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Konvikt-Aufsatz 1.pdf - Johannes Chwalek - Veröffentlichungen

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<strong>Johannes</strong> <strong>Chwalek</strong><br />

Das Bischöfliche Knabenkonvikt Bensheim<br />

Erster Teil: 1888-1939<br />

Vorbemerkung<br />

Das Bischöfliche Knabenkonvikt Bensheim bestand von 1888 bis 1981, also fast<br />

hundert Jahre, wenn man davon absieht, dass es während des Zweiten<br />

Weltkriegs geschlossen war, weil das Haus als Lazarett dienen musste. 1 Der<br />

ursprüngliche Zweck der Einrichtung war ein religiöser und stand im Dienst einer<br />

Förderung des Priesternachwuchses. 2 Das 1950 wiedereröffnete <strong>Konvikt</strong> konnte<br />

nicht mit Selbstverständlichkeit an die alten Ziele anknüpfen, doch überdauerte<br />

der Charakter einer religiösen Erziehungseinrichtung. Das Wohninternat mit<br />

seiner überwiegend gymnasialen Schülerschaft blieb ein charakteristischer Teil<br />

des vielfältigen Bensheimer Schulwesens. Als die Erziehungsarbeit in den<br />

1970er Jahren im Geist der Zeit modernisiert wurde und sich das Haus zu einem<br />

Vorzeigeinternat 3 zu entwickeln schien, war es andererseits moralisch am<br />

stärksten bedroht. Die Anfang des Jahres 2010 offenbar gewordenen<br />

Missbrauchsfälle der 1960er und 70er Jahre werden aber in ihrer Belastung der<br />

Gesamtgeschichte des <strong>Konvikt</strong>s mit seiner differenzierten und überwiegend<br />

segensreichen Wirkung nicht gerecht. Hier ist insbesondere die pädagogische<br />

Leistung hervorzuheben, die das <strong>Konvikt</strong> für Schüler erbrachte, die aus<br />

schwierigen und sozial benachteiligten familiären Verhältnissen kamen. 4<br />

Der vorliegende Bericht umfasst sieben Rektorate 5 von insgesamt fünfzehn und<br />

stützt sich auf Archivmaterial, Literatur und Gesprächsaufzeichnungen, welche<br />

das <strong>Konvikt</strong>sleben aus der Sicht der Erzieher und anderer Erwachsener zeigen.<br />

Angesichts der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der<br />

<strong>Konvikt</strong>sgemeinschaft Schüler gewesen sind, mag dies einseitig erscheinen.<br />

Allerdings sind mir keine Dokumente aus Schülerhand bekannt, die das Leben<br />

jener Jahre im <strong>Konvikt</strong> zum Inhalt hätten und als Additum oder Korrektiv der<br />

offiziellen Dokumente gelten könnten . 6<br />

Die Gliederung beinhaltet die Rubriken „Erziehungsabsicht“; „Wirtschaftliche und<br />

andere Nöte“ (besonders in der Inflationszeit Anfang der 1920er Jahre);<br />

„Konflikte“ (mit Schülern und Eltern); „Eine Besonderheit: die angegliederte<br />

Privatschule in den 1920er und 30er Jahren“ und „Zeitreflexe im <strong>Konvikt</strong>sleben“<br />

(besonders Erster Weltkrieg und NS-Zeit bis 1939).<br />

Es versteht sich, dass auf knappem Raum nur Beispiele für die jeweiligen<br />

Themen gegeben werden können; die Absicht der nachstehenden Zeilen wäre<br />

erreicht, wenn aus Streiflichtern ein Gesamtbild sich formte oder wenigstens ein<br />

Eindruck sich vermittelte von den erzieherischen Idealen und Alltagssorgen des<br />

Bensheimer <strong>Konvikt</strong>s in den ersten 51 Jahren seines Bestehens.<br />

Mein Dank gilt Franz Josef Schäfer für die Anregung zur vorliegenden Arbeit und<br />

darüber hinaus für wertvolle Hilfen; dem langjährigen Bürgermeister der Stadt<br />

Bensheim Georg Stolle, der mich im Oktober 2010 ins ehemalige <strong>Konvikt</strong> einlud<br />

und mir ein Gespräch gewährte, das insbesondere deshalb von Bedeutung war,<br />

weil er selbst ab 1950 Schüler des Hauses gewesen ist; nicht zuletzt den<br />

Mitarbeitern des Dom- und Diözesanarchivs Mainz, des Hessischen


Staatsarchivs Darmstadt und des Stadtarchivs Bensheim. Schließlich danke ich<br />

Lina Schilke für ihre Geduld, mir die Vorzüge moderner Textverarbeitung und<br />

Dokumentenverwaltung nahe zu bringen.<br />

Erziehungsabsicht<br />

Die religiöse Erziehung gehörte zur Gründungsidee des Hauses, über die in den<br />

Jahresberichten der Rektoren auf breitem Raum reflektiert wurde. Diese<br />

Rektoren waren im Zeitraum unseres Berichtes – und noch darüber hinaus bis<br />

zum Sommer 1971 – Geistliche, denen Subrektoren assistierten, die ebenfalls<br />

geistlichen Standes waren. Eine hauseigene Kapelle stand für den – in den<br />

Anfangsjahren – täglichen Gottesdienst bereit und versammelte die<br />

<strong>Konvikt</strong>sgemeinschaft zum Morgen- und Abendgebet. Der streng geregelte<br />

Tagesablauf, der sich in Jahrzehnten nur unwesentlich veränderte, sollte<br />

einerseits den Schulerfolg garantieren, andererseits aber auch Selbstdisziplin<br />

und innere Einkehr fördern. Wenn Schüler Neigungen zum Priesterberuf<br />

erkennen ließen oder in den Augen der Erzieher dazu Hoffnung gaben,<br />

vermerkte dies der Rektor schon für die unteren Klassen; der Studienwunsch<br />

Theologie eines Oberprimaners wurde mit Genugtuung ans Bischöfliche<br />

Ordinariat in Mainz gemeldet. Neben der täglichen religiösen Unterweisung in<br />

Form von Gottesdienst und Gebet nahmen religiöse Feste im Jahresrhythmus<br />

einen weiteren wichtigen Rang ein; zudem wurden religiöse Lehrstunden und<br />

Exerzitien abgehalten, welche die Schüler über mehrere Tage dem Gebet und<br />

der Besinnung verpflichteten. Aus all dem wird der Geist einer Erziehung<br />

deutlich, welche das Leben der Schüler immer stärker an das katholische<br />

Bekenntnis zu binden suchte. Als im Jahr 1905 unter dem Rektorat von Johann<br />

Laurentius Brück 7 die neue Glocke für das Türmchen auf der Kapelle „nach dem<br />

feierlichen Hochamt [...] die kirchliche Weihe“ erhielt, erinnerte Domkapitular Dr.<br />

Selbst 8 aus Mainz die Zöglinge an „die Bedeutung der Glocke als Stimme Gottes,<br />

die weckt vom Schlafe der Trägheit wie der Sünde, die zum Gebet und zur Arbeit<br />

ruft und die die Freudenbotschaft der Erlösung verkündet“. 9 Damit wurde ein<br />

universeller Anspruch erhoben im Zeichen des Glaubens; der einzelne sollte sich<br />

in seiner Hinfälligkeit ebenso wie in seinem alltäglichen Dasein und seiner<br />

höchsten Hoffnung Gott unterstellen. Einige Beispiele mögen illustrieren, dass<br />

es sich dabei nicht nur um Festtagsworte handelte:<br />

In den ersten Jahrzehnten des Bensheimer <strong>Konvikt</strong>s ist eine ausgeprägte<br />

religiöse „Feiertätigkeit“ zu bemerken. Die Namenstage des Rektors und<br />

Subrektors wurden feierlich begangen, wofür das Programm am 18. März 1934<br />

für Rektor Josef Schneider einen Eindruck vermittelt:<br />

„1. Mozart: Klavier Trio (aus der 2. Symph.),<br />

2. Gänsekantate (H. v. Fallersleben)<br />

3. Gedicht,<br />

4. Bach: Satz aus einer Lauten Suite,<br />

5. Gratulationsrede (Willi Mettra),<br />

6. Erste Variation aus dem Kaiser-Quartett<br />

7. ‚Drei Gäns im Haberstroh’<br />

8. Mozart: Klavier Trio (aus der 3. Symphonie)<br />

Als Namenstagsgeschenk gaben wir: ‚Jesus Christus’ von Karl Adam.“ 10<br />

Das Titularfest der <strong>Konvikt</strong>skapelle war das Herz-Jesu-Fest. Dazu heißt es in der<br />

Chronik für 1932: „Am Abend des 2. Juni hielt H.H. Kaplan Deuster 11 (Worms<br />

Dom) die Predigt über: ‚Herz Jesu, König und Mittelpunkt aller Herzen, erbarme<br />

dich unser!’ Derselbe Herr zelebrierte auch um 5.50 h des Festtages selbst das<br />

feierliche levitierte Hochamt. Mittags gabs fleischloses Festessen: Suppe,<br />

Weckschnitten, Eier mit Gemüse, Nachtisch und Wein. Dieses hochfeudale<br />

Festessen wurde noch schmackhafter gemacht durch die berückenden Töne, die<br />

ein kleines Orchester auf dem Klavier und den Violinen hervorzauberte. (Klavier:


Kiefer, Violine: Schäffer, Itzel, Hofmeister) Beschlossen wurde der Tag durch ein<br />

abendliches Konzert unserer Blechmusikkapelle im Hof.“ 12<br />

Die Jahreschroniken des <strong>Konvikt</strong>s vermerken Fastenpredigten (gehalten vom<br />

Rektor und Subrektor), tägliche Maiandachten am Abend, Advents-, Nikolausund<br />

Weihnachtsfeiern. 13 Auch Exerzitien wurden abgehalten, also Gebete und<br />

religiöse Betrachtungen über das sonst übliche Maß hinaus. Für das Jahr 1933<br />

vermerkte Rektor Schneider in der Chronik: „In diesem Jahr wurden auch wieder<br />

einmal Exerzitien für die Schüler von Untertertia aufwärts gehalten. (vom 27.<br />

Oktober bis 2. Nov.) Exerzitienmeister war der ehemalige Zögling unseres<br />

<strong>Konvikt</strong>es der H. H. P. Georg Gensert S. J. 14 aus Ludwigshafen a. Rh. 4 Vorträge<br />

wurden täglich gehalten. Durch die interessante, packende, manchmal mit Humor<br />

gewürzte Weise seines Vortrages verstand es der Pater, die Exerzitanten mit den<br />

Wahrheiten unseres hl. Glaubens wieder enger vertraut zu machen. Sicher<br />

wurde in diesen Tagen manches gute Samenkorn in fruchtbares Erdreich<br />

eingesenkt und mancher gute Vorsatz gefasst. Das Verhalten und der Eifer<br />

waren recht gut.“<br />

Als „Ehrentag des Hauses“ galten im <strong>Konvikt</strong> die Besuche des Mainzer Bischofs,<br />

etwa im Anschluss an Firmungen in der Stadtkirche. Am 13. Juni 1932 wurde<br />

Bischof Dr. Ludwig Maria Hugo vom Rektor vor dem Portal „mit begeisterten<br />

Worten“ empfangen. Das „veni creator spiritus“ wurde angestimmt, und in<br />

feierlicher Prozession ging man zur Kapelle, woselbst der hohe Besuch eine<br />

Ansprache an die Zöglinge hielt. Er mahnte zu einem frommen und tugendhaften<br />

Leben, zu einem fleißigen und gründlichen Studium. Nach Erteilung des<br />

bischöflichen Segens wurde noch ein „kurzer Gang durch das Haus“<br />

unternommen, bevor der „hochwürdigste Herr“ das <strong>Konvikt</strong> „unter den Klängen<br />

unserer Blechmusikkapelle“ wieder verließ.<br />

Den Glauben in den Alltag „hinein zu nehmen“ und zur bestimmenden<br />

Grundhaltung der Zöglinge werden zu lassen, auch über die <strong>Konvikt</strong>sjahre<br />

hinaus, zeigt sich etwa in der Durchführung der ersten Abiturientenwoche am<br />

