Austraghilfen - Lehrstuhl Mechanische Verfahrenstechnik
Austraghilfen - Lehrstuhl Mechanische Verfahrenstechnik
Austraghilfen - Lehrstuhl Mechanische Verfahrenstechnik
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215<br />
6 Auslegung und Einsatz von <strong>Austraghilfen</strong> 215<br />
6.1 Einleitung und Überblick ............................................................. 215<br />
6.2 Zugabe von Fließhilfsmitteln ....................................................... 218<br />
6.3 Vergröberung der Produkte (Agglomeration).............................. 218<br />
6.4 Auskleidungen und Einbauten ..................................................... 218<br />
6.5 pneumatische <strong>Austraghilfen</strong> ......................................................... 220<br />
6.6 Schwingende <strong>Austraghilfen</strong> ......................................................... 222<br />
6.7 mechanische <strong>Austraghilfen</strong> .......................................................... 223<br />
6.8 Anordnung von <strong>Austraghilfen</strong> bei Zeitverfestigungen ................ 224<br />
6.8.1 Auslaufweite für die maximale Lagerzeit in Ruhe 224<br />
6.8.2 Wahl der Auslaufweite b min (t = 0) < b min,t1 < b min (t = t max ) 225<br />
6.8.3 Wahl der Auslaufweite b min,0 = b min (t = 0) 226<br />
6.8.4 Unterschreitung der Mindestauslaufweite b 2 < b min (t = 0) 226<br />
6 Auslegung und Einsatz von <strong>Austraghilfen</strong><br />
- Gliederung, Bild F 6.1<br />
6.1 Einleitung und Überblick<br />
<strong>Austraghilfen</strong> und selbstverständlich auch Austraggeräte, siehe Abschnitt 7.<br />
Schüttec_7.doc, beeinflussen den Schüttgutfluß im Silo und sind neben der<br />
Silogeometrie für eine befriedigende Funktion eines Silos mitverantwortlich.<br />
Daher sind sie unter Berücksichtigung des Fließverhaltens des jeweils<br />
zu handhabenden Schüttgutes auszuwählen und anzuordnen. Die verfahrenstechnische<br />
Siloauslegung, die die Trichtergeometrie (Wandneigung, Auslaufweite)<br />
für einen störungsfreien Silobetrieb angibt (z.B. keine Brückenoder<br />
Schachtbildung; Erreichen von Massenfluß; Vermeidung von Entmischung;<br />
gleichmäßiger Schüttgutfluß), liefert die dazu notwendigen Daten,<br />
siehe Abschnitt 4. Schüttec_4.doc. Daneben spielt die Gestaltung von<br />
Austraggeräten und <strong>Austraghilfen</strong> eine wesentliche Rolle. Bei Austraggeräten<br />
ist es wichtig, daß diese das Schüttgut über dem gesamten Auslaufquerschnitt<br />
entnehmen und nicht nur einseitig abziehen.<br />
Einige Austraggeräte wirken gleichzeitig als <strong>Austraghilfen</strong>, so daß sie beiden<br />
Oberbegriffen zugeordnet werden können. Hierzu gehört z.B. ein<br />
Räumarm, der sich oberhalb des Silobodens um die Siloachse dreht und<br />
dabei das Schüttgut in eine Auslauföffnung in der Mitte des Silobodens unterhalb<br />
eines (feststehendes oder rotierenden) Kegels transportiert. Ein weiteres<br />
Beispiel sind Schwingtrichter, die durch die Vibrationen als Austrag-<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
hilfe das Schüttgut zum Fließen anregen und gleichzeitig als Austraggerät<br />
zur Begrenzung des Massenstromes dienen.<br />
Tabelle 6.1: <strong>Austraghilfen</strong> für die Erhöhung der Bunkeraktivität (= aktive<br />
am Fließen beteiligte Volumenanteil des Füllvolumens = 100% für Massenfluß)<br />
und zur Vermeidung von Brückenbildung, Bild F 6.2<br />
<strong>Austraghilfen</strong><br />
Vermeidung<br />
Brückenbildung<br />
Verbesserung<br />
Fließfähigkeit<br />
des Schüttgutes<br />
Wandauskleidungen<br />
und<br />
Beschichtungen<br />
216<br />
Verfahrenstechnische Aufgabenstellung<br />
Vergrößerung<br />
der<br />
Fließzone<br />
Vermeidung<br />
Schachtbildung<br />
Fließhilfsmittel (Gleit- und X X X<br />
Dispergiermittel)<br />
Agglomeration X X X<br />
Gleitfähige Anstriche, Wandbeschichtungen<br />
X X -<br />
Starre Platten X X -<br />
Flexible Wände (X) (X) X<br />
Starre Einbauten Kegel, Dächer, Balken, Gitter,<br />
Trichter<br />
Gleichmäßige Luftzufuhr<br />
(pneumat. Austragböden)<br />
Pneumatische<br />
<strong>Austraghilfen</strong><br />
Schwingende<br />
<strong>Austraghilfen</strong><br />
Rotierende<br />
<strong>Austraghilfen</strong><br />
Austraggeräte<br />
als zusätzliche<br />
<strong>Austraghilfen</strong><br />
(X) teilweise wirksam<br />
X X -<br />
X X X<br />
Bunkerkissen, Belüftungsschläuche,<br />
- (X) X<br />
-kästen, -pfeifen<br />
Schlagart. Luftzufuhr (Druckluftdüsen,<br />
- X X<br />
-lanzen, -kanonen)<br />
Gasdruckstöße durch gezielte<br />
Explosionen<br />
- X X<br />
Außenvibratoren, Rüttler, - (X) X<br />
Klopfer<br />
im Bunker angebracht (z.B. (X) (X) X<br />
Vibrationsroste, -kegel)<br />
Bodendurchschlaggeräte - - X<br />
