Das Museum
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REPORT<br />
<strong>Das</strong> <strong>Museum</strong><br />
Der Abend unserer Mitgliederversammlung<br />
am 25.10.08<br />
endete mit einer Überraschung:<br />
Heinz H. Zettl lud zu einer<br />
318.000 Kilometer – bringen einen Kadett A nicht um!<br />
10 Clubmagazin Nr. 193<br />
Besichtigung der Werkssammlung<br />
ein, mit reichhaltigem Abendessen,<br />
und mit einem ganz speziellen<br />
„Nachtisch“: Einem Gang durch die<br />
Rennwagensammlung – oder besser:<br />
ein kleiner Ausschnitt davon<br />
„Heiligen Hallen“, die normalerweise<br />
nicht öffentlich zugänglich sind. <strong>Das</strong><br />
Gros der Fotos zu dieser Geschichte<br />
ist an diesem schönen Abend entstanden,<br />
aber die Zeit für ein Hintergrundgespräch<br />
war natürlich nicht da.<br />
Wir haben das im Dezember nachgeholt,<br />
zwei Tage vor dem Abschied<br />
von Heinz Zettl in den Ruhestand. (S.<br />
dazu auch Ausgabe 05/08, Seite 14.)<br />
Im Opel-Forum herrscht geschäftiges<br />
Treiben an diesem Montagmorgen im<br />
Dezember. Der Insignia-Antriebsstrang<br />
wird von einer breit fränkisch<br />
sprechenden Familie bestaunt, zwei<br />
Herren aus Italien kämpfen gegen<br />
den Impuls, im Kapitän P Platz zu<br />
nehmen, eine Gruppe Jugendlicher<br />
belagert den Shop. Der Sicherheitsmann<br />
beäugt misstrauisch Laptop<br />
und Kamera, schließlich werden auf<br />
dem Rüsselsheimer Werksgelände<br />
auch Prototypen bewegt. Erst als er
erfährt, dass Heinz Zettl gegen die<br />
Mitnahme dieser Gerätschaften keine<br />
Einwände erhebt, füllt er den Besucherschein<br />
aus.<br />
Heinz Zettl hat seinen GT mitgebracht.<br />
Wir fädeln uns in den Roadster,<br />
dessen Kofferraum die Computertasche<br />
gerade noch fasst, die<br />
Reisetasche aber nicht. Herr Zettl<br />
lächelt. „Sind wir nicht alle Sportwagenliebhaber?“<br />
Eine gute Frage.<br />
Vermutlich sind wir das wirklich alle.<br />
Die einen pflegen eine platonische<br />
Zuneigung, die anderen leben das<br />
aus.<br />
Um das Ausleben geht es in dieser<br />
Geschichte, um das Ausleben eines<br />
Traumes. 43 Jahre liegt der Moment<br />
zurück. Auszubildende heißen noch<br />
Lehrlinge, und ein angehender Industriekaufmann<br />
im ersten Lehrjahr<br />
steht zum ersten Mal vor der Werkssammlung.<br />
Etwa 60 Autos hat Opel<br />
in den Tagen des Rekord B, der heute<br />
übrigens mit einer besonderen Geschichte<br />
in der Sammlung vertreten<br />
ist: Sepp Herberger hat den dunkelgrünen<br />
1900 L gefahren, der aussieht<br />
als sei er ein perfekt erhaltenes<br />
Original. Aber das ist er nur fast.<br />
Heinz Zettl erinnert sich: „Wir haben<br />
den Wagen an den DFB ausgeliehen<br />
und mit einem Heckschaden zurückerhalten<br />
und sonst etwas versucht,<br />
um den leicht patinierten Farbton zu<br />
treffen. Am Ende wurde es eine<br />
Komplettlackierung…“<br />
Beim Wiederaufbau der Exponate<br />
bleiben solche Überraschungen nicht<br />
aus, ihre Zahl hat mit den Jahren aber<br />
