen,<br />
jedoch ist auch ein nicht unerheblicher<br />
Teil Männer betroffen und dieser wird durch<br />
die steigende Lebenserwartung auch noch<br />
verstärkt werden.<br />
Die Lebenssituationen von Männern und<br />
Frauen sind unterschiedlich, besonders im<br />
Bereich der Prävention müssen daher andere<br />
Maßstäbe angelegt werden.<br />
Eine Inanspruchnahme von Gesundheitsangeboten<br />
soll für beide Geschlechter gleichermaßen<br />
ermöglicht werden, d. h. Zugang<br />
und Nutzung von medizinischen Angeboten<br />
müssen geschlechtergerecht gestaltet<br />
werden. Wie gerecht, solidarisch und<br />
sensibel das Gesundheitssystem <strong>mit</strong> den<br />
grundlegenden Bedürfnissen von Männern<br />
und Frauen (aber auch unterschiedlicher<br />
sozialen und kulturellen Gruppen) umgeht,<br />
da<strong>mit</strong> beschäftigt sich Gender Medicine.<br />
Gender Care<br />
Frauen und Männer zeigen ein unterschiedliches<br />
Körper- und Krankheitsbewusstsein,<br />
haben unterschiedliche gesundheitliche<br />
Probleme und kommunizieren diese auf unterschiedliche<br />
Art und Weise. Daher haben<br />
sie auch unterschiedliche Anforderungen –<br />
auch an die Pflege.<br />
Mit <strong>dem</strong> Wissen um genderspezifische Verhaltensweisen<br />
im Gesundheitsverhalten und<br />
in Krankheitssituationen ist es möglich, Beratungsgespräche<br />
und/oder individuelle<br />
Pflege <strong>mit</strong> den PatientInnen zielorientiert zu<br />
planen und durchzuführen.<br />
Beispiel: Geschlechtsspezifisches<br />
Gesundheitsbewusstsein und<br />
Kommunikationsverhalten<br />
Bekannt ist etwa, dass Männer und Frauen<br />
ein unterschiedlich ausgeprägtes Gesundheitsverständnis<br />
haben. Frauen werden<br />
stets als gesundheitsbewusster eingestuft<br />
als Männer und oft werden Geschlechtsunterschiede<br />
in der Gesundheit auf unterschiedliche<br />
Verhaltensweisen zurückgeführt.<br />
Frauen zeigen größeres Verantwortungsgefühl<br />
gegenüber der eigenen Gesundheit. Sie<br />
sind in den Familien mehrheitlich auch für<br />
gesundheitsbezogene Belange zuständig,<br />
während sich Männer weniger gesundheitsbewusst<br />
verhalten.<br />
23
Bei der männlichen Bevölkerung sind noch<br />
größere Defizite in der Inanspruchnahme<br />
des Vorsorgesystems zu sehen als in der<br />
weiblichen. Die Gesundheitsförderung ist<br />
durch die größere Risikobereitschaft von<br />
Männern, die sich sowohl im Gesundheitsbereich<br />
wie auch in anderen Bereichen zeigt<br />
(Sport, Straßenverkehr etc.), die sich wiederum<br />
auf die Gesundheit auswirken,<br />
schwieriger umzusetzen.<br />
So<strong>mit</strong> ist auch eine völlig unterschiedliche<br />
Ansprechbarkeit der „Zielgruppe Männer“<br />
gegeben.<br />
Eine weitere Schwierigkeit ist das Rollenbild<br />
des Mannes in der Gesellschaft wie auch<br />
das Rollenverständnis der Männer selbst,<br />
welches Krankheit oftmals so lange negiert,<br />
bis Vorsorgemaßnahmen zu spät kommen<br />
und Prognosen ungünstig sind.<br />
