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reviews(german) - Ute Körner Literary Agent, S.L.

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27/01/13<br />

Sigmund Freud im Tabakladen<br />

Der Österreicher Robert Seethaler erzählt in seinem Buch Der Trafikant eine<br />

bewegende Geschichte aus dem Wien der 1930er Jahre<br />

Wir schreiben das Jahr 1937. Franz Huchel ist ein schwächlicher Bursche aus<br />

dem Salzkammergut. Als er siebzehn Jahre alt ist, schickt seine ledige Mutter<br />

ihn zu einem verflossenen Geliebten nach Wien. Otto Trsnjek ist zwar nicht<br />

der Vater von Franz, doch er schuldet dessen Mutter noch einen Gefallen.<br />

Deshalb nimmt er den schüchternen Halbwüchsigen als Gehilfen in seinem<br />

kleinen Tabak- und Zeitungsladen, seiner «Trafik», an der Währingerstrasse<br />

im neunten Bezirk auf. Franz schläft in einem Hinterraum des düsteren<br />

Ladenlokals und hilft seinem Meister, der im Ersten Weltkrieg im Dienst des<br />

Kaisers ein Bein eingebüsst hat und daraufhin von der jungen Republik als<br />

Trafikant ein Auskommen erhalten hat. Die Zeiten sind unruhig, in der<br />

Hauptstadt brodelt es, 1938 kommt es zum «Anschluss». Davon ahnt Franz<br />

zunächst noch nichts.<br />

Doch er kann nicht umhin, mehr und mehr Anzeichen dafür zu sehen, wie die<br />

Sympathisanten der Nazis das alte Wien verändern und verderben.<br />

Einstweilen jedoch entdeckt er vor allem eine für ihn neue Welt. Die Arbeit im<br />

Laden ist schon spannend genug, zumal immer viel Zeit zum ausgiebigen<br />

Zeitunglesen bleibt, doch Franz beginnt auch die Stadt zu erkunden. Sie<br />

personifiziert sich für ihn in einem böhmischen Mädchen namens Anezka,<br />

einem so anziehenden wie zwielichtigen Wesen, in das er sich im Prater<br />

verguckt hat. Anezka spielt mit ihm, entgleitet ihm, er sucht sie verzweifelt,<br />

findet sie wieder, entdeckt ihre elende Absteige und das Vergnügungslokal, in<br />

dem sie als Tänzerin arbeitet. Mit seiner liebevoll besorgten Mutter bleibt er<br />

derweil über wöchentliche Postkarten in Kontakt.<br />

Zu den Stammkunden der Trafik gehört auch ein gewisser Professor<br />

Sigmund Freud, der an der nahen Berggasse 19 wohnt und als Psychiater<br />

praktiziert.<br />

Man erzählt Wunderdinge und Schauergeschichten von ihm. Franz freundet<br />

sich mit dem berühmten Mann an und bittet ihn hartnäckig um Rat. Er will<br />

von Freud wissen, wohin er mit seiner Liebesnot soll, wie er sich Anezka im<br />

Besonderen und die Frauen im Allgemeinen erklären kann, und bringt ihm<br />

dafür die besten Zigarren aus dem Laden mit. Das liegt in seinem Ermessen:<br />

Inzwischen ist er nämlich notgedrungen selbst zum Trafikanten avanciert –<br />

nachdem Otto Trsnjek als Jude und aufrechter Republikaner zunächst vom<br />

Pöbel schikaniert, vom benachbarten Metzgermeister denunziert, schliesslich<br />

von der Gestapo verhaftet und verschleppt worden ist. Franz hat im Nazi-<br />

Hauptquartier am Morzinplatz so hartnäckig wie vergeblich versucht, ihn<br />

freizubekommen.<br />

Amouröse Gespräche<br />

Natürlich ist es immer gefährlich, historische Personen in einem fiktionalen<br />

Kontext vorzuführen, und in der Tat gehören die Gespräche zwischen Franz<br />

Huchel und Sigmund Freud nicht zu den stärksten Passagen in Seethalers<br />

sonst bemerkenswert kohärentem Roman.<br />

Dass Freud in amourösen Dingen so hilflos ist wie der Bursche Franz, ist zwar<br />

lustig. In ihrer Saloppheit wirken die Dialoge indes ein wenig aufgesetzt.<br />

Dass Freud ausgerechnet gegenüber einem Kioskgehilfen eine launige,<br />

Contact: Sandra Rodericks · <strong>Ute</strong> <strong>Körner</strong> LIterary <strong>Agent</strong>, S.L. · T: +34 93 323 89 70 · sandra.rodericks@uklitag.com · www.uklitag.com

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