<strong>Konvikt</strong> vom 6. bis 10. April 1920, wozu „ca. 70 Abiturienten und Studenten” sich<br />

anmeldeten, „meist aus dem Mittelrheinkreis, aber auch aus Westfalen und dem<br />

Saargebiet“. 15 In der Ankündigung war versprochen worden, „die Woche werde<br />

über den ganzen Umkreis des akademischen Lebens, über die praktischste<br />

Einrichtung des Studiums, über Akademikerausschüsse,<br />

Studentenorganisationen und -Korporationen, über Mittel und Wege weiterer<br />

Ausbildung und Fortkommens, über die Pflege des geselligen und religiösen<br />

Lebens und der Gesundheit [...] unterrichten.“ Subrektor Gottron stellte nüchtern<br />

fest, dass bei „manchem [...] stark mitbestimmend gewesen sein mag, „daß in<br />

dem Plan der Woche nachmittägliche Ausflüge in die Bergstraße im Programm<br />

mitvorgesehen waren und der Preis für Verköstigung und Verpflegung für 3 ½<br />

Tage auf nur 20 M. berechnet war.“ In Folge der Besetzung Darmstadts und<br />

Frankfurts durch alliierte Truppen konnte eine große Zahl von Teilnehmern,<br />

sowohl Hörer, als auch drei Redner (die ersetzt werden mussten) nicht<br />

erscheinen; am Ende „waren am Morgen des 7. April 37 Abiturienten und<br />

Studenten anwesend“. Bei einem geregelten Tagesablauf mit heiliger Messe um<br />

sieben Uhr und drei Morgenvorträgen „mit akademischen Pausen“ fanden nach<br />

dem Mittagessen die erwähnten „Ausflüge und Spaziergänge“ statt; um 18 Uhr<br />

folgte noch ein Abendvortrag, und nach dem Nachtessen und „gemütlicher<br />

Unterhaltung“ ging es um einundzwanzig Uhr dreißig zu Bett. Die Vorträge<br />

enthielten aus heutiger Sicht noch immer Bedenkenswertes sowie<br />

Zeitgebundenes; einen Schwerpunkt bildete selbstredend die „religiöse<br />

Fortbildung“. Neben praktischen Fragen der Organisation des äußeren<br />

studentischen Lebens wie Wohnungssuche und –einrichtung, Verköstigung<br />

„(Gasthaus, Pension, Privattisch, Selbstbereitung, mensa academica,<br />

Volksküche, Freitisch)“, überhaupt der Kosten des Studiums; Stipendien,<br />

akademische Krankenkasse usw., wurden auch „die Aussichten der


akademischen Berufe besprochen [...] und die Überfüllung durch<br />

unwidersprochene Zahlenreihen belegt [...] da mußte es jedem klar werden, daß<br />

nicht der zum akademischen Beruf bestimmt ist, der nach bequemer Versorgung<br />

an der Staatskrippe trachtet, sondern nur wer in der gewählten Geistesarbeit eine<br />

Lebensnotwendigkeit sieht, wer Idealismus genug hat, um auch über den Hunger<br />

hinwegzukommen.“ In einem weiteren Vortrag wurde der Mensch als „ens<br />

sociale“ angesprochen, „der eine Ergänzung seines begrenzten Einzelseins<br />

durch die Gemeinschaft“ brauche. Die Gefahren von „Einschachtelung und<br />

frühzeitigem Verkrusten“ durch das Alleinsein könnten heute noch ebenso<br />

genannt werden wie die Gefahren von „Unselbständigkeit des Urteils,<br />

Überwuchern der geselligen Veranstaltungen und Veräußerlichung durch zu<br />

großes Betonen der äußeren Formen“ im Verbindungsleben, „die es mit jeder<br />

größeren Gemeinschaft teilt“. Den Zeitansichten geschuldet war die einseitige<br />

Sicht der „Bedeutung der Frau für den Mann [...] als Gattin und Mutter“; als<br />

zeitverhaftet würde heute wohl auch die Mahnung für den katholischen<br />

Studenten aufgefasst werden, „falsches Zeitungslesen, Romanseuche“ zu<br />

vermeiden und das „Indexverbot“ zu beachten. Einer der Redner wies zum<br />

Schluss seines Vortrages „noch auf Gebet und Sakramentenempfang als<br />

Kraftquellen hin“, was die Erziehungsabsicht des <strong>Konvikt</strong>es in der Empfehlung<br />

auch noch an Studenten unterstrich.<br />

Die religiös-moralische Erziehung im <strong>Konvikt</strong> kann als Charakteristikum des<br />

Hauses bezeichnet werden. Selbst wirtschaftliche Interessen wurden<br />

hintangestellt, um Schülern aus mittellosen Elternhäusern – insbesondere wenn<br />

sie Priester werden wollten - den Verbleib im Internat zu ermöglichen. Als ein<br />

Beispiel von vielen sei das „Gesuch um Ermäßigung des Kostgeldes für den<br />

Zögling Anton S. 16 “ vom 18. März 1936 an das Bischöfliche Ordinariat in Mainz<br />

erwähnt, worin die familiäre Situation S.s geschildert wird: Der Schüler, Jg. 1916<br />

und „seit Ostern 1935 Zögling unseres Hauses und Schüler der Obersekunda<br />

des Gymnasiums“, war der Sohn „eines zu 80 % schwerkriegsbeschädigten“<br />

Mannes, dessen rechter Arm „ganz gelähmt“ war und der sich als<br />

Gemeindeschreiber (mit der linken Hand) ein Zubrot zur Kriegsversehrten-Rente<br />

erwarb. „Die kleine Landwirtschaft wird von der Mutter besorgt.“ Anton S. hatte<br />

noch einen älteren, seit kurzem verheirateten Bruder, zwei zwölfjährige<br />

Zwillingsschwestern und einen zehnjährigen Bruder. „Das Kostgeld wurde ihm“<br />

bereits einmal „auf 480 RM ermässigt“, „die Zahlungen gingen immer ganz<br />

pünktlich ein, und ist für das laufende Jahr alles beglichen. Dennoch empfindet<br />

es S. bitter und drückend, dass es seinen Eltern so hart und schwer fällt, das<br />

Kostgeld für ihn aufzubringen. Darum beabsichtigt er nun, aus dem <strong>Konvikt</strong><br />

auszutreten und in die Stadt zu ziehen. Er hat sich bereits ein Zimmer<br />

ausgesucht, das ihn monatlich 14 M kosten soll, und bei den Kapuzinern um<br />

Mittag- und Abendtisch zu 10 M monatlich nachgesucht. S. würde sehr gerne im<br />

<strong>Konvikt</strong> bleiben, aber die Rücksichtnahme auf die schwierige Lage seiner Eltern<br />

hat ihn bestimmt, das Opfer zu bringen und die Entbehrungen, die mit dem<br />

Wohnen in der Stadt verbunden sind, auf sich zu nehmen.“ Es folgt eine<br />

Leumundserklärung für S., der als „ein in jeder Hinsicht tadelloser Zögling<br />

unseres Hauses“ bezeichnet wird; es würde der <strong>Konvikt</strong>leitung Leid tun, ihn zu<br />

verlieren, „zumal wir aus bitteren Erfahrungen wissen, dass schon so mancher<br />

den Gefahren, die das freie Wohnen in der Stadt mit sich bringt, erlegen ist.“<br />

Abschließend wird um eine abermalige Ermäßigung des jährlichen Kostgeldes<br />

auf 400 RM gebeten mit der „begründeten Aussicht, dass S. dann weiter im<br />

Hause verbleiben wird.“ 17<br />

Wirtschaftliche und andere Nöte


Das <strong>Konvikt</strong> entstand aus kleinen Anfängen in der Darmstädter Straße 56. Dort<br />

waren die räumlichen Verhältnisse in einem „als Privathaus konzipierten<br />

Gebäude [...] äußerst beengt.“ 18 Wenn auch ein Anbau Entlastung schuf, blieben<br />

bautechnische Probleme bestehen. So findet sich im Diözesanarchiv ein<br />

Schreiben vom 11. Mai 1892, in dem beklagt wird, „dass die Abortanlagen in dem<br />

bischöflichen Convict zu Bensheim nicht den Anforderungen entsprechen,<br />

welche man mit Rücksicht auf die gesundheitlichen Verhältnisse in einem<br />

Internat auch bei bescheidenen Anforderungen zu stellen verpflichtet ist.“ Durch<br />

einen ungenügenden „Abschluss der Abortanlagen gegen das Haus“ verbreite<br />

sich „in allen Räumen“ ein „unangenehmer und gesundheitsschädlicher“ Geruch;<br />

der Verfasser führte „eine kleine Hausepidemie von Darmerkrankungen“ auf den<br />

Missstand zurück. Zudem müssten während „der Entleerung der Gruben an der<br />

Westseite“, wo sich der Studiersaal befand, die Fenster im Sommer geschlossen<br />

bleiben. Nur durch „eine nach richtigen Grundsätzen erfolgende Umänderung der<br />

genannten Anlagen“ könne dem Übel „gründlich und dauernd Remedur<br />

geschaffen werden“.<br />

Mit dem Einzug in den vom Bauherrn und ersten Rektor DDr. Philipp Huppert 19<br />

und dem Mainzer Architekten Ludwig Becker errichteten „mächtigen Neubau“ 20 in<br />

der Kirchbergstraße 18 war diese „Remedur“ im Herbst 1900 vollbracht. Das<br />

Platzproblem war gelöst, was an bautechnischen Wünschen vorläufig offen blieb,<br />

besaß nicht mehr den Charakter schwerer Mängel. Geldknappheit und Dürftigkeit<br />

bestimmten jedoch nicht selten das Leben im <strong>Konvikt</strong>. So fehlte zehn Jahre lang<br />

das Geld zum Verputzen des <strong>Konvikt</strong>sneubaus, die Einrichtung war lange Zeit<br />

spartanisch und „grössere Reparaturen und Neuanschaffungen“ waren von Zeit<br />

zu Zeit „dringend notwendig“. Rektor Schneider führte in einem Schreiben vom<br />

18. April 1934 an die Diözesanhauptkasse in Mainz bescheiden an, dass er<br />

selber „keine Anforderungen ans Haus stelle; aber wenn die Löcher in den<br />

Wänden meines großen Zimmers nicht alle zugehängt wären, könnte man<br />

anstandshalber niemand zu Besuch hineinführen“. Weiter ist zu lesen: „Der<br />

kleine Bergweg von dem Haupteingang zum Spielplatz ist so schlecht geebnet<br />

(vom Regen aufgerissen), dass er nur für Eingeweihte besonders in den<br />

Abendstunden passierbar ist und darum gepflastert werden sollte.“ 21 Für die<br />

<strong>Konvikt</strong>oren oder <strong>Konvikt</strong>oristen, wie man damals formulierte, versuchte Rektor<br />

Schneider u.a. noch die Verbesserung zu erwirken, dass der Schlafsaal<br />

abgedunkelt wurde. Er habe „nach 3 Seiten hin Fenster und kann gegen Sonne<br />

und Licht nur durch Vorhänge im Innern geschützt werden. Darum ist die<br />

Temperatur darinnen im Sommer sehr hoch, und die Buben können teilweise<br />

morgens, wenn es schon früh hell wird, nicht mehr schlafen und werden unruhig.“<br />

Der Rektor schließt seinen Brief mit der Bemerkung. „Zwar ist in den letzten<br />

