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R E P O R T<br />
Dieser Blitz-Mannschaftswagen von 1973 läuft heute bei Clubfreund Mattia Ferrari im Tessin<br />
Volles Programm<br />
Die bewegte Geschichte des Karosseriebauers Voll aus Würzburg<br />
Die folgende Geschichte wurde<br />
gleich von mehreren Seiten<br />
angestoßen: Nils Kupetz *3002 und<br />
Matthias Steckmann *1973 haben im<br />
vergangenen Jahr einiges zur Historie<br />
des Ascona C Cabrios recherchiert,<br />
gefertigt bei Hammond &<br />
Thiede in Würzburg. Die ersten<br />
Cabrios trugen noch ein Typenschild<br />
von Voll, dem Unternehmen, aus<br />
dem Hammond & Thiede hervorgegangen<br />
ist. Doch während sich<br />
wenigstens einige Informationen<br />
über die Historie dieses Karosseriebauers<br />
auftreiben ließen, haperte es<br />
lange am Bildmaterial. Dann schick-<br />
Clubmagazin Nr. 217 15
R E P O R T<br />
Vom Opel Blitz<br />
zum Ascona C Cabrio<br />
Der Opel Blitz bildete eine tragende<br />
Säule des Voll-Programms, das<br />
neben Sonderaufbauten aller Art<br />
zeitweise auch die Lohnfertigung<br />
des Blitz-Fahrerhauses umfasst hat.<br />
Es ist wahrscheinlich, dass der Ende<br />
der sechziger Jahre kleiner werdende<br />
Marktanteil des legendären Lasters<br />
zu den Schwierigkeiten beigetragen<br />
hat, in die Voll schließlich geraten<br />
ist. Immerhin 518 Mitarbeiter standen<br />
dort im Jahr 1984 in Lohn und<br />
Brot, die Auslastung war gut, aber<br />
die Erträge gingen zurück. Im Folgejahr<br />
wurde Voll von der im englischen<br />
Dover beheimateten Hamte<br />
Jochen Schramm *1122 einen<br />
Stapel originaler Aufnahmen. Beteiligt<br />
an der „Ausgrabung“ war auch<br />
Henning Zaiss *2604. Die Suche<br />
nach einem Titelbild führte schließlich<br />
über Eckhart Bartels *100 zu<br />
Mattia Ferrari *782, der einen Blitz-<br />
Mannschaftswagen mit Aufbau von<br />
Voll aufbewahrt und restauriert hat.<br />
Die Anfänge<br />
Gegründet wurde das Unternehmen<br />
1926 von Josef Voll als Reparaturwerkstatt<br />
in Würzburg. Wodurch die<br />
Aufnahme der Herstellung eigener<br />
Karosserien veranlasst worden ist,<br />
lässt sich nicht mehr nachvollziehen.<br />
Omnibusse wurden anfangs bei Voll<br />
gebaut, es folgten Sonderaufbauten<br />
aller Art, teils in Kleinserie, teils als<br />
Einzelanfertigungen auf Kundenwunsch.<br />
Feuerwehren, Polizei und<br />
THW bestellten ihre Aufbauten bei<br />
Voll, wo aber auch Verkaufsfahrzeuge<br />
gefertigt wurden, Notarzt- und<br />
Geländewagen, Konferenzbusse und<br />
Wohnmobile.<br />
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mond Group übernommen. Heute<br />
würde man dieses Unternehmen als<br />
Finanzinvestor bezeichnen, doch die<br />
von Hammond vorgenommenen<br />
Weichenstellungen waren richtig und<br />
durchaus auf Nachhaltigkeit ausgerichtet:<br />
Wenn sich mit LKW-Aufbauten<br />
nicht mehr genug verdienen<br />
lässt, kommen eben PKW ins Programm,<br />
Cabrio-Umbauten auf der<br />
Basis des Opel Ascona C. Auch mit<br />
den unrentablen Herstellabläufen<br />
machte Hammond Schluss, die<br />
Fertigung wurde auf das rationelle<br />
Fließband umgestellt. Sechs Jahrzehnte<br />
nach Opel, Voll scheint ein<br />
sehr konservativ geführtes Unternehmen<br />
gewesen zu sein.<br />
Schon im Juni 1985 wurde das<br />
eintausendste Cabrio ausgeliefert,<br />
bald sorgte der Bau des Corsa Spiders<br />
für die Firma Michalak für<br />
weitere Auslastung. Auf den ersten<br />
Blick etwas seltsam wirkt die Entscheidung,<br />
ab 1987 den konzeptionell<br />
dem Ascona ähnlichen Toyota<br />
Celica ebenfalls zum Cabrio umzubauen,<br />
doch dabei handelte es sich<br />
wie beim Corsa um Lohnfertigung.<br />
Auch den Porsche 928 haben die<br />
Würzburger aufgeschnitten, zur<br />
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Aufnahme einer Kleinserienfertigung<br />
kam es aber nicht.<br />
Das Unternehmen lief offenbar gut,<br />
