Luxemburg und der Darwinismus, ein historischer Rückblick - SNL
Luxemburg und der Darwinismus, ein historischer Rückblick - SNL
Luxemburg und der Darwinismus, ein historischer Rückblick - SNL
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
auf die nämliche Weise in <strong>der</strong> organischen,<br />
wie in <strong>der</strong> unorganischen Welt wirken. So<br />
bestechend diese Lehre, vorgetragen von<br />
den ersten Geistern <strong>der</strong> Jetztzeit <strong>und</strong> gestützt<br />
auf <strong>ein</strong> gewaltiges, durch fleißige Forschung<br />
geliefertes Beobachtungsmaterial, ersch<strong>ein</strong>t,<br />
so sind doch gewisse Einwendungen gegen<br />
dieselbe vielleicht nicht gänzlich abzuweisen“<br />
(Glaesener 1895: 115).<br />
Von <strong>der</strong> materialistischen Theorie, schreibt<br />
Glaesener in etwas obskurer Formulierung,<br />
unterscheide sich s<strong>ein</strong>e Vorstellung <strong>ein</strong>er<br />
Lebenskraft insofern, dass er „dieselbe nicht<br />
als identisch mit an<strong>der</strong>weitig wirkenden<br />
Naturkräften, son<strong>der</strong>n als <strong>ein</strong>e eigene Kraft<br />
zweiter Ordnung, Ausfluss o<strong>der</strong> Induktion<br />
<strong>ein</strong>er primären Kraft“ betrachte. „Von <strong>der</strong><br />
Lebenskraft <strong>der</strong> Vitalisten“ unterscheide<br />
sich dieselbe dadurch, dass sie „als außerhalb<br />
des Körpers, den sie belebt, stehend<br />
gedacht ist“. Glaeseners primäre Kräfte sind<br />
Wärme, Licht, Elektrizität, chemische Affinität,<br />
hervorgegangen aus dem Wechselspiel<br />
<strong>der</strong> zwei antagonistischen Kräfte Anziehung<br />
<strong>und</strong> Abstoßung (Glaesener 1895: 144).<br />
Ganz zum Schluss s<strong>ein</strong>es Werkes definiert<br />
er schließlich die Lebenskraft als „<strong>ein</strong>e tellurische<br />
Kraft kosmischen Ursprungs, von<br />
<strong>der</strong> nämlichen Ordnung wie <strong>der</strong> Erdmagnetismus<br />
(Glaesener 1895: 261). Urquell des<br />
Lebens auf <strong>der</strong> Erde sei die Sonne (Glaesener<br />
1895: 264).<br />
Was jetzt die „Welt“ anbelangt, philosophiert<br />
Glaesener, so kommt für menschliches<br />
Erkennen nur die „Welt <strong>der</strong> Ersch<strong>ein</strong>ungen“<br />
in Betracht, <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Unterlage o<strong>der</strong> Träger<br />
ist <strong>der</strong> „Stoff “, <strong>der</strong>en Erreger o<strong>der</strong> Ursache,<br />
die „Kraft“. „Über den etwaigen Urheber<br />
dieser Welt stellen wir k<strong>ein</strong>e Frage“, betont<br />
Glaesener, „weil wir auf dieselbe k<strong>ein</strong>e Antwort<br />
zu geben vermögen: mit <strong>der</strong> Annahme<br />
<strong>ein</strong>es Urhebers, <strong>ein</strong>es Schöpfers, <strong>ein</strong>es<br />
Gottes, kommen wir in <strong>der</strong> Tat nicht weiter;<br />
denn wir müssen dann auch nach dessen<br />
Ursprung fragen, <strong>und</strong> wenn wir denselben<br />
als aus sich selbst hervorgegangen <strong>und</strong> bestehend<br />
annehmen, so ist dieselbe Annahme<br />
auch für den Ursprung <strong>und</strong> das Das<strong>ein</strong> <strong>der</strong><br />
Welt zulässig“ (Glaesener 1895: 15).<br />
Wen w<strong>und</strong>ert‘s, dass das „Wort“, angesichts<br />
