reviews(german) - Ute Körner Literary Agent, S.L.

11/12/12
Der Trafikant
Wien 1938. Der weltberühmte Seelendoktor Sigmund Freud erklärt dem
jugendlichen, erstmals verliebten Franz, was das bedeutet: „An den
Klippen zum Weiblichen zerschellen die Besten von uns", sagt er. Und
dass die Liebe immer ein Irrtum sei, es aber kein Entrinnen gebe.
Kennengelernt hat sich das ungleiche Paar in dem Tabak- und
Zeitungskiosk, in dem der hochbetagte Professor immer seine Zigarren
kauft und wo Franz Lehrling ist.
Die Wiener nennen so einen Kleinladen eine Trafik, und wer sie betreibt,
ist „Der Trafikant“ – so heißt Robert Seethalers packender Roman über
die Begegnung von Freud und Franz, dessen erste Liebe und eine
schauerliche Zeit. Denn 1938 marschieren deutsche Truppen, SS und
Polizeikräfte in das Nachbarland ein und übernehmen mit Österreichs
Nazis auch da die Macht.
Gegner werden ermordet oder ins KZ verschleppt. Wer wie Freud Jude
ist, muss um sein Leben fürchten. Und wer wie Franz und sein Lehrherr
das Herz auf dem rechten Fleck hat, bekommt es mit der brutalen
Geheimen Staatspolizei zu tun. Denn nun regiert der Abschaum.
„Der Trafikant“ erzählt davon, einfühlsam aus der Warte von Menschen
wie Franz, Freud und Otto Trsnjek, dem Besitzer der Trafik. Er ist ein
alter Freund der Mutter von Franz. Die hat ihren Jungen vom
beschaulichen Attersee zu ihm in die Lehre in die Hauptstadt geschickt.
Franz wird da zum Mann, er freundet sich mit Freud an und erlebt seine
erste Liebe in einer rohen Zeit.
Ein leichthändig erzählter Entwicklungsroman, ein Buch über
Freundschaft in schwerer Zeit und darüber, wie man Mensch bleibt, auch
wenn der Abschaum regiert.
Ein großartiger Roman.
Udo Feist
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