Stenografischer Bericht - Deutscher Bundestag
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16738 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juni 2005<br />
(A)<br />
(B)<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/<br />
Die Grünen.<br />
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Herr<br />
Koppelin, Sie haben mich gerade direkt angesprochen;<br />
Sie haben gesagt, wo wir Grünen gestartet und wo wir<br />
gelandet sind. Ich will zum Anfang meines Redebeitrags<br />
zur Haushaltssituation – in einer Situation, in der wir uns<br />
einem Wahlkampf und Neuwahlen nähern – allen deutlich<br />
sagen: Keine Seite hier im Parlament hat angesichts<br />
der Situation, angesichts der Zahlen und Schwierigkeiten,<br />
die Sie hier benennen, Grund, selbstgefällig zu sein,<br />
ausdrücklich auch Sie nicht. Denn wenn man in Ruhe<br />
und mit inhaltlichem Interesse liest, wie begründet wird,<br />
warum Deutschland in einer so schwierigen Lage ist,<br />
dann stellt man fest, dass die wenigsten meinen, dass<br />
dies Rot-Grün zuzuschreiben sei. Vielmehr liest man: In<br />
den 90er-Jahren, als es vor dem damaligen wirtschaftlichen<br />
Hintergrund wichtig gewesen wäre, Reformthemen<br />
in Deutschland mutig anzupacken, haben Sie über einen<br />
längeren Zeitraum versagt, als wir bislang überhaupt regiert<br />
haben.<br />
(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Da war die Wiedervereinigung<br />
mit ihren Problemen!)<br />
Sie haben keinen Grund zur Selbstgefälligkeit.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD)<br />
Zu den Themen Mut und Offenheit werde ich gleich<br />
noch ein paar sehr deutliche Worte sagen. Zuvor will ich<br />
einmal kurz beschreiben, was Rot-Grün in der Haushalts-<br />
und Finanzpolitik seit 1998 gemacht hat.<br />
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts<br />
Gutes!)<br />
Wir haben die Steuern erheblich gesenkt. Dazu haben<br />
wir auch die Zustimmung im Bundesrat erwirkt.<br />
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt stehen<br />
Sie plötzlich zu den Körperschaftsteuerausfällen?)<br />
Ich weiß, dass Sie teilweise mit geballter Faust in der Tasche<br />
zur Kenntnis genommen haben, dass wir Einkommensteuertarife<br />
erreicht haben, die Sie nicht hinbekommen<br />
haben.<br />
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Sie vorher<br />
blockiert haben, insbesondere dieser Mann<br />
da vorn! Der hat Petersberg blockiert!)<br />
Wir haben die Finanzhilfen in Höhe von 12 Milliarden<br />
Euro bis heute, nach sieben Jahren, um die Hälfte<br />
vermindert. Damit macht man sich nicht nur Freunde.<br />
Wir haben die Ausgaben des Bundes in den letzten Jahren<br />
trotz wirtschaftlich schwieriger Zeit absolut zurückgeführt;<br />
von den Preissteigerungen in den letzten Jahren<br />
habe ich dabei noch gar nicht geredet. Das wissen Sie<br />
auch und das stimmt.<br />
Es gibt zwar – das will ich nicht leugnen – weiterhin<br />
eine große strukturelle Lücke im Haushalt, aber man<br />
muss sehen, dass wir trotz schwieriger wirtschaftlicher<br />
Situation die Ausgaben strikt konsolidiert haben. Verursacht<br />
wird die Lücke durch – das sagt jede Analyse –<br />
wegbleibende Steuereinnahmen und zusätzliche Ausgaben<br />
für den Arbeitsmarkt aufgrund der Arbeitslosigkeit.<br />
(Zuruf von der CDU/CSU: Durch eine falsche<br />
Politik!)<br />
Ich werde auf den Bereich Arbeitsmarkt gleich noch zurückkommen.<br />
Jetzt aber zunächst zu den Stichworten Mut und Ehrlichkeit<br />
– schließlich stehen wir jetzt vor einem kurzen,<br />
aber vermutlich knackigen Wahlkampf –: Auch wir sind<br />
der Meinung, dass diejenigen, die Regierungsverantwortung<br />
tragen, Vorschläge machen müssen. Wir haben dies<br />
getan und dafür Mut und Konsequenz aufgebracht; das<br />
hat Herr Eichel gerade noch einmal in Zahlen ausgedrückt.<br />
Wir haben uns bewusst der Kritik ausgesetzt, indem<br />
wir das Risiko eingegangen sind, Subventionsstreichungen<br />
vorzuschlagen. Sie dagegen haben in diesem<br />
Punkt – Herr Meister hat vorhin davon gesprochen, man<br />
brauche Mut in der Finanzpolitik – versagt. Sie mussten<br />
nicht die Verantwortung übernehmen, die Vorschläge<br />
erfunden zu haben, aber Sie hätten in der Verantwortung<br />
vor der Situation der öffentlichen Haushalte, die Ihnen<br />
bekannt war, wenigstens sagen müssen: Wir blockieren<br />
das nicht.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD)<br />
Fakt ist, dass Sie die öffentlichen Haushalte mit Ihrem<br />
Verhalten in die Enge getrieben haben; das Ganze macht<br />
einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag aus. Die<br />
Folge ist nicht allein, dass der Bundeshaushalt ein Problem<br />
hat, sondern dass fast allen Ländern die Puste ausgeht.<br />
Wenn wir von Verantwortung reden und moralische<br />
Kategorien bedienen, dann frage ich Sie: Wiegen<br />
eigentlich Schulden in den Länderhaushalten für die<br />
nachfolgenden Generationen minder schwer als Schulden<br />
im Bundeshaushalt? Was maßen Sie sich eigentlich<br />
an, nicht den Zusammenhang zu sehen, was Ihre Blockadepolitik<br />
den zukünftigen Generationen zumutet und<br />
was der Reformstau in diesem Land an dieser Stelle leider<br />
bewirkt?<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD)<br />
Deswegen ist es schon absurd, dass sich die CDU-<br />
Ministerpräsidenten in den Ländern, die gegenüber der<br />
Bundespolitik klagen und unter den Schulden stöhnen,<br />
dazu hergegeben haben, diesen Subventionsabbau wegen<br />
einer Unionstaktik zu verhindern. Solche Politiker,<br />
solche Ministerpräsidenten brauchen wir gewiss nicht<br />
hier auf der Regierungsbank. Sie sind verantwortungslos.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD)<br />
Nun komme ich zu den Vorschlägen der CDU und der<br />
FDP. Zwischen den Vorschlägen beider Parteien beste-<br />
(C)<br />
(D)