Schwingende Auslauftrichter X X X<br />
Flexible Räumarme - (X) X<br />
Drehbalken-, Flügelrührer, (X) - X<br />
Dreharm-, Blatt-, o.<br />
Pflugscharrührer<br />
Paddelwelle (X) - X<br />
Räumarme in konvergenten X X X<br />
oder divergenten Trichtern<br />
Bunkerentleerungswagen X X X<br />
Verfahrbare Austragschnecken<br />
X X X<br />
<strong>Austraghilfen</strong> im eigentlichen Sinn sind alle Einbauten, Geräte, Maschinen<br />
und Maßnahmen zur Verbesserung des Schüttgutflusses. Man kann sie unterteilen<br />
in, Tabelle 6.1, Bild F 6.2<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
217<br />
(1) Verbesserung der Fließeigenschaften des Schüttgutes (Additive,<br />
Fließhilfsmittel, Gleit- und Dispergiermittel, Antibackmittel) und Granulierung.<br />
(2) Auskleidungen,<br />
(3) Silobehältereinbauten,<br />
(4) pneumatische <strong>Austraghilfen</strong> (z.B. kontinuierliches und diskontinuierliches<br />
Einblasen von Luft),<br />
(5) schwingende <strong>Austraghilfen</strong> (z.B. mit Klopfer oder Rüttler, kontinuierliche<br />
und diskontinuierliche Einleitung von Vibrationen in das Schüttgut<br />
über die Silowände oder über im Silo angeordnete Einbauten),<br />
(6) mechanische <strong>Austraghilfen</strong> (Drehbalkenrührer, Flügelrührer u.ä.),<br />
(7) Austraggeräte als zusätzliche <strong>Austraghilfen</strong>.<br />
Sowohl <strong>Austraghilfen</strong> als auch Austraggeräte dienen dazu, den Schüttgutfluß<br />
in und aus einem Silo zu unterstützen bzw. anzuregen. Dabei werden<br />
die Austraggeräte vor allem zur gesteuerten und gegebenenfalls geregelten<br />
oder dosierten Entnahme des Schüttgutes (bis hin zum Absperren der<br />
Auslauföffnung) benutzt. Demgegenüber haben <strong>Austraghilfen</strong> vor allem die<br />
Aufgabe, den Schüttgutfluß im Silo zu verbessern, d.h. Ändern des Fließprofils<br />
von Kernfluß in Massenfluß, Bild F 1.5 Schüttec_1.doc - Fließprofile<br />
und Bild F 6.8, bzw. bei Brücken- oder Schachtbildung das Fließen überhaupt<br />
erst anzuregen.<br />
Wie schon im Abschnitt 4.1 Schüttec_4.doc - bmin_numerisch kurz erwähnt,<br />
kann der im Bunker vielfach angestrebte Massenfluß durch dessen<br />
fließgerechte Gestaltung oder auch durch zusätzliche <strong>Austraghilfen</strong> gewährleistet<br />
werden. Auf letztere muß man vor allem dann zurückgreifen,<br />
wenn sich die für den Massenfluß notwendigen Trichterneigungswinkel und<br />
Weiten der Auslauföffnung konstruktiv nicht oder nur mit nicht vertretbarem<br />
technischen und wirtschaftlichen Aufwand realisieren lassen.<br />
Darüber hinaus besteht manchmal die Aufgabe, die Bunkeraktivität, d.h.<br />
das Verhältnis des Volumens der Fließzone zum gesamten Behältervolumen,<br />
in bestehenden Kernflußbunkern zu erhöhen und auftretende Betriebsstörungen<br />
infolge von Brücken- und/oder Schachtbildung zu beseitigen. Für<br />
die Lösung dieser Aufgaben bedient man sich vielfältiger <strong>Austraghilfen</strong>,<br />
Tabelle 6.1. Nachfolgend soll auf einige <strong>Austraghilfen</strong>, die eine wesentliche<br />
Erhöhung der Bunkeraktivität und damit meist verbunden auch Massenfluß<br />
bewirken, etwas näher eingegangen werden.<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
6.2 Zugabe von Fließhilfsmitteln<br />
218<br />
Zu den <strong>Austraghilfen</strong> im weiteren Sinn zählt auch die Änderung der Fließeigenschaften<br />
eines Schüttgutes, z.B. durch Fluidisieren des Schüttgutes oder<br />
Zugabe von Fließhilfsmitteln. Diese Additive, Gleit- und Dispergiermittel<br />
oder Antibackmittel beeinflussen die Haftkräfte zwischen den Partikeln, z.B.<br />
durch<br />
‣ hydrophobe Oberflächenfilme bei feuchten wasserlöslichen Schüttgütern<br />
(Antibackmittel),<br />
‣ wasseradsorbierende (wasserbindende) Oberflächenbeschichtungen mit<br />
feinsten Partikeln sehr großer spezifischer Oberfläche (z.B. Magnesiumoxid,<br />
Aerosil A S,m ≈ 300 m 2 /g und mehr),<br />
‣ Erhöhung der Partikelabstände (Magnesiumoxid, Aerosil),<br />
‣ Unmittelbare Beeinflussung der Stoffkonstanten der Partikelhaftkräfte<br />
(Dispergiermittel).<br />
Grundlagen siehe dazu auch Abschnitt 3.1.3 Schüttec_3.doc#FH0, und<br />
..\VO_MVT_Neu\MVT_e_6neu.doc#FH0_hr_min_FH0 Abschnitt 6.1.1.2.8.<br />
- Wirkung des Fließhilfsmittels auf den Schüttkegel und die Verfestigungsfunktion<br />
eines technischen Produktes, siehe Bild F 6.3<br />
6.3 Vergröberung der Produkte (Agglomeration)<br />
- Wirkprinzipien der Aufbauagglomeration, siehe Bild F 6.4<br />
- Wirkprinzipien und Mikroprozesse der Pressagglomeration, siehe<br />
Bild F 6.5<br />
- Kompaktierfunktion der Pressagglomeration, siehe Bild F 6.6<br />
6.4 Auskleidungen und Einbauten<br />
Liegen ungünstige Wandreibungsverhältnisse vor, so ist zunächst die Möglichkeit<br />
