Palastbauten Skriptum - Deutsche Schule Rom
Palastbauten Skriptum - Deutsche Schule Rom
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Palastbau in <strong>Rom</strong><br />
Quelle: <strong>Schule</strong> des Sehens<br />
Die Tradition der Stadtpaläste beginnt bereits im Mittelalter. Ein berühmtes Beispiel<br />
dafür ist der Palazzo Vecchio in Florenz, (Grundsteinlegung 1299, 1314 konnte der<br />
Bau schon benutzt werden). Er ist ein typischer mittelalterlicher italienischer Palastbau,<br />
gegen den sich die Architektur der Renaissance wendet:<br />
Der Palazzo hat einen hohen Turm und einen Wehrgang mit Zinnenkranz: Durch die<br />
Vermeidung großer Öffnungen konnte man ihn im Bürgerkrieg als Festung nutzen.<br />
Ebenmäßigkeit und Achsensymmetrie spielten hier kaum eine Rolle. Der Palast ist auch<br />
nicht wirklich rechteckig angelegt, und die Einteilung der Stockwerke ist in Form der<br />
dünnen Gesimse nur schwach angedeutet.<br />
Erst mit der Renaissance sind die städtischen Paläste zu einem zentralen Thema der<br />
europäischen Architektur geworden. Für die Gestaltung der repräsentativen<br />
Raumfolgen, der Vestibüle und Treppenaufgänge, der Innenhöfe und vor allem der<br />
aufwendigen Fassaden haben die führenden Architekten bis in das 18. Jahrhundert<br />
hinein immer wieder neue Lösungen entwickelt. Stadtpaläste aus Renaissance und Barock haben daher auch<br />
heute noch einen bestimmenden Anteil am Erscheinungsbild historischer Städte.<br />
Die größte architekturgeschichtliche Bedeutung kommt wohl den <strong>Palastbauten</strong> der römischen Renaissance zu.<br />
Die hier entwickelten Gestaltungsmittel und Bautypen haben in der europäischen Architektur große Nachfolge<br />
gefunden. Sie sollen im folgenden anhand von exemplarischen Hauptwerken wie dem Palast von San Marco,<br />
der päpstlichen Cancelleria, dem Palazzo Farnese und dem Palazzo Caffarelli-Vidoni gezeigt werden.<br />
Der Palazzo Venezia - Frührenaissance<br />
Der aus Venedig stammende Kardinal Pietro Barbo hatte nach seiner Wahl zum Papst Paul II. den Entschluß<br />
gefaßt, seinen zwischen 1455 und 1464 errichteten kleineren Kardinalspalast zu einer Papstresidenz<br />
auszubauen, die mitten in der Stadt und bei den Denkmälern der antiken Größe <strong>Rom</strong>s lag.<br />
Zwischen 1465 und 1471 erweiterte der Architekt Francesco del<br />
Borgo den bestehenden Palast zu einem großen Neubau. Der<br />
Komplex des Palazzo Venezia zählt zu den wichtigsten Bauten<br />
der Frührenaissance in <strong>Rom</strong> und kann als ein Gründungsbau<br />
für die europäische Palastarchitektur gelten.<br />
Das Äußere des Palazzo Venezia zeigt noch einige altertümliche<br />
Merkmale: Ein Zinnenkranz und der Turm sind zur Verteidigung<br />
gedacht. Die Neuerungen liegen eher im Detail: Bei den Fenstern<br />
werden charakteristische Renaissance-Formen verwendet:<br />
rundbogige Fenster oder rechteckige Kreuzsprossenfenster.<br />
Die Differenzierung reicht aus, den Rang der Stockwerke<br />
anzuzeigen: unten das einfache Erdgeschoß; am aufwendigsten<br />
die Fenster im 'piano nobile', wo die herrschaftlichen Repräsentationsräume liegen; zurückgenommen das<br />
oberste Stockwerk der Fassade mit den Räumen für das Gefolge.<br />
Gerade die Nüchternheit und die kahlen Wandflächen erzeugen die gravitätisch-machtvolle Wirkung dieser<br />
Fassade, welche den römischen Palastbau bis in das 17. Jahrhundert hinein prägen sollte.<br />
Ein besonderes Interesse lag bei der Planung des Palastes auf der Anordnung der päpstlichen<br />
Repräsentationsräume. Nach dem Treppenaufgang im Nordflügel eröffnete sich im 'piano nobile' eine Raumfolge,<br />
wie sie das päpstliche Zeremoniell vorschreibt: eingangs die ('sala regia') für den Empfang von regierenden<br />
Monarchen, dann die beiden Räume der( 'sala ducale'), es folgt das eigentliche Vorzimmer, ('sala dei paramenti'<br />
)genannt, und schließlich das eigentliche Audienzzimmer, die sogenannte '(sala del 'pappagallo',) an die sich dann<br />
die Privaträume des Hausherrn im Bereich des älteren Kardinalspalastes anschließen.<br />
Die Räume werden dabei sukzessive verkleinert. Entscheidend, dass die Türöffnungen der Säle so auf einer Linie<br />
liegen, daß sich für den Blick und für das Durchschreiten eine durchgehende Achse ergibt. Der Papst konnte auf<br />
dieser Blickachse in seiner Sänfte sitzend und schon von weitem sichtbar in die großen Audienzsäle getragen<br />
werden; sein Erscheinen wurde in der langen Raumflucht inszeniert. Dieses Schema der Raumanordnung ist als<br />
'enfilade' bekannt geworden und hat dann in der Folge im europäischen Schloßbau der frühen Neuzeit die<br />
Anordnung der repräsentativen Räume bestimmt.