Altersrisiken, die zur Zeit vor allem Frauen<br />
betreffen, wie Alleinleben und Bedarf fremder<br />
Pflege, sowie die Auswirkungen chronischer<br />
Krankheiten werden allein aufgrund<br />
der Lebenserwartung in Zukunft auch vermehrt<br />
Männer betreffen. (Wiener Männergesundheitsbericht<br />
1999)<br />
Kommunikationsverhalten<br />
Frauen und Männer unterscheiden sich<br />
deutlich in ihrer Bereitschaft, über Beschwerden<br />
Auskunft zu geben.<br />
Frauen reden <strong>mit</strong> anderen eher über körperliche<br />
und psychosomatische Symptome –<br />
dies gilt sowohl für ihr Gespräch <strong>mit</strong> FreundInnen<br />
und Verwandten als auch für ihr<br />
Gespräch <strong>mit</strong> ÄrztInnen. Sie schildern negative<br />
wie positive Emotionen unter stärkerer<br />
gefühlsmäßiger Beteiligung.<br />
Männer äußern sich hingegen seltener und<br />
weniger über ihre Krankheitssymptome und<br />
verdrängen entsprechende Ängste.<br />
Die geringere Bereitschaft von Männern,<br />
über Beschwerden zu sprechen und ärztliche<br />
Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird <strong>mit</strong><br />
der Unvereinbarkeit von Krankenrolle und<br />
männlichem Selbstbild erklärt.<br />
Diese Geschlechterdifferenz wird sowohl in<br />
Befragungen als auch in der Inanspruchnahme<br />
medizinischer und psychosozialer<br />
Hilfe deutlich.<br />
Genderspezifisches Verhalten<br />
Kommunikation läuft generell geschlechtsspezifisch<br />
unterschiedlich ab, was für Pflegende<br />
eine besondere Aufmerksamkeit in<br />
der Interaktion erforderlich macht.<br />
Geschlechtsspezifische Verhaltensweisen<br />
sind aber nicht nur bei PatientInnen zu berücksichtigen.<br />
Unser eigenes Geschlecht<br />
beeinflusst unser Denken, Fühlen und Verhalten,<br />
so dass eine kontinuierliche Selbstreflexion<br />
diesbezüglich für die Pflegenden<br />
unerlässlich ist. Durch eine gendersensible<br />
Pflege können Bewältigungsstrategien im<br />
Krankheitsfall und die aktive Bereitschaft<br />
der PatientInnen in ihren Gesundheitsprozess<br />
<strong>mit</strong> zu wirken, verbessert werden.<br />
Die Vorteile, die sich durch ein vielfältiges<br />
Pflegeteam ergeben, welches sich aus<br />
Pflegerinnen und Pflegern zusammensetzt,<br />
die aus verschiedenen Herkunftsländern,<br />
<strong>mit</strong> vielfältigen Sprachkenntnissen sowie<br />
unterschiedlichen Alters sind, sollen nicht<br />
unerwähnt bleiben.<br />
Weibliche und männliche Betreuungsstile<br />
und Betreuungskompetenzen ergänzen sich<br />
und können so<strong>mit</strong> ein größeres Spektrum<br />
von PatientInnenbedürfnissen abdecken.<br />
DGKS Manuela Steinmetz,<br />
Diplomierte Erwachsenenbildnerin<br />
Vorschau auf <strong>Geronto</strong> News 03/<strong>09</strong>:<br />
„Sich als Frau oder Mann fühlen und verhalten<br />
können“ – eigentlich eine selbstverständliche<br />
Aktivität des täglichen Lebens. Doch wie kann<br />
und wird die geschlechterspezifische Rolle im<br />
Alter und bei Pflegebedürftigkeit in einer Institution<br />