einer Auskleidung bzw. Beschichtung, insbesondere des Bunkertrichters,<br />
zu prüfen, Bild F 6.7. Die Auswirkungen eines verringerten Wandreibungswinkels<br />
ϕ w auf den Trichterneigungswinkel θ zeigen die Bilder F<br />
4.3 Schüttec_4.doc - MF_KF_Grenze_kon und F 4.4 Schüttec_4.doc - MF_-<br />
KF_Grenze_keilf. Es empfiehlt sich, mit den zur Diskussion stehenden<br />
Werkstoffen oder Beschichtungen die Wandfließorte, mittels Scherzellen<br />
aufzunehmen. Bisher haben sich rostfreie Stähle, Keramikfliesen, Schmelzbasaltsteine,<br />
insbesondere aber Kunststoffe, z.B. ultrahochmolekulares und<br />
damit sehr schlagzähes Niederdruck-Polyäthylen (UHMW-PE, Bild F 6.7)<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
219<br />
und verschleißhemmende Epoxydharzbeschichtungen sowie ggf. Elastomere<br />
(Polyurethane, Gummiauskleidungen) bewährt. Bei feuchten, kohäsiven bis<br />
sehr kohäsiven Schüttgütern (z.B. Rohbraunkohle w = m W /m ges ≈ 50%, nasse<br />
Filterkuchen und Klärschlämme) empfiehlt sich die Anwendung<br />
unpolarer hydrophober Polymere, wie Polyäthylen (PE), Polypropylen (PP)<br />
u.a.m.<br />
Das hinsichtlich seiner anti-adhäsiven Oberflächeneigenschaften sehr bekannte<br />
Polytetrafluoräthylen erweist sich im rauhen Schüttgutbetrieb als<br />
sehr verschleißempfindlich und hat sich deswegen nicht bewährt. Relativ<br />
dünne Anstriche haben sich wegen ihrer zu hohen Verschleißempfindlichkeit<br />
ebenfalls nicht bewährt.<br />
Der Widerstandsfähigkeit der Schüttgut-Wandwerkstoffpaarung gegen Prallund<br />
insbesondere Gleitverschleiß beim Füllen (hohe Aufprallgeschwindigkeiten)<br />
und Entleeren (ständiges Abgleiten an der Wand bei Massenfluß) ist<br />
folglich eine sehr hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Aus diesem Grunde<br />
müssen auch die Befestigungen der Wandwerkstoffe besonders geschützt<br />
werden, z.B. die Verschraubungen der PE-Platten durch überlappende Anordnung<br />
der Platten, Unterschneidungen oder Schutzbleche, Bild F 6.7.<br />
Eine Erhöhung der Bunkeraktivität läßt sich auch durch Einbauten im Auslauftrichter<br />
erreichen, Bild F 6.8. Diese werden unter Berücksichtigung der<br />
Form des Austragtrichters als Kegel, Pyramide, Doppelkegel bzw. –pyramide,<br />
horizontale Kreisplatte u.a.m. starr oder höhenverstellbar ausgebildet.<br />
Dadurch entstehen um den Einbau eine schlitzartige Austragöffnung sowie<br />
ein „ebener“ Fließzustand. Hierbei bewirken deutlich größere Trichterneigungswinkel<br />
θ im Vergleich zum axialsymmetrischen Zustand noch Massenfluß.<br />
Die Schlitzweite b s muß mindestens b min nach Gl.(4.14) Schüttec_-<br />
4.doc - bmin entsprechen, da sonst Brückenbildung zwischen Einbau und<br />
Trichterwand auftritt. Zu hoch eingebrachte Einbauten sind unwirksam.<br />
Bild F 6.8.d zeigt einen starren Einbautrichter, der auch als sog. „Binsert"<br />
bezeichnet wird. Um in einem Trichter mit Einbautrichter Massenfluß zu<br />
erreichen, ist die Neigung des Einbautrichters entsprechend der eines konischen<br />
(axialsymmetrischen) Massenflußtrichters θ G, kon zu wählen. Der Neigungswinkel<br />
des äußeren Trichters gegen die Vertikale darf den doppelten<br />
Wert 2⋅θ G, kon aufweisen. Mit Hilfe des Einbautrichters läßt sich - wie im<br />
Bild F 6.8.d verdeutlicht - die Höhe eines Massenflußtrichters gegenüber der<br />
eines Massenflußtrichters ohne Einbautrichter (gestrichelte Begrenzungslinie)<br />
bei ansonstem gleichen Füllvolumen deutlich verringern. Dieser Einbautrichter<br />
bietet sich auch zur Sanierung oder zum Umbau eines Kernflußsilos<br />
zu einem Massenflußsilo an.<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
220<br />
Einbauten tragen auch zur Druckentlastung der Austraggeräte bei. Jedoch<br />
müssen sie und ihre Auflager damit selbst erhebliche Druckbelastungen aufnehmen.<br />
Deshalb sind die durch Einbauten veränderten Bunkerdrücke zu<br />
beachten, siehe auch Abschnitt 5.2.2 Gl.(5.34) u.a. Schüttec_5.doc - pv_-<br />
Trichter. Durch unsachgemäßen Einbau kann anstatt einer Erhöhung der<br />
Bunkeraktivität auch die gleichmäßige Ausbildung der Fließzone erheblich<br />
beeinträchtigt werden.<br />
6.5 pneumatische <strong>Austraghilfen</strong><br />
Für das Gewährleisten des Austrages feinkörniger kohäsiver, jedoch<br />
fluidisierbarer, trockener Schüttgüter, siehe Schüttec_3.doc – Fluidisierbarkeit_Geldart<br />
Gruppe B-Verhalten, haben sich auch Bunker bewährt, die<br />
entweder eine Fluidisierung des gesamten Trichters Bild F 6.9.a ermöglichen,<br />
mit einem Belüftungsboden ausgestattet sind, Bild F 6.9.b, Belüftungskästen<br />
oder -pfeifen besitzen Bild.c und f. Der Bunkerboden besteht<br />
vollständig (Bild F 6.9.a) oder teilweise aus durchlässigen porösen Platten,<br />