Die Räume werden dabei sukzessive verkleinert. Entscheidend, dass die Türöffnungen der Säle so auf einer Linie<br />
liegen, daß sich für den Blick und für das Durchschreiten eine durchgehende Achse ergibt. Der Papst konnte auf<br />
dieser Blickachse in seiner Sänfte sitzend und schon von weitem sichtbar in die großen Audienzsäle getragen<br />
werden; sein Erscheinen wurde in der langen Raumflucht inszeniert. Dieses Schema der Raumanordnung ist als<br />
'enfilade' bekannt geworden und hat dann in der Folge im europäischen Schloßbau der frühen Neuzeit die<br />
Anordnung der repräsentativen Räume bestimmt.<br />
Die Fassadengliederung des Palazzo della Cancelleria<br />
1487/88 begonnen, war die Hauptfassade bereits 1495 vollendet, die Errichtung der anderen Trakte dauerte noch<br />
bis in die Jahre um 1510. Der Architekt, der vor allem Ideen Leone Battista Albertis aufgegriffen hat, ist<br />
unbekannt.<br />
Mit ihren riesigen Ausmaßen und der weitgehend regelmäßigen und symmetrischen Anlage setzte die Fassade der<br />
Cancelleria in <strong>Rom</strong> neue Maßstäbe.Mit der Cancelleria entstand die erste Palastfassade in <strong>Rom</strong>, die<br />
architektonisch wirklich gegliedert ist. In ihrem dreistöckigen Aufbau beschränkt sich die Superposition allerdings<br />
auf die beiden oberen Stockwerke der Fassade. Dadurch werden die vornehmen Obergeschosse des Palastes<br />
ausgezeichnet und der untere Abschnitt als Sockelgeschoß ausgewiesen.<br />
Die beiden Stockwerke der Pilasterordnung (Pilaster= Teilpfeiler in Mauer eingearbeitet) stehen jeweils auf<br />
einem sockelartigen Band, das als Fenstersohlbank auch den Fenstern ihren Platz in der Fassadenfläche zuweist<br />
und Halt gibt. Dieser Streifen mit seinem abschließenden Gesims unterstreicht wie das Gebälk die kontinuierlich<br />
durchlaufende Horizontale sehr nachdrücklich.<br />
In jedem der beiden oberen Stockwerke sind zwei verschiedene Formen der Pilastertravée zu unterscheiden, die<br />
sich gegenseitig abwechseln: Eine Schmaltravée, hier sind die Pilaster eng zusammen, nur mit der Plattenrustika
gefüllt. Und eine breitere Fenstertravée mit Fensteröffnungen und Ziermotive wie etwa die kleinen Tondi<br />
(kreisrundes Bildwerk) mit Rosetten Am Anfang und am Ende der langen Front wird der durchgehende Rhythmus<br />
der Abfolge a-b-a-b-a unterbrochen. Gebäudeteile treten leicht hervor. Nach dem italienischen Wort 'risalire'<br />
(zurückgehen) wird ein solches Vortreten eines Wandabschnitts als Risalit bezeichnet. In diesem Fall handelt es<br />
sich um einen Eckrisalit, der Anfang und Ende der langen Fassade markiert. Die Risalite haben ein<br />
selbständiges Dreiermotiv von schmal-breit-schmal nach dem Schema von a-b-a.<br />
Die Cancelleria ist die erste Palastfassade der frühen Neuzeit, an der dieses wichtige und dann vor allem im<br />
Barock vielfach angewandte Motiv der Fassadenkunst in Erscheinung tritt.<br />
Der Typus von Bramantes Palazzo Caprini<br />
Diese Grundkonzeption war eine Erfindung Donato Bramantes, der für den Kleriker Adriano Caprini in den Jahren<br />
zwischen 1501 und 1510 einen Palast errichtet hat. Dieser wurde dann 1517 von Raffael erworben und ist daher<br />
auch unter den Namen 'Casa di Raffaelo' oder 'Casa Bramante' bekannt geworden.(Das Gebäude existiert heute<br />
nicht mehr)<br />
Die Grundidee dieses Fassadentypus besteht darin, die Fassade in nur zwei Stockwerken anzulegen und die<br />
Kontraste zwischen diesen Stockwerken nach Möglichkeit auszureizen: im Sockelgeschoß eine schwere<br />
Bossenrustika darüber im 'piano nobile' ein Stockwerk, das von einer aufwendigen Säulenordnung bestimmt wird.<br />
Der Palazzo Caprini ist in seiner entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung sehr hoch einzuschätzen. Er bot erstmals<br />
eine Fassade mit Formen von einer geradezu drängenden plastischen Fülle, und er erzielte eine neuartige<br />
Monumentalität, die in der römischen Frührenaissance nichts vergleichbares hat.<br />
Der extreme Kontrast zwischen dem Erdgeschoß und dem oberen Stockwerk beruht auf einer ganzen Reihe von<br />
baukünstlerischen Maßnahmen:<br />
• Zum einen kommt hier die Fläche der Wand zur Geltung, eine glatte, fein verputzte Wand, die nichts mit<br />
der felsigen Oberfläche der Bossen zu tun hat.<br />
• Das andere Moment ist die vorgelegte Ordnung dorischer Säulen.<br />
• Hinzu treten die aufrechten und schlank proportionierten Fensterädikulen mit ihren zierlichen Profilen sowie<br />
die Balustraden, welche die Brüstungen der Balkonfenster bilden.<br />
Der Oberstock stellt sich also als eine andere Welt dar als der Sockel, eine Welt, die von reicher Fülle ist und durch<br />
ihren kultivierten Ton unmißverständlich klar macht, was ein ‘piano nobile’ ist - das Stockwerk der vornehmen<br />
Herrschaft.