Jahren manches ausgebessert und neu angeschafft worden, aber immer nur<br />

recht zaghaft, damit ja nicht der Verdacht aufkommen konnte, als würden wir<br />

etwas verschwenden.“<br />

Die Inflationszeit Anfang der zwanziger Jahre machte die ordnungsgemäße<br />

Führung des Hauses sehr schwer. Am 21. Juni 1922 bat Rektor Eugen Mergler<br />

das Bischöfliche Ordinariat um die Erlaubnis, das Kostgeld für das zweite Quartal<br />

1922/23 erhöhen zu dürfen, und zwar um nicht weniger als hundert Prozent, von<br />

1000 Mark auf 2000 Mark. Zur Begründung führte er an:<br />

„Am 1. Sept. 1921 stand der Dollar auf 85 M. Das Kostgeld betrug damals 2 400<br />

M im Jahre.<br />

Am 20. Juni 1922 steht der Dollar auf 320 M. Mit anderen Worten, unser Geld ist<br />

auf ein Viertel des Wertes vom Vorjahre zurückgegangen. Die Steigerung der<br />

Warenpreise hat gleichen Schritt mit der Geldentwertung gehalten. Der Bedarf<br />

des <strong>Konvikt</strong>es ist gestiegen oder wird steigen auf das Vierfache des vorjährigen<br />

Zahlenwertes. Das Kostgeld ist demgegenüber nur auf das Doppelte in die Höhe<br />

gegangen und nicht einmal auf das Doppelte. (von 2 400 auf 4 000) Nur durch


eine erneute Erhöhung kann der Ausgleich geschaffen werden.“ Rektor Mergler<br />

untermauerte seine Bitte mit einer Aufzählung der Kosten, die dem <strong>Konvikt</strong><br />

entstanden durch die Anschaffung von Kohlen, Kolonialwaren und Fleisch, die<br />

schon bei niedrig angesetzten Ziffern die Gesamteinnahmen an Kostgeld<br />

vollständig verschlangen. Fleisch- und Brotpreiserhöhungen „sind nicht in<br />

Rechnung gestellt.“ Rektor Mergler brachte die Lage auf den Punkt: „Erhalte ich<br />

von den Zöglingen am 1. Juli nur je 1 000 M, so bin ich nicht imstande den<br />

Betrieb aufrecht zu erhalten.“ 22<br />

Der Gesundheitszustand der Zöglinge hatte „während des Krieges und<br />

Nachkrieges Not gelitten“, wovon Rektor Mergler am 21. Juni 1922 in seinem<br />

Jahresbericht ein erschreckendes Bild zeichnete: „Ungezählte Erkältungen, zwei<br />

Rippenfellentzündungen, 15 Grippeerkrankungen an einem Tage, offene<br />

Wunden an den Extremitäten [ ... ]. Eine der erwähnten Rippenfellentzündungen<br />

hat nachträglich zu tödlichem Ausgang geführt.“ Rektor Mergler drängte darauf,<br />

keine „weitere Einschränkung in der Lebenshaltung und Ernährung im <strong>Konvikt</strong>“<br />

mehr zuzulassen und strebte trotz der schwierigen Zeitumstände an, „wenigstens<br />

in der Versorgung der Zöglinge nicht rückwärtsgehen zu müssen.“<br />

Erst im Jahresbericht für 1924/25 konnte Rektor Mergler die erleichternde<br />

Mitteilung machen, dass sich „das <strong>Konvikt</strong> augenblicklich in besserem Zustand“<br />

befinde, als in den Vorjahren, wo die Arbeitskraft der Leitung in der Hauptsache<br />

von den wirtschaftlichen Nöten und Sorgen in Anspruch genommen war.“ 23<br />

Mergler fügte hinzu: „Das durchweg gute Beispiel und die ernste Haltung der an<br />

Ostern ausscheidenden Oberprima war eine gute Unterstützung. Die jetzige<br />

Oberprima lässt dasselbe hoffen.“ 24<br />

Katholische Schwestern der „Ordensgemeinschaft der Schwestern von der<br />

Göttlichen Vorsehung“ führten die Haushaltung des <strong>Konvikt</strong>s, wie aus dem<br />

Jahresbericht 1921/22 hervorgeht. Sie wurden unterstützt von Dienstmädchen<br />

und Hausburschen, die in der Inflationszeit oft wechselten, weil das <strong>Konvikt</strong> die<br />

geforderten Löhne nicht zahlen konnte. Fehlte der Hausbursche, mussten die<br />

Schwestern das Wichsen der Schuhe und die Gartenarbeit mit übernehmen. Eine<br />

Schwester behalf sich, indem sie ihre leibliche Schwester ans <strong>Konvikt</strong> holte, die<br />

„als Hilfe der Schwestern zur allgemeinen Zufriedenheit“ tätig war.<br />

Hin und wieder taucht der Name einer Schwester auf; sonst werden die<br />

Schwestern en gros bedacht mit dankbaren und anerkennenden Worten. 25 Am 1.<br />

Oktober 1921 wurde Schwester Oberin Tolentine 26 zum <strong>Konvikt</strong> nach Mainz<br />

berufen, die zehneinhalb Jahre lang an der Spitze der Schwestern gestanden<br />

„und namentlich unter den erschwerten Verhältnissen der Kriegsjahre und nach<br />

dem Kriege geholfen“ hatte, „das <strong>Konvikt</strong> über Wasser zu halten.“ Rektor Mergler<br />

bedauerte es, dass er die wertvollen Dienste Schwester Tolentines nicht „durch<br />

eine greifbare Gegengabe“ vergelten konnte. Er bat um die Erlaubnis, den<br />

„lächerlich geringen“ Verdienst der Schwestern von jährlich 200 M. pro<br />

Schwester auf 1000 M. anheben sowie den Verdienst der übrigen<br />

Hausangestellten den Zeitverhältnissen anpassen zu dürfen. 27<br />

Konflikte<br />

Religiöse Pflichtverletzungen der Schüler wurden streng geahndet. Am 19.<br />

September 1928 bat Rektor Mergler in einem Schreiben an das Bischöfliche<br />

Ordinariat in Mainz um die „Ermächtigung, den Oberprimaner Heinrich P. 28 aus<br />

Seligenstadt zu entlassen“. Zur Begründung führte Mergler im Wesentlichen drei<br />

Verfehlungen des Schülers an, die er der Schwere nach anordnete: P. falle „seit<br />

Monaten [ ... ] durch eine unreligiöse Haltung“ auf und versäume seine<br />

Beichtpflicht, selbst vor einer angeordneten Generalkommunion. Als P. erfahren<br />

habe, dass der <strong>Konvikt</strong>rektor den Religionsunterricht „im Gymnasium<br />

übernehme, sagte er: ‚Ich lasse mich nicht zwingen die Religion zu lernen. Ich


glaube den Schwindel nicht mehr.’“ Als „noch schlimmer“ wertete Mergler „die<br />

Tatsache, dass P. in der Kapelle bei der heiligen Wandlung eine nicht<br />

wiederzugebende Aeusserung getan hat, die seinen vollen Unglauben und die<br />

völlige Verachtung alles Heiligen offenkundig macht.“ Für beide despektierlichen<br />

Äußerungen P.s gab der Rektor zwei Oberprimaner als Zeugen an und kam zu<br />

dem Schluss: „Unter diesen Umständen ist ein Verbleiben des P. in unserem<br />

Hause nicht mehr zu verantworten.“<br />

Sittliche Verfehlungen standen in der Bewertung durch die <strong>Konvikt</strong>leitung den<br />

religiösen kaum nach, wurden jedoch im Fall eines Zöglings namens Heinrich<br />

B. 29 durch Rektor Schneider mit der zweitschärfsten Maßnahme vor der<br />

Relegierung sanktioniert, dem consilium abeundi 30 . Heinrich B. hatte als<br />

Repetent das <strong>Konvikt</strong> in Hadamar verlassen müssen 31 und war am 1. Juni 1932<br />

ins Bensheimer <strong>Konvikt</strong> eingetreten. Am 12. März 1934 musste er folgende<br />

Erklärung in schriftlicher Form niederlegen und unterschreiben:<br />

„Ich Heinrich B. erkläre hiermit, dass ich von Ostern bis Weihnachten 1933 als<br />

Schüler der Untersekunda wiederholt versucht habe, während des Unterrichtes<br />

mit verschiedenen Klassenkameraden Unkeusches zu tun. Ich weiss, dass ich<br />

dafür die Entlassung aus dem <strong>Konvikt</strong> verdient habe. Da mir diese verdiente<br />

Strafe aber in das consilium abeundi umgewandelt und auch von einer Mitteilung<br />

an meine Eltern abgesehen wurde, verspreche ich durch meine Unterschrift, mir<br />

in obiger Sache nie wieder etwas zu Schulden kommen zu lassen und mir die<br />

grösste Mühe zu geben, nach einem sittenreinen Leben zu streben. Wenn ich<br />

mein Versprechen im geringsten Masse nicht halten sollte, weiss ich, dass die<br />

oben erlassene Strafe nachträglich noch eintritt.“<br />

Er hielt sein Versprechen nicht, beteiligte sich am 1. Juni 1934 „an einer HJ<br />

Demonstration gegen katholische Priester, Lehrpersonen und das <strong>Konvikt</strong>“ und<br />

wurde deswegen entlassen. Rektor Schneider bemerkte: „wir haben ihm keine<br />

Träne nachgeweint, zumal wir noch erfahren mussten, dass er in der Stadt und<br />

bei Klassenkameraden nicht geringe Schulden gemacht hatte.“ 32<br />

Der Name B. beschäftigte Rektor Schneider über die Entlassung Heinrichs<br />

hinaus, weil sich Vater Hermann B., von Beruf Lehrer, unter allerhand<br />

Ausflüchten weigerte, seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem <strong>Konvikt</strong><br />

nachzukommen. Rektor Schneider zweifelte seine Zahlungsunfähigkeit mit guten<br />

Gründen an, es entstand ein unerquicklicher Briefwechsel, B. beklagte sich in<br />

Mainz über den Rektor usw. Schließlich hielt es Rektor Schneider für wertlos,<br />

„über all diese Dinge mit Herrn B. zu streiten.“ Sollte dieser seiner<br />

Zahlungsverpflichtung in Höhe von 900 Mark nicht „bald“ nachkommen, erbat<br />

sich Schneider „das Einverständnis einer Hochwürdigsten Behörde [ ... ] unsere<br />

Forderung auf dem Klagewege einzutreiben.“ 33<br />

Auseinandersetzungen mit zahlungssäumigen Eltern mussten die Rektoren des<br />

<strong>Konvikt</strong>s immer wieder führen; auch musste die Möglichkeit, Ermäßigungen des<br />

Pensionspreises von Elternseite zu erbitten, genau geprüft werden, um<br />

unberechtigte Anträge zurückzuweisen. Die Fürsprache der Rektoren beim<br />

Bischöflichen Ordinariat – als der letztlich entscheidenden Institution - verstärkte<br />

sich allerdings, wenn der fragliche Zögling Hoffnungen auf den Priesterstand<br />

machte. Am 3. Oktober 1931 berichtete Rektor Schneider dem Bischöflichen<br />

Ordinariat vom „Gesuch des Untertertianers Wilhelm B. 34 um Ermässigung<br />

seines Kostgeldes“. B. sei „normal begabt, fleissig und in seinem Betragen<br />

tadellos. Vorläufig wird man noch sagen können, dass sein Wille, Priester zu<br />

werden, echt ist.“ Er sei zum ermäßigten Kostgeldsatz von 500 Reichsmark<br />

aufgenommen worden, „was bis jetzt auch anstandslos, allerdings mit<br />

Unterstützung des Ortspfarrers, bezahlt wurde.“ Durch einen weitläufigen<br />

Verwandten im <strong>Konvikt</strong>, der von Rektor Mergler „zu 400 M“ aufgenommen<br />

worden sei, „obwohl er bestimmt nicht Priester wird“, habe B. sich angeregt<br />

gefühlt, ebenfalls um Ermäßigung auf 400 Reichsmark nachzusuchen. Obgleich<br />

Rektor Schneider ihm zunächst beschied, „höchstens den Mindestsatz von


440,00 Rmk zubilligen“ 35 zu können, sprach er sich im Schreiben ans<br />

Bischöfliche Ordinariat dann doch dafür aus, „das Kostgeld ausnahmsweise auf<br />

