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Der Buddha lächelt als Computergraphik - Arbeit und Leben (DGB ...

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06. Mai 2005<br />

<strong>Der</strong> <strong>Buddha</strong> <strong>lächelt</strong> <strong>als</strong> <strong>Computergraphik</strong><br />

Heidelberger Studenten digitalisieren das Weltkulturerbe von Angkor Wat<br />

<strong>Der</strong> <strong>Buddha</strong> <strong>lächelt</strong>. Er hält die Augen geschlossen, während ein Halogenstrahler sein Gesicht<br />

hell erleuchtet. Das gleißende Licht braucht Philipp Struck für gute Fotos: <strong>Der</strong> Heidelberger<br />

Physikstudent lichtet den Kopf, die Kopie eines <strong>Buddha</strong>kopfes vom berühmten Bayon-<br />

Tempel in Angkor aus dem 12. bis 13. Jahrh<strong>und</strong>ert, von 15 Seiten ab. <strong>Der</strong> Computer bastelt<br />

hinterher ein dreidimensionales Modell daraus.<br />

Gemeinsam wollen sie die Tempelanlage in Angkor rekonstruieren: Holger Rapp, Jens Schöbel <strong>und</strong><br />

Dr. Stefan Körkel (v.r.) vom IWR der Universität Heidelberg <strong>und</strong> ihre Kollegen vom World Monuments<br />

F<strong>und</strong>.<br />

Foto: Dombrowski<br />

Währenddessen ist Lun Rayi, der in Phnom Penh Architektur studiert, damit beschäftigt,<br />

Baupläne der Tempelanlage von Angkor Wat einzuscannen. Seine Kommilitonen bilden eine<br />

Traube um Jens Schöbel, der an dem langen Tisch in der Bibliothek seinen Laptop aufgeklappt<br />

hat <strong>und</strong> das Programm erklärt, mit dem die Scans bearbeitet werden. <strong>Der</strong> Heidelberger<br />

Mathematikstudent arbeitet an der Visualisierung des Angkor-Geländes in Echtzeit. "Die Optimierung<br />

von 3D-Computergrafik ist mein Spezialgebiet", erklärt der 27-Jährige.<br />

Im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt arbeiten Studenten vom Interdisziplinären<br />

Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-Karls-Universität in<br />

Heidelberg, an das verschiedene Fakultäten angekoppelt sind, <strong>und</strong> Architekturstudenten der<br />

Königlichen Universität der Schönen Künste in Phnom Penh gemeinsam daran, das Weltkulturerbe<br />

Angkor zu digitalisieren (die RNZ berichtete). Unter surrenden Ventilatoren scannen<br />

sie Baupläne, die die französischen Kolonialherren in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren des vorigen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts von dieser größten Tempelanlage der Welt erstellt haben. Später werden sie am<br />

Computer zusammengesetzt.<br />

Von allen Bauplänen, die die Studenten aufgr<strong>und</strong> ihrer Größe stückweise scannen, macht<br />

Pheakdey Nguonphan zusätzlich Fotos. Die Fotos dienten dann <strong>als</strong> Vorlage, um aus den einzelnen<br />

Puzzleteilen das Original zu rekonstruieren. <strong>Der</strong> Kambodschaner hatte schon vor einiger<br />

Zeit Kopien der Pläne von Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht. Das war ein Anstoß<br />

für das Projekt, das Prof. Hans Georg Bock, Leiter des IWR, mit Gründung der Projektgruppe<br />

"Angkor Wat" Anfang des Jahres in Heidelberg <strong>und</strong> bei einem kurzen Besuch Ende


Februar in Kambodscha endgültig ins Rollen brachte. Einige Tage später in Angkor sehen die<br />

Heidelberger "ihre" Tempel zum ersten Mal in Wirklichkeit. Während Philipp Struck vor allem<br />

Oberflächen der Tempel, einzelner Reliefs <strong>und</strong> Statuen für die 3-D-Modelle fotografiert,<br />

sammeln die anderen Studenten, was sie an Plänen <strong>und</strong> Informationen bekommen können.<br />

Viele Ansätze für mögliche Projekte sind vor Ort entstanden. "Wir haben Ideen entwickelt,<br />

wie man virtuell ausprobieren kann, welche Köpfe zu welchen Statuen gehören", nennt der<br />

Physikstudent ein Beispiel. "Real ist das nicht möglich, weil die Köpfe zu schwer sind." Nun<br />

geht es vor allem darum, weitere interessierte Studenten <strong>und</strong> Sponsoren zu finden.<br />

Wann sich die nächste Gruppe auf den Weg macht, sei noch nicht geplant. Bis dahin hoffen<br />

die Heidelberger auf Zuarbeit der kambodschanischen Architekturstudenten. Wenn es gelingt,<br />

alle Daten zusammenzubekommen, um Angkor virtuell darzustellen, wären die Studenten<br />

gerne im nächsten Jahr auf der B<strong>und</strong>esausstellung über die Khmer-Kultur in Bonn dabei.<br />

Von Katja Dombrowski<br />

2<br />

03/2005 – Juli-September 2005<br />

Ortstermin Kambodscha, Angkor Wat<br />

„Daten, Daten, Daten“: Eine <strong>Arbeit</strong>sgruppe am IWR will die größte<br />

Tempelanlage der Welt virtuell entstehen lassen<br />

Forschung kann ganz schön Schweiß treibend sein – vor allem in den Tropen <strong>und</strong> unter freiem<br />

Himmel. Das erfuhr die Projektgruppe „Angkor“ der Ruprecht-Karls-Universität am eigenen<br />

Leib, <strong>als</strong> sie ihr Forschungsobjekt im fernen Kambodscha unter die Lupe <strong>und</strong> vor die Linse<br />

nahm.<br />

Das ehrgeizige Ziel der <strong>Arbeit</strong>sgruppe um Professor Hans Georg Bock, Leiter des Interdisziplinären<br />

Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen (IWR): die größte Tempelanlage der<br />

Welt virtuell entstehen zu lassen. Dafür scannen die Studenten in Kambodscha alle Baupläne,<br />

die sie auftreiben können: teils im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt,<br />

wo die Heidelberger mit Architekturstudenten der Königlichen Universität der Schönen Künste<br />

Phnom Penh zusammenarbeiten, teils bei der École Française d’Extrême-Orient in Siem<br />

Reap nahe Angkor. Später werden die Pläne am Computer zusammengesetzt. „Unser Traum<br />

ist es, alle im gleichen Format zur Verfügung zu stellen“, sagt der Physikstudent Holger<br />

Rapp.<br />

<strong>Der</strong> zweite Teil der Exkursion führt in die Tempel selbst, Zeugen einer untergegangenen<br />

Hochkultur aus der Zeit vom 9. bis 14. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> Nation<strong>als</strong>tolz der Khmer. Dort fotografieren<br />

die Studenten Details (zum Beispiel Statuen) <strong>und</strong> Oberflächen für die Texturen der<br />

Computergrafiken. Dass eine Teilnahme an der Projektgruppe „Angkor“ mit einschließt, bei<br />

35 Grad im Schatten auf alten Steinen herumzukraxeln, war für die Studenten allerdings nicht<br />

der Gr<strong>und</strong>, sich ihr anzuschließen. „Ich habe mitgemacht, weil mich Visualisierung interessiert“,<br />

sagt Jens Schöbel. <strong>Der</strong> Mathematikstudent will in Kürze seine Diplomarbeit im Bereich<br />

Optimierung von 3D-Computergrafik schreiben. Jetzt arbeitet er an der Echtzeit-<br />

Visualisierung des Weltkulturerbes Angkor. Holger Rapp erklärt die Motivation für seine<br />

Teilnahme so: „Ich interessiere mich seit langem für die physikalisch korrekte Visualisierung<br />

von Lichtmodellen.“ Und das Spezialgebiet seines Kommilitonen Philipp Struck ist die Fotogrammetrie,<br />

ein Verfahren, mit dem aus Fotos dreidimensionale Darstellungen erstellt wer-


den können. Doch vor dem Programmieren <strong>und</strong> Visualisieren heißt es zunächst, Rohmaterial<br />

zu beschaffen. „Wir brauchen Daten, Daten, Daten“, beschreibt Dr. Stefan Körkel, wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am IWR <strong>und</strong> Leiter der Kambodscha-Exkursion, das Hauptziel der<br />

Fernreise. Weitere Ziele sind, Ideen zu sammeln <strong>und</strong> Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel mit<br />

den Studenten vom German Apsara Conservation Project der Fachhochschule Köln, die den<br />

Heidelbergern zeigen, wie sie die Reliefs am Angkor-Wat-Tempel konservieren.<br />

3<br />

Wenn Wissenschaftler Hand anlegen: Vor dem Programmieren muss man sich ums Rohmaterial<br />

kümmern.<br />

Foto: Hollmann<br />

Auf dem Phnom Bakheng, dem ältesten Tempel in dem 232 Quadratkilometer großen Gebiet<br />

von Angkor, treffen die Besucher aus Deutschland lediglich einige <strong>Arbeit</strong>er, die ein Gerüst<br />

aus Bambus aufbauen. Touristen kommen fast nur zum Sonnenuntergang – dann aber in<br />

Scharen. Denn von hier aus („Phnom“ ist das kambodschanische Wort für „Berg“) hat man<br />

eine herrliche Sicht über den Urwald <strong>und</strong> auf viele andere Tempel. Durch den täglichen Ansturm<br />

sieht der World Monument F<strong>und</strong>, eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation,<br />

die in Angkor in der Erhaltung der historischen Kunst <strong>und</strong> Architektur aktiv ist, Berg <strong>und</strong><br />

Tempel in Gefahr. Eine Restaurierung ist geplant, dafür müssen jedoch große Teile abgesperrt<br />

werden. Als kleine Entschädigung will die Organisation für die Touristen ein Computer-<br />

Terminal einrichten. Und hier soll die Heidelberger Projektgruppe ins Spiel kommen: „<strong>Der</strong><br />

World Monument F<strong>und</strong> will unsere grafischen Rekonstruktionen für seine <strong>Arbeit</strong> benutzen“,<br />

erzählt Dr. Stefan Körkel. „Am Computer könnten die verschiedenen Stadien des Tempelbaus<br />

<strong>und</strong> der Restaurierung anhand unserer Programme dargestellt werden.“<br />

Ein Mitglied der Projektgruppe, Pheakdey Nguonphan, hat eine derartige virtuelle Darstellung<br />

bereits erstellt: Die berühmte Bibliothek von Angkor Wat kann dank seiner Programmierung<br />

virtuell durchschritten werden. <strong>Der</strong> Kambodschaner verbrachte einen Teil seiner Jugend in<br />

Deutschland, studierte in Phnom Penh Architektur <strong>und</strong> promoviert zurzeit in Heidelberg.<br />

Thema ist der Einsatz mathematischer Methoden der Bildverarbeitung bei der Modellierung<br />

der Angkor-Tempel. Pheakdey Nguonphan hatte schon vor einiger Zeit Kopien der Pläne von<br />

Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht – <strong>und</strong> damit einen Anstoß für das Projekt von<br />

Professor Bock gegeben.