als Hammond es an eine zypriotische<br />
Familie weiterveräußerte. Doch<br />
1989 erschien das Cabriolet, das auf<br />
einen Schlag allen Kleinserienprodukten<br />
den Garaus machte, der<br />
Mazda MX-5. Ironie der Geschichte:<br />
Der Entwurf des Automobils, das die<br />
Renaissance des Cabriolets einläuten<br />
sollte, stammt von Mark Jordan,<br />
dem Sohn des Opel-Designers<br />
Chuck Jordan. (Mark sucht übrigens<br />
immer noch ein Commodore B<br />
Coupé, Angebote bitte an Heiner<br />
Schnorrenberg.) Er hat uns dazu<br />
mitgeteilt, dass er in seiner Zeit bei<br />
Opel ein solches Projekt nie hat<br />
umsetzen können und dass auch bei<br />
Mazda später sehr viel Widerstand<br />
überwunden werden musste, um das<br />
erfolgreichste Cabrio aller Zeiten<br />
durchsetzen zu können.<br />
Zu diesem Zeitpunkt hatte das inzwischen<br />
als Hammond & Thiede<br />
firmierende Unternehmen die Fertigung<br />
des Ascona C Cabrios bereits<br />
eingestellt. Einen Nachfolger lancierten<br />
die Würzburger gar nicht<br />
erst, weil er zwangsläufig viel teurer<br />
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geworden wäre als der in Großserie<br />
gebaute MX-5.<br />
Mazdas Glück, Volls Pech, und auch<br />
der Absturz von Unternehmen wie<br />
Karmann oder Bertone findet seine<br />
Ursache wenigstens teilweise im<br />
Erfolg des japanischen Sportlers.<br />
Voll blieb keine andere Wahl als die<br />
Cabrio-Fertigung aufzugeben. 1991<br />
kam es zu einer Massenentlassung.<br />
Die Sanierung schlug fehl, weil es<br />
nicht gelang, ein ausreichend ertragsstarkes<br />
neues Produkt am Markt<br />
zu etablieren. Voll versuchte es<br />
zuletzt mit Kühlfahrzeugen.<br />
1992 endete die Geschichte der<br />
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Karosseriefabrik in Würzburg.<br />
Verwechselt wird Voll hin und<br />
wieder mit Voll & Ruhrbeck. Dieses<br />
1920 in Berlin gegründete Unternehmen<br />
hat aber nie den Blitz eingekleidet,<br />
sondern nur PKW karossiert und<br />
nach 1945 den Betrieb nicht wieder<br />
aufgenommen.<br />
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Randalierende Studenten sollte der Blitz in Schach zu halten helfen, doch im<br />
Tessin gab es keine<br />
Es lebt sich alles in allem problemlos<br />
mit dem Blitz, berichtet Mattia. Nur<br />
die Größe bereitet immer wieder<br />
Probleme beim Unterstellen, oft muss<br />
der Blitz draußen übernachten und<br />
schneit dann schon mal ein<br />
Ein Blitz von Voll heute<br />
1973 wurde der Blitz in den Dienst<br />
der Tessiner Kantonspolizei gestellt,<br />
der auf unserem Titelbild zu sehen<br />
ist. Vermutlich unter dem Eindruck<br />
der 1968 in verschiedenen europäischen<br />
Städten einsetzenden Studentenunruhen<br />
orderte die Kantonspolizei<br />
gleich drei solcher Mannschaftswagen<br />
bei Voll, inklusive bei Bedarf<br />
zu montierender Schutzgitter für die<br />
Scheiben. Doch die Tessiner verspürten<br />
keine Neigung,<br />
Mannschaftswagen und Polizisten<br />
mit Pflastersteinen zu bewerfen, und<br />
so blieb das erste Leben des Blitz-<br />
Busses ein ruhiges.<br />
1987 wurde er an einen Verein mit<br />
dem wohlklingenden Namen Croce<br />
Verde Bellinzona verkauft. Wörtlich<br />
übersetzt grünes Kreuz, es handelt<br />
sich um einen Rettungsverein. Dessen<br />
damaliger Präsident Mattia<br />
Ferrari *782 den Mannschaftswagen<br />
schließlich 1997 als Liebhaberstück<br />
übernommen und restauriert hat.<br />
Heute trägt der Blitz die Opel-<br />
Farben gelb und weiß. Seine vollständige<br />
Geschichte steht im Opel-<br />
Jahrbuch 2003.<br />
Text: Stefan Heins *1662<br />
Fotos: Archiv Jochen Schramm<br />
*1122, Adam Ferrari *3564<br />
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Die Sitzbänke wurden neu bezogen, und die Fotoaufnahmen hat Boxer Darco bewacht<br />
In den beiden Heckscheiben spiegelt sich die Schweizer Bergwelt<br />
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