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Lesen - Golf Dornseif

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Welche Bildung ist vonnöten?<br />

Anfangs hatte ich neun Schülerinnen und zwei Schüler von fünf und 13 Jahren. Zwei dieser Kinder waren<br />

kleine Mädchen, bereits in Afrika geboren. Sie mussten täglich eine Stunde auf einem Esel reiten, um die<br />

Schule zu erreichen. Jedes Kind gehörte eigentlich in eine Klasse für sich allein, und es war keineswegs<br />

einfach den Wünschen der Eltern nachzukommen...<br />

Zwar hatten wir die einzelnen Lehrfächer festgesetzt, und Herr von Lindequist hatte mit den Eltern<br />

darüber verhandelt. Es sollten Sprachen, Geschichte, Geographie, Rechnen, Religion, Schreiben, <strong>Lesen</strong><br />

usw. gelehrt werden, aber die Erwartungen der Eltern gingen weit auseinander. So sagte eines Tages ein<br />

Vater zu mir: "Mein Kind braucht nichts von Geographie und Historie zu erfahren, denn es genügt vollauf<br />

zu wissen, dass Berlin die Reichshauptstadt ist ..."<br />

Dagegen ist von einer Mutter zu berichten, die mit elf Jahren schon Teile aus Egmont in die französische<br />

Sprache übersetzen konnte (wie sie behauptete) und sich wunderte, dass ihre Tochter – trotz meines<br />

Unterrichts – nicht die gleiche Leistung vollbringe! – Gegenüber den Eltern schaffte ich mir notgedrungen<br />

mit der Zeit eine Aalhaut an.<br />

Als Schullokal war ein Zimmer im Gouvernementsgebäude primitiv hergerichtet worden: Drei Tische,<br />

einige Stühle und ein Harmonium. Immerhin war es ein historisch bedeutsames Instrument, ein<br />

Beutestück aus dem Hottentottenkrieg. Während der Belagerung von Hoornkranz hatte das Harmonium<br />

einen Gewehrschuss durch den Blasebalg abbekommen, sodass mehrere Töne stets versagten.<br />

Trotzdem machte mir das Spielen auf dem "Gerät" Spass, das zuvor von den gelben Fingern Samuel<br />

Isaaks, des Schulmeisters der Hottentotten, beherrscht worden war. Oft liess ich die Kinder zu meinem<br />

Spiel singen und ersetzte die fehlenden Töne durch meine eigene Stimme ...<br />

Unsere Schulstunden waren vielfach komisch, aber auch voller Ärger. Ich mühte mich redlich und freute<br />

mich sehr, als bei einem erst kurz zuvor angekündigten Examen Herr von Lindequist unerwartete Fragen<br />

in Geschichte, Sprachen und Rechnen stellte und meine Kinder gut "beschlagen" waren ...<br />

Plötzlich: unaufhaltsamer Abstieg<br />

Später mussten wir unser Schullokal immer wieder wechseln. Erst in das Haus eines<br />

Schulvorstandsmitglieds, des Herrn Schmerenbeck, dann nach Klein-Windhoek in ein leer stehendes<br />

kleines Gebäude. Dort bekamen wir endlich Schulbänke für die Kinder und eine Wandtafel. Die Zahl der<br />

Jungen und Mädchen schwankte – einige waren abgegangen, neue kamen hinzu, darunter eine<br />

Engländerin und einige Burenmädchen zur sprachlichen "Mischung". Mit den Burenkindern hatte ich<br />

grosse Mühe, denn sie zeigten wenig Sinn für Reinlichkeit und reagierten meistens bockig. Immerhin<br />

konnte ich von ihnen holländisch lernen, was mir später oft zugute kam ...

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