Vermutlich wird er nicht der letzte Kambodschaner an der Ruperto Carola sein. Denn während<br />

die Heidelberger Studenten jetzt daran arbeiten, die Tempel, Pläne <strong>und</strong> Fragmente am<br />

Computer zu modellieren, bereitet Hans Georg Bock einen Besuch in umgekehrter Richtung<br />

vor: In einem zwei- bis dreimonatigen Kursprogramm sollen Studenten aus Phnom Penh moderne<br />

Computermethoden, Computergrafik <strong>und</strong> Datenbanksysteme lernen. Und das soll nur<br />

einer der nächsten Schritte der Kooperation „Angkor“ sein: „Es gibt viele Ansätze für anspruchsvolle<br />

Projekte, für die die vielen Daten, die wir mitgebracht haben, genutzt werden<br />

können“, sagt Stefan Körkel mit Blick auf die Zukunft.<br />

4<br />

25.09.2005<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte alter Schatz der Wildnis<br />

Die Tempel von Angkor Wat in Kambodscha<br />

Unzählige Türme recken sich in den Himmel <strong>und</strong> prunkvolle Schmuckstücke<br />

zieren Ecken <strong>und</strong> Wände. Terrassen <strong>und</strong> Pfade bilden ein verschlungenes, kaum<br />

in seiner Gänze zu erschließendes System. Das ist Angkor Wat, Kambodscha,<br />

das größte sakrale Bauwerk der Welt.<br />

König Suryavarman II. erbaute dieses architektonische Meisterwerk in der ersten Hälfte des<br />

12. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> widmete es dem hinduistischen Gott Vishnu.<br />

Tempelanlagen dieser Zeit waren nicht ausschließlich Kultstätten für Gläubige: Sie verdeutlichten<br />

die indische Vorstellung der Welt. Nur hohe Priester <strong>und</strong> Könige hatten Zutritt zu den<br />

heiligen Stätten. Nach dem Tod des Königs, der einen Tempel erbaut hatte, bekam das Bauwerk<br />

die Funktion eines Mausoleums.<br />

Lange Zeit vergessen: Die Tempelanlage Angkor Wat – Bildquelle ZDF


Von unvorstellbarem Ausmaß<br />

Erst 1860 entdeckte der französische Forscher Henri Mouhot die Mauern <strong>und</strong> Türme der<br />

Tempel wieder. Lange Zeit von der Natur in Besitz genommen, bedrohten überdimensionale<br />

Baumwurzeln die beeindruckenden Bauten. Er beschrieb die 200 Quadratkilometer große Anlage<br />

monumentaler <strong>als</strong> alles, was er an antiken Stätten Griechenlands <strong>und</strong> Roms gesehen hatte.<br />

Unzählige Türme, Galerien, Zimmer, Portale <strong>und</strong> Höfe sind in Angkor Wat auf mehreren E-<br />

benen durch Treppen miteinander verb<strong>und</strong>en. Die verschiedenen Tageszeiten lassen die geometrisch<br />

angeordneten Bauwerke in unterschiedlichster Färbung <strong>und</strong> Ausstrahlung erscheinen.<br />

5<br />

Ungezähmte Natur <strong>und</strong> faszinierende Bauten<br />

<strong>Der</strong> Kosmos <strong>als</strong> Bauwerk<br />

Angkor Wat ist die exakte Nachbildung des Universums, wie es in der hinduistischen Mythologie<br />

beschrieben wird. Umgeben ist die Tempelanlage von Wassergräben, die das Urmeer<br />

symbolisieren. Gräben <strong>und</strong> Galerien stehen für die Gebirgsketten <strong>und</strong> die Türme für den Sitz<br />

der Götter.<br />

Bedingt durch die politische Lage in Kambodscha, war es, auch in der zweiten Hälfte des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts, kaum möglich Restaurationsarbeiten vorzunehmen. Heute sind unterschiedliche<br />

Organisationen mit der Erhaltung von Angkor Wat beschäftigt.<br />

Florina Starzacher<br />

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/28/0,1872,2346524,00.html


6<br />

09/2005<br />

Datenjäger im Dschungeltempel<br />

Eine Chance für Angkor Wat<br />

Allen Klischees zum Trotz greifen Heidelberger Wissenschaftler nicht zur Machete,<br />

sondern zur Digitalkamera, wenn sie sich zu den Tempeln der alten Stadt<br />

Angkor im kambodschanischen Urwald aufmachen. Die Informatiker vom<br />

Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) sind auch<br />

nicht in archäologischer Mission unterwegs: Sie wollen vielmehr die größte<br />

Tempelanlage der Welt virtuell erstehen lassen.<br />

Modell der Anlage von Angkor Wat


Hinter dem Projekt steht eine neue Kooperation mit der Royal University in Phnom Penh, in<br />

deren Rahmen Hans Georg Bock, Direktor des IWR, ein Netzwerk „Wissenschaftliches<br />

Rechnen“ in Südostasien mit aufbaut. Das auf den ersten Blick verw<strong>und</strong>erliche Zusammenspiel<br />

von Architektur <strong>und</strong> Computersimulation soll einen wichtigen Beitrag liefern, die vom<br />

Verfall bedrohten Tempel zu schützen <strong>und</strong> teilweise auch zu restaurieren.<br />

Für die kambodschanischen Partner bedeutet die Zusammenarbeit nicht nur den Austausch<br />

von Know-How, wissenschaftliche Simulationsmethoden auf der einen Seite sowie architektonische<br />

<strong>und</strong> kulturelle Expertise auf der anderen. Studenten aus dem fernen Land können ü-<br />

ber Kursprogramme die Universität Heidelberg besuchen <strong>und</strong> für ihre Universität in Phnom<br />

Penh erschließt sich eine Reihe von Themen, die dort in Doktorarbeiten der Informatik in Angriff<br />

genommen werden können.<br />

Die Bemühungen der Angkor Projektgruppe verlangen von den Beteiligten nicht nur viel Zeit<br />

an Heidelberger Computern ab, die für das Verarbeiten der gesammelten Daten nötig ist. Vor<br />

Ort müssen die Informationen für die Computersimulationen akribisch zusammengetragen<br />

werden <strong>und</strong> die Digitalkamera leistet dabei wichtige Dienste.<br />

Ein erstes Ergebnis gibt es schon zu sehen: Als „Bibliothek“ ist der Tempel bekannt, den das<br />

Heidelberger Team virtuell neu hat erstehen lassen. <strong>Der</strong> R<strong>und</strong>flug am PC-Bildschirm um <strong>und</strong><br />

durch das Gebäude gibt nicht nur Touristen einen Eindruck der spektakulären Architektur des<br />

alten Kulturvolks der Khmer.<br />

7<br />

16.12.2006<br />

„Angkor – Göttliches Erbe Kambodschas“<br />

Lächelnde <strong>Buddha</strong>s aus dem Dschungel<br />

R<strong>und</strong> 140 Steinplastiken, Bronzefiguren, Holzskulpturen, Silberarbeiten <strong>und</strong> Malereien aus dem<br />

Khmer-Reich sind bei der Kambodscha-Ausstellung zu sehen<br />

© J. Gollings<br />

Angkor-Wat ist eine gewaltige Tempelwelt im Dschungel Kambodschas. In einer<br />

faszinierenden Ausstellung erweckt die Bonner B<strong>und</strong>eskunsthalle ein altes<br />

Reich von Göttern <strong>und</strong> fremden Königen sowie die Pracht einer einzigartigen<br />

Kultur zum <strong>Leben</strong>.


In sich ruhende, lächelnde <strong>Buddha</strong>-Figuren oder elegante Göttinnen, die Büffeldämonen besiegen,<br />

symbolisieren eine mythische Religion <strong>und</strong> Geschichte, die noch immer nicht ganz erschlossen<br />

ist. Die Ausstellung, die von B<strong>und</strong>espräsidenten Horst Köhler <strong>und</strong> dem kambodschanischen<br />

König Norodom Sihamoni eröffnet wurde, gibt erstm<strong>als</strong> in Deutschland einen<br />

umfassenden Einblick in die glanzvolle Epoche des Khmer-Reiches <strong>und</strong> das Weltkulturerbe<br />

Angkor-Wat. Die weitläufige Anlage gilt <strong>als</strong> größter Tempelbau <strong>und</strong> größtes religiöses Bauwerk<br />

der Erde.<br />

Insgesamt fast 150 Exponate, die zumeist aus dem kambodschanischen Nationalmuseum in<br />

Phnom Penh stammen, zeugen von einer tiefen Symbiose von Architektur <strong>und</strong> Religion <strong>und</strong><br />

einer sakralen Götterwelt, die stark von Indien beeinflusst wurde. In Steinstatuen, überlebensgroßen<br />

Kultskulpturen <strong>und</strong> Bronzefiguren wird die Verehrung von Gottheiten deutlich. Reliefierte<br />

Türstürze mit figürlichen Darstellungen zeigen, wie kunstfertig die Khmer im Detail arbeiteten.<br />

In originalgroßen Fotofriesen <strong>und</strong> Gipsabgüssen sind typische Flachreliefs mit der<br />

Darstellung epischer Legenden zu bew<strong>und</strong>ern, mit denen die umlaufenden Galerien des Angkor-Wat<br />

geschmückt wurden.<br />

Das Khmer-Reich erlebte seinen Höhepunkt zwischen dem 9. <strong>und</strong> 13. Jahrh<strong>und</strong>ert. In dieser<br />

Epoche wurden zumeist auch die Tempelanlagen errichtet. Angkor war das magisch-religiöse<br />

Zentrum eines mächtigen Reiches, das sich weit ins heutige Thailand, Vietnam <strong>und</strong> Laos erstreckte<br />

<strong>und</strong> in Südostasien dominierte.<br />

Die frühesten überlieferten Werke der Khmer stammen aus dem 6. <strong>und</strong> 7. Jahrh<strong>und</strong>ert nach<br />

Christus. <strong>Der</strong> indische Einfluss mit Buddhismus <strong>und</strong> Brahmanismus (Hinduismus) hatte sich<br />

in der gesamten Region ausgebreitet. Die Skulpturen der Götter stehen in der Tradition indischer<br />

Mythologie, haben aber einen unverwechselbaren eigenen Stil. Details wie Frisuren,<br />

Schmuck oder Gegenstände kennzeichnen ihre Wesen. Je mehr Köpfe <strong>und</strong> Arme die Götter<br />

haben, desto besser vermögen sie Aufgaben zu erledigen.<br />

<strong>Der</strong> Besucher wird in die Schau geführt mit den Schöpfungsmythen. Die Götter Brahma,<br />

