Herr der Diebe - Waldbühne Heessen
Herr der Diebe - Waldbühne Heessen
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Interview mit <strong>der</strong> Romanautorin Cornelia Funke<br />
Cornelia Funke wurde 1958 in Dorsten/Westfalen geboren. Nach einer Ausbildung zur<br />
Diplompädagogin und einem Grafikstudium arbeitete sie zunächst als Illustratorin. Sie ist<br />
inzwischen eine <strong>der</strong> erfolgreichsten und beliebtesten Kin<strong>der</strong>- und Jugendbuchautorinnen,<br />
die viele ihrer Bücher auch selbst illustriert. Mit ihren Jugendromanen <strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Diebe</strong> und<br />
Tintenherz erreicht sie sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien und den USA<br />
Auflagen wie sonst nur Harry Potter. <strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Diebe</strong> wurde weltweit mit Preisen und<br />
Auszeichnungen überhäuft und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.<br />
Erinnern Sie sich noch daran, wie Ihnen die Idee zu <strong>Herr</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Diebe</strong> kam?<br />
Ja. Sie kam mir in Venedig. Ich erinnerte mich dort daran, dass<br />
ich mir als Kind immer gewünscht habe, erwachsen zu sein. "Es<br />
gibt so viele Bücher über Kin<strong>der</strong>, die Kin<strong>der</strong> bleiben wollen,"<br />
sagte ich mir. "Warum schreibe ich nicht eins über die an<strong>der</strong>en?<br />
Und es wird in Venedig spielen, denn das ist eine Stadt für Kin<strong>der</strong><br />
- kein Führerschein nötig, Platz zum Versteckenspielen, Drachen<br />
auf den Dächern." Es gibt so viele fabelhafte Orte in<br />
Kin<strong>der</strong>büchern, aber meist kann man nicht hinfahren. Nach<br />
Venedig schon! Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich wie<strong>der</strong><br />
ein Foto von Kin<strong>der</strong>n bekomme, die mit dem Buch unterm Arm<br />
dort waren, um Tauben zu füttern und die geflügelten Löwen zu<br />
finden.<br />
'Kindsein und Erwachsensein' ist das zentrale Thema Ihres<br />
Romans. Inwiefern ist Ihnen dieses Thema beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig?<br />
Weil es wichtig ist. Weil ich ständig erstaunt darüber bin, wie<br />
Erwachsene mit Kin<strong>der</strong>n umspringen - als wären sie nie selbst<br />
eins gewesen.<br />
Hat <strong>der</strong> Roman deutlich autobiographische Bezüge?<br />
Nein, eigentlich keine. Außer dem, dass ich Scipios Wunsch<br />
auch immer hatte - trotz netter Eltern. Aber es macht einfach<br />
soviel mehr Spaß, erwachsen zu sein und selbst zu bestimmen,<br />
wann man was wo und wie tut.<br />
Welche <strong>der</strong> Romanfiguren übt auf Sie selbst die größte<br />
Faszination aus? Warum?<br />
Prosper. Weil ich solchen Jungen wie ihm begegnet bin, voller<br />
Fürsorge und Verantwortung kleineren Brü<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Schwestern<br />
gegenüber, bereit, das wettzumachen, was Eltern o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Erwachsene verweigern.<br />
Das Leben <strong>der</strong> Straßenkin<strong>der</strong> ist, so wie Sie es darstellen,<br />
stark idealisiert. Glauben Sie, dass diese Idealisierung ein<br />
berechtigter Ansatzpunkt für Kritik an Ihrer Geschichte sein<br />
kann?<br />
Es gibt viele Geschichten über Straßenkin<strong>der</strong>, die beschreiben,<br />
wie dieses Leben verrohen und zerbrechen kann. Da ich selbst<br />
an<strong>der</strong>s aufgewachsen bin, habe ich bewusst aus <strong>der</strong><br />
Perspektive zweier Kin<strong>der</strong> erzählt (Prosper und Bo), die<br />
unvermittelt aus einem behüteten Leben gerissen werden und<br />
dieses Behütetsein immer noch in sich tragen. Aus Riccios<br />
Perspektive hätte die Geschichte an<strong>der</strong>s geklungen. Ich wollte<br />
