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Rede zur Trauerfeier für Gerd Hatje von Uwe M. Schneede

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Zu seinem Verständnis <strong>von</strong> einem zeitgenössischen Stil, der der Moderne verpflichtet war,<br />

gehörte aber ganz entschieden auch die Gestaltung der Bücher. Alle Mühe wurde auf die<br />

Schönheit der Bücher in der handwerklichen Tradition der Druckkunst und in der gestalterischen<br />

Tradition des Bauhauses gelegt.<br />

Damit war der Verlag höchst erfolgreich. Ab 1956 zählten jährlich – mit ganz wenigen<br />

Ausnahmen – ein, zwei oder gar drei der Publikationen aus diesem Haus zu den schönsten<br />

Büchern der Bundesrepublik Deutschland, wie sie <strong>von</strong> der Stiftung Buchkunst ermittelt<br />

wurden, übrigens auch noch in den 80er Jahren.<br />

Die Wiedergewinnung der großen Kultur der Moderne. Daran sehr aktiv mitgewirkt zu haben,<br />

ist in meinen Augen das unvergleichliche verlegerische Verdienst <strong>von</strong> <strong>Gerd</strong> <strong>Hatje</strong>. Für mich<br />

ist er sowohl mit den bibliophilen Ausgaben und den anspruchsvollen Monographien als auch<br />

mit den eher in die Breite gehenden zahlreichen Kompendien und Jahrbüchern – <strong>für</strong> mich<br />

ist <strong>Gerd</strong> <strong>Hatje</strong> mit diesen Werken der Rehabilitation der Moderne, mit diesen Werken der Aufklärung<br />

und der ästhetischen Bildung bewußtseins- und stilbildend wirksam geworden.<br />

Er arbeitete an der Wiederherstellung des weiten geistigen und künstlerischen Horizonts –<br />

und wurde so einer der geistigen Mitbegründer der Kultur in der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Als Layouter war er wie als Verleger ein stolzer Selfmademan. Der Verlag, hat er mir einmal<br />

gesagt, sei seine eigene Universität. Er lernte zeitlebens in der Zusammenarbeit mit Künstlern,<br />

mit Architekten, mit Autoren. So sei er durchs Leben flaniert, und er fügte hinzu, gewiß untertreibend<br />

und nicht ohne Koketterie, er habe stets gemacht, was ihm gefallen habe, »aber es<br />

hat noch keiner gemerkt«.<br />

Dann aber kam, als er schon über 60 war, etwas <strong>für</strong> ihn ganz Neues hinzu, eine Verantwortung<br />

über den eigenen Verlagsbereich hinaus. Das sei sogar, schrieb er mir in einem Brief, eine Art<br />

Lebensrettung gewesen, und ich hätte den Anstoß da<strong>für</strong> gegeben. Irgendwann in den 70er<br />

Jahren hatte ich ihn nämlich beiläufig gefragt, ob er nicht eine Aufgabe im Vorstand des traditionsreichen<br />

Württembergischen Kunstvereins übernehmen möge. Er stimmte zu und wurde<br />

dann Ende der 70er Jahre – lange nach meiner Zeit – der verantwortliche Vorsitzende. Das sei,<br />

sagte er später, just in dem Moment geschehen, da er in der Versuchung gewesen sei, etwas<br />

bequem zu werden.<br />

Die öffentliche Verantwortung, das Denken und Handeln <strong>für</strong> andere war <strong>für</strong> ihn eine ganz<br />

entscheidende neue Herausforderung und, wie es scheint, ein Lebensgewinn. Für die Kunst<br />

und die Kulturpolitik in der Stadt und im Land war es allemal ein großer Gewinn, daß eine<br />

Persönlichkeit wie <strong>Gerd</strong> <strong>Hatje</strong> <strong>für</strong> diese Institution und <strong>für</strong> die intensive Beschäftigung mit<br />

der Moderne und der zeitgenössischen Kunst geradestand.<br />

<strong>Rede</strong> <strong>zur</strong> <strong>Trauerfeier</strong> Seite 6

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