Vishnu <strong>und</strong> Shiva stehen für die drei kosmischen Fähigkeiten: Erschaffung, Beschützen <strong>und</strong><br />

das Zerstören der Welt. Das so genannte Linga steht in seiner abstrakten Phallus-Form für die<br />

Schöpferkraft. Von Vishnu ist ein gewaltiges Bronzebildnis mit feinen Gesichtszügen zu bestaunen<br />

– es gilt <strong>als</strong> eine der größten Schätze der Khmer-Kunst.<br />

8<br />

„Gesichtertürme“ mit dem berühmten Lächeln Angkors<br />

Angor-Wat, von dem ein großes Holzmodell aufgebaut ist, wurde im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert aus<br />

Sandsteinen errichtet. Die Bauten sind buddhistischen Idealen wie Mitgefühl <strong>und</strong> Weisheit<br />

verpflichtet, was besonders in den typischen „Gesichtertürmen“ sichtbar wird. Das berühmte<br />

Lächeln Angkors ist auf zahlreichen Figuren von <strong>Buddha</strong>s <strong>und</strong> Erleuchteten zu sehen.<br />

Die Herrscher ließen die Tempel nicht nur <strong>als</strong> Ausdruck ihrer Macht bauen, sie wollten auch<br />

ihre eigene Vergöttlichung nach ihrem Tod sichern. Unter dem buddhistischen König Jayavarman<br />

VII. (1181-1220) erlebte Angkor eine letzte große Blütezeit. Von ihm ist ein Porträtkopf<br />

aus poliertem Sandstein zu sehen. Im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde Angkor dann von den<br />

Khmer-Königen verlassen, die wieder in den östlichen Landesteil zurückkehrten.<br />

Tausende Besucher ziehen durch das frühere Sperrgebiet<br />

Lange Zeit blieben das Land <strong>und</strong> die Tempelanlagen – sie sind heute das Wahrzeichen Kambodschas<br />

<strong>und</strong> schmücken auch die Landesflagge – wegen der inneren politischen Wirren für<br />

Besucher aus dem Ausland verschlossen. Nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer ist<br />

seit den neunziger Jahren das Land auch für Touristen wieder zugänglich. Inzwischen ziehen<br />

jeden Tag Tausende Besucher durch die verwitterten Tempelbauten. Sie sind weiter von Verfall<br />

bedroht – auch durch den noch ungeregelten Besucherstrom. Kunstraub gilt inzwischen<br />

<strong>als</strong> gestoppt.


„Wir wissen noch nicht alles über das Khmer-Reich“, sagte Kuratorin Wibke Lobo. „Fast alle<br />

Informationen kommen von Inschriften.“ Die Ausstellung wolle auch deutlich machen, wie<br />

das Erbe nachwirke. „Durch die Jahrh<strong>und</strong>erte steht Angkor bis heute auch für die nationale<br />

Identität <strong>und</strong> das Selbstverständnis der Khmer.“<br />

Die Schau „Angkor – Göttliches Erbe Kambodschas“ in der B<strong>und</strong>eskunsthalle in Bonn ist bis<br />

zum 9. April 2007 zu sehen.<br />

Edgar Bauer/dpa<br />

9<br />

29.12.2005<br />

Angkor Wat/Kambodscha<br />

Achtung, Tempelkoller inklusive<br />

Kambodscha? Klingt das, <strong>als</strong> sei es weit weg? Ist es aber nicht. Wer nach Thailand<br />

zum Sonnen fliegt, der schafft es auch ganz leicht, schnell mal in Kambodscha<br />

vorbeizuschauen. Wir warnen nur vor dem Tempelkoller.<br />

Von FOCUS-Online-Redakteurin Tinga Horny<br />

<strong>Der</strong> Abstecher von Bangkok nach Siem Reap lohnt sich. Angkor Wat, Angkor Thom <strong>und</strong> all<br />

die anderen Tempelanlagen warten hier, <strong>und</strong> sie können süchtig machen. Das gilt nicht nur für<br />

ambitionierte Bildungsbürger, die am liebsten jeden Tempelstein persönlich kennen lernen<br />

würden.<br />

Nein, die Tempelruinen von Angkor faszinieren auch jene, die gewöhnlich um Museen <strong>und</strong><br />

Relikte der Kunst einen großen Bogen machen. Denn Angkor Wat <strong>und</strong> seine benachbarten<br />

Anlagen bieten das, was man ganz selten findet <strong>und</strong> vor allem spürt: den Zauber der Vergänglichkeit.<br />

Angkor Wat: Wahrzeichen von Kambodscha


Von Größenwahn <strong>und</strong> Naturgewalt<br />

10<br />

Man stelle sich vor: Mitten im Urwald zwischen dem Phnom-Kulen-Gebirge <strong>und</strong> dem Tonle-<br />

Sap-See ließen sich r<strong>und</strong> zwei Dutzend Khmer-Gott-Könige Tempel <strong>und</strong> Städte errichten. Das<br />

geschah zwischen dem 9. bis 13. Jahrh<strong>und</strong>ert aus einer Mischung von Größenwahn <strong>und</strong> Eitelkeit,<br />

wie man das auch aus anderen Kulturen <strong>und</strong> Religionen so kennt. Das Faszinierende aber<br />

ist, dass diese Tempelanlagen jahrh<strong>und</strong>ertelang in Vergessenheit gerieten.Nach dem Untergang<br />

der Khmer im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert griff die Natur nach den verlassenen Bauwerken. Die<br />

Wurzeln der Kapok-Bäume krochen durch die Ritzen der Mauern, wurden größer <strong>und</strong> sprengten<br />

sie. Das Wurzelwerk der Würgefeigen umschlang die haushoch übereinander geschichteten<br />

Steinquader mit riesigen Krakenarmen <strong>und</strong> ließ über sie seine meterdicken- <strong>und</strong> hohen<br />

Baumstämme wachsen. Unerbitterlich überwucherte der Dschungel alles, was ihm keinen<br />

Widerstand bot.<br />

Erst im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden die Ruinen aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. <strong>Der</strong> Naturwissenschaftler<br />

Henri Mouhot stieß 1860 auf die im Urwald versunkenen Ruinen. Seitdem<br />

zählt Angkor Wat zu den W<strong>und</strong>ern dieser Welt.<br />

20. Februar 2007<br />

Tempel <strong>und</strong> ihre Besucher<br />

Wissenschaftler des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen<br />

der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg rekonstruieren schwer beschädigte<br />

Tempel im kambodschanischen Angkor – Simulation von Besucherströmen,<br />

um die Tempel bestmöglich zugängig zu machen.<br />

Mit der Rekonstruktion alter, verfallener Tempel ist die <strong>Arbeit</strong> oftm<strong>als</strong> nicht getan, schließlich<br />

sollen die kulturellen Schätze in geeigneter Weise auch der Öffentlichkeit zugängig gemacht<br />

werden. So wie in den kambodschanischen Tempelanlagen von Angkor, die seit mehreren<br />

Jahrzehnten von verschiedensten <strong>Arbeit</strong>sgruppen restauriert werden. Eine Gruppe von Studenten<br />

des Interdisziplinären Zentrums für wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-<br />

Karls-Universität Heidelberg um Professor Hans Georg Bock beschäftigt sich dabei mit der<br />

Rekonstruktion der teilweise schwer beschädigten Tempel. Hierbei arbeiten sie mit Architekturstudenten<br />

der Royal University of Fine Arts and Architecture (RUFA) in Phnom Penh zusammen,<br />

um einzelne Tempel nicht nur am Computer neu erstehen zu lassen.<br />

„Woran sind die Besucher von Angkor interessiert?“, fragt sich Dr. Michael Winckler, der es<br />

sich zur Aufgabe gemacht hat, einen Teil von Angkor, nämlich die Tempelanlage Preah<br />

Khan, in deren zu erneuerndem Besucherzentrum den Touristen näher zu bringen. Dafür ist es<br />

sicherlich notwendig einen Überblick über den gesamten Tempel, dessen Name so viel bedeutet<br />

wie Großes Schwert, zu geben. Gleichzeitig möchten die Besucher vielleicht einzelne Details<br />

wie etwa die zahlreichen Verzierungen an den Mauern kennen lernen <strong>und</strong> schließlich soll<br />

alles so eindrucksvoll präsentiert werden, dass man zu Hause etwas zu erzählen hat. Keine<br />

leichte Aufgabe <strong>und</strong> deshalb arbeiten die Heidelberger Wissenschaftler bei diesem Projekt mit<br />

dem World Monument F<strong>und</strong> zusammen, der vor allem für die Finanzierung des Projektes<br />

sorgt.


11<br />

Angkor Wat ist der größte <strong>und</strong> bekannteste Tempel Kambodschas <strong>und</strong> für Touristen <strong>und</strong> Einheimische<br />

gleichermaßen Anziehungspunkt.<br />

Bild: Philipp Struck<br />

Eine Aufgabe der Heidelberger Wissenschaftler wird es sein, ein Modell von Preah Khan zu<br />

erstellen <strong>und</strong> zwar ein Gipsmodell, das den heutigen Zustand der noch erhaltenen Tempel<br />

wiedergibt. Das Gipsmodell wird aber keineswegs mit der Hand angefertigt, sondern maschinell<br />

<strong>und</strong> hierzu werden die Daten aus dem Rechner benötigt. Die Maschine trägt dann Schicht<br />

für Schicht Gips auf <strong>und</strong> erreicht dabei eine Genauigkeit von einem Zehntel Millimeter, so<br />

dass selbst feinere Strukturen in dem Modell im Maßstab 1 zu 120 sichtbar werden. Wichtig<br />

ist dieses Modell, da nur Teile des Tempels überhaupt begehbar sind <strong>und</strong> der Besucher zwischen<br />

den aufragenden Tempelruinen keinen Gesamteindruck des Bauwerks bekommen kann.<br />

Das Erstellen eines Gipsmodells ist natürlich keineswegs eine Aufgabe, wofür die Wissenschaftler<br />

des IWR notwendig wären. Doch die Problematik liegt hier im wahrsten Sinne im<br />

Detail. Die Gebäude des Preah Khan sind nämlich derart komplex aufgebaut, beispielsweise<br />

mit feinsten Verzierungen an den Wänden, dass dieser Detailreichtum die Rechenleistung eines<br />

Computers schnell übersteigen würde. Folglich wäre das Betrachten einer 3-<br />

dimensionalen Darstellung der Tempelanlage am Bildschirm in Echtzeit nicht möglich, sondern<br />

es würde wohl einige Minuten benötigen, wollte man sich den Tempel aus einer neuen<br />

Blickrichtung am Computer anschauen.<br />

„Deshalb arbeiten wir an einem Programm, das je nach gewähltem Maßstab eine feinere oder<br />

gröbere Auflösung wählt“, erläutert Michael Winckler. So ist es bei einer Übersichtsdarstellung<br />

natürlich nicht notwendig auch das kleinste Detail zu berücksichtigen, denn das erscheint<br />

möglicherweise gar nicht auf dem Bildschirm, wird aber vom Computer mit berechnet. Als<br />

Entscheidungskriterium, ob eine Verzierung an einer Säule weggelassen werden kann, dient<br />

dabei, wie viele Pixel sich verändern, wenn das Detail nicht mehr berücksichtigt wird. Verändern<br />

sich nur wenige Pixel, so kann das Detail entfernt werden. Wird das Bild dagegen vergrößert,<br />

so müssen die Details gegebenenfalls wieder erscheinen. Auch für das Gipsmodell ist<br />

diese <strong>Arbeit</strong> sehr wichtig, denn bei der sehr feinen Auflösung von einem Zehntel Millimeter,<br />

lässt sich zwar noch sehr vieles detailgenau darstellen, doch für den Betrachter mag dies eher<br />

verwirrend sein.