solcher Aussagen, Glaesener auch nach<br />
s<strong>ein</strong>em Tode nicht nur lobte!<br />
Der Ameisenpater <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Darwinismus</strong><br />
Von 1899 bis 1911 lebte im „Schriftstellerheim“<br />
<strong>der</strong> deutschen Jesuiten in <strong>Luxemburg</strong><br />
auf Limpertsberg/Bellevue <strong>der</strong> Pater Erich<br />
Wasmann. Das Gebäude, das 1910 vom Staat<br />
erworben wurde, entspricht dem Hauptgebäude<br />
<strong>der</strong> heutigen Handwerkerschule<br />
(Kunnert 1996, Chevalier 2009). Wasmann<br />
war 1888 zum Priester geweiht worden <strong>und</strong><br />
hatte anschließend von 1889 bis 1892 Zoologie<br />
in Prag studiert. Als Naturforscher<br />
beschäftigte er sich mit Tierpsychologie <strong>und</strong><br />
sozialen Insekten. Innerhalb <strong>der</strong> Entomologie<br />
begründete er den Zweig <strong>der</strong> Myrmekophilie,<br />
<strong>und</strong> s<strong>ein</strong>e intensive Beschäftigung<br />
mit Ameisen <strong>und</strong> Termiten brachte ihm den<br />
Spitznamen „Ameisenpater“ <strong>ein</strong>. Wasmann<br />
kam 1859, in dem Jahr <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
von Darwins „Origin of Species“ in Meran<br />
(Südtirol) zur Welt; er starb 1931 in Valkenburg<br />
(Nie<strong>der</strong>lande) (Stumper 1931, 1954,<br />
1959a, Tort 1996c: 4594ff., DBE 2001e: 341).<br />
Wasmann nahm regelmäßig an den Sitzungen<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen Sektion des<br />
großherzoglichen Instituts teil, in <strong>der</strong>en<br />
„Archives“ s<strong>ein</strong>e Abhandlung „Die Ameisen<br />
<strong>und</strong> Ameisengäste von <strong>Luxemburg</strong>“ (1906,<br />
1909) erschien. Aber auch in den Versammlungen<br />
<strong>der</strong> „Fauna“ war Wasmann <strong>ein</strong> gern<br />
gesehener Gast (Massard 1990: 155), <strong>und</strong><br />
dort sprach er auch über die Abstammungslehre.<br />
Dementsprechend hieß es im Jahresbericht<br />
von Präsident Ernest Feltgen in <strong>der</strong><br />
Generalversammlung <strong>der</strong> „Fauna“ vom 20.<br />
Dezember 1903: „Am 11. <strong>und</strong> am 18. März<br />
[1903] beehrte uns im Saale <strong>der</strong> Villa Louvigny<br />
<strong>der</strong> scharfsinnige <strong>und</strong> ungem<strong>ein</strong> tätige<br />
P. Erich Wasmann mit s<strong>ein</strong>en beiden Vorträgen,<br />
handelnd über Deszendenztheorie.<br />
Den von Seiten des Ver<strong>ein</strong>es ausgeschickten<br />
Einladungen zu diesen Konferenzen wurde<br />
in weitem Masse Folge geleistet; es konnte<br />
ja nicht W<strong>und</strong>er nehmen, dass die Besprechung<br />
dieser allgem<strong>ein</strong> interessierenden<br />
Fragen, zudem von <strong>ein</strong>em Forscher von<br />
Weltruf vorgenommen, auch den indifferentesten<br />
Philister herbeilocken musste. Die<br />
Aus<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>setzungen des Redners hatten<br />
<strong>ein</strong>e r<strong>ein</strong> zoologische <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e r<strong>ein</strong> metaphysische<br />
Seite, weshalb die Zuhörer, je nach<br />
ihren diesbezüglichen Weltanschauungen,<br />
ihre Befriedigung fanden“ (Feltgen 1904).<br />
24 Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)