deutlich abgenommen. <strong>Das</strong> letzte<br />
Auto, an dem es mehr Arbeit gab als<br />
zunächst veranschlagt, war ein Rekord<br />
E Caravan. Der Kadett A in L-<br />
Ausführung, den Mechaniker Fabian<br />
Nebe gerade komplettiert, zeigte sich<br />
dagegen sehr gut erhalten, und auch<br />
das Rekord A Deutsch-Cabriolet, das<br />
gerade aufgebaut wird, scheint keine<br />
bösen Überraschungen zu bergen.<br />
Doch zurück in die Zeit um 1965, als<br />
der Rekord B noch als Neuwagen<br />
unterwegs und Heinz Zettl im ersten<br />
Lehrjahr bei Opel war. Sein Gedanke<br />
beim Anblick der damaligen Werkssammlung,<br />
die natürlich lange nicht<br />
nach heutigen Standards restauriert<br />
REPORT<br />
Ein Bruchteil der fünf Jahrzehnte währenden Fahrradproduktion von Opel<br />
Flugmotor oder: Es gibt so gut wie nichts, was Opel nicht gebaut hat<br />
war: „<strong>Das</strong> möchte ich eines Tages<br />
machen, in Verantwortung.“ Aber<br />
Lehrjahre sind keine Herrenjahre, zu<br />
tun gibt es andere Dinge, Träume<br />
gehen verschütt, nur die wirklich<br />
bedeutenden Träume widerstehen<br />
dem Alltag.<br />
Fast zwanzig Jahre später war es<br />
dann so weit: Heinz Zettl wurde die<br />
Verantwortung für Opels Aktivitäten<br />
auf Messen und bei Veranstaltungen<br />
übertragen. <strong>Das</strong> Oldtimerhobby<br />
steckte in Deutschland noch in den<br />
Kinderschuhen. Oldtimer hatten<br />
einen Rahmen, der Bugatti in der<br />
Scheune war ein Traum, über den auf<br />
der Veterama getuschelt wurde, feiste<br />
Landwirte mit roten Gesichtern<br />
Lutzmann-Motor – Stefan Fachinger<br />
Clubmagazin Nr. 193 11
REPORT<br />
<strong>Das</strong> ist ´ne Rakete – RAK II und Raketenmotorrad<br />
zerrten Trümmerhaufen auf Anhänger,<br />
die nur mit Mühe als Opel P4 zu<br />
erkennen waren und bei solchen<br />
Veranstaltungen stündlich an eingebildetem<br />
Wert verloren, bis sie<br />
abends nach zähem Feilschen doch<br />
einen mutigen Restaurierer fanden.<br />
Oldtimer Markt erschien auf dem<br />
12 Clubmagazin Nr. 193<br />
groben Papier, das vom bloßen<br />
Erwähnen einer Zigarette gelb anlief.<br />
Die Alt-Opel IG hatte zwar ihr erstes<br />
Jahrzehnt erlebt, war aber noch ein<br />
sehr übersichtlicher Club. Was sich<br />
auch über Opels Oldtimer-Etat in<br />
dieser Zeit sagen lässt. „Drei Autos<br />
haben wir restauriert, darunter den<br />
Hohe Standards - die Detailqualität der ausgestellten Fahrzeuge überzeugt.<br />
Hier ein Olympia ´51<br />
Doktorwagen“, erinnert sich Herr<br />
Zettl. Mehr war nicht drin.<br />
1987 erfolgte der Wechsel in den PR-<br />
Bereich, der Aufbau der systematischen<br />
Clubbetreuung begann sofort.<br />
Zuvor hatte es über Bodo Fischer<br />
schon Kontakte zur Alt-Opel IG<br />
gegeben, aber da musste noch vieles<br />
in der Freizeit laufen; wie auch der<br />
Aufbau des Literaturfundus, der<br />
heute die Basis des Werksarchivs<br />
bildet. In diese Zeit fällt auch der<br />
Beginn der regelmäßigen Opel-<br />
Beteiligung an Oldtimerveranstaltungen.<br />