Eine weitere Aufgabe der Wissenschaftler am IWR wird das Lenken von Besucherströmen<br />

sein. So sitzt beispielsweise der Tempel Phnom Bakheng auf einem Hügel, von dem aus ein<br />

herrlicher Sonnenuntergang zu beobachten ist. Daher drängeln sich in den Abendst<strong>und</strong>en<br />

mehrere tausend Touristen auf den zwei schmalen Zugangswegen, mit den entsprechenden<br />

Problemen bei gleichzeitigem Hin- <strong>und</strong> Rückweg. Lässt sich das Besucherverhalten beispielsweise<br />

durch das Errichten eines Informationszentrums so lenken, dass einer der beiden<br />

Wege vorwiegend <strong>als</strong> Hin-, der andere dagegen <strong>als</strong> Rückweg benutzt wird? Hierzu erstellen<br />

die kambodschanischen Studenten die Geländemodelle, die Simulation wird dann in Heidelberg<br />

gemacht.<br />

Diese Art der <strong>Arbeit</strong>steilung beruht vor allem auf der bisher sehr ungenügenden technischen<br />

Ausstattung der kambodschanischen Universitäten. So wäre ohne die Unterstützung durch die<br />

Gottlieb-Daimler- <strong>und</strong> Carl-Benz-Stiftung in Ladenburg selbst die Internetanbindung der<br />

RUFA nicht möglich gewesen, was für die gemeinsamen Projekte jedoch unentbehrlich ist.<br />

Die Aktivitäten des IWR in Südostasien sind aber sehr vielfältig <strong>und</strong> so ist allmählich ein<br />

Netzwerk mit Universitäten aus Vietnam, Laos, Myanmar <strong>und</strong> Kambodscha entstanden, wodurch<br />

die kambodschanischen Studenten wohl in Zukunft beispielsweise die Computer an der<br />

Universität von Hanoi mitbenutzen können.<br />

Stefan Zeeh<br />

12<br />

03.05.2007<br />

STUDIOZEIT • AUS KULTUR- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN<br />

Tempel der Könige <strong>und</strong> Götter<br />

Deutsche Wissenschaftler restaurieren die antike Hauptstadt der Khmer<br />

Von Barbara Weber<br />

Sie gehören zum herausragenden Kulturerbe der Menschheit: Kambodschas<br />

Tempelanlagen zeugen mit ihrer Größe <strong>und</strong> Kunstfertigkeit von Macht <strong>und</strong><br />

Glanz des Königreiches der Khmer, das seine Blüte zwischen dem 9. bis 13.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert erlebte. Auch deutsche Wissenschaftler widmen sich der Dokumentation<br />

<strong>und</strong> Restauration von Reliefs <strong>und</strong> Steinskulpturen.<br />

Wenn man zum ersten Mal davor steht ... – Überwältigend. – Diese Dimensionen wirklich direkt<br />

zu erfassen, dadurch zu gehen, diese Ausgestaltung zu sehen, das ist absolut großartig. –<br />

Angkor selber ... hat über 400 Quadratkilometer mit über h<strong>und</strong>ert einzelnen Tempeln. – Selbst<br />

<strong>als</strong> Kambodschaner kann man das gar nicht vorstellen, wenn man das sieht. – Es ist einfach<br />

beeindruckend. Vor allem, wenn man Satellitenaufnahmen sieht, <strong>und</strong> diese schiere Dimension<br />

überhaupt mal überblickt. – Das ist einfach gigantisch.<br />

„Für jemanden, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, ist es schwierig, sich ein so wildes<br />

<strong>und</strong> baufälliges Durcheinander von <strong>Leben</strong> <strong>und</strong> Verwesung, von zügellosem Grün, im<br />

Krieg mit einem unbeweglichen grauen Tod vorzustellen. Trotzdem erlangt der Stein durch<br />

diesen Kampf eine Art <strong>Leben</strong>, da er zwischen zwei Feuern gefangen ist. Zweige bäumen sich<br />

auf- <strong>und</strong> abwärts, um die Ruinen zu zerstören, wodurch die Architektur, genötigt an dieser<br />

Schlacht teilzunehmen, eine unvergleichliche Dynamik, im Gegensatz zu ihrer statischen<br />

Aufgabe, annimmt.“ (Sir Osbert Sitwell, Schriftsteller, 1939)


„Es ist nicht notwendig, Kleidung zu tragen. Da Reis leicht zu haben, Frauen leicht zu überreden,<br />

Häuser leicht zu bauen, Möbel leicht zu machen <strong>und</strong> Handel leicht zu treiben ist, gibt es<br />

viele Seefahrer, die sich hier niedergelassen haben.“ (Chou-Takuan, chinesischer Diplomat,<br />

13. Jahrh<strong>und</strong>ert)<br />

Als das Reich der alten Khmer auf seinem Zenit stand, blühte der Handel. Handwerk <strong>und</strong><br />

Kunst befruchteten sich <strong>und</strong> entfalteten eine schöpferische Pracht.<br />

Fast 500 Jahre herrschten Gottkönige auf dem Thron der Khmer, führten blutige Schlachten<br />

<strong>und</strong> regierten ein Reich, das in seiner Hochzeit große Teile des heutigen Laos im Norden, Regionen<br />

Thailands im Westen, die Küste von Südvietnam <strong>und</strong> ein paar kleine Handelsstaaten<br />

an der malaysischen Halbinsel umfasste.<br />

Nur durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das drei Reisernten im Jahr erbrachte,<br />

konnten diese Menschenmassen ernährt werden. Es gab eine Armee, eine Provinzverwaltung<br />

<strong>und</strong> einen Gerichtshof. Es bildete sich eine Hochzivilisation, wie sie zu dieser Zeit nirgendwo<br />

sonst auf der Welt existierte.<br />

13<br />

Die Klosteranlage Angkor Wat in Kambodscha (Bild: AP Archiv)<br />

Alles, was von dieser Hochkultur überliefert ist, sind steinerne Zeugnisse ihrer Tempel, weder<br />

Wohnhäuser, noch Paläste, weder Markthallen noch andere öffentliche Gebäude. Auf über<br />

400 Quadratkilometern finden sich in Angkor Tempel <strong>und</strong> heilige Gemäuer. <strong>Der</strong> größte, Angkor<br />

Wat, hat in etwa das Volumen der Cheops Pyramide. Er ist völlig freigelegt <strong>und</strong> von einem<br />

künstlichen See umgeben.<br />

Andere Tempel wie der Ta Phrom, vermitteln heute noch den Anblick, der sich dem französischen<br />

Abenteurer Mohout bot, <strong>als</strong> er Mitte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts Angkor entdeckte: ein Gewirr<br />

aus Dschungel <strong>und</strong> Stein.<br />

Es gibt kaum schriftliche Quellen, die nähere Auskunft über das religiöse <strong>und</strong> das profane<br />

<strong>Leben</strong> der alten Khmer geben. Bei den Inschriften an den Tempelwänden handelt es sich letztendlich<br />

um Widmungen oder einfache Erklärungen der Gr<strong>und</strong>funktion der Tempel. Auf den<br />

Reliefs geben sie Hinweise über die gezeigten Personen.<br />

Das Alltagsleben erschließt sich zum Teil aus den Reliefs am Bayon Tempel. Die haben Prof.<br />

Hans Leisen von der Fachhochschule Köln <strong>und</strong> seine Frau Dr. Esther von Plehwe-Leisen genau<br />

studiert:


„Da wird alles mögliche dargestellt: Geburt, Hahnenkämpfe, was auch heutzutage ein sehr beliebter<br />

Volkssport ist. Es wird die Fischerei dargestellt; es wird das Kochen dargestellt oder<br />

die Begleitung von Kriegszügen, <strong>als</strong>o die Marketenderinnen usw. usw.“<br />

Das monumentale R<strong>und</strong>relief, an den Außenmauern angebracht, umschließt einen Tempel<br />

imponierenden Ausmaßes: verschachtelte Galerien, filigrane Flachreliefs <strong>und</strong> ein Chaos an<br />

verwinkelten, dunklen Räumen wechseln einander ab. Am beeindruckendsten sind wohl die<br />

etwa 200 gewaltigen Gesichter mit ihrem zu Stein erstarrten Lächeln, die von 54 Türmen in je<br />

eine von vier Himmelsrichtungen blicken.<br />

<strong>Der</strong> Bayon-Tempel stammt aus dem 12.Jahrh<strong>und</strong>ert. Sein Erbauer weihte ihn zunächst dem<br />

Buddhismus. Die hinduistischen Symbole der Vorgänger negierte der König keinesfalls sondern<br />

integrierte sie in das Baukonzept.<br />

Als rein hinduistischer Tempel wurde Angkor Wat r<strong>und</strong> 50 Jahre vorher errichtet. Die ungeheure<br />

Größe <strong>und</strong> durchdachte Geometrie der Architektur sowie die fein gestalteten Details des<br />

größten sakralen Bauwerks auf der Erde lassen auf einen mächtigen Herrscher schließen.<br />

Hans Leisen:<br />

„Es ist primär zunächst mal der Staatstempel. Es ist einfach auch der Punkt, wo der Gottkönig,<br />

es ist ja ein Gottkönigtum, der Gottkönig residiert sozusagen bzw. zum Beten hingeht,<br />

der Tempel, der der Gottheit Vishnu geweiht war, wo er dann auch beerdigt wird <strong>und</strong> so in<br />

Einheit mit der Gottheit lebt.“<br />

Dargestellt wird das hinduistische Universum ...<br />

„ ... mit ganz oben dem zentralen Heiligtum, dem heiligen Berg Meru, ... dieses Heiligtum ist<br />

eben von fünf weiteren Türmen umgeben <strong>und</strong> Galeriebauten in verschiedensten Ebenen nach<br />

unten, in Angkor Wat sind es insgesamt vier Ebenen, die nun die Bergketten um ... den Berg<br />