wie <strong>dem</strong> Pflegeheim gelebt?<br />
24
<strong>Geronto</strong> – Fortbildung<br />
Seminarreihe „Berufliche<br />
Selbständigkeit in der Pflege“<br />
Immer mehr Pflegepersonen erkennen die<br />
Grenzen des institutionellen Arbeitens und<br />
wollen sich selbständig machen – <strong>mit</strong> einem<br />
eigenem Pflegedienst, als BeraterInnen, als<br />
ReferentInnen, oder ähnliches. Aber wie<br />
wird man/frau selbständig? Was ist zu beachten?<br />
Welche Fallen und Stolpersteine<br />
drohen? Und wie überlebt frau im Dschungel<br />
der “freien” Marktwirtschaft?<br />
Als erster, von öffentlichen Stellen unabhängiger<br />
Anbieter von Fortbildungen, veranstaltet<br />
<strong>Geronto</strong>.at eine Seminarreihe zum<br />
Thema Selbständigkeit in der Pflege!<br />
Die gesamte Seminarreihe gliedert sich in<br />
sieben Seminare zu je 20 Unterrichtseinheiten<br />
in Abständen von vier Wochen.<br />
Die einzelnen Seminare können aber auf<br />
Anfrage auch einzeln gebucht werden.<br />
Die Seminare und ihre Inhalte:<br />
1. Von der Idee zum Businessplan<br />
2. Die Rechtslage der Selbständigen<br />
3. Finanzen, Steuern und Buchhaltung<br />
4. Kommunikation im Geschäftsleben<br />
5. Risiko- und Krisenmanagement<br />
6. Public Relation und Marketing<br />
7. Selbstpflege für Selbständige<br />
Die Teilnahmevoraussetzungen:<br />
• Abgeschlossene Berufsausbildung<br />
Die TrainerInnen:<br />
Manuela Steinmetz, DGKS und diplomierte<br />
Erwachsenenbildnerin, selbständig<br />
Christian Luksch, DPGKP, Dozent an der<br />
AWO-Aka<strong>dem</strong>ie Mainfranken, selbständig<br />
Der Austragungsort:<br />
Wien (genauer Ort wird bei Anmeldung bekannt<br />
gegeben)<br />
Der Zeitraum:<br />
Oktober 20<strong>09</strong> – Mai 2010 (genaue Zeit wird<br />
bei Anmeldung bekannt gegeben)<br />
Die Preise<br />
• Einzelseminar: 250,- € (inkl. USt.)<br />
• Gesamte Reihe: 1440,- € (inkl. USt.)<br />
• Gesamte Reihe für Frauen ab 40+:<br />
1200,- (inkl. USt.)<br />
Mehr Information unter:<br />
office@geronto.at<br />
Lehrgang „ Erwachsenenbildung<br />
in der Pflege“<br />
ErwachsenenbildnerInnen (TrainerInnen)<br />
sind speziell geschulte Personen, die für<br />
fachliche Fortbildungsmaßnahmen von im<br />
Beruf stehenden MitarbeiterInnen zuständig<br />
und befähigt sind. Im Gegensatz zu LehrerInnen<br />
arbeiten sie nicht im Rahmen von<br />
Grundausbildungen sondern vor allem im<br />
Bereich der Fort- und Weiterbildung.<br />
Als erstes österreichisches Bildungsinstitut<br />
bietet <strong>Geronto</strong>.at eine spezielle Ausbildung<br />
für Pflegende in diesem Bereich an, die<br />
auch den Anforderungen des Wiener AMS<br />
an TrainerInnen entspricht.<br />
Die berufsbegleitende Ausbildung gliedert<br />
sich in sieben Module zu je 20 Unterrichtseinheiten<br />
(zwei Tage) in Abständen von<br />
jeweils vier Wochen und schließt <strong>mit</strong> einer<br />
Prüfung sowie einem Zertifikat ab.<br />
Die Ausbildungsinhalte:<br />