400.00 Rmk, aber nicht darunter“ zu ermäßigen „und zwar nur solange, als er die<br />

ernste Absicht hat, Priester zu werden und die finanziellen Schwierigkeiten in der<br />

Familie fortbestehen.“<br />

Eine Besonderheit: die angegliederte Privatschule in den zwanziger und<br />

dreißiger Jahren<br />

Im Oktober 1924 richtete Rektor Mergler in den Räumlichkeiten des <strong>Konvikt</strong>s<br />

eine Privatschule ein, wo die beiden Geistlichen des Hauses sowie vier<br />

Privatlehrer Vorbereitungskurse für das Gymnasium abhielten. Abiturienten mit<br />

dem Studienwunsch Theologie hatten zudem die Möglichkeit, sich auf das<br />

Latinum und Graecum vorbereiten zu lassen. Wenn schon das <strong>Konvikt</strong> durch<br />

schwere Zeiten ging, kann dies von der Privatschule noch mehr gesagt werden;<br />

aber auch sie bestand trotz aller Schwierigkeiten bis zur vorläufigen Schließung<br />

des Hauses im Juli 1939. Nach der Wiedereröffnung des <strong>Konvikt</strong>s als<br />

„Schülerheim St. Bonifazius“ (in der Trägerschaft des „Studienwerks für<br />

heimatvertriebene Schüler in Recklinghausen“) im Jahr 1950 war die Idee der<br />

angegliederten Privatschule nicht mehr aktuell; sie hatte gelebt vom Geist und<br />

der Energie Rektor Merglers, der seinerseits getragen war vom Gedanken, die<br />

Kurse „für die Vermehrung der Priesterberufe“ abzuhalten. In einem Schreiben<br />

vom 15. Februar 1928 an das Bischöfliche Ordinariat gab Mergler an, dass die<br />

Kurse für den angegebenen Effekt „von entscheidender Bedeutung waren“ und<br />

nannte folgende Zahl: „Von den 33 Schülern mit Erfolg können 26 als<br />

Priesterkandidaten gelten. Das ist gewiss eine erfreuliche Ziffer.“<br />

Die Eltern der Privatschüler mussten Schulgeld entrichten, wovon die Gehälter<br />

der angestellten Lehrer und sonstige Aufwendungen bestritten wurden. Etwa<br />

dreißig Privatschüler reichten aus, um den Betrieb kostendeckend zu führen. Mit<br />

der Zahl der Ab- und Zugänge stellte sich diese Frage jedes Jahr neu, was<br />

besonders für die angestellten Lehrer Unsicherheiten schuf. Mergler erwähnte<br />

Dr. Heinrich Freitag, „der nunmehr schon 3 ½ Jahre der Sache der Kurse<br />

gedient“ und „das begreifliche Verlangen ausgedrückt“ habe, „eine Sicherheit für<br />

seine Zukunft zu haben“. 36 Die Aufnahmegesuche „aus der gesamten Diözese,<br />

aus dem Trierer Land und der Eifel, aus Schlesien, aus dem Ruhrgebiet, aus der<br />

Provinz Sachsen, aus Bayern und aus Berlin“ bestärkten Mergler jedoch darin,<br />

„dass eine solche Anstalt mit den Aufgaben, wie sie die Kurse von Anfang an<br />

hatten, lebens- und entwicklungsfähig ist.“ 37<br />

Das Verhältnis zur staatlichen Schulbehörde blieb ungeklärt; es bedurfte des<br />

Wohlwollens des Kreisschulamtes, „dass bisher von Seiten des Staates keine<br />

Schwierigkeiten gemacht worden sind“ 38 , waren doch die Schüler<br />

„fortbildungsschulpflichtige Jungen“. Eine Möglichkeit zur Anerkennung der<br />

Schule hätte darin bestanden, „die rechtliche Form einer Privatschule mit<br />

Öffentlichkeitsrecht anzustreben“, was Rektor Mergler im Hinblick auf die<br />

gesetzlichen Anforderungen für unerfüllbar hielt: „Die Lehrer müssten dann die<br />

gleiche Vorbildung und Bezahlung haben wie im Staatsdienst“, außerdem gäbe<br />

es Auflagen im Hinblick auf die Räumlichkeiten und Lehrmittel. Mit dem Status<br />

staatlicher Anerkennung wäre die Privatschule neben das öffentliche<br />

Schulsystem getreten, Rektor Mergler sprach jedoch von einer „dienenden<br />

Funktion“ der Privatschule, die allerdings eine Lücke im öffentlichen System<br />

ausfülle, indem Volksschüler und Realschüler aufs Gymnasium und „Abiturienten<br />

der Realanstalten auf die Ergänzungsprüfungen vorbereitet“ würden. (Die gleiche<br />

>Lückentheorie< vertrat Rektor Mergler in einem Schreiben ans Bischöfliche<br />

Ordinariat in Mainz am 9. Mai 1928, kam dabei jedoch zu einem gänzlich<br />

anderen Ergebnis: „Die Unterrichtskurse sind nicht ein Privat-Unterricht, der so<br />

nebenbei erteilt wird, sondern eine Schule. 39 Es ist eine grundsätzliche Frage von


einiger Tragweite, ob dies auch in seinen unmittelbar praktischen Konsequenzen<br />

anerkannt wird. Sonst wird es niemals eine Möglichkeit geben, das<br />

Staatsschulmonopol für höhere Schulen zu durchbrechen.“ – Diesen Ansatz hat<br />

Rektor Mergler nicht weitergeführt.)<br />

Der rechtliche Status der Privatschule des <strong>Konvikt</strong>s wurde in einem Schreiben<br />

des Kreisschulamtes Bensheim vom 3. Juli 1937 an den „Reichsstatthalter in<br />

Hessen“, sprich die Landesregierung, Abteilung VII in Darmstadt abermals<br />

erfragt. Anlässlich eines Schülers, der „nach insgesamt 9jährigem Schulbesuch<br />

aus dem Gymnasium“ zu Bensheim ausgetreten war und „nunmehr ungefähr 27<br />

Stunden Unterricht im Bischöflichen <strong>Konvikt</strong>“ erhielt, wurde „zweck (!)<br />

grundsätzlicher Klarstellung der Unterrichtsbefugnis im Bischöflichen <strong>Konvikt</strong>“ um<br />

die Auskünfte nachgesucht, ob erstens der Schüler „vom Besuch der<br />

Berufsschule befreit“ sei und zweitens das bischöfliche <strong>Konvikt</strong> „überhaupt als<br />

Privatschule im Sinne des hessischen Volksschulgesetzes“ gelten könne. Die<br />

Antwort vom 16. Juli d.J. lautete lapidar: „Ihre beiden Fragen sind zu verneinen.<br />

Sie wollen das zu Frage 1 Erforderliche veranlassen.“ 40<br />

Der Lehrer, der wohl am längsten in der Privatschule unterrichtet hat, oben<br />

erwähnter Dr. Heinrich Freitag, bemerkte in der Chronik über sich selbst: „Er<br />

verlebte am <strong>Konvikt</strong> die 14 schönsten Jahre seines Lebens. Gottes Segen war<br />

auf dem <strong>Konvikt</strong> und der angegliederten Privatschule.“ 41<br />

Zeitreflexe im <strong>Konvikt</strong>sleben<br />

An herausragenden politischen Ereignissen, die sich im <strong>Konvikt</strong>sleben<br />

widerspiegelten, fehlte es im zwanzigsten Jahrhundert wahrlich nicht; betrachtet<br />

seien hier die beiden Katastrophen des Ersten Weltkriegs und der Nazizeit. Im<br />

Jahr 1914 ergriff die im Reich vorherrschende Kriegsbegeisterung auch die<br />

<strong>Konvikt</strong>oristen; die Oberprimaner kehrten vorzeitig aus den Sommerferien<br />

zurück, um Notabiture abzulegen, sich von Rektor Schorn feierlich verabschieden<br />

zu lassen und als Freiwillige der kämpfenden Truppe oder im Sanitätsdienst<br />

eingesetzt zu werden. Wie es zu befürchten war, bezahlten einige ihren<br />

vaterländischen Eifer mit dem Leben. 42 In der Todesanzeige der <strong>Konvikt</strong>leitung<br />

für das erste Opfer des Krieges, Ludwig Singer, gefallen am 7. November 1914,<br />

ist zu lesen, dass der Oberprimaner „sein junges Leben auf dem Altar frei<br />

übernommener Pflicht“ geopfert habe. Kann man aus dieser Formulierung den<br />

Versuch herauslesen, sich von Erzieherseite frei zu sprechen von der<br />

Mitverantwortung am sinnlosen Tod des jungen Mannes? Immerhin weist die<br />

Betonung der Freiwilligkeit für Singers Kriegseinsatz die Möglichkeit auf, dass er<br />

zu Hause geblieben wäre, weil er – zumindest vorerst – nicht dienstverpflichtet<br />

war. Die weiteren Todesanzeigen in der Chronik aus den Jahren 1916 für Franz<br />

Gütlein, der als „zweites Opfer aus unseren Reihen“ am 24. Januar 1916 gefallen<br />

war; für den „Einjährigen“ Willibald Zöllner, gefallen am 31. Juli 1917, der „als<br />

dritter unserer von der Schulbank weg zur Verteidigung des Vaterlandes unter<br />

die Fahnen geeilten Zöglinge“ betrauert wird; für Ferdinand Racke, gefallen am<br />

11. September 1917, welcher „der vierte unserer zu den Waffen berufenen<br />

Zöglinge“ war, „der sein Leben für das Vaterland zum Opfer brachte“; für den<br />

Gefreiten Franz Ott, gefallen am 21. Dezember 1917 sowie den Vizefeldwebel<br />

und Reserve-Offiziersaspirant Anton Kipp, gefallen am 24. März 1918; über die<br />

beiden letztgenannten, als „Helden“ bezeichneten ehemaligen Schüler heißt es,<br />

dass ihre „militärischen Tugenden wiederholt anerkannt und ausgezeichnet“<br />

worden seien und das Bischöfliche <strong>Konvikt</strong> in ihnen „zwei für den von ihnen<br />

erwählten Lehr- bezw. Priesterberuf begeisterte junge Männer von seltener<br />

Charakterfestigkeit und dankbarer Anhänglichkeit“ betrauere - diese<br />

Formulierungen wiederum stehen ganz im damals üblichen Duktus und weisen<br />

keinerlei Anzeichen auf für inneres Befremden und die Bereitschaft zur<br />

Infragestellung zeitbedingter Konventionen.