Meru symbolisieren <strong>und</strong> das Ganze dann noch umgeben in Angkor Wat durch einen 190 m<br />

breiten Wassergraben, das Urmeer. Es ist im Prinzip aufgebaut wie ein Mandala <strong>und</strong> stellt<br />

letztendlich das hinduistische Universum dar.“<br />

Suryavarman II. erbaute das Monument zu Beginn des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> bestimmte es zu<br />

seinem Grabmal. Als Stadt in einer Stadt bot Angkor Wat 20.000 Menschen Raum. Das Universum<br />

wurde so nachgestellt, wie es in der hinduistischen Mythologie beschrieben ist.<br />

Von außen betrachtet erscheint die Anlage wie eine <strong>und</strong>efinierbare Steinmasse; genauere Beobachter<br />

erkennen die durchdachte Architektur, bestehend aus Gängen, Zimmern, Innenhöfen<br />

<strong>und</strong> Türmen. Die 800 Meter langen Flachreliefs, die das Innengebäude umlaufen, zählen zu<br />

den längsten der Welt. Dargestellt werden die großen hinduistischen Mythen, zum Beispiel<br />

der hinduistische Olymp mit all seinen Göttern.<br />

Neben diesem phantastischen Bildprogramm an der Außenwand des Tempels gibt es Darstellungen<br />

weiblicher Gottheiten, die so genannten Apsaras. Bei seinem ersten Besuch vor zwölf<br />

Jahren erschienen Hans Leisen die Außenreliefs verglichen mit den Apsaras in noch so gutem<br />

Zustand, dass er zunächst beschloss, die zahlreichen figürlichen Darstellungen zu restaurieren.<br />

Die waren nämlich über die Jahrh<strong>und</strong>erte zum Teil unwiederbringlich zerstört. Allein in Angkor<br />

Wat gibt es 1.850 Apsaras.<br />

„Wir versuchen die Gesteinsoberfläche dort, wo sie bildhaft bearbeitet ist, zu konservieren,<br />

das heißt den Status quo, so wie er sich jetzt darstellt, einfach zu stabilisieren <strong>und</strong> zu erhalten,<br />

die Verwitterung hinauszuzögern. Das ist eine Sysiphusarbeit, das ist ein Kampf gegen die<br />

Mächte, die wir nicht beeinflussen können. Die Verwitterung dort ist hauptsächlich natürlich<br />

bedingt: es ist das Wetter, das Wasser, der Regen, es ist die Temperatur natürlich, <strong>und</strong> das in<br />

Kombination mit dem Steinmaterial, das dort verwendet worden ist.“<br />

Unter Leitung von Prof. Hans Leisen versucht das Team des German Apsara Conservation<br />

Projects, diesen Zerfall aufzuhalten. Das Ausmaß der Schäden lässt sich bei oberflächlicher<br />

Betrachtung kaum feststellen. Deshalb müssen diverse Tests durchgeführt werden. Site Ma-<br />

14


nager vor Ort ist Long Nary, der <strong>als</strong> Restaurator die <strong>Arbeit</strong>en an dem Projekt in Angkor Wat<br />

beaufsichtigt.<br />

„Jetzt sind wir auf dem Dach von Angkor Wat III auf einem Gerüst, 10 Meter über dem Dach.<br />

Ich möchte noch einmal demonstrieren, was wir hier machen, anhand einer Karte, die die Ergebnisse<br />

unserer <strong>Arbeit</strong> zeigt.“<br />

Die Karte, die Long Nary entfaltet, zeigt Ultraschallaufnahmen von der gegenüberliegenden<br />

Wand. Sie analysiert den Grad der Zerstörung der Figuren. Ein weiterer Test kann das demonstrieren:<br />

„<strong>Der</strong> Stein klingt an der Stufe nicht besonders gut. Oberflächlich betrachtet sieht der Zustand<br />

des Steins gut aus, aber wenn Sie klopfen, hören Sie den Hohlraum. So müssen wir etwas tun,<br />

damit die Stufe nicht herunterfällt <strong>und</strong> die Behandlung beginnen.“<br />

Die Restauratoren fürchten die so genannte Schalenbildung. Nach außen strahlt die Tänzerin<br />

noch ihr anmutiges Lächeln, innerlich schon losgelöst vom Untergr<strong>und</strong>. Es ist eine Frage der<br />

Zeit, bis sie fällt <strong>und</strong> nackten Stein zurücklässt.<br />

„In der Spritze ist siliziumhaltiger Konservierungsstoff. Wir nutzen das Material, um den<br />

schwachen Stein zu festigen. Wir benutzen eine Spritze mit Skala, um genau zu sehen, wie<br />

viel Milliliter an Material wir unterspritzen müssen, so können wir genau feststellen, wie viel<br />

Konservierungsstoff wir brauchen, um den Stein zu festigen.“<br />

Inzwischen ist das kambodschanische Team auf über 20 Fachleute vor Ort angewachsen. Neben<br />

den fast abgeschlossenen <strong>Arbeit</strong>en an den Apsaras warten weitere Aufgaben auf die Restauratoren:<br />

Im Moment ist sicher einer der Schwerpunkte diese großen Reliefs an den Giebeln. <strong>Der</strong> Status<br />

Quo ist so, dass wir mittlerweile ein sehr gutes <strong>und</strong> ausgereiftes Konservierungskonzept haben,<br />

was auch umgesetzt wird <strong>und</strong> auch umgesetzt wird von einem ausgesprochen gut ausgebildeten<br />

<strong>und</strong> sehr talentierten kambodschanischen Team ... weil man jetzt über die große Erfahrung<br />

von zehn Jahren verfügt.<br />

Prof. Leisen verfolgt das Ziel, das Projekt soweit zu emanzipieren, dass es ohne finanzielle<br />

Unterstützung des Auswärtigen Amtes bestehen kann. Die Chancen sind gut. Die kambodschanische<br />

Denkmalbehörde hat jetzt die ersten jungen Restauratoren eingestellt, die in Angkor<br />

Wat mit deutscher Unterstützung ihr Metier gelernt haben.<br />

Eine Aufgabe der kambodschanischen Denkmalbehörde ist neben der Restauration der historischen<br />

Stätten die Organisation der Touristen, denn Angkor entwickelt sich immer mehr zum<br />

Publikumsmagneten.<br />

Hilfe bekommt sie dabei von der Universität Heidelberg. Das Interdisziplinäre Zentrum für<br />

wissenschaftliches Rechnen entwickelt Modelle, wie Besucherströme möglichst ohne Schaden<br />

anzurichten, durch die Denkmäler geleitet werden könnten.<br />

Doch die Erfassung von Touristenströmen ist nur ein Teilbereich des Projektes – meint Dr.<br />

Michael Winkler, Leiter der Angkor-Projektgruppe – <strong>und</strong> erklärt, wie die Wissenschaftler das<br />

machen. Zunächst gilt es nämlich, die Tempel geometrisch zu erfassen.<br />

„Wir versuchen <strong>als</strong>o, möglichst exakte Modelle dieser Tempel herzustellen im Computer, <strong>und</strong><br />

auf Basis dieser Geometrie-Modelle dann weitere Modellierungen dann hinzuzufügen, die aus<br />

dem wissenschaftlichen Rechnen stammen.“<br />

Dabei ist die Größe der Tempel ein Problem...<br />

„ ... denn die Größe bedeutet gleichzeitig, dass es sehr viel <strong>Arbeit</strong> ist <strong>und</strong> Aufwand, einen<br />

Tempel komplett zu erfassen. Die <strong>Arbeit</strong>en, die Pheakdey zum Beispiel macht, versucht das<br />

zu reduzieren <strong>und</strong> uns die Möglichkeit zu geben, selbst große Tempel in erträglicher Zeit zu<br />

rekonstruieren. Danach ist es meine Aufgabe, Projekte auszuwählen, die man auf Basis dieser<br />

15


geometrischen Modelle betreiben kann, <strong>als</strong>o zum Beispiel kann man von einem Tempel, den<br />

wir haben, den wir ja schon rekonstruiert haben, den Phom Bakheng, an diesem Tempel versuchen<br />

wir, Touristensimulationen zu machen. Das heißt, wir haben die Geometrie des Tempels,<br />

<strong>und</strong> jetzt wollen wir wissen, wie bewegen sich Touristen innerhalb dieses Tempelkomplexes,<br />

<strong>und</strong> wie kann man das Zusammenspiel von Touristen, die dort etwas sehen wollen von<br />

Rekonstruktionsarbeiten, die geschützt werden müssen, ... wie kann man das alles zusammenbringen<br />

<strong>und</strong> vielleicht schützenswerte Teile des Tempels so abgrenzen, dass die länger erhalten<br />

bleiben.“<br />

Michael Winkler arbeitet im Team von Prof. Hans-Georg Bock. <strong>Der</strong> Wissenschaftler ist Direktor<br />

des Interdisziplinären Zentrums an der Universität Heidelberg. Die Idee zu dem Angkor-Projekt<br />

basiert auf zwei Wurzeln, meint der Wissenschaftler. Die eine war natürlich die<br />

Faszination <strong>und</strong> der Blick des Mathematikers dafür, woran es fehlt bei den Restaurationsarbeiten:<br />

„Die andere Ebene war, zusammen zu arbeiten mit den Kollegen an der Royal University of<br />

Fine Arts, denn Kambodscha ist ein Land, in dem sich die Universitäten sehr schwer tun, auch<br />

von ihren Standards her, auch von ihren Beziehungen her, Beziehungen in die allgemeine<br />

wissenschaftliche Gemeinschaft zu knüpfen. Deswegen war das zweite Anliegen, ein Projekt<br />

auf den Weg zu bringen, was den Studenten <strong>und</strong> auch den Dozenten der Royal University of<br />

Fine Arts helfen würde, mit uns zu kooperieren hier in Heidelberg. Und das ist eine der faszinierendsten<br />

Aspekte an unserer Kooperation, dass da Studenten aus Heidelberg <strong>und</strong> Studenten<br />

aus Kambodscha, aus Phnom Penh miteinander kooperieren.“<br />

Unterstützt durch die UNESCO, den Deutschen Akademischen Austauschdienst <strong>und</strong> weitere<br />

Drittmittel, können junge Wissenschaftler an der Universität Heidelberg zum Beispiel ihre<br />

Promotion beenden, so wie der eben schon erwähnte Diplom-Architekt Pheakdey Nguonphan:<br />

„(Bei) meine(r) Forschung handelt es sich um einen bestimmten Tempeltyp, <strong>und</strong> zwar Angkor<br />

Wat Stil Tempel. Diese Tempel haben einen bestimmten architektonischen Aufbau, der im<br />

Bereich Computerrekonstruktion sehr schwierig ist. Und ich beschäftige mich genau an den<br />