Der Palazzo Farnese - ein Gegenpol zum Palazzo Caprini<br />
Der Palazzo Caprini hat zwar in <strong>Rom</strong> und anderen italienischen Städten eine große Nachfolge gefunden, er blieb<br />
aber nicht ohne Konkurrenz. Noch größere Wirkung auf den römischen Palastbau erlangte der Palazzo Farnese,<br />
mit dem Kardinal Alessandro Farnese - der nachmalige Papst Paul III. - seinen ehrgeizigen Anspruch zum<br />
Ausdruck brachte. Das Projekt, das Antonio da Sangallo d. J. 1516/17 begann, wurde 1534 nochmals erweitert.<br />
Eine spätere Beteiligung Michelangelos (1546-49) führte zu wichtigen Veränderungen in den oberen Stockwerken.<br />
Mit dem Außenbau schuf Sangallo einen Gegenpol zu den Palästen im Sinne Bramantes, denn es ging ihm nicht<br />
um die Unterscheidung von Sockelgeschoß und 'piano nobile', sondern um den Baukörper in seiner<br />
Gesamtheit, den großen Palastkubus.<br />
Sangallo schuf hier nicht weniger als ein kongeniales Äquivalent zu den Bauten der römischen Antike, er<br />
versuchte, deren Großartigkeit auf den modernen Palastbau zu übertragen, und damit schuf er für den städtischen<br />
Profanbau ein Paradigma der 'maniera grande' der römischen Hochrenaissance.<br />
• Als Fenster verwendete Antonio da Sangallo Rechteckfenster im Erdgeschoß und Ädikulafenster mit<br />
Säulen in den oberen Stockwerken.<br />
• Hinzu kommt jeweils ein weiteres, horizontal durchlaufendes Gesims: es verbindet den unteren Abschluß<br />
der Fenster. Dadurch werden die Fenstermotive in die horizontal ausgerichtete Front eingebunden.<br />
• Die Fenster haben kleinen Säulen und es wechseln sich Dreiecksgiebel mit Giebeln in Form eines<br />
Bogensegments ab, was im europäischen Palastbau in der Folge eine Standardlösung geworden ist.<br />
• Diese Schmuckformen gewinnen aber nie die Oberhand sondern ordnen sie sich dem großen Palastkubus<br />
unter. Alles ist in dieser Fassade auf monumentale Ruhe gestimmt, auf Festigkeit und auf eine selbstverständlichsichere<br />
Ordnung im Ganzen.<br />
Zweierlei veränderte Michelangelo an dieser Front bei seinem Umbau 1546-49:<br />
Erstens erhielt die Fenstergruppe über dem Portal keinen Giebel, dafür aber Säulen und Pilaster in dichter<br />
Anordnung. Das Fenster über dem Portal wird dadurch zu einer aufwendigen Ehrenloge, die festlichrepräsentative<br />
Auftritte ermöglicht und darüber hinaus einen immerwährenden repräsentativen Akzent setzt durch<br />
die Massierung der architektonischen Motive und die großen Wappenschilde zum Ruhme des Hausherrn. Das<br />
Ganze ist in der direkten Verbindung mit der schweren Rustika des Portals von einiger pathetischer Wirkung.<br />
Die zweite Veränderung bedeutet materiell nur wenig, für den Gesamtcharakter des Gebäudes aber viel:<br />
Michelangelo erhöhte das dritte Stockwerk und setzte ein ungewöhnlich weit ausladendes Gesims darauf, ein<br />
schweres, wuchtiges Kranzgesims. Dadurch erhält der Palast eine freie, hohe Stirn und eine mächtige<br />
zusammenfassende Bekrönung in der Höhe. Auf diese Weise ließ sich die nicht geringe Monumentalität des<br />
Sangallo-Projekts noch einmal steigern.