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Konvikt-Aufsatz 1.pdf - Johannes Chwalek - Veröffentlichungen

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Die Nahrungsmittelknappheit der Kriegsjahre wirkte sich auch im <strong>Konvikt</strong> aus, der<br />

Pensionspreis musste erhöht werden, „Brotkarten wurden eingeführt, die tägliche<br />

Brötchen-Ration musste gekürzt werden.“ 43 Der ungewöhnlich kalte Winter um<br />

die Jahreswende 1916/17 machte eine Verlängerung der Weihnachtsferien<br />

notwendig, weil in den Schulen Kohlenmangel herrschte. Die spanische Grippe<br />

ließ sich von den <strong>Konvikt</strong>smauern nicht aufhalten. Was im Zweiten Weltkrieg<br />

nicht mehr verhindert werden konnte, wehrte Rektor Schorn in den Herbstferien<br />

1915 noch ab: Die Begehrlichkeit des Militärs auf das geräumige<br />

<strong>Konvikt</strong>sgebäude. Bei der anhaltend bedrückenden und sich eher<br />

verschlimmernden Versorgungslage gegen Ende des Krieges gaben schlecht<br />

ausgefallene Osterzeugnisse Anlass für Unzufriedenheit und Unruhe bei der<br />

Schülerschaft; aber auch die <strong>Konvikt</strong>leitung reagierte gereizt. Die Chronik<br />

bewahrt das Schreiben eines Vaters aus Bingen vom 26. März 1919 „An das<br />

Hochw. Bischöfl. Ordinariat“ auf, in dem dieser gegen den Rektor und die<br />

<strong>Konvikt</strong>leitung Beschwerde führte. Einleitend geht es um Irritationen, ausgelöst<br />

durch „übergrosse Empfindlichkeiten der Leitung, die die Eltern der Schüler stets<br />

in Unruhe hielten“, etwa was die Beschlagnahme von elterlichen Lebensmittel-<br />

Zuwendungen an die <strong>Konvikt</strong>sschüler betrifft oder „fortwährende Drohungen mit<br />

Ausweisungen, weil das <strong>Konvikt</strong> ja doch an den Schülern nichts verdiene und<br />

darum an dem weiteren Verbleib kein Interesse habe u. dgl. mehr“. Dem<br />

„seitherigen Tun die Krone aufzusetzen“, habe sich Rektor Schorn versehen<br />

durch den Rausschmiss der „ganzen Oberprima aus dem <strong>Konvikt</strong> ohne das<br />

Vorwissen der Eltern“ und „mitten in den Abschlussprüfungen“. Der Grund für<br />

diese drakonische Maßnahme geht aus dem Brief nicht klar hervor; indirekt<br />

erfährt man den Vorwurf Rektor Schorns an die Oberprimaner, sich des<br />

„Spartakismus“ schuldig gemacht zu haben; was wohl als – vielleicht politisch<br />

angehauchte – Widersetzlichkeit aufzufassen ist; der Briefschreiber stellt zudem<br />

klar, dass „selbstredend ein unbotmässiges Verhalten des Schülers in keiner<br />

Weise gebilligt“ werde, verwahrt sich aber nochmals gegen „ein derartig<br />

rücksichtsloses Verhalten eines Vorgesetzten“. Rektor Schorn wurde in dieser<br />

Angelegenheit anscheinend nicht nur von Seiten des Briefschreibers und der<br />

übrigen betroffenen Elternschaft kritisiert, sondern auch vom „Religionslehrer des<br />

Gymnasiums“ und „Herrn Professor Lenhart“, die beide „ihre Entrüstung über<br />

dieses ganz unqualifizierbare Verhalten des Herrn Rektors“ ausgesprochen<br />

haben sollen.<br />

Derartige Auseinandersetzungen sind wohl als Reaktion gereizter Nerven durch<br />

langanhaltende Überforderungen der vielfältigsten Art in den schwierigen<br />

Kriegsjahren zu interpretieren, die in Rektor Schorn den Entschluss zur<br />

Demission bestärkt haben dürften; er „bat um Entbindung von seinen Pflichten“ 44 .<br />

Sein Nachfolger war Eugen Mergler, der in den Nachkriegsjahren ebenfalls mit<br />

erheblichen Widerständen zu kämpfen hatte. Als in der mittleren Phase der<br />

Weimarer Republik eine Zeit der Erholung angebrochen zu sein schien, kehrten<br />

auch für das <strong>Konvikt</strong> bessere Jahre zurück, bis die Weltwirtschaftskrise die<br />

Situation wieder verschärfte und große politische Auseinandersetzungen<br />

herbeiführte. Die Chronik vermerkt, dass „das politische Interesse der Zöglinge,<br />

besonders der Älteren [...] außerordentlich groß“ sei und fährt fort:<br />

„Augenblicklich bilden in unserem Vaterland die Arbeitslosigkeit und das damit<br />

verknüpfte Elend in weiten Volkskreisen einen günstigen Nährboden für die<br />

Propagandatätigkeit radikaler Parteien. Das lawinenartige Anschwellen der<br />

nationalsozialistischen Partei; die vollständige Zertrümmerung der Mittelparteien<br />

mit Ausnahme des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei, das<br />

Stärkerwerden der Kommunisten sind die Charakteristika unserer bewegten Zeit.<br />

Viermal mussten die deutschen Bürger im Jahre 1932 zur Wahlurne schreiten,<br />

zweimal den Reichspräsidenten und zweimal den Reichstag wählen. Diese<br />

Wellen politischer Hochspannung brachen sich nicht an den Mauern des<br />

<strong>Konvikt</strong>es. Der überaus rührige Oberprimaner Jean Reising erreichte es, daß von

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