durch die Luft mit kleinen Geschwindigkeiten kontinuierlich ausströmt und<br />
eine Fluidisierung des Schüttgutes bewirkt. Weiterhin sorgt die Luftströmung<br />
für einen Schüttguttransport in Richtung zur Austragöffnung. Die Böden<br />
werden gewöhnlich trichterförmig ausgebildet, wobei infolge der stark<br />
reduzierten Wandreibung relativ flache Trichter mit der Wandneigung θ a<br />
ausreichen, um das Schüttgut vollständig auszutragen. Wird neben der Speicherfunktion<br />
noch die Mischfunktion benötigt, so ist der Boden in Quadranten<br />
oder Segmente aufgeteilt, die abwechselnd belüftet werden. In der Praxis<br />
haben sich die pneumatischen Austragböden für feinkörnige, trockene<br />
fluidisierbarer Schüttgüter bewährt, siehe Schüttec_3.doc – Fluidisierbarkeit_Geldart<br />
Gruppe B-Verhalten. Diese Art der Belüftung ist nur bei<br />
feinkörnigen Schüttgütern (Partikelgrößen unterhalb etwa 100 µm) sinnvoll,<br />
da mit zunehmender Partikelgröße der Durchströmungswiderstand der Packung<br />
immer kleiner wird, siehe Abschnitt 3.6.1 Schüttec_3.doc - Druckverlust_Schüttung_1,<br />
so daß zum Erreichen der gewünschten Wirkung bei gröberen<br />
Partikeln sehr große Luftgeschwindigkeiten und damit große Luftmengen<br />
notwendig wären.<br />
Pneumatische Belüftungsböden sind vor allem dann in Erwägung zu ziehen,<br />
wenn das Gut pneumatisch weiter gefördert wird. Bei mechanischer Abzugsförderung<br />
sollten im Silo vorher Entspannungskammern angeordnet<br />
werden, in denen das Gut vor dem eigentlichen Austrag entlüftet wird, siehe<br />
auch Abschnitt 3.6.3 Schüttec_3.doc - t50_Rathbone_1. Ansonsten dürfte es<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
221<br />
Schwierigkeiten mit solchen Abzugsförderern (Schnecken) geben, deren<br />
Förderprinzip auf die Anwendung der Schüttgut-Wandreibung beruht.<br />
Bunkerkissen, Bild F 6.9.d, dienen dem Zerstören von Gutstauungen und -<br />
brücken. Sie bestehen aus einer elastischen Weichgummimembran, die periodisch<br />
mit Frequenzen von 0,5 bis 10 min -1 mit Druckluft von 0,2 bis 0,4<br />
MPa bzw. 2 bis 4 bar) zu einer Halbkugel aufgeblasen werden, wodurch<br />
Schüttgutbrücken in Nähe der Bunkerkissen zum Einsturz gebracht werden.<br />
Ihre Anordnung muß wie die der Rüttler im kritischen Bunkerquerschnitt<br />
erfolgen, siehe Bild F 6.12.1. Problematisch ist allerdings die Haltbarkeit<br />
(Verschleißempfindlichkeit) und Funktionssicherheit der Bunkerkissen über<br />
eine längere Betriebsdauer.<br />
Für das Vermeiden von Anbackungen sowie von Schachtbildung hat sich<br />
ebenfalls die Schlauchluftauflockerung, Bild F 6.9.e, bewährt. Hierbei<br />
werden Gewebeschläuche, die über eine Ringleitung verbunden sind, an den<br />
Trichterwänden angebracht. Bei Luftbeaufschlagung dehnen sich die<br />
Schläuche aus, werden luftdurchlässig, fluidisieren das Gut und begünstigen<br />
somit die Fließfähigkeit.<br />
Als pneumatische Austraghilfe kann auch eine Luftlanze, Bild F 6.9.g, benutzt<br />
werden, bei der mittels axial und radial beweglicher Druckluftdüse<br />
(Druck etwa 6 bar) das Schüttgut aufgelockert wird, Diese Düse wird wenig<br />
oberhalb jener Stelle im Bunker angeordnet, wo Brücken- oder Schachtbildung<br />
häufig auftreten.<br />
Neben der kontinuierlichen Belüftung des Schüttgutes besteht die Möglichkeit,<br />
in einem Druckbehälter komprimierte Luft (Druck 6 bis 10 bar)<br />
schlagartig über Düsen in das Siloinnere einzuleiten, Bild F 6.10. Der daraus<br />
resultierende Druckstoß ist in der Lage, Schächte und Schüttgutbrücken<br />
zu zerstören und so das Schüttgut in Bewegung zu bringen. Entsprechende<br />
<strong>Austraghilfen</strong>, Bild F 6.9.h, werden als Luftkanonen oder Luftstoßgeräte<br />
bezeichnet.<br />
Zur Vermeidung stabiler Schachtbildung in einem konischen Trichter ist die<br />
Anordnung im Niveau des Übergangs Schacht/Trichter am wirksamsten.<br />
Die Düsenöffnungen sollen so orientiert sein, daß in Richtung der Auslauföffnung<br />
geblasen wird und die Luft das Schüttgut mitreißt und es nicht noch<br />
zusätzlich verfestigt, Bild F 6.10 unten.<br />
Bei der Anwendung von pneumatischen <strong>Austraghilfen</strong> für brenn- bzw. entzündbare<br />
Schüttgüter sind die entsprechenden Bestimmungen des Explosionsschutzes<br />
zu beachten. Beispielsweise lassen sich Luftkanonen in Kohlenstaubbunkern<br />
nur mit Inertgas betreiben.<br />
Bei ihrem Einsatz ist weiterhin zu bedenken, daß sie auch Probleme verursachen<br />
können (Staubentwicklung durch große Luftmenge; starke örtliche<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
222<br />
Beanspruchung der Silowände durch Druckstoß, vor allem dann, wenn das<br />