Elementen, die solche Schwierigkeiten haben, um mit mathematischen Modellen <strong>und</strong> der Erfahrung<br />

<strong>als</strong> kambodschanischer Architekt, Khmer-Kunst hinzuzufügen <strong>und</strong> das zu rekonstruieren.“<br />

Auf dem Gelände von Angkor zeugen die unterschiedlichen Tempelanlagen von den verschiedenen<br />

Epochen, in denen sie gebaut wurden. Doch alle Tempel einer Epoche weisen<br />

immer wieder kehrende Elemente auf. Kennen die Wissenschaftler diese stilistischen Elemente,<br />

können sie fehlende Elemente an einem anderen Tempel rekonstruieren. Bei H<strong>und</strong>erten<br />

von Tempeln in Kambodscha ist es unmöglich, dies mit Hilfe von Zeichnungen zu bewerkstelligen.<br />

Dr. Susanne Krömker, Leiterin der Computergrafik am Interdisziplinären Zentrum für wissenschaftliches<br />

Rechnen, zeigt ein weiteres Beispiel:<br />

„Das ist ein Prototyp für ein virtuelles Museum. Man kann <strong>als</strong>o tatsächlich hier einen Raum<br />

betreten, wo verschiedene Objekte ausgestellt sind <strong>und</strong> durch einen einfachen Doppelklick<br />

bekomme ich dieses eine Objekt tatsächlich jetzt dreidimensional präsentiert, kann <strong>als</strong>o da<br />

hinan zoomen <strong>und</strong> mir Details anschauen, bekomme Informationen zusätzlich eingeblendet<br />

...“<br />

... wie bei der Skulptur eines Elefantengottes aus dem Nationalmuseum Kambodscha in<br />

Phnom Penh, der in der Angkor-Ausstellung in Berlin zu sehen ist. Mit einigen Doppelklicks<br />

hat Susanne Krömker die Figur auf den Bildschirm gebracht:<br />

„Beispielsweise den Ganésa hier, das ist der elefantenrüsselige Gott, der auch für das Beginnen<br />

von Projekten auch für die Wissenschaft schlechthin steht, der ist <strong>als</strong>o auch <strong>als</strong> Skulptur<br />

vor der Royal University of Fine Arts aufgestellt <strong>und</strong> insofern haben wir den natürlich auch in<br />

16


unser virtuelles Museum integriert, um hier deutlich zu machen, das ist ein neues Experimentierfeld,<br />

das wir angegangen sind. ...“<br />

Mit Hilfe der Maustaste dreht die Wissenschaftlerin das Objekt, so dass alle Seiten begutachtet<br />

werden können:<br />

„ ... <strong>und</strong> man kann ihn wirklich auch mal von unterwärts sehen, was sie in einem Museum<br />

niem<strong>als</strong> machen könnten. Die Skulptur <strong>als</strong>o so zu drehen <strong>und</strong> in die Hand zu nehmen wie es<br />

eine Vitrine nie zulassen würde.“<br />

... <strong>und</strong> Prof. Bock ergänzt:<br />

„Wir haben ja diese Datenbank- <strong>und</strong> Archivsystem für das Nationalmuseum entwickelt, <strong>und</strong><br />

sie können jetzt diese Skulptur mit den kompletten Daten, die im elektronischen Archiv vorhanden<br />

sind, verknüpfen. Das Ganze bezieht sich natürlich nicht nur auf Touristen oder Interessierte<br />

an der Kunst <strong>und</strong> Kultur der Kambodschaner sondern es ist auch hilfreich, um überhaupt<br />

den Museumskollegen vor Ort zu helfen. Wenn sie nur an das Conservoirtoire d'Angkor<br />

denken, in dem Tausende von Skulpturen auch für die Profis kaum zugänglich aufgehoben<br />

sind, sie können all das natürlich virtuell ohne Probleme begehen, <strong>und</strong> zwar an jedem Standort<br />

der Welt.“<br />

So können die Wissenschaftler virtuell entstehen lassen, was vor fast 600 Jahren zerstört wurde:<br />

„Den Untergang des alten Khmer-Reiches besiegeln die Thai 1430 durch den Vormarsch ihrer<br />

Truppen. Sie nehmen Angkor ein <strong>und</strong> plündern es. <strong>Der</strong> Sohn des siegreichen Thai-Herrschers<br />

bemächtigt sich des Throns.“<br />

Doch dem äußeren Untergang war ein innerer vorausgegangen. Das lässt sich an der nachlassenden<br />

Baukunst nachvollziehen. Die gewaltige Anzahl gleichzeitiger Bauprojekte erforderte<br />

immer mehr Steinmaterial. Steinbrucharbeiter <strong>und</strong> Transporteure konnten den Anforderungen<br />

vermutlich kaum noch Schritt halten. Ältere Tempel mussten jetzt <strong>als</strong> Steinbrüche herhalten.<br />

Die Steinmetzarbeiten wurden nicht mehr so sorgfältig wie in früheren Zeiten ausgeführt.<br />

Die vordringenden Thai entreißen den Khmer Stück für Stück ihr Land. Das komplexe System<br />

der Wasserverteilung mit den vielen Schleusen <strong>und</strong> Kanälen verfällt. Als 1431 die Hauptstadt<br />

Angkor Thom aufgegeben wird, ist die Stadt fast zugepflastert mit Tempeln. Von nun an<br />

ergreift der Dschungel Besitz von dem Ort. Was von ihm übrig bleibt, beschreibt Mitte des<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts Joao dos Santos:<br />

Und in dieser ganzen riesigen Stadt gab es weder Menschen noch Tiere, noch irgendwelche<br />

Lebewesen außer solchen, wie sie die Natur in den Spalten der Ruinen hervorbringt.<br />

Hinweis: Die <strong>Arbeit</strong> der deutschen Wissenschaftler vor Ort in Kambodscha wird ab Samstag,<br />

den 5. Mai, im Martin Gropius Bau in Berlin im Rahmen einer großen Angkor-Ausstellung<br />

dokumentiert.<br />

© 2007 Deutschlandradio<br />

17<br />

13.08.2007<br />

ANGKOR<br />

Forscher entdecken Ruinen riesiger Dschungel-Metropole<br />

Von Markus Becker


Die Siedlung um die berühmte Tempelanlage Angkor Wat war offenbar viel<br />

größer <strong>als</strong> bisher bekannt. Forscher haben die Region in Kambodscha zu Fuß,<br />

per Flugzeug <strong>und</strong> Satellit erfasst – <strong>und</strong> eine versunkene Anlage von den Ausmaßen<br />

New Yorks entdeckt: die wohl größte vorindustrielle Stadt der Welt.<br />

18<br />

Wer Angkor sagt <strong>und</strong> nicht zufällig Archäologe ist, meint in der Regel Angkor Wat – jene berühmte<br />

Tempelanlage, welche die Khmer vermutlich vor knapp 900 Jahren in den Dschungel<br />

Kambodschas gebaut haben. Doch in der Region Angkor gibt es mehr. Viel mehr, <strong>als</strong> selbst<br />

Experten bisher vermutet haben.<br />

„Seit mehr <strong>als</strong> 100 Jahren hat sich die Wissenschaft auf die gewaltigen Sandstein-Tempelanlagen<br />

<strong>und</strong> ihre Inschriften konzentriert“, sagt Damian Evans von der University of Sydney in<br />

Australien. „Wo <strong>und</strong> wie die Menschen dort gelebt haben, wollte niemand herausfinden –<br />

oder konnte es nicht wegen der vielen Jahre der Gewalt.“<br />

Angkor heute: Forscher vermuten, dass der exzessive Reisanbau der Gr<strong>und</strong> für den Untergang der<br />

mittelalterlichen Metropole war<br />

Google Earth / TerraMetrics / DigitalGlobe<br />

Riesenstadt des Reisüberflusses<br />

Erst seit dem Ende des Schreckensregimes der Roten Khmer in den neunziger Jahren ist die<br />

systematische Erforschung von Angkor halbwegs sicher, <strong>und</strong> Evans hat die Zeit gemeinsam<br />

mit seinem Team genutzt. Denn was die Forscher jetzt im Fachblatt „Proceedings of the National<br />

Academy of Sciences“ veröffentlichen, ist ein atemberaubendes Zeugnis einer längst vergangenen<br />

Zeit. Ihrer neuen Karte zufolge haben sich in der Gegend von Angkor Wat keineswegs<br />

nur verstreute Tempel bef<strong>und</strong>en – sondern eine gewaltige hydraulische Stadt mit einer<br />

Fläche von mehr <strong>als</strong> 1.000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: New York City ist r<strong>und</strong> 1.200,<br />

ohne seine Wasserflächen weniger <strong>als</strong> 800 Quadratkilometer groß. Berlin hat eine Fläche von<br />

knapp 900 Quadratkilometern.<br />

Damit ist „Groß-Angkor“ die mit Abstand gewaltigste vorindustrielle Siedlung der Welt,<br />

schreiben Evans <strong>und</strong> seine Kollegen. Selbst die riesigen Städte der Maya nehmen sich dage-


gen winzig aus: Tikal, die größte bisher genau vermessene unter ihnen, bringt es auf höchstens<br />

150 Quadratkilometer.<br />

Das „Greater Angkor Project“ (GAP) mit Experten aus Australien, Kambodscha <strong>und</strong> Frankreich<br />

hat laut Evans nun auch die alte Annahme bestätigt, dass Angkor zwischen dem 9. <strong>und</strong><br />

16. Jahrh<strong>und</strong>ert eine hydraulische Stadt war. <strong>Der</strong> französische Forscher Bernard-Philippe<br />

Groslier hat Angkor seit den fünfziger Jahren erforscht <strong>und</strong> die Theorie eines riesigen Siedlungskomplexes<br />

aufgestellt, der dank eines komplizierten Bewässerungssystems mehr <strong>als</strong> eine<br />

Million Menschen beherbergt habe. Dieses System habe die Riesenstadt, die sich auf mehrere<br />

Zentren verteilte, ernährt, definiert – <strong>und</strong> schließlich auch untergehen lassen.<br />

Das ausgedehnte Bewässerungsnetz aus Flüssen, Kanälen <strong>und</strong> Stauseen hat die mittelalterlichen<br />

Khmer der neuen Studie zufolge in die Lage versetzt, mehrm<strong>als</strong> im Jahr Reis zu ernten.<br />

Das verschaffte den Bewohnern Angkors nicht nur volle Teller, sondern auch komfortable<br />

Überschüsse, die zu einem enormen Reichtum führten. Das Khmer-Reich konnte seine Macht<br />

ausweiten, insbesondere während der Regierungszeit Königs Suryavarman II., dem auch der<br />

