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Forschende Denkweisen Zu Kurt Kocherscheidts ... - Christian Reder

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Ein sonst nur aus der russischen Literatur gekanntes Dasein, wie er manchmal ironisch<br />

hervorhob, ermöglichte immer wieder das nach seinen Vorstellungen ausgebaute<br />

Atelierhaus im Burgenland, gemeinsam mit der Frau seines Lebens, der Fotografin Elfie<br />

Semotan, und den beiden Söhnen. Die oft ergänzten Ausbesserungsflächen aus Asphalt,<br />

die auf der schmalen Straße dorthin zu sehen sind, hat er begeistert kommentiert, als<br />

Beispiel einer direkten, harten, materiellen Malerei, die für sich steht, einfach da ist, als<br />

anonymes Finalstadium gewissermaßen. Meinen solche Gedanken weiterführenden Text für<br />

die Budapester Ausstellung 1989, im Jahr der Wende, hat er von der Richtung her zutreffend<br />

gefunden. “Bevor ihn Intellektualität zu Spitzfindigkeiten verführt”, heißt es dort, “rettet er sich<br />

in Zähigkeit. Diese Zähigkeit wird überall sichtbar. Mit Bitternis will sie nichts zu tun haben.<br />

So entstehen Formen jenseits von Erinnerung und Erfindung. Dumpfe, dunkle, trübe,<br />

undurchsichtige Farben drücken Lichtverhältnisse aus, wie sie vor oder nach irgendwelchen<br />

Elementarereignissen herrschen dürften. Die schwarz-braun-grauen Flächen können<br />

Himmel, Erde, Wasser, Finsternis und kosmische Fremdheit oder etwas völlig<br />

Unbestimmbares und damit Unerreichbares sein. Als Umgebung drängen sie sich ganz nah<br />

an jene Gegenstände heran, die gerade sichtbar sind. An dieser – oft durchdringenden –<br />

Nähe aber ist nichts Bedrohliches. Angst wird entwertet, neutralisiert; dem Chaos mit<br />

durchdringender Wärme die Destruktivität genommen. Spröde, mit groben Pinselstrichen<br />

gesetzte Farbschichten lassen Spuren erfolgter Reduktionen durchscheinen. Die<br />

Oberflächen wollen sich nicht von provisorischer Anstreicherarbeit unterscheiden.” 19<br />

In seinen mysteriösen Elementarbildern, Landschaftsfragmenten, Objektfigurationen,<br />

Gedankengittern, Durchblicken geht es nur indirekt um Natur – um eine Natur ohne<br />

Menschen, eine ohne Menschen denkbare Welt. Gerade deren Abwesenheit im Bild gibt der<br />

Frage Gewicht, was eigentlich los ist, was da passiert. Im Versuch, menschliche Sichtweisen<br />

als solche zu negieren, also mit anderen Augen zu sehen, denen irgendeines Wesens zum<br />

Beispiel, drückt sich aus, wie um erweiterte Perspektiven gekämpft wird. Der Mensch selbst,<br />

als Generalisierung, hat keinen Vorrang, sondern Subjektives und “das Ganze”, als<br />

Gegenüber, um beider Fragilität und Fragwürdigkeit nachzuforschen. Nabokovs feiner<br />

künstlerischer Punkt, an dem “Großes verkleinert und Kleines vergrößert” wird, radikalisiert<br />

sich. Das denkende Auge selbst wird zum Mikroskop, zum Teleskop, zum unbekannten<br />

Gerät – und sogar das ist erst ein Anfang. <strong>Kocherscheidts</strong> Weltbilder mit ihren<br />

Dimensionsverzerrungen und sonderbaren Formen nehmen unbekannte Standorte ein, um<br />

Vertiefungsperspektiven, um Körper-Fläche-Relationen als irritierende $XJHQblicke präsent<br />

zu machen. Der Impuls, von einer Situation der Unentscheidbarkeit, der Schwebezustände<br />

aus, den Gesetzen der Natur und der Natur des Menschen, des einerseits zu allem fähigen,<br />

andererseits angeblich einzig verantwortlich handelnden Wesens, weitere Zwischenstadien<br />

vorzuhalten, führte zu Bildern, die solche <strong>Zu</strong>gänge in gedanklich magnetisierte Andeutungen<br />

und Zeichen fassen, trotz aller Erfahrungen mit Vergeblichkeit. Assoziationen von<br />

Endzeitzuständen, die vom Menschen entfesselten Naturkräften zuzuschreiben sind, wie in<br />

Andrej Tarkovskijs Film “Stalker” (1979), bedarf es bei ihm dazu nicht – sie würden inhaltlich<br />

zu viel präjudizieren. Wenn alles gesagt, schon einmal gemacht zu sein scheint, so die<br />

begleitende Stimmung, bleibe nur ein Vertrauen ins eigene Zweifeln, das Übertragen solcher<br />

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