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Forschende Denkweisen Zu Kurt Kocherscheidts ... - Christian Reder

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Alltägliches dreht. Eines tatsächlichen Sprechens, in welcher Sprache auch immer, bedarf<br />

es dazu nicht unbedingt; sich treffende Blicke können von viel stärkerer Intensität sein.<br />

Dem in sich rotierenden Gerede um die Unausweichlichkeit ästhetisierender Wirkungen<br />

von Kunst, um ein Ende der Malerei, des abgegrenzten Bildes, setzte Kocherscheidt seine<br />

Art spröder Subversion entgegen. Farbe war ihm Material für Experimente mit physikalischmentalen<br />

Wirkungen. Dass lange Jahre jemand, der malte, “sowieso nicht auf dem richtigen<br />

Dampfer” war und nur Einzelgänger “trotz des ‚Malverbots‘” weitertaten – Aussagen, die von<br />

ihm sein könnten, aber von Gerhard Richter 22 und Per Kirkeby 23 stammen –, hat ihn nicht<br />

dauerhaft zu irritieren vermocht. Richter fand es für ein Bild übrigens gut, “wenn alle<br />

Schichten stehen bleiben, sodass man alles noch sieht, wenn eine Räumlichkeit entsteht,<br />

die die Vielseitigkeit und Kompliziertheit zulässt”. 24 Und Per Kirkeby fiel an den eigenen<br />

Übermalungen auf, “dass die darunter liegende Struktur immer durchbricht, auch wenn eine<br />

neue Schicht ein ganz anderes Motiv und eine ganz andere Farbe hat”; Zonen “zwischen<br />

Natur und Kunst, halb der einen, halb der anderen Welt zugehörig, unterwegs zwischen<br />

<strong>Zu</strong>ständen“ 25 , haben es ihm besonders angetan. Von den <strong>Denkweisen</strong> und Absichten her<br />

verschränken sich solche Vorstellungen mit jenen <strong>Kocherscheidts</strong>, die unterschiedlichen<br />

Resultate wiederum verschränken sich über Qualität, also ihre Überzeugungsgeheimnisse,<br />

ihre Reflexionskraft. Er selbst hat sich gesprächsweise eher auf die Konsequenz und<br />

Reinheit bei <strong>Zu</strong>barán, die Verschlüsselungen von Velasquez oder auf Goyas “Desastres de<br />

la Guerra” bezogen; ein besonderes Naheverhältnis verband ihn, wie Elfie Semotan sich<br />

erinnert, mit den Auffassungen von Robert Motherwell und dessen Umgang mit Flächen,<br />

hart abgegrenzten Schwarz-Weiß-Formen, Übergängen von Statik zu Fließendem. In den<br />

Skulptur-/Objekt-Formationen der letzten Jahre ging es auch ihm offensiver um<br />

Raumgewinn. Diese extremen Reduktionen aus rohen Brettern und Balken machen statt<br />

Farbe deren Material selbst zum bestimmenden Moment. Sie sind das, was sie sind, lehnen<br />

sich höchstens noch beiläufig an irgendeine Wand. Sockel gibt es nicht. Trotz der faktischen<br />

und nachdenklichen Schwere der großformatigen Bilder und Objekte strahlen sie innere<br />

Leichtigkeit aus, gespeicherte Energie, eine Eigendynamik, die in Bewegung umschlagen<br />

könnte. Er selbst hat das, wie schon erwähnt, als ihr <strong>Zu</strong>rückschlagen empfunden. Seine oft<br />

geäußerte Behauptung, er tue das alles, weil er nicht anders – oder nichts anderes – könne,<br />

überträgt sich eindrucksvoll auf die Werke, als sich vom Urheber lösende, längst zu<br />

selbständigen Kräften gewordene Dinge. Vom ihn persönlich betreffenden Unterton bleibt<br />

nur ein Echo.<br />

<strong>Zu</strong> den Richtungen, denen <strong>Kurt</strong> Kocherscheidt in seinem Denken so unbeirrbar gefolgt<br />

ist, heißt es in einem noch oder bewusst holprigen Briefentwurf von Isaak Babel: “... die<br />

einen werden die Revolution machen, und ich werde, werde das besingen, was sich abseits<br />

befindet, das, was tiefer sitzt, ich habe gespürt, dass ich das können werde, dafür wird Zeit<br />

sein und auch Raum.” 26<br />

© <strong>Christian</strong> <strong>Reder</strong> 2003<br />

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