aber auch darstellen, dass gerade Kin<strong>der</strong>, die unter furchtbar<br />
harten Bedingungen aufwachsen, oft durch ihre Selbstlosigkeit,<br />
ihre Wärme, ihr Mitgefühl für an<strong>der</strong>e und ihr großes<br />
Verantwortungsgefühl beeindrucken. Ich habe solche Kin<strong>der</strong><br />
getroffen, als ich als Sozialarbeiter arbeitete und sie sind mir<br />
unvergesslich geblieben.<br />
<strong>Waldbühne</strong> <strong>Heessen</strong>: Didaktisches Begleitmaterial zu '<strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Diebe</strong>'<br />
Interview mit Cornelia Funke<br />
Wenn das Licht in meinem Buch mehr Raum als <strong>der</strong> Schatten<br />
hat, so ist das in meinem Sinne, denn meist räumen wir dem<br />
Schatten gern mehr Platz ein - als könnten wir ihm damit<br />
irgendetwas von seiner Kraft rauben. Mir war bei <strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Diebe</strong><br />
außerdem wichtig, dass Einsamkeit und Unglück nicht immer an<br />
Armut gebunden sind. Deshalb ist Scipio eine an<strong>der</strong>e Figur, die<br />
mir sehr nahe ist (auch wenn er manchmal wirklich ein<br />
abscheulich arroganter Schnösel ist).<br />
Ihr Roman enthält eine Vielzahl von erzählenden Passagen<br />
mit viel Einblick in die Gedanken <strong>der</strong> Figuren; manche<br />
Stellen reichen ins Poetische. Glauben Sie, dass eine<br />
Bühnenfassung Ihrem Werk gerecht werden kann?<br />
Ja. Vielleicht kann sie sogar noch etwas hinzufügen o<strong>der</strong> aus<br />
an<strong>der</strong>er Perspektive zeigen? Ich glaube, dass die Arbeit an<strong>der</strong>er<br />
Künstler an meinen Geschichten grundsätzlich etwas<br />
Bereicherndes sein kann, etwas Abenteuerliches - gut, manche<br />
Abenteuer gehen furchtbar daneben, aber damit kann ich leben.<br />
Was soll, was kann die Geschichte <strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Diebe</strong> bei<br />
Kin<strong>der</strong>n bewirken? Was bei Erwachsenen?<br />
Hm. Mir vergeht jedes Mal die Lust am Erzählen, wenn ich übers<br />
Bewirken nachdenke... Wenn sie meine Figuren lieben, gut.<br />
Wenn sie durch sie eine Weile in an<strong>der</strong>e Häute schlüpfen und die<br />
Welt etwas an<strong>der</strong>s sehen, auch gut. Wenn sie nach Venedig<br />
fahren wollen, noch besser. Wenn ich etwas in Worte gefasst<br />
habe, das sie so schon immer gefühlt haben, wun<strong>der</strong>bar! Die<br />
meisten Kin<strong>der</strong>, die mir schreiben (auch Erwachsene) finden<br />
Wärme in dem Buch und die Zärtlichkeit, die sie selbst für<br />
Geschwister o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> empfinden - o<strong>der</strong> vermisst haben.<br />
Sie haben selbst Kin<strong>der</strong>. Was halten Sie für beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig im Verhältnis von Eltern zu ihren Kin<strong>der</strong>n - und<br />
umgekehrt?<br />
Liebe. Respekt. Spaß.<br />
Erinnern Sie sich noch daran, welche Passagen des Buches<br />
Ihnen beson<strong>der</strong>s leicht von <strong>der</strong> Hand gingen und bei<br />
welchen Sie sich schwerer taten?<br />
Victor war am leichtesten. Barbarossa erst schwer.<br />
Könnten Sie sich auch ein an<strong>der</strong>es Ende <strong>der</strong> Geschichte<br />
vorstellen? Gab es Entwürfe für einen an<strong>der</strong>en<br />
Handlungsverlauf?<br />
Ja, aber die verrat ich nicht.<br />
Wenn Sie gefragt würden, ob Sie auf dem Karussell <strong>der</strong><br />
Barmherzigen Schwestern fahren wollten, wie würden Sie<br />
sich entscheiden? Wann würden Sie abspringen?<br />
Ich würde niemals auf das Ding steigen. Schließlich bin ich jetzt<br />
erwachsen - und noch nicht so alt, dass mich schmerzende<br />
Glie<strong>der</strong> in Versuchung bringen könnten.