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Gießener Universitätsblätter 2013 - Gießener Hochschulgesellschaft

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würden. Und genau dies ist mit dem Bilderzyklus<br />

der Reise im Sommer 1890 nach Gießen<br />

gelungen. Fast alles, was Himes fotografierte,<br />

ist mittlerweile verschwunden und<br />

nur noch in Bildern greifbar. 1890 knüpfte er<br />

an seine Studienzeit in den sechziger Jahren<br />

an und besuchte auf einer Europareise, zusammen<br />

mit seiner Tochter Anna Magdalen,<br />

auch Gießen. Charles Francis Himes traf genau<br />

zu dem Zeitpunkt in Gießen ein, als die<br />

Vorbereitungen für die Enthüllung des Liebigdenkmals<br />

und die Einweihung der neuen<br />

medizinischen Kliniken kurz vor dem Abschluss<br />

standen. Die ganze Stadt war bereits<br />

mit Tannenzweigen und Blumen geschmückt.<br />

Am Selterstor wurde eine prächtige Ehrenpforte<br />

mit Wappen, Girlanden und Kokarden<br />

errichtet; an fast jedem Haus hing die Landesfahne<br />

oder die Flagge der Stadt. Die Teilnahme<br />

an den Feierlichkeiten hat Charles<br />

Francis Himes anscheinend sehr viel bedeutet.<br />

In den Unterlagen des Stadtarchivs befindet<br />

sich ein Brief Himes’, worin er um die Überlassung<br />

einer Eintrittskarte für die Festlichkeiten<br />

zur Enthüllung des Liebigdenkmals<br />

bittet (siehe Kasten linke Seite).<br />

Himes hat sich zusammen mit seiner Tochter<br />

ca. fünf Tage hier aufgehalten und während<br />

dieser Zeit sind ca. 80 Fotografien entstanden,<br />

welche in der Stadt, auf dem Schiffenberg<br />

und auf dem Gleiberg entstanden sind.<br />

Diese Fotos gewähren insbesondere für die<br />

Stadt Gießen den Blick auf eine längst vergangene<br />

Welt. Die Motive sind für die bisher<br />

aus dieser Zeit bekannten Fotos aus Gießen<br />

ungewöhnlich und zeichnen sich darüber hinaus<br />

durch ihre große Lebendigkeit aus. Es<br />

fehlt ihnen völlig die üblicherweise vorherrschende<br />

statische Darstellungsweise. Sie<br />

sind im Gegenteil auf die Personen bezogen,<br />

rücken Alltagsszenen in den Mittelpunkt<br />

und haben oft Schnappschuss-Charakter.<br />

Mit diesen Aufnahmen lebt ein Teil des historischen<br />

Gießen wieder auf; vor allem aber<br />

werden seine Menschen in aller Natürlichkeit<br />

sichtbar.<br />

Die Fotos aus dem alten Gießen erlauben somit<br />

einen Blick in eine verlorene Welt. Die<br />

Aufnahmen des amerikanischen Chemikers<br />

auf Besuch in Gießen lassen somit ein einzigartiges<br />

Bild der Stadt entstehen, das an Authentizität<br />

und Frische bisher unbekannt<br />

war.<br />

Die Fotografien des ehemaligen <strong>Gießener</strong><br />

Chemiestudenten sind von Anfang November<br />

bis zum Jahresende 2012 im <strong>Gießener</strong><br />

KiZ (Kultur im Zentrum) in einer Ausstellung<br />

zu sehen gewesen. Wir werden diese Ausstellung<br />

– aufgrund der großen Nachfrage –<br />

in anderem Rahmen erneut zeigen.<br />

Wir freuen uns auf viele neugierige Besucher/innen,<br />

die das alte Gießen neu entdecken<br />

wollen und darüber hinaus welche Bande<br />

Universität und Stadt von jeher verbinden.<br />

Denn so, wie die Ausstellung ein beredtes<br />

Zeichen dafür ist, wie die Universität<br />

ein essentieller baulich-architektonischer Teil<br />

der Stadt war und selbstbewusst sein wollte<br />

(das neue Chemie-Gebäude entstand im<br />

Herzen Gießens – ganz in seiner Nähe wurden<br />

wenig später die großen Gymnasien der<br />

Stadt, eine der bedeutenden jüdischen Synagogen<br />

und das Stadttheater errichtet), so<br />

fand sich auch die akademische Einwohnerschaft<br />

zusammen mit dem hier geborenen<br />

Bildungs- und Großbürgertum selbstverständlich<br />

zur intellektuellen Elite der Universitätsstadt<br />

zusammen. Auch dafür ist die<br />

Ausstellung ein Zeichen.<br />

Während dieses (die bauliche Integration der<br />

Universität in die Stadt) heute mit den großen<br />

Investitionen in Infrastruktur im Rahmen<br />

der Heureka-Programme wieder verstärkt als<br />

selbstbewusster Anspruch in das gemeinsame<br />

Bewusstsein der Stadtgesellschaft gerät,<br />

wird es andererseits zukünftig verstärkt<br />

darum gehen, im Hinblick auf die soziale<br />

Struktur der Stadtgesellschaft angesichts zunehmender<br />

Heterogenität und Segmentierung<br />

das Zusammengehörigkeitsgefühl und<br />

die Verbindungen zu stärken. Dass die Einlassung<br />

der universitären Gesellschaft nicht<br />

mehr so geschieht wie Ende des 19., Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts, mag auch daran liegen,<br />

dass unsere heutige Welt im Gegensatz<br />

zu der Welt eines Charles Francis Himes mobiler<br />

geworden ist. Der Weggang fällt leich-<br />

21

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