1. Fortbildungs- und Seminargestaltung<br />
2. Kommunikation in Bildungsprozessen<br />
3. Methodik, Didaktik und Rhetorik<br />
4. Präsentations- & Moderationstechniken<br />
5. Teamarbeit und Gruppendynamik<br />
6. Krisen- und Konfliktmanagement<br />
7. Gender- & Diversitykompetenz<br />
Die Teilnahmevoraussetzungen:<br />
• Abgeschlossene Berufsausbildung<br />
• Mindestens 5 Jahre Praxiserfahrung<br />
• Frauen im Alter 40+ werden bevorzugt<br />
Die TrainerInnen:<br />
Manuela Steinmetz, DGKS und diplomierte<br />
Erwachsenenbildnerin<br />
Christian Luksch, DPGKP, Dozent an der<br />
AWO-Aka<strong>dem</strong>ie Mainfranken<br />
Der Austragungsort:<br />
Wien (genauer Ort wird bei Anmeldung bekannt<br />
gegeben)<br />
Der Zeitraum:<br />
September 20<strong>09</strong> – April 2010 (genaue Zeit<br />
wird bei Anmeldung bekannt gegeben)<br />
Der Preis:<br />
• 1440,- (inkl. USt.)<br />
• 1200,- (inkl. USt.) für Frauen ab 40+<br />
Mehr Information unter:<br />
office@geronto.at<br />
25
<strong>Geronto</strong> – Fortbildung<br />
Lehrgang „Gesundheitsförderung<br />
im Pflegebetrieb“<br />
Keine andere Berufsgruppe ist mehr gesundheitlichen<br />
Belastungen ausgesetzt, als<br />
jene, die für die Gesundheit anderer sorgt.<br />
Körperliche und seelische Krankheiten, vom<br />
Bandscheibenvorfall bis zum Burnout-<br />
Syndrom sind die Folgen auf Seiten der Mitarbeiter,<br />
auf der Seite der Organisation sind<br />
es die explodierenden Kosten durch krankheitsbedingte<br />
Arbeitsausfälle.<br />
Systematische, betriebliche Gesundheitsvorsorge<br />
kann jedoch die Gesundheit der Pflegenden<br />
langfristig sichern, Ausfälle durch<br />
Krankheit verhindern und die Arbeitszufriedenheit<br />
massiv erhöhen.<br />
Dieser berufsbegleitende Lehrgang besteht<br />
aus einem fünftägigen Grundkurs sowie drei<br />
Aufbaumodulen zu je drei Tagen und<br />
schließt <strong>mit</strong> der Präsentation eines eigenen<br />
Projektes sowie <strong>mit</strong> einem Zertifikat ab.<br />
Die Module und ihre Inhalte:<br />
1. Allgemeine Grundlagen der betrieblichen<br />
Gesundheitsförderung<br />
2. Körperliche Gesundheitsprobleme Pflegender<br />
und ihre Prävention<br />
3. Psychosoziale Gesundheitsprobleme<br />
Pflegender und ihr Prävention<br />
4. Konzepte betrieblicher Gesundheitsförderung<br />
und ihre Implementierung<br />
Die Teilnahmevoraussetzungen:<br />
• Abgeschlossene Berufsausbildung<br />
Die TrainerInnen:<br />
Manuela Steinmetz, DGKS und diplomierte<br />
Erwachsenenbildnerin<br />
Christian Luksch, DPGKP, Dozent an der<br />
AWO-Aka<strong>dem</strong>ie Mainfranken<br />
Der Austragungsort:<br />
Wien (genauer Ort wird bei Anmeldung bekannt<br />
gegeben)<br />
Der Zeitraum:<br />
Oktober 20<strong>09</strong> – Juni 2010 (genaue Zeit wird<br />
bei Anmeldung bekannt gegeben)<br />
Der Preis:<br />
• 1200,- € (inkl. USt.)<br />
• 1080,- € (inkl. USt.) für Frauen ab 40+<br />
Mehr Information unter:<br />
office@geronto.at<br />
Lehrgang „Geriatrische<br />
Animation nach Luksch ® “<br />