Bau der Tempelanlage Angkor Wat zugeschrieben wird.<br />

Die GAP-Forscher haben nun anhand von Bodenvermessungen, mit Hilfe von Ultraleichtflugzeugen<br />

<strong>und</strong> Radarsatelliten der US-Raumfahrtbehörde Nasa mehr <strong>als</strong> 1.000 künstlich angelegte<br />

Seen <strong>und</strong> mindestens 74 bisher unbekannte Tempel entdeckt. „Unsere neue Karte<br />

zeigt erstm<strong>als</strong>, dass Angkor keine Ansammlung verstreuter Tempel war“, erklärt Evans gegenüber<br />

SPIEGEL ONLINE. „Es war ein durchgehendes, verflochtenes städtisches Netzwerk,<br />

das etwa zehnmal so groß ist wie alles, was bisher aus der antiken Welt gef<strong>und</strong>en wurde.“<br />

Die Karte zeige auch, dass die Größe vormoderner Siedlungen nicht wie allgemein angenommen<br />

einfach anhand ihrer Stadtmauern definiert werden könne. Angkor Wat <strong>und</strong> die angrenzende<br />

ummauerte Stadt Angkor Thom seien zwar besonders dicht besiedelt gewesen.<br />

„Aber wir sehen auch, dass Angkor nicht an den Stadtmauern endete, sondern ein riesiges Geflecht<br />

aus landwirtschaftlichen <strong>und</strong> besiedelten Flächen war <strong>und</strong> sich praktisch ohne Unterbrechung<br />

über mindestens 1.000 Quadratkilometer erstreckte“, sagt Evans. Auf dieser Fläche<br />

gebe es kaum einen Quadratkilometer, der nicht verändert <strong>und</strong> genutzt worden sei.<br />

Die neuen Daten widerlegen laut Evans auch die Annahme, dass das Bewässerungsnetz nicht<br />

dazu geeignet war, den Reisanbau zu intensivieren. „Alle großen Stauseen haben Zu- <strong>und</strong> Abflüsse,<br />

es gibt Verteilerkanäle, <strong>und</strong> jede einzelne Wasserquelle der Region wurde intensiv <strong>und</strong><br />

rücksichtslos ausgebeutet.“<br />

19<br />

„Immer komplexer <strong>und</strong> unkontrollierbarer“<br />

Das habe vermutlich auch zum Untergang Angkors geführt. "Die Reiswirtschaft in Angkor<br />

hatte einen extremen Wasserbedarf", sagt Evans. Große Waldflächen seien gerodet worden,<br />

um die bewässerten Felder anzulegen. Das System habe derartige Ausmaße besessen, dass es<br />

mit der Zeit wahrscheinlich zu massiven Problemen führte – wie etwa zum Auslaugen des<br />

Oberbodens, zu Erosion <strong>und</strong> Überbevölkerung. Das empfindliche <strong>und</strong> komplexe System dürfte<br />

außerdem äußerst empfindlich auf Naturkatastrophen <strong>und</strong> Kriege reagiert haben.<br />

Insbesondere im neu erfassten Norden Angkors habe man Spuren von hektischen Anpassungsmaßnahmen,<br />

Deichbrüchen <strong>und</strong> einem Versagen des Systems gef<strong>und</strong>en, schreiben die<br />

Wissenschaftler in ihrem Fachartikel. „Das legt nahe, dass das System über eine Zeit von<br />

mehreren Jahrh<strong>und</strong>erten immer komplexer <strong>und</strong> unkontrollierbarer wurde.“<br />

Genaueres wisse man aber nicht. Evans kündigt an: „Wir werden Ausgrabungen <strong>und</strong> Pollen-<br />

Analysen durchführen.“ Jetzt, da man die Siedlungsfläche beziffern könne, seien bald auch<br />

bessere Annahmen über die Bevölkerungszahl im mittelalterlichen Angkor möglich – „anstatt<br />

wilder Vermutungen über eine Million Menschen“. Die neue Karte verrate „zumindest, wo<br />

wir nach Antworten suchen sollten“.


14.08.2007<br />

20<br />

Archäologie<br />

Angkor Wat war einst städtisch besiedelt<br />

Um die Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha herum hat ein internationales<br />

Forscherteam die größte vorindustrielle Siedlung der Welt entdeckt. Radarmessungen<br />

der Nasa zeigten: Die Besiedlung um Angkor Wat erstreckte sich<br />

über gut 3.000 Quadratkilometer.<br />

Die Ruinen aus der Zeit vom 9. bis 16. Jahrh<strong>und</strong>ert waren über ein komplexes Bewässerungssystem<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en. Dies berichtet das Archäologenteam um Damian Evans von<br />

der Universität Sydney in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften<br />

(PNAS). Mithilfe von Radarmessungen der amerikanischen Weltraumbehörde NASA gelang<br />

es den Forschern, eine Karte dieser Siedlungen zu erstellen.<br />

Kambodschas Tempel Angkor Wat einst Zentrum städtischer Besiedlung - <strong>und</strong> größer <strong>als</strong> gedacht<br />

Foto: dpa<br />

Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des<br />

Monsuns <strong>und</strong> seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, führten<br />

die Forscher weiter aus. Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen<br />

Spuren von mehr <strong>als</strong> tausend künstlich angelegten kleinen Seen <strong>und</strong> wenigstens 74 zuvor ü-<br />

bersehene Tempel.<br />

Die Anlagen von Angkor Wat, die im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert vermutlich unter der Herrschaft von<br />

König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten <strong>als</strong> größtes religiöses Bauwerk der Erde <strong>und</strong> <strong>als</strong><br />

einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die UNESCO hat die Ruinen 1992 zum Weltkulturerbe<br />

erklärt. Sie liegen 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh.Das Team<br />

mit Experten aus Australien, Kambodscha <strong>und</strong> Frankreich trug für das Projekt jahrelang Da-


ten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen <strong>und</strong> Radarmessungen<br />

mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde NASA <strong>und</strong> des Jet Propulsion<br />

Laboratory in Pasadena (Kalifornien) zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte von<br />

der „größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit“ r<strong>und</strong> um den Tempel Angkor<br />

Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten<br />

vorerst nicht zu.<br />

dpa/hem<br />

21<br />

14.08.2007<br />

Archäologie<br />

Ruinen rings um Angkor Wat<br />

Um den berühmten kambodschanischen Tempel Angkor Wat herum haben Forscher<br />

eine riesige Siedlung mit einer Fläche von über 1.000 Quadratkilometern<br />

entdeckt.<br />

Wissenschaftler haben rings um die Tempelanlage Angkor Wat ein riesiges Areal mit Ruinen gef<strong>und</strong>en<br />

Das Archäologenteam um Damian Evans von der Universität Sydney veröffentlichte ihre<br />

Entdeckung in der aktuellen Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift „Proceedings of the


National Academy of Sciences“ (PNAS). Ein komplexes Bewässerungssystem habe die Ruinen<br />

aus der Zeit vom neunten bis 16. Jahrh<strong>und</strong>ert verb<strong>und</strong>en. Mithilfe von Radarmessungen<br />

der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa gelang es den Forschern, eine Karte dieser Siedlungen<br />

zu erstellen.<br />

22<br />

74 übersehene Tempel <strong>und</strong> über tausend Seen<br />

Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des<br />

Monsuns <strong>und</strong> seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, so die<br />

Forscher. Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen Spuren von<br />

mehr <strong>als</strong> tausend künstlich angelegten kleinen Seen <strong>und</strong> wenigstens 74 zuvor übersehene<br />

Tempel. Die Anlagen von Angkor Wat, die im zwölften Jahrh<strong>und</strong>ert vermutlich unter der<br />

Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten <strong>als</strong> größtes religiöses Bauwerk<br />

der Erde <strong>und</strong> <strong>als</strong> einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die Unesco hat die Ruinen 1992<br />

zum Weltkulturerbe erklärt. Sie liegen r<strong>und</strong> 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt<br />

Phnom Penh.<br />

Größte vorindustrielle Siedlung der Welt<br />

Das Team mit Experten aus Australien, Kambodscha <strong>und</strong> Frankreich trug für das Projekt jahrelang<br />

Daten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen <strong>und</strong> Radarmessungen<br />

mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa <strong>und</strong> des Jet Propulsion<br />

Laboratory in Pasadena/Kalifornien zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte<br />

der „größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit“ r<strong>und</strong> um den Tempel Angkor<br />

Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten<br />

vorerst nicht zu.<br />

14.08.2007<br />

Größte vorindustrielle Siedlung der Welt<br />

Angkor hatte die Fläche von Berlin<br />

Die berühmte Tempelanlage von Angkor Wat in Kambodscha war einst von einer<br />

deutlich größeren Stadt umgeben <strong>als</strong> bisher angenommen. Die Siedlung habe<br />

sich über mehr <strong>als</strong> 1.000 Quadratkilometer erstreckt, berichteten australische<br />

Forscher. Die Erkenntnisse verdanken sie Radaraufnahmen aus dem All.<br />

Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Singapur<br />

Die Tempelanlagen von Angkor Wat im Norden Kambodschas gehörten offenbar einst zu einer<br />

riesigen Stadt, einer der größten Siedlungen des 13., 14. <strong>und</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>erts. Australische<br />

Forscher haben mit Weltraum-Radargeräten eine weitgehend genaue Karte von Angkor<br />

Wat angefertigt <strong>und</strong> ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift „American Journal of the National<br />

Academy of Sciences“ veröffentlicht. In mehr <strong>als</strong> 15-jähriger <strong>Arbeit</strong> haben die Archäologen<br />

herausgef<strong>und</strong>en, dass die auf einer Fläche von mehr <strong>als</strong> 1.000 Quadratkilometern verstreuten<br />

Tempel einst ein geschlossenes Siedlungsgebiet bildeten.