Die Nahrungsmittelknappheit der Kriegsjahre wirkte sich auch im <strong>Konvikt</strong> aus, der<br />

Pensionspreis musste erhöht werden, „Brotkarten wurden eingeführt, die tägliche<br />

Brötchen-Ration musste gekürzt werden.“ 43 Der ungewöhnlich kalte Winter um<br />

die Jahreswende 1916/17 machte eine Verlängerung der Weihnachtsferien<br />

notwendig, weil in den Schulen Kohlenmangel herrschte. Die spanische Grippe<br />

ließ sich von den <strong>Konvikt</strong>smauern nicht aufhalten. Was im Zweiten Weltkrieg<br />

nicht mehr verhindert werden konnte, wehrte Rektor Schorn in den Herbstferien<br />

1915 noch ab: Die Begehrlichkeit des Militärs auf das geräumige<br />

<strong>Konvikt</strong>sgebäude. Bei der anhaltend bedrückenden und sich eher<br />

verschlimmernden Versorgungslage gegen Ende des Krieges gaben schlecht<br />

ausgefallene Osterzeugnisse Anlass für Unzufriedenheit und Unruhe bei der<br />

Schülerschaft; aber auch die <strong>Konvikt</strong>leitung reagierte gereizt. Die Chronik<br />

bewahrt das Schreiben eines Vaters aus Bingen vom 26. März 1919 „An das<br />

Hochw. Bischöfl. Ordinariat“ auf, in dem dieser gegen den Rektor und die<br />

<strong>Konvikt</strong>leitung Beschwerde führte. Einleitend geht es um Irritationen, ausgelöst<br />

durch „übergrosse Empfindlichkeiten der Leitung, die die Eltern der Schüler stets<br />

in Unruhe hielten“, etwa was die Beschlagnahme von elterlichen Lebensmittel-<br />

Zuwendungen an die <strong>Konvikt</strong>sschüler betrifft oder „fortwährende Drohungen mit<br />

Ausweisungen, weil das <strong>Konvikt</strong> ja doch an den Schülern nichts verdiene und<br />

darum an dem weiteren Verbleib kein Interesse habe u. dgl. mehr“. Dem<br />

„seitherigen Tun die Krone aufzusetzen“, habe sich Rektor Schorn versehen<br />

durch den Rausschmiss der „ganzen Oberprima aus dem <strong>Konvikt</strong> ohne das<br />

Vorwissen der Eltern“ und „mitten in den Abschlussprüfungen“. Der Grund für<br />

diese drakonische Maßnahme geht aus dem Brief nicht klar hervor; indirekt<br />

erfährt man den Vorwurf Rektor Schorns an die Oberprimaner, sich des<br />

„Spartakismus“ schuldig gemacht zu haben; was wohl als – vielleicht politisch<br />

angehauchte – Widersetzlichkeit aufzufassen ist; der Briefschreiber stellt zudem<br />

klar, dass „selbstredend ein unbotmässiges Verhalten des Schülers in keiner<br />

Weise gebilligt“ werde, verwahrt sich aber nochmals gegen „ein derartig<br />

rücksichtsloses Verhalten eines Vorgesetzten“. Rektor Schorn wurde in dieser<br />

Angelegenheit anscheinend nicht nur von Seiten des Briefschreibers und der<br />

übrigen betroffenen Elternschaft kritisiert, sondern auch vom „Religionslehrer des<br />

Gymnasiums“ und „Herrn Professor Lenhart“, die beide „ihre Entrüstung über<br />

dieses ganz unqualifizierbare Verhalten des Herrn Rektors“ ausgesprochen<br />

haben sollen.<br />

Derartige Auseinandersetzungen sind wohl als Reaktion gereizter Nerven durch<br />

langanhaltende Überforderungen der vielfältigsten Art in den schwierigen<br />

Kriegsjahren zu interpretieren, die in Rektor Schorn den Entschluss zur<br />

Demission bestärkt haben dürften; er „bat um Entbindung von seinen Pflichten“ 44 .<br />

Sein Nachfolger war Eugen Mergler, der in den Nachkriegsjahren ebenfalls mit<br />

erheblichen Widerständen zu kämpfen hatte. Als in der mittleren Phase der<br />

Weimarer Republik eine Zeit der Erholung angebrochen zu sein schien, kehrten<br />

auch für das <strong>Konvikt</strong> bessere Jahre zurück, bis die Weltwirtschaftskrise die<br />

Situation wieder verschärfte und große politische Auseinandersetzungen<br />

herbeiführte. Die Chronik vermerkt, dass „das politische Interesse der Zöglinge,<br />

besonders der Älteren [...] außerordentlich groß“ sei und fährt fort:<br />

„Augenblicklich bilden in unserem Vaterland die Arbeitslosigkeit und das damit<br />

verknüpfte Elend in weiten Volkskreisen einen günstigen Nährboden für die<br />

Propagandatätigkeit radikaler Parteien. Das lawinenartige Anschwellen der<br />

nationalsozialistischen Partei; die vollständige Zertrümmerung der Mittelparteien<br />

mit Ausnahme des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei, das<br />

Stärkerwerden der Kommunisten sind die Charakteristika unserer bewegten Zeit.<br />

Viermal mussten die deutschen Bürger im Jahre 1932 zur Wahlurne schreiten,<br />

zweimal den Reichspräsidenten und zweimal den Reichstag wählen. Diese<br />

Wellen politischer Hochspannung brachen sich nicht an den Mauern des<br />

<strong>Konvikt</strong>es. Der überaus rührige Oberprimaner Jean Reising erreichte es, daß von


Zeit zu Zeit für die Schüler der 3 oberen Klassen im Hause sog. Politische<br />

Abende gehalten wurden. Prominente Redner 45 nahmen zu den Tagesfragen<br />

Stellung. Auch die älteren Kapuzinerzöglinge erscheinen jeweils zu diesen<br />

Abenden.“ 46<br />

Der Machtantritt der Nationalsozialisten wird vom Chronisten zunächst als eine<br />

Folge „großer politischer Umwandlungen“ wahrgenommen, die er glaubt, „nicht<br />

ohne Beachtung übergehen zu dürfen, umsomehr als wir im <strong>Konvikt</strong> durch<br />

Zeitung und Rundfunk stets auf dem Laufenden gehalten wurden und den Gang<br />

der Dinge mit lebhaftem Interesse verfolgten.“ Auch fiel es jedermann in die<br />

Augen, dass auf allen öffentlichen Gebäuden, „teilweise von uniformierten<br />

Nationalsoz. oder Stahlhelmleuten die alte Reichsflagge Schwarz-weiß-rot und<br />

die Hakenkreuzfahne gehißt“ wurde. Die Reichsregierung verfügte, dass „die<br />

Parlamente der Länder und Kommunen dem Ergebnis der Reichstagswahl<br />

gleichgeschaltet“ wurden; der Chronist bemerkte dazu lediglich: „Überall haben<br />

nunmehr die Nationalsozialisten die unbeschränkte Macht übernommen.“ Zur<br />

Wahl des hessischen Staatspräsidenten am 18. März und zur Eröffnung des<br />

neugewählten Reichstages in Potsdam am 21. März fiel der Unterricht aus.<br />

„Abends beteiligten sich mehrere <strong>Konvikt</strong>oristen an dem riesigen Fackelzug, der<br />

sich durch die Strassen unserer Stadt bewegte.“ Der Chronist schloss mit der<br />

Hoffnung: „Möge es den neuen Männern gelingen, dem Übel der Arbeitslosigkeit<br />

zu steuern, die hohen kulturellen Güter des Christentums und der Nation zu<br />

erhalten und zur unbeschränkten Geltung zu bringen, um so unser geliebtes<br />

Vaterland wieder zu neuer Kraft und Bedeutung zu führen!“ 47<br />

Wie wenig die „neuen Männer“ für das Christentum übrig hatten, zeigte sich am<br />

<strong>Konvikt</strong> zunächst nur in Irritationen und Störaktionen; ein frontaler Angriff gegen<br />

die beiden großen Kirchen, der auch das <strong>Konvikt</strong> mitbetroffen hätte, verbat sich<br />

den Nazis aus taktischen Erwägungen. Ihre Marschroute zielte auf eine<br />

vorläufige Paktierung mit willigen Christen, und nur die mehr oder weniger<br />

deutlich widerstrebenden Mitglieder wurden von Beginn an offen kritisiert und<br />

bekämpft. Dazu gehörte bekanntermaßen der damalige Bischof von Mainz,<br />

Ludwig Maria Hugo, der bereits 1930 den Katholiken seiner Diözese die<br />

Mitgliedschaft in der NSDAP untersagt hatte und auch nach dem 30. Januar ´33<br />

seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus erkennen ließ. Eine Demonstration<br />

gegen ihn am 30. Januar 1934 in Mainz wurde vom <strong>Konvikt</strong> am 6. Februar mit<br />

einem Loyalitätsschreiben beantwortet, das den Charakter beinahe kindlicher<br />

Ergebenheit besitzt:<br />

„Hochwürdigster Herr Bischof! Tief empört über die gemeinen Beleidigungen, die<br />

Ew. Exzellenz am Dienstag, den 30. Januar d. J. zugefügt wurden, versichern<br />

wir, daß wir treu zu unserem Bischof, dem obersten geistlichen Führer unserer<br />

Diözese stehen, und daß wir unsere Treue von niemanden (!) erschüttern<br />

lassen.“ Die Hausgemeinschaft mit dem Rektor, Subrektor und den Zöglingen<br />

setzten ihre Unterschrift auf den Brief; aber: „9 hatten nicht unterschrieben.“ 48<br />

Das Treuebekenntnis zu Bischof Hugo musste mit der gebotenen Vorsicht vor<br />

den Nationalsozialisten vereinbart werden. Gewählt wurden Formulierungen,<br />

welche den „Gegner“ nicht beim Namen nannten, sondern nur „denken“ ließen. In<br />

diesem Sinne heißt es weiter in dem Brief:<br />

„Auf den Schultern eines Bischofs, besonders eines deutschen Bischofs, liegt<br />

heute eine große Arbeitslast und eine fast übermenschliche Verantwortung. Wir<br />

versprechen darum, gerade in diesen Tagen für Ew. Exzellenz zu beten und uns<br />

Mühe zu geben, durch ein recht christkatholisches Leben unserem lieben<br />

Oberhirten viel Freude zu machen."<br />

Bischof Hugo griff in seinem Dankesschreiben vom 7. Februar 1934 schon zu<br />

etwas direkteren Worten, beließ sie aber noch im Bereich des Allgemein-<br />

Moralischen und nannte die nationalsozialistischen Machthaber ebenfalls nicht<br />

beim Namen:


„Hochwürdiger Herr Rektor! Von Herzen danke ich Ihnen, dem h. Herrn<br />

Subrektor und den Zöglingen des Bensheimer <strong>Konvikt</strong>es für die tröstende<br />

Teilnahme in einer Zeit, die besonders die Hirten der Kirche dem Haß und der<br />

Bosheit der Welt aussetzt.“ Er empfiehlt den Zöglingen „eifriges Gebet und ein<br />

sittenreines Leben“, um würdig zu sein, „immer für Jesus Christus und seine hl.<br />

Kirche zu stehen.“<br />

Konflikte mit den neuen Machthabern blieben auch dem <strong>Konvikt</strong> nicht erspart,<br />

insbesondere nicht Rektor Schneider. Er wurde von der Hitlerjugend auf einer<br />

Demonstration am Abend des 1. Juni 1934 geschmäht, zusammen mit den<br />

Lehrern Löffler und Schumacher, der Lehrerin Schäfer, dem Kreisschulrat<br />

Kremer und vor allem dem Bensheimer Kaplan von St. Georg, August Josef Wolf<br />

(1900-1983). Dieser hatte sich den Unmut der Nazis zugezogen durch eine<br />

Werbeaktion für die katholische Jugend. Rektor Schneider wurde verübelt, dass<br />

er nicht bedingungslos den Hitlerjungen des <strong>Konvikt</strong>s – Karl Kunkel spricht von<br />

einem Dutzend – zu Exerzierübungen Ausgang gewährte, selbst wenn die<br />

Ordnung des Hauses dadurch mehrmals in der Woche erheblich gestört wurde.<br />

Die der Naziideologie verfallenen Jungen im <strong>Konvikt</strong> denunzierten ihren Rektor,<br />

den man in die staatsfeindliche Ecke zu stellen versuchte. Der Artikel im<br />

„Bensheimer Anzeigenblatt“ vom 2. Juni 1934 spart nicht mit Drohungen gegen<br />

die „Saboteure des dritten Reichs, gegen die jetzt energisch Front gemacht<br />

werden muß.“ Die Demonstration bewegte sich auch am <strong>Konvikt</strong> vorbei, und nur<br />

der Anwesenheit der Polizei war es zu danken, dass die Hitlerjungen das<br />

<strong>Konvikt</strong>gelände nicht betraten.<br />

Die Angelegenheit hatte ein Nachspiel in Form fristloser Entlassung zweier<br />

hauptschuldiger Hitlerjungen des <strong>Konvikt</strong>s; „sechs wurde nahegelegt, das Haus<br />

zu Beginn der Sommerferien zu verlassen.“ 49 Der Rektor musste sich<br />

polizeilichen Verhören stellen, die hessische Staatspolizei schaltete sich ein, aber<br />

schließlich – „nach dem 23. Oktober 1934“ –, wie die Chronik berichtet, beruhigte<br />

sich die Lage, und nach den Sommerferien kehrten „Ruhe und Frieden und ein<br />

schönes Arbeiten“ zurück ins <strong>Konvikt</strong>. 50<br />

<strong>Konvikt</strong> und Nationalsozialismus blieben unvereinbare Gegensätze! Eine Anfrage<br />

des Kapitularvikars der Diözese Mainz vom 8. April 1935 zum Thema „<strong>Konvikt</strong><br />

und Hitlerjugend“ 51 beantwortete Rektor Schneider am 10. April 1935 zunächst in<br />

