Gemeinschaften - Integrierte Gesellschaft - Forum Integrierte ...
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Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />
Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />
Der folgende Text zeichnet einen Dialog zwischen der Nachhaltigkeitsforscherin<br />
Iris Kunze und dem Sozialökologen Maik Hosang über die Idee und Praxis des<br />
LebensGut Pommritz nach.<br />
Iris Kunze: Das „LebensGut Pommritz“ entstand, um im alltÇglichen miteinander Leben<br />
Antworten auf gesellschaftliche Probleme zu suchen und umzusetzen. Damit gehÉrt es<br />
in das Spektrum „intentionaler Gemeinschaftsprojekte“, die mit sozialen und Ékologischen<br />
Lebenspraktiken experimentieren. Diese werden zunehmend von Wissenschaft<br />
und Politik in ihrem Innovationswert fÑr sozial kooperative Organisationsstrukturen oder<br />
Partizipation in der Planung entdeckt. Das Lebensgut grÑndet auf die SozialÉkologie<br />
des Philosophen und einstigen ostdeutschen Dissidenten Rudolf Bahro. Kannst Du zunÇchst<br />
etwas zu Bahros Ansatz und dem Entstehungskontext des Lebensguts sagen?<br />
Maik Hosang: Um die Entstehung und Praxis des LebensGuts zu verstehen, muss einiges<br />
zu Bahros sozialÇkologischem Denkansatz gesagt werden. „Macht etwas aus<br />
Pommritz!“, mit diesen Worten verabschiedete er sich Ende November 1997 von mir.<br />
Es war unser letztes GesprÄch; er wusste, dass er bald seiner LeukÄmie erliegen wÅrde.<br />
Zuvor sagte er, dass der praktische Versuch wichtiger sein kÇnne als KÄmpfe zur<br />
WeiterfÅhrung des Instituts fÅr SozialÇkologie an der Berliner Humboldt-UniversitÄt.<br />
Bahros grÇátes Novum bestand darin, âkologie nicht nur inter- und transdisziplinÄr zu<br />
betrachten, sondern das forschende Subjekt selbst kritisch reflexiv einzubeziehen<br />
(Bahro 1991). Trotz groáen Interesses von Studenten und âffentlichkeit – die Vorlesungen<br />
besuchten zeitweise um die 1000 Menschen – wurde diese akademische Innovation<br />
im Zuge der Verwestlichung ostdeutscher UniversitÄten wieder abgebaut: der<br />
wissenschaftliche Ansatz sei nicht nachvollziehbar. Ob die damals Urteilenden damit<br />
mehr Åber ihre eigene Angepasstheit als Åber Bahros Forschungsansatz feststellten,<br />
mÇge die Zukunft entscheiden.<br />
Bahro gewann jedoch den damaligen sÄchsischen MinisterprÄsidenten Kurt Biedenkopf<br />
dafÅr, ein praktisches Experiment zu unterstÅtzen. Dieser sorgte mit einigen seiner Vertrauten<br />
dafÅr, dass ein ehemaliges sÄchsisches Forschungsgut bereitgestellt wurde.<br />
Das quer zu den traditionell getrennten Belangen von Umwelt, Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Kultur liegende Vorhaben passte jedoch in keine administrative Schublade. Daher<br />
kam es nie dazu, dass die GebÄude saniert und angemessen ausgestattet wurden.<br />
Doch der Impuls von Denker und Politiker erzeugte zumindest genug Freiraum, um es<br />
zwischen all den etablierten Teilinteressen der Gegenwart nicht ersticken zu lassen.<br />
Iris Kunze: WÇre das Lebensgut vom Land Sachsen stÇrker unterstÑtzt worden, hÇtte<br />
es sich vielleicht ganz anders entwickelt. Wie habt ihr auf die Situation reagiert?<br />
Maik Hosang: In diesem ungewÇhnlichen Freiraum fanden sich Menschen, denen die<br />
Chance und das Abenteuer einer politisch legitimierten und wissenschaftlich begrÅndeten<br />
sozialÇkologischen Utopie wichtiger schienen, als all die damit verbundenen persÇnlichen<br />
Unsicherheiten. So entstand eine paradoxe Situation: Einerseits ein von<br />
hÇchster Stelle des Freistaats Sachsen zur VerfÅgung gestelltes riesiges lÄndliches Gut<br />
mit der anspruchsvollen Aufgabe, neue Formen der Zukunftsforschung praktisch zu<br />
entwickeln. Andererseits keinerlei materielle und personelle Ausstattung; die eigentlich<br />
versprochene Sanierung des um 1900 weltberÅhmten, wÄhrend der DDR-Zeit jedoch<br />
heruntergekommenen Gutes scheiterte am UnverstÄndnis der BÅrokraten.