<strong>Das</strong> „rollende <strong>Museum</strong>“ ist<br />
seither stetig gewachsen, gut 180<br />
Veranstaltungen hat Opel im Jahr<br />
2008 mit Klassikern beschickt. Natürlich<br />
braucht es dazu einen weitaus<br />
größeren Fahrzeugbestand als damals,<br />
weshalb Instandhaltung und<br />
Restaurierung längst in einem großen<br />
Rahmen betrieben werden. Heute<br />
beherbergt die Sammlung knapp 500<br />
Autos, plus Nähmaschinen, Fahrräder,<br />
Motorräder, Flugmotoren, Pokale,<br />
Kühlschränke, Devotionalien aller<br />
Art. An die Fachpresse verliehen<br />
wird davon nur ein kleiner Teil – die
Zeiten, in denen der Umgang mit<br />
Doppelkuppeln und Zwischengas<br />
Allgemeingut waren, liegen nun<br />
einmal schon ein bisschen zurück.<br />
„Man darf nicht vergessen, dass Opel<br />
wesentlich älter ist als die im diesem<br />
Jahr anstehenden 110 Jahre Automobilbau“,<br />
stellt Alex Petermann klar,<br />
der sich zu uns gesetzt hat. Heinz<br />
Zettl ergänzt lächelnd: „Wir haben<br />
schon viel zusammen, aber mit jedem<br />
neuen Exponat fällt einem eine<br />
weitere Ausführung ein, die eigentlich<br />
auch noch in die Sammlung<br />
gehört…“<br />
Alex Petermann leitet heute den<br />
Fuhrpark, kümmert sich also um die<br />
Testwagen für die Presse, die Autos<br />
für den Verkehr auf Werksgelände –<br />
GT Diesel-Rekordwagen<br />
Admiral ´38 – Joachim Zak<br />
und um die <strong>Museum</strong>swerkstatt, die<br />
sechs Mitarbeiter sowie die technische<br />
Betreuung der Exponate. „Im<br />
Volksmund heißt die Sammlung<br />
längst <strong>Museum</strong>“, sagt Alex Petermann.<br />
Was angesichts der Größenordnung<br />
und der hohen Dichte an<br />
Raritäten mehr als angemessen ist.<br />
Wie es weitergeht? Am 27.11.2008<br />
ist die vorgesehene Mischnutzung des<br />
historischen A-Baus vom Bauamt<br />
genehmigt worden, mit dem Erteilen<br />
der Baugenehmigung rechnet Heinz<br />
Zettl für das späte Frühjahr 2009, und<br />
der Beginn des Umbaus wird dann<br />
umgehend erfolgen. „Wir liegen im<br />
Zeitplan“, berichtet er, “und Ende des<br />
1. Halbjahres 2011 wird das <strong>Museum</strong><br />
wie geplant eröffnet werden.“ Kadett A L – Fabian Nebe<br />
Fahrrad – Stefan Vietor<br />
REPORT<br />
Rennwagen 1914 – Albert Hagels<br />
Clubmagazin Nr. 193 13
REPORT<br />
Sport statt Transport - Kadett und Ascona im Rallyetrimm<br />
Von den insgesamt 8.000 m² im A-<br />
Bau sollen 6.000 m² als Ausstellungsfläche<br />
dienen, die verbleibenden<br />
2.000 m² verteilen sich auf das Archiv,<br />
Räume für die Verwaltung und<br />
nicht zuletzt für die Nutzung durch<br />
Clubs, die auf die angeschlossene<br />
14 Clubmagazin Nr. 193<br />
Gastronomie zurückgreifen können.<br />
Diskussionen über das Projekt gibt es<br />
nicht, betont Heinz Zettl. <strong>Das</strong> <strong>Museum</strong><br />
kommt.<br />
<strong>Das</strong> rollende <strong>Museum</strong> bleibt, vielleicht<br />
verschieben sich die Akzente<br />
manchmal. Seit drei Jahren rollt (oder<br />