Kurzform und noch am selben Tag in einem zweiten Schreiben ausführlich. Die<br />

Fragen lauteten:<br />

„1) Hat die Hitlerjugend in Ihrer Anstalt bestanden und besteht sie noch? Wieviel<br />

Mitglieder zählt sie und wie werden diese in jeder Woche beansprucht?<br />

2) Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit ihr gemacht?<br />

3) Verträgt sich nach Ihrer Ansicht Zugehörigkeit zur Hitlerjugend mit dem<br />

<strong>Konvikt</strong>sleben?<br />

4) Unter welchen Bedingungen können nach Ihrer Ansicht <strong>Konvikt</strong>oren auch<br />

Mitglieder der HJ sein?“<br />

Rektor Schneiders Antworten:<br />

„zu 1.) Die H.J. hat einige Wochen in unserem Hause bestanden; dann wurden<br />

die meisten Hitlerjungens wegen grober Vergehen gegen die Autorität des<br />

Hauses entlassen, und seitdem besteht sie zum größten Segen des <strong>Konvikt</strong>es<br />

nicht mehr. Zur Zeit sind 2 Zöglinge passive Mitglieder der H.J.<br />

zu 2.) Sehr schlechte Erfahrungen.<br />

zu 3.) Nein<br />

zu 4.) Unter keiner Bedingung.“<br />

Im ausführlichen Schreiben gab Schneider an, dass er die Vereinbarkeit von<br />

H.J.-Mitgliedschaft und Beachtung der Hausordnung im <strong>Konvikt</strong> für unmöglich<br />

hielt, wofür er die Proben erhalten hatte. Immer wieder wurde dieser Punkt von<br />

ihm und seinem Nachfolger Müller sowie den anderen <strong>Konvikt</strong>rektoren in Mainz


und Dieburg ins Feld geführt gegenüber den nationalsozialistischen<br />

Regierungsstellen. Diese wiederum pochten auf eine Änderung der Hausordnung<br />

und witterte Ablehnung und Feindschaft der <strong>Konvikt</strong>leitung gegenüber dem<br />

nationalsozialistischen Staat. 52<br />

Die H.J. forderte bei den Jungen den Geist der Unbotmäßigkeit gegen die<br />

<strong>Konvikt</strong>leitung heraus 53 , „sodass eine Erziehung von unserer Seite nicht mehr<br />

möglich war“, und vergiftete die Kameradschaft. Unter den Jungen entstand eine<br />

„sehr scharfe Trennung, ja mitunter sogar feindliche Haltung“, je nachdem ob sie<br />

der Hitlerjugend oder den im <strong>Konvikt</strong> vertretenen konfessionellen Verbänden wie<br />

„Neudeutschland“ und „Marianische Kongregation“ angehörten. Das rüpelhafte<br />

Verhalten der Hitlerjungen, Diebstähle, Unsittlichkeiten, Überfälle und im Fall<br />

eines „M.K.T.“ ein so charakterloses Betragen im <strong>Konvikt</strong>, „dass er selbst von der<br />

H.J. ein halbes Jahr lang nicht aufgenommen wurde“, ließ zur Genüge begreifen,<br />

wes Geistes Kind die Jugendorganisation des „neuen Staates“ war. Schneider<br />

erwähnte im Schreiben nach Mainz „die letzten Grüße unserer scheidenden<br />

Hitlerjungens“, welche nach der beschriebenen Demonstration das <strong>Konvikt</strong><br />

verlassen mussten: „Exkremente auf der Fensterbank des Klosettes“.<br />

Noch einmal sprach Rektor Schneider die Hausordnung an, die er einen<br />

„wichtigen Erziehungsfaktor“ nannte und deren Störung durch H.J.-Aktivitäten er<br />

näher ausführte: „[...] die Jungens kommen um ihre religiösen Übungen, oft sogar<br />

um die Sonntagsmesse; es bleibt für das Studium nicht genügend Zeit; wenn die<br />

Hitlerjungens spät heimkommen, was wiederholt der Fall war und auch noch sein<br />

wird, stören sie ihre Kameraden im Schlafe, da wir nur einen gemeinsamen<br />

Schlafsaal haben, und kommen selber um die notwendige Nachtruhe, da sie am<br />

nächsten Tag wieder früh aufstehen müssen; sie sind schläfrig in der hl. Messe,<br />

wofür natürlich die H.J.führer kein Verständnis haben, und können<br />

selbstverständlich in der Schule auch nicht viel leisten.“<br />

Was folgt, weist auf die Anwürfe von nationalsozialistischer Seite hin, deren sich<br />

Rektor Schneider zu erwehren hatte:<br />

„Wenn [...] der Rektor aus irgendeinem wichtigen Grund einmal die Teilnahme an<br />

einer Übung ablehnt, gilt das als eine Dienstverhinderung, und er wird als<br />

Reaktionär verschrieen. ‚Tod der Reaktion’ war eines Nachts an unser Hoftor<br />

angeschmiert worden.“ 54<br />

Um der schwierigen Lage Herr zu werden, versuchte Rektor Schneider den<br />

„Eltern der Neueintretenden, die bereits Mitglieder der H.J. sind“, zu empfehlen,<br />

„ihre Jungens in der Heimat weiterhin angemeldet zu lassen und für die Zeit in<br />

Bensheim beurlauben zu lassen. Bei den Eltern finde ich dafür immer volles<br />

Verständnis; ja manche schicken ihre Söhne gerade aus dem Grunde in unser<br />

Haus, damit sie ungestört ohne Behinderung durch die H.J. ihren Studien<br />

obliegen können.“<br />

Der Versuch, das <strong>Konvikt</strong> als Rückzugsraum von ideologischer Vereinnahmung<br />

zu nutzen, musste unter den Bedingungen nationalsozialistischer Herrschaft<br />

letztlich scheitern. Auch der Nachfolger Rektor Schneiders 55 , Anton Müller, war<br />

weiterhin mit der leidigen Korrespondenz um Aktivitäten von <strong>Konvikt</strong>s-Schülern in<br />

der Bensheimer H.J. befasst. Als Pfarrer in Bad Nauheim blickte er in einer<br />

betreffs „Kriegsschäden und Verfolgungen“ am 20. November 1946 ans<br />

Bischöfliche Ordinariat in Mainz geschriebenen Liste u.a. zurück auf<br />

„Haussuchung durch Gestapo im <strong>Konvikt</strong> Bensheim 1937 oder 38 in den<br />

Zimmern des Rektors zur Zeit der Klosterprozesse“ und „1939 Haussuchung<br />

durch Gestapo in den Zimmern des Subrektors im <strong>Konvikt</strong> in Bensheim in<br />

Sachen der Jugendorganisation Neu-Deutschland.“ Als vierten Punkt nannte er:<br />

„Schliessung des Bensheimer <strong>Konvikt</strong>es durch die Bischöfl. Behörde wegen der<br />

Auflage, Nazi-Erziehern das Haus zu unterstellen. Damit gegeben Beendigung<br />

meiner Tätigkeit als Rektor.“ 56<br />

*


Jede Zeit hat ihre Charakteristika, „Rückständiges“ und „Fortschrittliches“ mögen<br />

sich in den Augen der Nachgeborenen vielleicht die Waage halten. Dem<br />

kompromisslosen, heute womöglich als dogmatisch empfundenen religiösen<br />

Streben der <strong>Konvikt</strong>leitung standen ein Gemeinschaftsleben und eine Liebe zum<br />

Detail im täglichen Leben gegenüber, welche unsere auf „Effizienz“ bedachte<br />

Gegenwart nachdenklich stimmen könnte.<br />

Eine fragile Schöpfung – so könnte man das <strong>Konvikt</strong> in den ersten 51 Jahren<br />

seines Bestehens beschreiben; einerseits gewollt und durchgesetzt von seinen<br />

Begründern, andererseits immer wieder belastet von Geldmangel und bedroht<br />

von ungünstigen Zeitläufen.<br />

In den Kriegsjahren und ersten Nachkriegsjahren musste das Haus als Lazarett<br />

und Unterkunft für Heimatvertriebene dienen. Erst 1950 konnte es wiedereröffnet<br />

werden. Diese Zeit mit noch einmal sieben Rektoraten umfasst die Jahre bis<br />

1981, an deren Ende die Schließung des Bensheimer <strong>Konvikt</strong>s durch das<br />

Mainzer Ordinariat stand.<br />

Aus:<br />

Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, Bd. 44, 2011, S. 86-114.<br />

Copyright <strong>Johannes</strong> <strong>Chwalek</strong><br />

1 Auch nach dem Krieg stand es nicht gleich seiner alten Bestimmung zur Verfügung,<br />

sondern wurde bis Ostern 1949 als Heimstätte für „verschleppte Personen“ (Displaced<br />

Persons) von der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation) beschlagnahmt.<br />

2 Vgl. etwa Kunkel, Karl: „Das <strong>Konvikt</strong> als Aufgabe“ in: Geschichte der Bensheimer<br />

Rathäuser. Eine Dokumentation über fünf Jahrhunderte. Herausgegeben vom Magistrat<br />

der Stadt Bensheim anlässlich der Rathausübergabe am 24. März 1984, S. 123: „Absicht<br />

der Initiatoren des <strong>Konvikt</strong>es war, wie eindeutig aus den damaligen Briefen an das<br />

Bischöfliche Ordinariat in Mainz hervorgeht, ein Schülerheim für katholische Jungen zu<br />

gründen, die sich vielleicht einmal für den Priesterstand entschließen würden. Zu keiner<br />

Zeit freilich war die Absicht, Priester zu werden, Voraussetzung für die Aufnahme ins<br />

Bischöfliche <strong>Konvikt</strong> Bensheim.“ Rektor Eugen Mergler spricht in einem Brief vom 18.<br />

Juni 1928 vom <strong>Konvikt</strong> als einem Haus, „das zur Erziehung von Priesterkandidaten der<br />

eignen Diözese gegründet wurde“. Mit etwas anderer Gewichtung erscheint der Punkt<br />

behandelt in einem Abriss über das <strong>Konvikt</strong> für den Jahresbericht 1980/81 des Alten<br />

Kurfürstlichen Gymnasiums (AKG) Bensheim von Josef Deibele (dem letzten Rektor des<br />

<strong>Konvikt</strong>s), Karl Kunkel und dem langjährigen Präfekten Siegfried Schramm (dessen<br />

Andenken dieser <strong>Aufsatz</strong> gewidmet ist). Auf Seite 184 f. heißt es, „die Geschichte des<br />

<strong>Konvikt</strong>s Bensheim“ sei „sicher in ihrem Ursprung darin zu suchen [...], jungen Menschen<br />

die Möglichkeit einer guten schulischen Ausbildung anzubieten, vor allem in Gegenden,<br />

wo aufgrund der Verkehrssituation und der Infrastruktur solche nicht möglich war. Der<br />

Gedanke, durch Wissenschaft und Lehre und durch das entsprechende Vorbild der<br />