Geriatrische Animation nach Luksch ® ist ein<br />
biographisch orientiertes Pflegekonzept für<br />
verwirrte alte Menschen, das sowohl die<br />
Lebensqualität der betroffenen PatientInnen<br />
als auch die Arbeitsqualität der sie pflegenden<br />
Personen erhöht.<br />
Es baut auf den Erkenntnissen der <strong>Geronto</strong>psychiatrie<br />
aufbaut und wurde zur raschen<br />
Implementierung in stationäre und<br />
ambulante Betreuungsformen entwickelt.<br />
Dieser berufsbegleitende Lehrgang besteht<br />
aus einem fünftägigen Grundkurs sowie drei<br />
Aufbaumodulen zu je drei Tagen. Die Fortbildung<br />
schließt <strong>mit</strong> der Präsentation einer<br />
Fallstudie sowie <strong>mit</strong> einem Zertifikat ab, das<br />
zur Ausführung der “Geriatrischen Animation<br />
nach Luksch” berechtigt.<br />
Die Module und ihre Inhalte:<br />
1. Allgemeine Grundlagen der Arbeit <strong>mit</strong><br />
verwirrten alten Menschen<br />
2. Orientierende und re-orientierende Arbeit<br />
<strong>mit</strong> verwirrten alten Menschen<br />
3. Aktivierende und re-aktivierende Arbeit<br />
<strong>mit</strong> verwirrten alten Menschen<br />
4. Integrative und re-integrative Arbeit<br />
<strong>mit</strong> verwirrten alten Menschen<br />
Die Teilnahmevoraussetzungen:<br />
• Abgeschlossene Berufsausbildung als<br />
DGKP oder APH und mind. zwei Jahre<br />
Praxiserfahrung in der Altenpflege<br />
Die TrainerInnen:<br />
Manuela Steinmetz, DGKS und diplomierte<br />
Erwachsenenbildnerin<br />
Christian Luksch, DPGKP, Dozent an der<br />
AWO-Aka<strong>dem</strong>ie Mainfranken<br />
Der Austragungsort:<br />
Wien (genauer Ort wird bei Anmeldung bekannt<br />
gegeben)<br />
Der Zeitraum:<br />
September 20<strong>09</strong> – Juni 2010 (genaue Zeit<br />
wird bei Anmeldung bekannt gegeben)<br />
Der Preis:<br />
• 1200,- € (inkl. USt.)<br />
• 1080,- € (inkl. USt.) für Frauen ab 40+<br />
Mehr Information unter:<br />
office@geronto.at<br />
26
Wortspende<br />
Claus Fussek<br />
auf die Frage, woran man ein schlechtes Altenheim erkennt:<br />
„Sie erhalten beim ersten Besuch zwei Hochglanzprospekte vorgelegt,<br />
ähnlich denen eines 5-Sterne-Hotels,<br />
und der Heimleiter erklärt Ihnen ganz stolz<br />
dass dort alles in Ordnung ist,<br />
die Bewohner sich wohlfühlen,<br />
es keine Beschwerden gibt<br />
und je<strong>dem</strong> das Essen schmeckt.<br />
Da können Sie gleich wieder gehen,<br />
denn so etwas gibt es nicht.“<br />
Zur Person:<br />
Claus Fussek (geboren 1953, verheiratet, 2 Kinder) ist ein Sozialpädagoge, der in der Nähe<br />
von München lebt. Seine Haupttätigkeit ist seit 1978 zusammen <strong>mit</strong> anderen KollegInnen die<br />
Vereinigung Integrationsförderung, eine Organisation zur ambulanten Langzeit-Pflege.<br />
2001 klagte er in Genf vor <strong>dem</strong> UN-Ausschuss für soziale Rechte die katastrophalen Zustände<br />
in deutschen Altenheimen ein und erhielt dafür wiederholt Morddrohungen.<br />
Im Januar 2008 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.<br />