Schüttgut nicht ausweichen kann; Belastung des Trichters oder Austraggeräts<br />
durch plötzliches Herabfallen großer Schüttgutmengen; Terziovski und<br />
Arnold [8] berichten über die Zerstörung eines Wiegebehälters durch eine<br />
überdimensionierte Luftkanone).<br />
Ein häufiger Anwendungsfall ist die Sanierung von Silos, die Fließprobleme<br />
zeigen und bei denen keine anderen Umbaumaßnahmen möglich oder sinnvoll<br />
sind. Für neu zu konzipierende Silos sind Luftkanonen oder Druckluftdüsen<br />
dann sinnvoll, wenn Schüttgüter mit ausgeprägter Zeitverfestigung zu<br />
lagern sind.<br />
Zur Beseitigung bereits gebildeter Schüttgutbrücken können Bodendurchschlaggeräte<br />
eingesetzt werden. Sie werden von oben angesetzt und arbeiten<br />
sich nach dem Drucklufthammer-Prinzip einen Kanal durch das verfestigte<br />
Material. Dabei wird die Brücke entweder zerstört oder das Schüttgut<br />
fließt durch diesen Kanal zur Auslauföffnung.<br />
6.6 Schwingende <strong>Austraghilfen</strong><br />
Die einfachste Art einer schwingenden Austraghilfe ist das Schlagen mit<br />
einem Hammer gegen die Silowand. Die Weiterentwicklung dieser immer<br />
noch oft praktizierten, recht robusten Methode ist der nur bedarfsweise betätigte,<br />
elektromechanisch oder pneumatisch angeregte Klopfer.<br />
Die Vibrationen bewirken zuerst einmal eine Verringerung der Wandreibung.<br />
Damit sind zum Erreichen von Massenfluß größere Wandneigungen<br />
gegenüber der Vertikalen möglich. Dabei ist darauf zu achten, daß die<br />
Schwingungen möglichst in Wandrichtung verlaufen, weil es sonst zu einer<br />
Verfestigung des Schüttgutes kommt.<br />
Weiterhin verringern die Schwingungen die Schüttgutfestigkeit, so daß bei<br />
richtiger Dimensionierung Schüttgutbrücken und Schächte zerstört werden.<br />
Somit wird der Schüttgutfluß im Bunker verbessert sowie Brückenbildung<br />
und Anbackungen vermieden. Die Wirkungen der Vibrationen ist bei Frequenzen<br />
um 50 bis 100 Hz am besten.<br />
Meistens kontinuierlich betriebene Bunkerrüttler werden an der Bunkerwand<br />
befestigt und leiten die Schwingungen direkt an die Bunkerwand<br />
(Stahlbunker) oder an einen im Bunker befindlichen Schwingungserreger,<br />
wie z.B. spezielle, meist käfigartige Einbauten, Platten, Stäbe, Ketten u.a.m.<br />
(Betonbunker), ein.<br />
Bedeutsam ist die zweckmäßige Anordnung der Rüttler in unmittelbarer<br />
Nähe der wahrscheinlichen Problemstellen der Brücken- oder Schachtbildung,<br />
siehe auch Abschnitt 6.8 und Bild F 6.12.1. Wichtig beim Einsatz von<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
223<br />
Rüttlern ist, daß diese nur bei geöffnetem Bunkerauslauf während des Entleerens<br />
zu betätigen sind. Die Schwingungsanregung in Ruhe lagernden<br />
Schüttgutes kann zu einer drastischen Verfestigung und damit zu Auslaufschwierigkeiten<br />
führen. Problematisch ist die Dimensionierung der Schwingungserreger,<br />
da nicht nur die Schüttguteigenschaften, sondern auch die<br />
mechanischen Eigenschaften der Behälterwandungen und Auflager einbezogen<br />
werden müssen.<br />
- Schwingende <strong>Austraghilfen</strong> als Vibratoren und Schwingtrichter, siehe<br />
Bild F 6.11<br />
Zunehmend werden zur Aktivierung von Bunkern schwingende Auslauftrichter<br />
verwendet, siehe auch Abschnitt 7.4, Bild F 7.7 Schüttec_7.doc -<br />
Schwingtrichter. Sie besitzen neben dem trichterförmigen Austrag ein Gleitblech,<br />
das die Schüttgutsäule trägt und die Schwingungen weiterleitet. Mit<br />
ihrer Hilfe sind Brückenbildung, Kernfluß und stoßartiges Fließen weitgehend<br />
vermeidbar. Dabei lassen sich relativ geringe Spaltweiten b s zwischen<br />
Gleitblech und Wand, geringe Öffnungsweiten b a am Auslaufstutzen sowie<br />
größere Neigungswinkel θ a der Austragtrichter realisieren.<br />
Allerdings besteht bei zu geringer Schüttgutentnahme durch den Spalt die<br />
Gefahr von Verdichtungserscheinungen. Für fein- bis grobkörnige trockene<br />
Güter verwendet man Neigungswinkel Θ a von etwa 60°. Steilere Trichter bis<br />
zu 30° haben sich für feuchte Güter bewährt. Schwingende Auslauftrichter<br />
mit und ohne eingebaute Kegel bzw. Gleitbleche sind auch noch in anderen<br />
Ausführungsformen eingeführt.<br />
6.7 mechanische <strong>Austraghilfen</strong><br />
Eine einfache mechanische Austraghilfe besteht darin, daß man den Bunker<br />
bzw. dessen Trichter mit Stocherlöchern versieht, durch die hindurch das<br />
Schüttgut mittels Stangen aufgelockert werden kann. Jedoch ist diese Methode<br />
ebensowenig wie die Anwendung von Hämmern am Bunkeraustrag zu<br />
empfehlen. Die Weiterentwicklung dieser grundlegenden Methode ist das<br />
Rührwerk. In einigen Fällen sind diese rührerartige Mechanismen als mechanische<br />