Geistlichen den priesterlichen Nachwuchs zu fördern, war damit verbunden. Diese Idee<br />

stand einmal mehr, einmal weniger im Vordergrund, je nach Autorität und persönlicher<br />

Prägung des Leiters eines solchen Internats“.<br />

3 Vgl. den Artikel „Jetzt auch Ermittlungen zum <strong>Konvikt</strong>“, Bergsträßer Anzeiger, 11. März<br />

2010, S. 9 von Karl-Heinz Schlitt.<br />

4 Dazu muss ich mich selbst zählen, der ich das <strong>Konvikt</strong> von 1970 bis ´76 besuchen<br />

durfte. Vgl. <strong>Chwalek</strong>, <strong>Johannes</strong>: Drei Rektoren. Eine Internatsgeschichte. Stolzalpe 2008.<br />

5 DDr. Philipp Huppert (1888-1901), Johann Laurentius Brück (1901-1909), Georg Becker<br />

(1909-1913), Valentin Josef Schorn (1913-1919), Eugen Mergler (1919-1930), Josef<br />

Schneider (1930-1936) und Anton Müller (1936-1939).<br />

6 Eine gewisse Ausnahme bildet das im Eigenverlag 1981 veröffentlichte Buch „Mehr als<br />

ein Lebensalter – Autobiographische Zeitgeschichte“ von Joseph Jacobs, wo das <strong>Konvikt</strong><br />

auf den Seiten 5-16 Erwähnung findet. Der Autor hatte 1914 nach neun Jahren<br />

„klösterlicher Erziehung“ das Gymnasium und <strong>Konvikt</strong> in Bensheim mit der Unterprima<br />

verlassen. Auf Seite 7f. berichtet er von einer Strafaktion des Subrektors gegen 15<br />

<strong>Konvikt</strong>sschüler mit dem Rohrstock, was die Missbilligung des Rektors fand. Der<br />

Subrektor wurde deswegen „durch einen neuen Mann im Priestergewand abgelöst“.


7<br />

Über diesen Rektor findet sich in den von Ludwig Lenhart herausgegebenen<br />

Erinnerungen seines Onkels Georg Lenhart folgendes Charakterbild: „Dem Rektor Brück<br />

hatte der liebe Gott in einer langjährigen, unheilbaren Krankheit ein schweres Kreuz<br />

auferlegt, aber er hat ihm dazu auch einen goldenen, unverwüstlichen Humor gegeben,<br />

der ihn sein Kreuz mit vorbildlicher Geduld und Fröhlichkeit tragen ließ. Eine schlanke,<br />

anscheinend kräftige Gestalt, hervorragend talentiert, dazu praktisch überaus glücklich<br />

veranlagt, kernig-fromm, hätte Brück Vieles und Großes leisten können, wenn die<br />

tückische Krankheit nicht sein Lebensmark aufgezehrt hätte. Die ersten Spuren dieser<br />

Krankheit zeigten sich schon im Priesterseminar. Sie begann mit dem Anschwellen des<br />

einen Fußes und nötigte ihm den Stock auf. Trotzdem zeigte er sich auf seinen<br />

Kaplaneien und im <strong>Konvikt</strong> seiner Aufgabe durchaus gewachsen, bis auf die letzten zwei<br />

Jahre, wo er mehr zu Bett liegen mußte. Da er eine sehr fröhliche, gesellige Natur war,<br />

liebte er es, wenn man ihn in abendlicher Stunde heimsuchte. Ein paar Freunde aus der<br />

<strong>Konvikt</strong>sumgebung, der gute Taubstummenlehrer Ambrosius Nagel, der vielgeprüfte,<br />

tüchtige Lehrer Heinrich Lahr und ich lösten uns abends an seinem Krankenbette ab. Ich<br />

ging gerne hin, einmal weil er mit mir über seine Haussorgen zu sprechen liebte, dann<br />

weil man von ihm lernen konnte zu leiden ohne zu klagen. Er sah wirklich dem Tode wie<br />

ein Held entgegen und offenbarte dabei trotz der vielen Streiche, die er uns allen gespielt<br />

hatte, eine goldklare Priesterseele, die verantwortungsbewußt die Verantwortung nicht<br />

scheute. Als der Tod die urwüchsige Lebenskraft des erst Neununddreißigjährigen am<br />

23. Juli 1909 brach, verloren die Zöglinge an ihm wirklich einen Vater, den sie liebten,<br />

obschon er sie recht derb und kräftig anzupacken wußte und ihnen gar nichts schenkte.“<br />

(Reminiscor Miserationum tuarum Domine. Kramereien in einem bescheidenen<br />

Priesterleben. Auf Drängen der Freunde vorgenommen von Professor Georg Lenhart +,<br />

Domkapitular. Hrsg. von Dr. Ludwig Lenhart. Mainz 1951, S. 136 f.)<br />

8 Franz Joseph Selbst (1852-1919)<br />

9 Starkenburger Bote<br />

10 Chronik für 1934. – Karl Adam (1876-1966) war ein deutscher katholischer Theologe,<br />

der mit seinem Buch „Vom Wesen des Katholizismus“ von 1924 weltweite Beachtung<br />

erlangte. Später diente er sich als Gelehrter der Naziideologie an, was seiner<br />

wissenschaftlichen Reputation in der jungen Bundesrepublik keinen Abbruch tat. 1949<br />

wurde er emeritiert und erhielt 1951 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik<br />

Deutschland.<br />

11 Karl Joseph Deuster (1899-1977).<br />

12 In der Jahreschronik 1933/34 findet sich zum Herz-Jesu-Fest der Hinweis, dass die<br />

Festpredigt und das levitierte Choralamt gehalten worden sei von Prof. Seipel [Wendelin<br />

Emil Seipel, 1877-1966], dem „neuen Religionslehrer am Gymnasium, der Nachfolger<br />

des von der Regierung aus dem Staatsdienst entlassenen H.H. Prof. Goehle.“ Hinter dem<br />

Wort „entlassenen“ hat ein späterer Schreiber hinzugefügt: „weil Nazigegner“. Johann<br />

Franz Goehle wurde 1903 Subrektor am <strong>Konvikt</strong> und 1933 als Professor und Studienrat<br />

am Gymnasium Bensheim zwangspensioniert. Vgl. zu den näheren Umständen der<br />

Entlassung Goehles: Schäfer, Franz Josef: „Der Bensheimer Religionslehrer und<br />

Geistliche Rat Johann Franz Goehle (1877-1949)“. In: Geschichtsblätter Kreis Bergstraße<br />

42, 2009, S. 250-267.<br />

13 Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass auch weltliche Feste wie Faschingsfeiern etc.<br />

breite Erwähnung finden in den Jahreschroniken und die Bensheimer Bevölkerung dazu<br />

teilweise geladen war.<br />

14 Georg Gensert (1874-1956)<br />

15 Akademische Monatsblätter. Organ des Verbandes der katholischen Studentenvereine<br />

Deutschlands. XXXII. Jahrgang, Sonntag, 25. Juli 1920, Nr. 9/10. (Bericht von Subrektor<br />

Dr. Adam Bernhard Gottron, 1889-1971)<br />

16 Name aus Datenschutzgründen anonymisiert.<br />

17 Dom- und Diözesanarchiv Mainz. – In begründeten Einzelfällen wurde das Bischöfliche<br />

Ordinariat auch um Freistellen für Schüler ersucht, die Priester werden wollten und deren<br />

familiärer Hintergrund besonders dürftig war.<br />

18 Kunkel, Karl, 1984, S. 113.<br />

19 Über den Gründungsrektor des <strong>Konvikt</strong>s heißt es bei Deibele/Kunkel/Schramm,<br />

1980/81, S. 185: „Huppert, geboren in Schwabenheim am 7. April 1857, absolvierte das<br />

Gymnasium in Mainz, studierte sieben Jahre am Collegium Germanicum und an der<br />

Greogorianischen Universität in Rom und wurde dort zum Priester geweiht. In seine


Heimatdiözese zurückgekehrt, war er als Kaplan in Hechtsheim bei Mainz, als<br />

Hauskaplan in Brombach an der Tauber und von 1888 bis 1901 als Rektor des<br />

Bischöflichen <strong>Konvikt</strong>s in Bensheim tätig. Das Jahr 1901 führte ihn in die Redaktion der<br />

Kölnischen Volkszeitung nach Köln, wo er 1906 nach mehrtägiger schwerer Krankheit<br />

starb.<br />

20 Kunkel, Karl, 1984, S. 116.<br />

21 Falls dies zwischenzeitlich geschehen sein sollte, wurde es spätestens Anfang der<br />

siebziger Jahre wieder rückgängig gemacht, als ich den „kleinen Bergweg“ in<br />

ungepflastertem Zustand passierte.<br />

22 Jahresbericht 1921/22<br />

23 Das <strong>Konvikt</strong> scheint nicht durchgehend unter finanzieller Not gelitten zu haben. In<br />

einem Schreiben aus Mainz ist am ersten Juni 1935 von der „verhältnismäßig günstigen<br />

finanziellen Lage des <strong>Konvikt</strong>es“ die Rede.<br />

24 Dom- und Diözesanarchiv Mainz. Jahresbericht Rektor Eugen Merglers für das<br />

Schuljahr 1924/25. Bensheim, den 27. Juni 1925. – Die älteren Schüler, insbesondere<br />

natürlich auch die Oberprimaner, waren in den ersten Jahrzehnten des <strong>Konvikt</strong>s zur<br />

Unterstützung des Rektors und Subrektors als einzigen pädagogischen Kräften im Haus<br />

involviert. (Dies bestätigte mir der ehemalige Bensheimer Bürgermeister Georg Stolle<br />

auch noch für seine Zeit als <strong>Konvikt</strong>sschüler in den fünfziger Jahren.) Aber nicht immer<br />

ernteten die Oberprimaner so viel Lob wie im Schuljahr 1924/25 von Rektor Mergler. Im<br />

Schuljahr 1933/34 bestanden zwar alle 15 <strong>Konvikt</strong>oristen das „Maturum“, bei der „kleinen<br />

Abschiedsfeier [...] am 25. Februar nach dem Nachtessen“ teilte Rektor Schneider jedoch<br />

„seine große Rede in 2 Teile. Im ‚offiziellen Teil’ wünschte er den Scheidenden Gottes<br />

reichsten Segen für ihre Zukunft, im ‚persönlichen Teil’ unterzog er ihr Verhalten in der<br />

letzten Zeit einer scharfen Kritik.“ Weiter heißt es: „Für die Abiturienten sprach kurz und<br />

bündig Georg Großmann. Damit dem Ganzen der Charakter der Feierlichkeit nicht allzu<br />

sehr ermangle, gab´s noch Orchestereinlagen und Volksgesang“.<br />

25 „Den Schwestern kann für ihre überaus große Opferwilligkeit nicht genug Anerkennung<br />

gezollt werden.“ (Rektor Mergler im Jahresbericht 1921/22)<br />

26 Klara Weih (Weltname), 1874-1945.<br />

27 Auch vom Tod einer Schwester ist die Rede im Jahresbericht Rektor Merglers 1924/25.<br />

Schwester Passithea (Weltname: Sabine Braner, geb. 1873)„verschied im Beisein des<br />

Unterzeichneten und aller Schwestern“ am 17. März 1925. Sie wurde am 20. März „auf<br />

dem Friedhof zu Bensheim beigesetzt; das ganze <strong>Konvikt</strong>, viele Schwestern und<br />

Anverwandte sowie eine sehr grosse Zahl Geistlicher und Laien aus Bensheim gaben ihr<br />

das letzte Geleite.“ Es wurden Seelenämter und gemeinsame Gebete für das Seelenheil<br />

der Verstorbenen gehalten. Das <strong>Konvikt</strong> versuchte, seinen "Dank abzustatten für alles<br />

