Konvikt-Aufsatz 1.pdf - Johannes Chwalek - Veröffentlichungen
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einiger Tragweite, ob dies auch in seinen unmittelbar praktischen Konsequenzen<br />
anerkannt wird. Sonst wird es niemals eine Möglichkeit geben, das<br />
Staatsschulmonopol für höhere Schulen zu durchbrechen.“ – Diesen Ansatz hat<br />
Rektor Mergler nicht weitergeführt.)<br />
Der rechtliche Status der Privatschule des <strong>Konvikt</strong>s wurde in einem Schreiben<br />
des Kreisschulamtes Bensheim vom 3. Juli 1937 an den „Reichsstatthalter in<br />
Hessen“, sprich die Landesregierung, Abteilung VII in Darmstadt abermals<br />
erfragt. Anlässlich eines Schülers, der „nach insgesamt 9jährigem Schulbesuch<br />
aus dem Gymnasium“ zu Bensheim ausgetreten war und „nunmehr ungefähr 27<br />
Stunden Unterricht im Bischöflichen <strong>Konvikt</strong>“ erhielt, wurde „zweck (!)<br />
grundsätzlicher Klarstellung der Unterrichtsbefugnis im Bischöflichen <strong>Konvikt</strong>“ um<br />
die Auskünfte nachgesucht, ob erstens der Schüler „vom Besuch der<br />
Berufsschule befreit“ sei und zweitens das bischöfliche <strong>Konvikt</strong> „überhaupt als<br />
Privatschule im Sinne des hessischen Volksschulgesetzes“ gelten könne. Die<br />
Antwort vom 16. Juli d.J. lautete lapidar: „Ihre beiden Fragen sind zu verneinen.<br />
Sie wollen das zu Frage 1 Erforderliche veranlassen.“ 40<br />
Der Lehrer, der wohl am längsten in der Privatschule unterrichtet hat, oben<br />
erwähnter Dr. Heinrich Freitag, bemerkte in der Chronik über sich selbst: „Er<br />
verlebte am <strong>Konvikt</strong> die 14 schönsten Jahre seines Lebens. Gottes Segen war<br />
auf dem <strong>Konvikt</strong> und der angegliederten Privatschule.“ 41<br />
Zeitreflexe im <strong>Konvikt</strong>sleben<br />
An herausragenden politischen Ereignissen, die sich im <strong>Konvikt</strong>sleben<br />
widerspiegelten, fehlte es im zwanzigsten Jahrhundert wahrlich nicht; betrachtet<br />
seien hier die beiden Katastrophen des Ersten Weltkriegs und der Nazizeit. Im<br />
Jahr 1914 ergriff die im Reich vorherrschende Kriegsbegeisterung auch die<br />
<strong>Konvikt</strong>oristen; die Oberprimaner kehrten vorzeitig aus den Sommerferien<br />
zurück, um Notabiture abzulegen, sich von Rektor Schorn feierlich verabschieden<br />
zu lassen und als Freiwillige der kämpfenden Truppe oder im Sanitätsdienst<br />
eingesetzt zu werden. Wie es zu befürchten war, bezahlten einige ihren<br />
vaterländischen Eifer mit dem Leben. 42 In der Todesanzeige der <strong>Konvikt</strong>leitung<br />
für das erste Opfer des Krieges, Ludwig Singer, gefallen am 7. November 1914,<br />
ist zu lesen, dass der Oberprimaner „sein junges Leben auf dem Altar frei<br />
übernommener Pflicht“ geopfert habe. Kann man aus dieser Formulierung den<br />
Versuch herauslesen, sich von Erzieherseite frei zu sprechen von der<br />
Mitverantwortung am sinnlosen Tod des jungen Mannes? Immerhin weist die<br />
Betonung der Freiwilligkeit für Singers Kriegseinsatz die Möglichkeit auf, dass er<br />
zu Hause geblieben wäre, weil er – zumindest vorerst – nicht dienstverpflichtet<br />
war. Die weiteren Todesanzeigen in der Chronik aus den Jahren 1916 für Franz<br />
Gütlein, der als „zweites Opfer aus unseren Reihen“ am 24. Januar 1916 gefallen<br />
war; für den „Einjährigen“ Willibald Zöllner, gefallen am 31. Juli 1917, der „als<br />
dritter unserer von der Schulbank weg zur Verteidigung des Vaterlandes unter<br />
die Fahnen geeilten Zöglinge“ betrauert wird; für Ferdinand Racke, gefallen am<br />
11. September 1917, welcher „der vierte unserer zu den Waffen berufenen<br />
Zöglinge“ war, „der sein Leben für das Vaterland zum Opfer brachte“; für den<br />
Gefreiten Franz Ott, gefallen am 21. Dezember 1917 sowie den Vizefeldwebel<br />
und Reserve-Offiziersaspirant Anton Kipp, gefallen am 24. März 1918; über die<br />
beiden letztgenannten, als „Helden“ bezeichneten ehemaligen Schüler heißt es,<br />
dass ihre „militärischen Tugenden wiederholt anerkannt und ausgezeichnet“<br />
worden seien und das Bischöfliche <strong>Konvikt</strong> in ihnen „zwei für den von ihnen<br />
erwählten Lehr- bezw. Priesterberuf begeisterte junge Männer von seltener<br />
Charakterfestigkeit und dankbarer Anhänglichkeit“ betrauere - diese<br />
Formulierungen wiederum stehen ganz im damals üblichen Duktus und weisen<br />
keinerlei Anzeichen auf für inneres Befremden und die Bereitschaft zur<br />
Infragestellung zeitbedingter Konventionen.