<strong>Austraghilfen</strong> in Dosierschnecken, siehe Abschnitt 8.<br />
Schüttec_8.doc, eingesetzt worden.<br />
Die genannten <strong>Austraghilfen</strong> erhöhen die Bunkeraktivität und/oder vermeiden<br />
Brückenbildung, siehe auch Tabelle 6.1. Bei der Wahl einer Austraghilfe<br />
ist immer zu beachten, daß Bunker, Austraghilfe und Austraggerät eine<br />
Einheit bilden und aufeinander abzustimmen sind.<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
6.8 Anordnung von <strong>Austraghilfen</strong> bei Zeitverfestigungen<br />
224<br />
Um einen funktionssicheren Silo zu gestalten, ist zunächst eine verfahrenstechnische<br />
Siloauslegung auf der Basis der im Schergerät gemessenen Fließeigenschaften<br />
durchzuführen, da nur so eine quantitative Aussage zur Gestaltung<br />
der Silogeometrie möglich ist. Die vorher benutzte Theorien, siehe<br />
Abschnitt 3.1.3 Schüttec_3.doc - sigma_ct_sigma_1 und Abschnitt 4.1<br />
Schüttec_4.doc - bmin_numerisch, Schüttec_4.doc - bmin_t_numerisch<br />
liefern die folgenden geometrischen Größen:<br />
1) maximale Neigung der Trichterwände gegen die Vertikale (axialsymmetrischer,<br />
konischer Trichter) bzw. (keilförmiger ebener Trichter),<br />
2) minimale Auslaufweite b min,kon (konischer Trichter) bzw. minimale Auslaufschlitzbreite<br />
b min,keil (keilförmiger Trichter) zur Vermeidung von<br />
Brückenbildung,<br />
3) minimale Auslaufweite zur Vermeidung von Schachtbildung bei Kernfluß<br />
b min,KF ,<br />
4) bei Schüttgütern mit ausgeprägter Zeitverfestigung: Abhängigkeit der<br />
minimalen Auslaufweite b min,t von der Lagerzeit in Ruhe t.<br />
6.8.1 Auslaufweite für die maximale Lagerzeit in Ruhe<br />
Aufgrund der so gewonnenen Ergebnisse lassen sich unterschiedliche Konzepte<br />
für die Silogeometrie und die Auswahl von Austraggeräten und <strong>Austraghilfen</strong><br />
verwirklichen. Anhand eines axialsymmetrischen Massenflußsilos<br />
werden im folgenden unterschiedliche Möglichkeiten vorgestellt. Im Diagramm<br />
Bild F 6.12.1 links ist der auf der Basis der Modellvorstellungen des<br />
Abschnittes 3.2 (Expontialfunktion der Zunahme der Druckfestigkeit mit der<br />
Lagerzeit in Ruhe t, siehe auch Kinetikgleichungen(3.104) und (3.105),<br />
Schüttec_3.doc - Sigma_ct_Kristallisationsbrücken, Schüttec_3.doc - -<br />
Sigma_ct_Reaktionsbrücken) und deren Überprüfung mittels Scherversuchen<br />
(Parameteranpassung an reales Schüttgutverhalten notwendig !) berechnete<br />
minimale Auslaufweite b min,t zur Vermeidung von Brückenbildung<br />
über der Lagerzeit in Ruhe t aufgetragen. Man erkennt die starke Zeitverfestigung<br />
des Produktes an der exponentiellen Zunahme der minimalen Auslaufweite<br />
b min,t .<br />
Bei der Variante I wird die Auslaufweite b min,tmax so groß gewählt, daß sich<br />
nach der im Silobetrieb zu erwartenden maximalen Lagerzeit in Ruhe (z.B.<br />
über ein Wochenende oder Betriebsferien) keine Schüttgutbrücke bilden<br />
kann. Die maximal mögliche Lagerzeit sei in diesem Beispiel t max , die den<br />
Auslaufweite b min (t = t max ) = b min,tmax erfordert, siehe Bild F 6.12.1. Die entsprechend<br />
notwendige Silogeometrie ist im gleichen Bild F 6.12.1 rechts<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
daneben dargestellt. An die Auslauföffnungsweite des Silotrichters ist ein<br />
Austraggerät entsprechender Größe b ≥ b min,tmax anzuschließen. Die Auswahl<br />
des Austraggerätes hängt von der Größe der Auslauföffnung, vom Schüttgut<br />
(fein- oder grobkörnig, anbackend, kohäsiv, feucht, ...) und von weiteren<br />
Randbedingungen (z.B. Möglichkeit der genaueren Dosierung, druckstoßfest)<br />
ab. Für ein leichtfließendes, „gutmütiges" Schüttgut mag, z.B. ein flacher<br />
Trichterneigungswinkel für Massenfluß und eine kleine Auslauföffnung<br />
zur Vermeidung von Brückenbildung, an die beispielsweise eine Zellenradschleuse<br />
als Austrag- und Dosierorgan angeschlossen wird, ausreichen. Dagegen<br />
würde ein sehr schwer fließendes Schüttgut mit extrem großer Wandreibung,<br />
z.B. feuchte bis nasse (flüssigkeitsgesättigte) Preßfilterkuchen von<br />
Abwasserschlämmen, auch in einem sehr steilen Trichter bei θ G → 0° keinen<br />
Massenfluß erreichen. Wenn man auf eine Auskleidung verzichtet, wäre<br />
hier das Silo ohne Trichter auszuführen. An den (zylindrischen oder leicht<br />
divergenten) Siloschaft wäre ein Austraggerät anzuschließen, das in der Lage<br />
ist, über dem gesamten Siloquerschnitt Schüttgut abzuziehen, z.B. Pendelbodenaustrag<br />
oder ein Schneckenboden mit parallel angeordneten Austragschnecken,<br />
siehe auch Abschnitt 7.1 Schüttec_7.doc.<br />
6.8.2 Wahl der Auslaufweite b min (t = 0) < b min,t1 < b min (t = t max )<br />
Wählt man die Auslaufweite entsprechend b min,t1 Bild F 6.12.2.b so ist sie<br />