Gute, das sie hier in Wort und Werk und durch ihr gutes Beispiel gewirkt hat. R.I.P.” (Für<br />

die Informationen zu Schwester Tolentine und Schwester Passithea bedanke ich mich bei<br />

den Schwestern Daniela und Claudia vom Orden der Schwestern von der Göttlichen<br />

Vorsehung in Mainz-Finthen.)<br />

28 Name aus Datenschutzgründen anonymisiert.<br />

29 Name aus Datenschutzgründen anonymisiert.<br />

30 Abgekürzt c.a., wörtlich: „Der Rat, wegzugehen“.<br />

31 In einem Prospekt des Bensheimer <strong>Konvikt</strong>s vom Anfang der sechziger Jahre heißt es<br />

ebenfalls noch: „Ebenso müssen Jungen, die wegen Faulheit oder mangelnder<br />

Begabung das Klassenziel nicht erreichen, das Haus verlassen.“ Wann genau diese<br />

Regelung geändert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, sicher ist jedoch, dass sie in<br />

der ersten Hälfte der Siebziger, als ich Schüler des <strong>Konvikt</strong>s gewesen war, nicht mehr<br />

bestand. Pfarrer i.R. Karlhans Gerber berichtete mir dankenswerterweise in einem<br />

Telefongespräch im Januar 2011, dass während seines Rektorats von 1960-1971 die<br />

Regelung schon Ausnahmen aus pädagogischen Gründen zuließ.<br />

32 Schreiben ans Bischöfliche Ordinariat in Mainz vom 17. September 1935.<br />

33 Ebd.<br />

34 Name aus Datenschutzgründen anonymisiert.<br />

35 „Der Leiter des <strong>Konvikt</strong>es hat das Recht, das Kostgeld für Minderbemittelte bis 440<br />

Rmk im Jahre zu ermässigen. Darunter darf er nicht gehen.“ (Rektor Schneider in einem<br />

Brief ans Bischöfliche Ordinariat vom 20. August 1931)<br />

36 Schreiben des Rektors vom 15. Dezember 1928 ans Bischöfliche Ordinariat. Im Kern<br />

ging es darum, ob Dr. Freitag „ausser der bis jetzt schon gezahlten


Angestelltenversicherung die Aussicht auf dauernde Verwendung und<br />

zusammenhängend damit die Aufnahme in die Privatschul-Pensionskasse der<br />

Katholischen Schulorganisation zugesagt werden“ konnte.<br />

37 Ebd.<br />

38 Ebd.<br />

39 „Der Charakter unserer Kurse als Schule“ erwies sich aus dem Stundenplan, der für<br />

einen Oberkurs 21 Wochenstunden, einen Mittelkurs 26 Wochenstunden und einen<br />

Unterkurs 21 Wochenstunden vorsah. Hinzu kam noch der Abiturientenkurs mit 12<br />

Wochenstunden. „Es ist dazu zu bemerken, dass die Stunden zumeist Vollstunden ( nicht<br />

45 Minutenstunden ) sind, dass die Unterrichtsgruppen sehr klein sind, sodass der<br />

einzelne Schüler viel stärker am Unterricht beteiligt ist, dass wir das Privatstudium und<br />

die Lektüre der Schüler genau kontrollieren können.“<br />

40 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Best. G. 15, Nr. M 478.<br />

41 Dr. Heinrich Freitag wurde am 16.4.1958 Assistent im Dom-Archiv Mainz und beging<br />

am 25.10.1965 sein vierzigjähriges Dienstjubiläum.<br />

42 Karl Kunkel spricht von „etwa vierzehn“ Opfern unter den <strong>Konvikt</strong>sschülern.<br />

43 Kunkel, Karl, 1984, S. 118.<br />

44 Ebd.<br />

45 Gemeint waren „bekannte Kommunalpolitiker“; vgl. Kunkel, Karl, 1984, S. 119.<br />

46 Zum guten Verhältnis zwischen dem <strong>Konvikt</strong> und St. Fideliskolleg der Kapuziner<br />

bemerkte der Chronist 1932/33, „daß wir immer gern und zahlreich der Einladung Folge<br />

leisten, welche die Kapuziner zu ihren Veranstaltungen an uns ergehen lassen.“ – Zum<br />

St. Fideliskolleg vgl. Schäfer, Franz Josef: „Die Geschichte des Kapuzinerklosters<br />

Bensheim, des St. Fideliskollegs und den Leidensweg des Kapuzinerpaters Dionys<br />

Zöhren in der NS-Zeit.“ In: Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, 43, 2010, S. 67-103.<br />

47 Dom- und Diözesanarchiv Mainz.<br />

48 In einem Schreiben ans Bischöfliche Ordinariat vom 10. April 1935 gab Rektor<br />

Schneider an, dass „alle, die nicht unterschrieben haben, Angehörige der H.J., vielleicht<br />

auch der S.A.“ waren.<br />

49 Kunkel, Karl, 1984, S. 127. – Einer dieser Hitlerjungen war oben erwähnter Heinrich B.,<br />

der vom 1. Juni 1932 bis 1. Juli 1934 Zögling des Hauses gewesen war.<br />

50 Es handelte sich dann doch nur um eine Atempause, die dem <strong>Konvikt</strong> von Seiten der<br />

Nationalsozialisten vergönnt war. Vom 23. Oktober 1934 datiert ein Brief Rektor<br />

Schneiders ans Bischöfliche Ordinariat Mainz, in dem er feststellte, es sei „zur Zeit [...]<br />

gar kein Bedürfnis vorhanden, eine Vereinbarung [mit der H.J.-Leitung. Anmerkg. Chw.]<br />

zu treffen, da nur ganz wenige Jungens (2-3) der H.J. angehören und froh sind, wenn sie<br />

keine Übungen mitzumachen brauchen.“<br />

51 Gerichtet an die drei <strong>Konvikt</strong>srektoren der Diözese Mainz in Mainz, Bensheim und<br />

Dieburg, Robert Rainfurth (1894-1972), Joseph Schneider (1897-1991), Eduard Müller<br />

(1898-1969) sowie dem Direktor der Mainzer Marienschule, Dr. Heinrich Marzellus Wettig<br />

(1890-1961).<br />

52 In einem Brief des Hessischen Staatspolizeiamtes vom 18. Oktober 1934 ans<br />

Bischöfliche Ordinariat in Mainz wurden Drohungen gegenüber Rektor Schneider<br />

geäußert: „Kaplan Rektor Schneider in Bensheim wurde uns wiederholt durch ein<br />

Verhalten bekannt, das nur durch eine auch heute noch vorhandene, stark<br />

gegensätzliche Einstellung zum Nationalsozialismus und seinen Unterorganisationen<br />

erklärt werden kann. Wenn gegen ihn seither noch keine Zwangsmaßnahmen eingeleitet<br />

wurden, so geschah dies mit Rücksicht auf die im Zusammenhang mit dem Ableben des<br />

Herrn Reichspräsidenten gehandhabte mildere Beurteilung derartiger Vorgehen.“ Es<br />

folgte eine kleine Aufzählung von Fällen, in denen Schneider angeblich die Mitgliedschaft<br />

von <strong>Konvikt</strong>s-Schülern in der H.J. verhindert habe. Der Briefschreiber glaubte sich das<br />

Verhalten des Rektors nicht, wie es versucht worden sei, „durch den Hinweis auf die<br />

Hausordnung, die angeblich eine Teilnahme der <strong>Konvikt</strong>sinsassen an den<br />

Veranstaltungen der Hitler-Jugend nicht gestattet“, erklären zu können, sondern stellte<br />

noch einmal fest, dass „diese Berufung auf die Hausordnung nur ein Vorwand“ sei, „um<br />

die gegensätzliche Einstellung des Geistlichen zu den nationalsozialistischen<br />

Jugendverbänden und die dadurch zu Tage tretende Staatsfeindlichkeit zu tarnen.“ Im<br />

Schlussabsatz wurde das Bischöfliche Ordinariat „gebeten, alsbald dafür Sorge zu<br />

tragen, daß eine Änderung in der Einstellung des Rektors Schneider“ eintrete,<br />

„andernfalls von uns die geeignet erscheinenden Maßnahmen ergriffen werden müssen.“


53 In einem Schreiben vom 2. Februar 1934 ans Bischöfliche Ordinariat, als eine H.J.-<br />

Gruppe im <strong>Konvikt</strong> noch bestanden hatte, bemerkte Schneider, dass man sich vor den<br />

Hitlerjungen sehr in Acht nehmen müsse, „dass nicht jedes Wort, das man in der<br />

Gemeinschaft oder im persönlichen Verkehr untereinander spricht, weitergetragen,<br />

verdreht und gegen uns ausgeschlachtet wird. Zu diesen Leuten kann man jedenfalls<br />

kein Vertrauen haben; viele von ihnen machen uns große Schwierigkeiten, und je mehr<br />

man ihnen nachgibt, umso frecher werden sie und ziehen immer mehr in ihren Bann.“<br />

54 Ob ein weit größerer Schaden im Jahr 1937 als Racheakt der Nazis aufzufassen ist,<br />

wie Karl Kunkel fragt (a.a.O., S. 126), ist ungewiss. Der Nachfolger Schneiders im<br />

Rektorat, Anton Müller, schrieb ans Bischöfliche Ordinariat am 14. September, dass in<br />

der vergangenen Nacht „die Kegelbahn des <strong>Konvikt</strong>s auf bisher unerklärliche Weise<br />

Feuer gefangen hat und nahezu vollständig verbrannt“ sei. Bemerkt wurde der Brand<br />

nach Müller „etwa um 0 Uhr 45 von einem Wächter der Wach- und Schliessgesellschaft<br />

[...] der zusammen mit einigen zufällig vorübergehenden Soldaten Alarm schlug und in<br />

der Kegelbahn untergestellte Gerätschaften rettete.“ Als der Subrektor „um 24 h [...] zu<br />

Bett ging“, hatte er „beim Hinausschauen aus seinem der Kegelbahn zugelegenen<br />

Fenster“ nichts bemerkt „und etwa ¾ Stunden später“ stand „die Bahn bereits in<br />

Flammen“.<br />

55 Rektor Schneider hatte sich Anfang 1936 von der Leitung des Hauses zurückgezogen.<br />

Er wurde Pfarrer in Horchheim. Das „Necrologium Moguntinum“ weist aus, dass ihm „in<br />

der NS-Zeit zehn Tage ‚Schutzhaft’ und 500 RM Sicherungsgeld“ nicht erspart blieben.<br />

56 Dom- und Diözesanarchiv Mainz 52/54 20f. fol.103. Aus dieser Quelle geht auch<br />

hervor, dass Anton Müller im Jahr 1942 eine „Anzeige bei der Gestapo wegen<br />

Verächtlichmachung der Regierung“ erhielt und in deren Folge „Verhöre und Verwarnung<br />

durch Gestapo Giessen“ zu erdulden hatte. „Im Laufe des Jahres 1943“ folgte eine<br />

„wiederholte jeweils etwa 10 wöchige Briefkontrolle durch die Gestapo.“<br />

Zur Literatur- und Quellenlage betreffs der Verfolgung von Geistlichen in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus hier nur drei Hinweise:<br />

„Widerstand und Verfolgung in den Pfarreien des Bistums Mainz 1933-1945“. Band II:<br />

Starkenburg Teil 1: Dekanate Mainz-Land, rechtsrhein., Bensheim, Darmstadt, Dieburg.<br />

Herausgegeben von Ludwig Hellriegel unter Mitarbeit von Peter Fleck und Christoph<br />

Duch. Mainz 1990.<br />

„Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung in 2 Bänden.“<br />

Unter Mitwirkung der Diözesanarchive bearbeitet von Ulrich von Hehl, Christoph Kösters,<br />

Petra Stenz-Maur und Elisabeth Zimmermann. Paderborn, München, Wien, Zürich. 4.<br />

durchgesehene und ergänzte Auflage 1998.<br />

Umfängliches Material im Dom- und Diözesanarchiv Mainz 52/54 12a und 12b.

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