Seltenes Stück – der Moonlight Roadster gehört zu den besonderen Raritäten<br />
der Werkssamlung<br />
heizt) die Histo-Monte über das<br />
Werksgelände, die Erfahrungen mit<br />
dieser Veranstaltung werden bei Opel<br />
positiv bewertet, an weiteren Kooperationen<br />
dieser Art besteht durchaus<br />
Interesse. Doch allen wirtschaftlichen<br />
Aspekten zum Trotz ist den Mitarbeitern<br />
der Spaß an der Arbeit anzumerken.<br />
Mit leuchtenden Augen erzählt<br />
Herr Zettl vom London-Brighton-<br />
Run 2008. „Wir hatten den Rennwagen<br />
von 1903 mit“, berichtet er, und<br />
dann: „Startnummer 214, im Ziel als<br />
Dritte.“ 211 Autos hat der Veteran<br />
überholt. Was natürlich auch an der<br />
akkuraten Vorbereitung liegt. „Wir<br />
trauen uns längst auch an die Autos<br />
der Messingära heran, restaurieren sie<br />
selbst, und sie halten solche Rennen<br />
durch“, erzählt Alex Petermann.<br />
Von solchen Abenteuern ahnen die<br />
gut 50.000 Besucher, die am Ende<br />
von Werksführungen einen Blick auf<br />
den öffentlich zugänglichen Teil der<br />
Sammlung werfen können, nicht<br />
unbedingt etwas. Neben den Familien
der Werksangehörigen, die einmal im<br />
Monat zum Familientag kommen,<br />
sind das z.B. Architekten, die sich<br />
Anregungen für ihre Arbeit holen,<br />
Clubs anderer Fabrikate, Versicherer,<br />
Lions Clubs, der VDA, Opel-Händler,<br />
der ASC, aber auch die Spitzen<br />
des deutschen und europäischen<br />
Managements von Opel und GM.<br />
Und glänzende Augen hat noch jeder<br />
bekommen, der vor dem RAK II<br />
gestanden hat oder vor den GT-<br />
Prototypen, vor dem millionsten<br />
Rekord D oder der Motoclub, vor der<br />
scheinbar endlosen Reihe an Fahrrädern<br />
oder Ari Vatanens legendärem<br />
Safari-Ascona.<br />
„Wir müssen uns hinter keinem<br />
unserer Wettbewerber verstecken“,<br />
sagt Heinz Zettl zum Abschied, und<br />
damit meint er nicht nur Opels reichhaltige<br />
Geschichte. Wer die Sammlung<br />
(immer) noch nicht gesehen hat:<br />
Führungen für maximal vier Personen<br />
sind im Rahmen der regulären<br />
Werksführungen ohne Voranmeldung<br />
Wilde Feger - GT-Prototypen und Rekordwagen<br />
Typreferenten knien sich rein – die Herren Müller und Both<br />
begutachten die Klappschweinwerfermechanik des GT-Prototypen<br />
REPORT<br />
Clubmagazin Nr. 193 15
REPORT<br />
High Tech auf zwei Rädern – offene ohv-Ventilsteuerung am Motorrad, lange, bevor das üblich wurde!<br />
Frühwerk - Opel System Lutzmann<br />
16 Clubmagazin Nr. 193<br />
möglich, größere Gruppen benötigen<br />
einen Termin. Dieser Modus wird für<br />
die noch zweieinhalb Jahre bis zur<br />
Eröffnung des neuen <strong>Museum</strong>s<br />
bestehen bleiben. Der Besuch lohnt<br />
unbedingt – und wir werden bald im<br />
Zuverlässigen das eine oder andere<br />
Highlight der Sammlung vorstellen…<br />
Text: Stefan Heins *1662<br />
Fotos: Dieter Budke, Stefan Heins,<br />
Peter Paal, Heiner Schnorrenberg,<br />
Opel Classic<br />
Die Herren Aaltonen und Röhrl haben<br />
diesen Irmscher-Manta artgerecht<br />
bewegt…