„Angkor war ein geschlossenes Siedlungsgebiet“<br />

23<br />

Zwischen den vielen Tempeln hätten sich einst Siedlungen bef<strong>und</strong>en, sagte Damian Evans,<br />

der stellvertretende Leiter des Angkor-Forschungsprojekts: „Angkor war weniger eine Ansammlung<br />

verstreuter Tempelanlagen sondern vielmehr ein geschlossenes Siedlungsgebiet.<br />

Außerhalb der Tempel konnten wir Wohngebiete nachweisen, Gruppen von Häusern. In diesen<br />

Siedlungen gab es auch kleine so genannte Dorf-Tempel. Außerdem fanden wir alte<br />

Brunnen <strong>und</strong> Wasserauffangbecken, mit denen Regenwasser aufgefangen wurde oder Flüsse<br />

<strong>und</strong> Bäche aus den Bergen abgeleitet wurden.“<br />

Die berühmten Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha<br />

Foto: dpa<br />

Genaue Karte aus dem Weltraum<br />

Mit Hochauflösungs-Kameras der Nasa <strong>und</strong> mit Spezial-Radargeräten haben die Wissenschaftler<br />

aus Sydney gemeinsam mit kambodschanischen <strong>und</strong> französischen Kollegen eine<br />

genaue Karte der damaligen Stadt Angkor erstellt. Ihre Ausdehnung war danach vergleichbar<br />

der Fläche Berlins. Sie sei nur nicht so dicht besiedelt gewesen: „Im Wesentlichen haben wir<br />

über die großen Sandstein-Tempel hinaus geblickt, um uns ein umfangreicheres Bild von dem<br />

zu machen, was man heute <strong>als</strong> Angkor Wat kennt. Uns hat interessiert, wie die Menschen dort<br />

gelebt haben, wovon sie gelebt haben <strong>und</strong> wie ihr tägliches <strong>Leben</strong> ausgesehen haben mag“,<br />

berichtet Evans.<br />

Bei ihren <strong>Arbeit</strong>en im Norden Kambodschas haben die Archäologen 74 weitere Tempel in der<br />

Region entdeckt. Es seien aber wahrscheinlich noch viel mehr im Dschungel versteckt. „Das<br />

waren nur die, die wir sofort <strong>als</strong> Tempel erkennen konnten“, so Evans. „Es gibt dort wahrscheinlich<br />

noch mehr <strong>als</strong> 100 weitere, aber das müssen wir noch einmal genau überprüfen.“


24<br />

Die Anlagen von Angkor Wat – eine Aufnahme der Nasa<br />

Foto: AFP<br />

Ruinen erst Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts entdeckt<br />

Erst Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden die Ruinen der tief im Dschungel liegenden Tempel<br />

von Angkor entdeckt, <strong>als</strong> der französische Naturforscher <strong>und</strong> Zeichner Henri Mahout die heutigen<br />

Länder Kambodscha, Thailand <strong>und</strong> Laos erk<strong>und</strong>ete. 1863 wurden in der französischen<br />

Zeitschrift „Le Tour du Monde“ erstm<strong>als</strong> Bilder von dem Atlantis im Dschungel veröffentlicht.<br />

Bis heute sind ganze Tempel, wie zum Beispiel Angkor Thom von riesigen Bäumen überwuchert<br />

<strong>und</strong> ein großer Teil der Kunstschätze, Skulpturen <strong>und</strong> Reliefs sind seit der Entdeckung<br />

von Angkor Wat verloren gegangen, vor allem durch Kunsträuber, die die Kulturgüter außer<br />

Landes schafften <strong>und</strong> an Sammler in aller Welt verkauften. 1992 wurde Angkor Wat in die<br />

Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.<br />

B. Musch-Borowska, ARD Singapur<br />

24.12.2007<br />

Die neuen Gesichter der alten Götter<br />

Auf Stippvisite beim Langzeitprojekt GACP in Angkor Wat<br />

Einheimische nennen ihn bew<strong>und</strong>ernd den »Chef von Angkor Wat«: Dr. Hans<br />

Leisen, Professor am Institut für Restaurierungs- <strong>und</strong> Konservierungswissen-


schaften der Fachhochschule Köln. Vor zehn Jahren hat Hans Leisen das German<br />

Apsara Conservation Project (GACP) initiiert. Die Kanzlerin der FH, Dr.<br />

Gisela Nagel, zieht nach ihrem Besuch in Kambodscha Bilanz<br />

25<br />

Sendungen im Fernsehen, eine Ausstellung in Bonn <strong>und</strong> im Martin-Gropiusbau in Berlin,<br />

zahlreiche Zeitungsartikel <strong>und</strong> Interviews: das German Apsara Conservation Project genießt<br />

seit seiner Gründung vor zehn Jahren viel Aufmerksamkeit. Höchste Zeit <strong>als</strong>o, nach Kambodscha<br />

zu fliegen <strong>und</strong> sich die weltberühmte Tempelanlage Angkor Wat (1113 – 1150) <strong>und</strong> die<br />

Projektarbeiten vor Ort persönlich anzusehen.<br />

Verfallene Tempel im Urwald, Götterstatuen <strong>und</strong> riesige Würgefeigen – das waren die Bilder,<br />

die ich zu Beginn meiner Reise im Kopf hatte. Die Geschichte <strong>und</strong> Kultur des Khmer-Volkes<br />

wurde mir dann aber erst über die fachk<strong>und</strong>igen Führungen vor Ort <strong>und</strong> die Kontakte mit der<br />

einheimischen Bevölkerung nähergebracht. Auch die unterschiedlichen Facetten des Projekts<br />

<strong>und</strong> die Schwierigkeiten bei der Projektarbeit hätte ich so nie am »grünen Tisch« kennen lernen<br />

können.<br />

Prof. Hans Leisen (rechts) erklärt Kanzlerin Dr. Gisela Nagel die vielen Facetten des seit zehn Jahre<br />

laufenden Projekts<br />

<strong>Der</strong> größte Teil der finanziellen Förderung erfolgt durch das Auswärtige Amt unter dem Gesichtspunkt<br />

»Kulturerhalt«. GACP beinhaltet aber noch wesentlich mehr Aspekte. Da wäre<br />

natürlich an erster Stelle die internationale Forschung zu nennen. Wissenschaftliche Untersuchungen<br />

führten <strong>und</strong> führen zu Erkenntnissen über die Bausteineigenschaften, die Klimabedingungen<br />

am Tempel, die schädigenden Einflüsse sowie das Schadensausmaß <strong>und</strong> ermöglichten<br />

es, besondere Konservierungsmaterialien für den Tempel <strong>und</strong> seine Gesteine zu entwickeln.<br />

Konservierung <strong>und</strong> Pflege erfolgen seitdem auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Forschungsergebnisse.<br />

Alles wird sorgfältig dokumentiert <strong>und</strong> in Datenbanken gespeichert.<br />

Aber auch Ausbildung <strong>und</strong> Lehre haben einen hohen Stellenwert. Vor Ort sind Theorie <strong>und</strong><br />

Praxis ideal verknüpft. Ausgebildet werden sowohl kambodschanische Restauratoren (inzwischen<br />

23) für die Konservierungsarbeiten <strong>als</strong> auch Studierende für die Planung; hinzu kommen<br />

Computerspezialisten für die Dokumentationen. Bereits über 70 Studierende konnten im<br />

Rahmen von Praxissemestern <strong>und</strong> Diplomarbeiten von der Projektarbeit profitieren. Zwei<br />

Studentinnen unserer Hochschule, die seit sechs Monaten in Kambodscha sind, habe ich persönlich<br />

kennengelernt. Mit großer Energie <strong>und</strong> Freude arbeiten sie zusammen mit dem


Khmer-Team auf den Gerüsten am Tempel – bei großer Hitze <strong>und</strong> hoher Luftfeuchtigkeit sicher<br />

keine einfache <strong>Arbeit</strong>. Schwindelfrei sollte man auch noch sein.<br />

26<br />

Leidiges Thema Finanzierung<br />

Die <strong>Arbeit</strong>en an den Reliefs <strong>und</strong> Steinfiguren müssen zurzeit in einer gewissen Höhe enden.<br />

Um auch oberhalb davon arbeiten zu können, werden spezielle Gerüste benötigt, für deren<br />

Anschaffung (Kosten ca. 150.000 € ) leider das Geld fehlt. Das ist umso bedauerlicher, wenn<br />

man sieht, mit welchen High-Tech-Gerüsten beispielsweise das japanische Team am Nachbartempel<br />

ausgestattet ist. Vielleicht lässt sich doch noch ein Sponsor finden.<br />

Geldsorgen binden sehr viel Energie. Starke Nerven, Humor <strong>und</strong> Einfallsreichtum sind unumgänglich,<br />

wenn ein Projekt über so viele Jahre hinweg stabil gehalten werden soll. Um die<br />

Unterkunftskosten gerade auch für die Studenten möglichst niedrig zu halten, wurde ein kleines<br />

Haus mitten in Siem Reap angemietet. Das Logo der Fachhochschule ist gut sichtbar auf<br />

einer Tafel vor dem Eingang angebracht.<br />

Fast 30 <strong>Arbeit</strong>splätze für Einheimische hat Hans Leisen geschaffen, obwohl das Jährlichkeitsprinzip<br />

der finanziellen Förderung durch das Auswärtige Amt die Planung der laufenden Gehälter<br />

nicht einfach macht. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn dieses gut ausgebildete<br />

Restauratorenteam vor Auslaufen der Projektförderung in die kambodschanische Behörde integriert<br />

würde.<br />

Die in Stand gesetzten Statuen in den Tempeln werden von den Khmer wieder genutzt<br />

Mit der Koordination der <strong>Arbeit</strong>en auf der größten Restaurierungsbaustelle der Welt hat die<br />

kambodschanische Regierung jedoch Mühe. Mehr <strong>als</strong> 100 größere Tempel verteilen sich über<br />

eine Fläche von r<strong>und</strong> 400 Quadratkilometern. Viele nationale <strong>und</strong> internationale <strong>Arbeit</strong>sgruppen<br />

arbeiten gemeinsam mit der UNESCO <strong>und</strong> der Apsara-Behörde am Erhalt dieser 1992<br />

zum Weltkulturerbe erklärten Denkmäler. Nur durch diese <strong>Arbeit</strong>en konnte sich der Tourismus<br />

im Land entwickeln <strong>und</strong> die Wirtschaft in Schwung kommen.<br />

Gefördert wird auch das Image der Fachhochschule Köln. Das lässt sich allein an der Zahl der<br />

Gäste im GACP-Haus <strong>und</strong> der Besucher im neuen Info-Center am Tempel ablesen. Noch keine<br />

Woche im Amt kündigte sich bereits der neue deutsche Botschafter für einen Besuch bei<br />

Hans Leisen an. Abgeordnete aus Berlin, der Direktor des Victoria & Albert-Museums London,<br />

Kollegen anderer Unis <strong>und</strong> demnächst auch die Frau des B<strong>und</strong>espräsidenten: sie alle interessieren<br />

sich für die Restaurierungsarbeiten in Angkor.<br />

Mit den restaurierten Gottheiten <strong>und</strong> Statuen kam auch die Khmer-Bevölkerung in die Tempelanlagen<br />

zurück. Zahlreiche Statuen sind geschmückt, kleine Opfergaben werden dargebracht,<br />

Räucherstäbchen angezündet. Ich bin richtig stolz auf den Beitrag unserer Hochschule<br />

zur Kulturförderung. So etwas gelingt aber auch nur, wenn man mit der nötigen Sensibilität,<br />

Respekt <strong>und</strong> einer großen Begeisterung für das Land, die Menschen <strong>und</strong> deren Kultur vor-


geht. <strong>Der</strong> Chef von Angkor Wat besitzt all diese Eigenschaften. Es ist zu wünschen, dass seine<br />

Energie der Hochschule noch lange erhalten bleibt.<br />

Dr. Gisela Nagel<br />

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