ausreichend bemessen, um Brückenbildung bis zu einer Lagerzeit in Ruhe t 1<br />
Bild F 6.12.1 zu vermeiden. Ist aber eine tatsächliche Lagerzeit von bis zu<br />
t max erforderlich, so können sich nach Lagerzeiten t > t 1 stabile Schüttgutbrücken<br />
bilden. Daher sind im Bereich b min,t1 < b < b min,tmax <strong>Austraghilfen</strong><br />
vorzusehen, die das Schüttgut bei Lagerzeit t > t 1 aus der Ruhe in Bewegung<br />
bringen, Bild F 6.12.2.b. Zum Anregen des Schüttgutflusses nach Lagerzeiten<br />
in Ruhe t < t 1 werden die <strong>Austraghilfen</strong> nicht benötigt.<br />
Die <strong>Austraghilfen</strong> werden bei dieser Variante nur gebraucht, um das Schüttgut<br />
aus der Ruhe in Bewegung zu bringen. Sobald dieses geschehen ist, wird<br />
die Zeitverfestigung aufgehoben. Die Festkörperbrücken zwischen den Partikeln<br />
der verfestigten Packung, siehe Bild 3.19 Schüttec_3.doc – Ausbildung_Festkörperbrücken<br />
sind nun zerstört worden. Das Schüttgut verhält<br />
sich wieder wie bei der Lagerzeit t = 0. D.h., es gilt die minimale Auslaufweite<br />
b min,0 = b min (t = 0), die kleiner ist als die ausgeführte Auslaufweite<br />
b min,t1 . Somit ist der weitere Betrieb der <strong>Austraghilfen</strong> während des Entleerungsvorganges<br />
nicht erforderlich. Erst nach einer erneuten längeren Lagerzeit<br />
in Ruhe t > t 1 sind die <strong>Austraghilfen</strong> wieder zu benutzen.<br />
Beim Einschalten der <strong>Austraghilfen</strong> ist es sinnvoll, diese nacheinander von<br />
unten nach oben zu bestätigen. Dadurch wird eine Schüttgutbrücke, wie im<br />
Bild F 6.10 unten verdeutlicht, von unten her stückweise zerstört. Dieses hat<br />
225<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
226<br />
den Vorteil, daß das Schüttgut in kleineren Mengen nach unten fällt als bei<br />
Zerstörung der gesamten Schüttgutbrücke auf einen Schlag. Außerdem bildet<br />
sich in der Trichterspitze ein Materialpolster, das die Gefahr der Beschädigung<br />
des Austraggeräts vermindert. Weiterhin kann das durch die <strong>Austraghilfen</strong><br />
beanspruchte Schüttgut bei dieser Vorgehensweise leicht nach<br />
unten in vorhandene Hohlräume ausweichen. Besteht diese Möglichkeit des<br />
Ausweichens nicht, kann sich das Schüttgut in Nähe der <strong>Austraghilfen</strong> unangenehmer<br />
Weise noch weiter verfestigen.<br />
6.8.3 Wahl der Auslaufweite b min,0 = b min (t = 0)<br />
Der Grenzfall von Variante II ist III. die Wahl der Auslauföffnung entsprechend<br />
b min,0 = b min (t = 0), Bild F 6.12.2.c. In diesem Fall sind die <strong>Austraghilfen</strong><br />
jedesmal in Betrieb zu nehmen, sobald das Schüttgut nach Lagerzeiten t<br />
> 0 aus der Ruhe heraus in Bewegung zu bringen ist.<br />
6.8.4 Unterschreitung der Mindestauslaufweite b 2 < b min (t = 0)<br />
Bei Unterschreitung der Mindestauslaufweite b 2 < b min (t = 0), Bild F<br />
6.12.2.d ist bereits ohne Zeiteinfluß mit Brückenbildung zu rechnen. Daher<br />
müssen <strong>Austraghilfen</strong> zwischen der Auslauföffnung und der Weite (Durchmesser),<br />
der der maximalen Lagerzeit in Ruhe entspricht b min,tmax , eingesetzt<br />
werden. Von diesen <strong>Austraghilfen</strong> sind diejenigen unterhalb der Öffnungsweite<br />
b < b min (t = 0), während des Entleerens dauernd zu bestätigen, während<br />
die darüber liegenden <strong>Austraghilfen</strong> wie bei Variante III nur gebraucht<br />
werden, um das Schüttgut nach einer längeren Lagerzeit 0 < t < t max in Bewegung<br />
zu bringen. Für die Betriebsweise der <strong>Austraghilfen</strong> im Bereich<br />
oberhalb b min,0 gilt das gleiche wie bei Variante II beschrieben.<br />
Die vier vorgestellten Konzepte setzen voraus, daß im Silo Massenfluß vorliegt.<br />
Bei Massenfluß besteht nur die Gefahr der Brückenbildung, Bild F 1.5<br />
Schüttec_1.doc - Fließprofile. Schachtbildung ist nur in Kernflußsilos möglich.<br />
Im Massenflußsilo kommt beim Schüttgutabzug der ganze Siloinhalt in<br />
Bewegung, so daß die Zeitverfestigung aufgehoben wird. In einem Kernflußsilo<br />
bilden sich dagegen tote Zonen, in denen das Schüttgut auch während<br />
des Schüttgutabzuges in Ruhe lagert und erst bei einer vollständigen<br />
Entleerung des Silos in Bewegung kommt. Daher bleibt das Schüttgut u.U.<br />
über eine längere Zeit in toten Zonen und kann sich immer weiter verfestigen,<br />
so daß es schließlich zur Schachtbildung kommt und das Schüttgut<br />
nicht mehr allein aufgrund der Schwerkraft aus dem Silo ausfließt. Weiterhin<br />
ist beim Vergleich von Kernflußsilo und Massenflußsilo folgendes zu<br />
berücksichtigen:<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
227<br />
‣ Die minimale Auslaufweite zur Vermeidung von Schachtbildung ist in<br />
