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reviews(german) - Ute Körner Literary Agent, S.L.

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20/10/12<br />

Robert Seethaler: Der alte Freud und der junge Franz<br />

Ausgerechnet die Trafik hat sich Robert Seethaler als Schauplatz für seinen<br />

wunderbaren Roman über das Erwachsenwerden in harten Zeiten<br />

ausgesucht.<br />

Sigmund Freud eignet sich als literarische Figur. Nicht nur, weil er als einer<br />

der Ersten die Bedeutung des Unbewussten erkannt und Pionierarbeit in der<br />

Erforschung der menschlichen Psyche geleistet hat, sondern auch, weil er in<br />

prekären Zeiten lebte.<br />

In Robert Seethalers Buch „Der Trafikant“ ist Freud bereits ein alter Mann,<br />

der Gaumenkrebs – nie ausdrücklich benannt, aber dennoch präsent –<br />

bereitet ihm Schmerzen und vermiest ihm das Rauchen.<br />

Durch dieses lernt er den jungen Mann kennen, aus dessen Perspektive die<br />

Geschichte erzählt wird. Franz Huchel kommt 1937 als 17-Jähriger von<br />

Nußdorf am Attersee nach Wien, um hier eine Lehre als Trafikant zu<br />

machen.<br />

Die Trafik liegt in der Währinger Straße und ist just jene, in der Freud<br />

einkauft. Lehrherr Otto Trnsjek klärt Franz auf, um wen es sich bei dem<br />

gebrechlich wirkenden Professor handelt. Bald darauf gerät Franz zum<br />

ersten Mal in seinem Leben in Liebesnöte.<br />

Und die Not ist groß. So groß, dass ihn Trnsjek darauf anspricht. Als Franz<br />

den Grund seines körperlichen und geistigen Verfalls erklärt, sind sich beide<br />

einig: eine Katastrophe. Von Otto ist keine Hilfe zu erwarten, da muss einer<br />

her, der sich in der Behebung von Seelenqualen auskennt: Freud.<br />

Zwischen dem alten und dem jungen Mann entwickelt sich eine zarte<br />

Freundschaft. Währenddessen wird die Welt rund um Franz und Freud<br />

immer düsterer. Neben der Trafik ist eine Fleischerei, aber deren Besitzer ist<br />

nicht der Bockerer.<br />

Im Gegenteil, er denunziert Trnsjek nach dem Anschluss als Judenfreund.<br />

Das alles zwingt Franz innerhalb eines Jahres erwachsen zu werden. Aus dem<br />

reinen Toren, der Franz zu Beginn des Buches war, wird ein reflektierter<br />

junger Mann.<br />

Nichts mehr zu lachen nach 1938. Parallel dazu ändert sich auch die Sprache,<br />

der launige Unterton der ersten Hälfte verschwindet. Ab 1938 gab es nichts<br />

mehr zu lachen. Das ist etwa an der Korrespondenz mit der Mutter<br />

abzulesen.<br />

Zu Beginn schreiben sich die beiden Ansichtskarten. Was sie einander<br />

erzählen, ist banal, ihre Sehnsüchte lassen sich höchstens aus dem Subtext<br />

herauslesen, wie Franz' Heimweh, das sich um die Weihnachtsbäckerei der<br />

Mutter rankt. Sonst sind die Mitteilungen kurz: „Wie geht es dir? Mir geht es<br />

gut.“<br />

Als aber Franz nach Trnjeks Verhaftung die Trafik allein weiterführt, reichen<br />

die Ansichtskarten nicht mehr aus: Jetzt verfasst er Briefe, die wohl auch<br />

dazu dienen, das innere Chaos zu ordnen, die wirren Gedanken<br />

niederzuschreiben und sie in eine Chronologie, eine zumindest grobe<br />

Struktur zu zwingen.<br />

In Seethalers Figurenpark findet sich auch noch Anezka, die junge Frau, die<br />

Franz' Gefühlswelt in Aufruhr bringt. Sie ist älter als er und verfügt über jene<br />

Contact: Sandra Rodericks · <strong>Ute</strong> <strong>Körner</strong> LIterary <strong>Agent</strong>, S.L. · T: +34 93 323 89 70 · sandra.rodericks@uklitag.com · www.uklitag.com

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