27
Kolumne<br />
Was ist der Mensch?<br />
Mghanga M. Bonaventura, 28, Friseur in Kenia<br />
Der 28-jährige Mghanga M. Bonaventura betreibt in Ukunda an der kenianischen Ostküste<br />
einen Friseursalon als Einmannunternehmen. Bonaventura, der <strong>mit</strong> 18 Jahren im Friseurladen<br />
seines Onkels das Haareschneiden lernte, hat eine drei Jahre alte Tochter.<br />
Monatlicher Verdienst, Grundkosten<br />
und Altersvorsorge:<br />
Im Durchschnitt verdient Mghanga rund 85 Euro im<br />
Monat. Dafür muss er sieben Tage pro Woche von 6<br />
bis 20 Uhr im Salon stehen. Um seinem Kind eine<br />
gute Ausbildung zu ermöglichen, schickt er es auf<br />
eine private Vorschule, die 34 Euro im Monat kostet.<br />
Von <strong>dem</strong>, was übrig bleibt, bezahlt er Miete und<br />
Lebens<strong>mit</strong>tel. Zurzeit kann er nichts für die Altersvorsorge<br />
zurücklegen.<br />
Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?<br />
"Die Gesundheit und die Arbeit. Ich darf nicht krank<br />
werden, sonst könnte ich meine Familie nicht ernähren."<br />
Was tun Sie in Ihrer Freizeit?<br />
"Die wenige Freizeit, die ich habe, verbringe ich <strong>mit</strong><br />
meiner Familie. Ab und zu ist noch ein Bier <strong>mit</strong> einem<br />
Freund drin. Wenn ein Tag wirklich gut gelaufen<br />
ist, dann lade ich meine Familie in ein Restaurant<br />
ein. Es ist wichtig, dass meine Frau und meine<br />
Tochter auch mal rauskommen. Außer<strong>dem</strong> unterstütze<br />
ich hin und wieder die Familien meiner Cousins<br />
<strong>mit</strong> einem kleinen Betrag, da sie sehr arm sind<br />
und keine Arbeit haben."<br />
Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />
"Ich hoffe, dass ich bald etwas expandieren kann.<br />
Im Moment mache ich mir Gedanken, was ich neben<br />
<strong>dem</strong> Haareschneiden noch anbieten könnte."<br />
Die kenianische Küstenregion lebt vor allem<br />
vom Tourismus. Welchen Einfluss haben Ausländer<br />
auf die lokale Wirtschaft?<br />
"Wenn sich mal ein Tourist in meinen Laden verirrt,<br />
dann ist das ein sehr guter Tag. Ein Kenianer zahlt<br />
bei mir etwa 0,22 Euro für einen Kurzhaarschnitt.<br />
Ausländer geben Trinkgeld, und ich kann einen höheren<br />
Preis ansetzen. Davon profitieren auch andere<br />
Berufszweige wie Automechaniker oder Elektriker.<br />
Ohne die Touristen wäre unser Leben noch<br />
schwieriger."<br />
Kenia<br />
Einwohner:<br />
37 Millionen<br />
Währung:<br />
90 Kenia-Shilling = 1 Euro<br />
BIP pro Kopf:<br />
410 Euro<br />
(Österreich: 33.400 Euro)<br />
Human Development Index:<br />
Platz 152 von 177 Nationen<br />
(Österreich: Platz 15)<br />
Aktuelle Durchschnittskosten:<br />
1 Busfahrkarte: 0,56 Euro<br />
1 Fahrrad (gebraucht): 34 Euro<br />
1 Huhn: 3,18 Euro<br />
1 Flasche Soda: 0,18 Euro<br />
1 Kilo Zucker: 1,14 Euro<br />
1 Kilo Reis: 1,14 Euro<br />
1 T-Shirt: 4,55 Euro<br />
1 Speisefisch: 0,80 Euro<br />
1 Kinokarte: 0,11 Euro<br />
Quelle: www.brandeins.de<br />
28