der Regel größer als die minimale Auslaufweite zur Vermeidung von<br />
Brückenbildung. Daher muß ein Kernflußsilo entweder eine größere<br />
Auslauföffnung erhalten, oder der Trichter ist bis zu einer größeren<br />
Höhe (= größerer Durchmesser) mit <strong>Austraghilfen</strong> zu bestücken.<br />
‣ Während bei Masssenfluß als maximale Lagerzeit in Ruhe die längste<br />
Zeit zwischen zwei aufeinander folgender Schüttgutabzügen zu berücksichtigen<br />
ist, muß in einem Kernflußsilo die Zeit zwischen zwei vollständigen<br />
Entleerungen des Silos als maximale Lagerzeit in Ruhe angesehen<br />
werden, da das Schüttgut in den toten Zonen bis zur vollständigen<br />
Entleerung des Silos ohne Bewegung lagert. Daher müssen in der Regel<br />
bei der Auslegung eines Kernflußsilos viel längere (und häufig nicht abzuschätzende)<br />
Lagerzeiten zugrundegelegt werden, was zu größeren<br />
Auslauföffnungen bzw. zur Notwendigkeit von <strong>Austraghilfen</strong> in einem<br />
(gegenüber einem Massenflußtrichter) deutlich größeren Bereich des<br />
Trichters führt.<br />
Aus diesen Gründen sollten Lösungen mit Kernflußsilos nur dann erwogen<br />
werden, wenn das zu lagernde Schüttgut keine Zeitverfestigungen aufweist,<br />
und wenn die anderen Nachteile von Kernflußsilos (Entmischung,<br />
breites Verweilzeitspektrum, ... in Kauf genommen werden können.<br />
Eine Bewertung der vorgestellten Konzepte zur Gestaltung von Massenflußsilos<br />
läßt sich wie folgt vornehmen:<br />
(1) Variante I ist von der Ausführung und vom Betrieb her am einfachsten,<br />
da keine <strong>Austraghilfen</strong> vorzusehen und zu benutzen sind.<br />
‣ Die Verwendung von <strong>Austraghilfen</strong> kann Nachteile bewirken, z.B. unregelmäßigen<br />
Schüttgutfluß durch einstürzende Brücken und Schächte.<br />
Schießen des Schüttgutes durch eingetragene Luft (pneumatische<br />
Autraghilfen) und Verfestigung des Schüttgutes bei unsachgemäßer<br />
Bedienung der <strong>Austraghilfen</strong>.<br />
‣ Weiterhin gibt es für viele <strong>Austraghilfen</strong> nach wie vor keine theoretisch<br />
fundierten Auslegungsrichtlinien, so daß die Auslegung nur auf<br />
empirisch gewonnenen Regeln beruht.<br />
‣ So müssen pneumatische <strong>Austraghilfen</strong>, bei denen Luft in den Silo<br />
eingetragen wird, unter Zugrundelegen des Durchströmungswiderstandes<br />
des Schüttgutes und der Silostruktur bekannt sein. Zu diesen<br />
Themen gibt es einige Arbeiten, z.B. [8-11], aber es fehlen nach wie<br />
vor einfach anwendbare Berechnungsmethoden.<br />
‣ Aus diesen Gründen sollte Variante I grundsätzlich als erstes in Auge<br />
gefaßt werden.<br />
Schüttec_6 VO Partikelmechanik und Schüttguttechnik, Autraghilfen, Jürgen Tomas 05.06.2013
228<br />
(2) Bei schwerfließenden Schüttgütern mit starker Zeitverfestigung können<br />
sich schon nach kurzer (einigen Stunden oder Tage) Lagerzeit in Ruhe<br />
minimale Auslaufweite von mehreren Metern ergeben. Möchte man hier<br />
auf entsprechend große Austraggeräte (z.B. Räumarm oder Schneckenboden)<br />
verzichten, bietet sich die Variante II an.<br />
‣ Die Auslaufweite und das Austraggerät werden groß genug gewählt,<br />
um Brückenbildung ohne Zeitverfestigung zu vermeiden, und die <strong>Austraghilfen</strong><br />
sorgen dafür, daß das Schüttgut nach längeren Lagerzeiten<br />
in Ruhe in Bewegung gebracht wird.<br />
‣ Die Nachteile bei der Anwendung von <strong>Austraghilfen</strong> (z.B. unregelmäßiger<br />
Schüttgutfluß) treten bei Variante II nur jeweils beim Schüttgutabzug<br />
nach einer längeren Lagerzeit in Ruhe auf und sind daher in vielen<br />
Fällen zu tolerieren.<br />
‣ Damit ist die Variante II eine mögliche Alternative zur Auslegungsvariante<br />
I.<br />
(3) Bei Variante III sind ab Lagerzeiten t > 0 die <strong>Austraghilfen</strong> in Betrieb zu<br />
nehmen.<br />
(4) Bei Variante IV müssen die <strong>Austraghilfen</strong> dauernd während des Schüttgutaustrages<br />
betätigt werden.<br />
‣ Hierfür eignen sich vor allem kontinuierlich arbeitende <strong>Austraghilfen</strong>,<br />
z.B. Belüftungstrichter und Schwingtrichter.<br />
‣ Die Anwendung von <strong>Austraghilfen</strong>, die das Schüttgut nur kurzzeitig<br />
anregen (Luftkanonen, Klopfer, Rüttler), würde dagegen zu einem unregelmäßigen<br />
Ausfließen des Schüttgutes führen.<br />
‣ Variante IV ist daher nur für Schüttgüter anzuwenden, die mit kontinuierlich<br />
arbeitenden <strong>Austraghilfen</strong> sicher beherrscht werden können.<br />
Für schwerfließende Schüttgüter mit u.U. starker Zeitverfestigung<br />
oder zur Selbstfluidisierung („Schießen“) neigende Schüttgüter sollte<br />
Variante IV nicht eingesetzt werden.<br />
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