Heiden – das Reich der Ziegenmelker - NABU Dahmeland
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H e i d e n <strong>–</strong> d a s R e i c h d e r Z i e g e n m e l k e r<br />
v o n F r a n k S c h r ö d e r<br />
Brüten<strong>der</strong><br />
<strong>Ziegenmelker</strong><br />
und sein Gelege<br />
Foto: F. Schrö<strong>der</strong><br />
Trockene Sandheiden gehören zu einem<br />
Offenlandtyp, <strong>der</strong> von Extremen<br />
geprägt ist. Böden mit geringem Wasserhaltevermögen,<br />
wenig Nährstoffen<br />
und großen Temperaturschwankungen<br />
zwischen Tag und Nacht ermöglichen<br />
beson<strong>der</strong>s den spezialisierten Pflanzenarten<br />
<strong>das</strong> Überleben. Die meist verzahnten<br />
Vegetationstypen <strong>der</strong> offenen<br />
Heidegebiete reichen von Offensandstellen,<br />
spärlichen Moos- und Flechtenpolstern<br />
über Trockenrasen- und<br />
Zwergstrauchgesellschaften bis hin zu<br />
eingestreuten Einzelbäumen und Vorwaldstadien.<br />
In diesen Pflanzengesellschaften leben<br />
Insekten und Spinnen in erstaunlicher<br />
Artenvielfalt, <strong>der</strong>en Anpassung an<br />
extreme Bedingungen nicht denen <strong>der</strong><br />
Pflanzen nachsteht. Artenspektrum und<br />
Individuendichte steigen mit <strong>der</strong> Vielfalt<br />
<strong>der</strong> Biotoptypen und -strukturen.<br />
Diese dürften ihr Maximum erreichen,<br />
wenn größere Heidegebiete einen lockeren<br />
Gehölzbestand aus Waldkiefer,<br />
Sandbirke und Espe aufweisen und <strong>der</strong>en<br />
Flächendeckung 5<strong>–</strong>20 % beträgt.<br />
Folgt man <strong>der</strong> Nahrungskette, dann erscheint<br />
es nur all zu logisch, <strong>das</strong>s eine<br />
reiche Insektenfauna seine Fressfeinde<br />
anzieht.<br />
In <strong>der</strong> Vogelwelt trifft dies im beson<strong>der</strong>en<br />
Maße auf zwei «seltsame» Arten<br />
zu: den tagaktiven Wiedehopf und den<br />
nachts agierenden <strong>Ziegenmelker</strong>. Ersterer<br />
erbeutet seine Nahrung am Boden<br />
schreitend (ähnlich dem Star), letzterer<br />
ausschließlich im Fluge, worauf sein<br />
zweiter deutscher Name «Nachtschwalbe»<br />
hindeutet. Während man den Wiedehopf<br />
auch in an<strong>der</strong>en kurzrasigen<br />
Biotoptypen antreffen kann, beschränkt<br />
sich <strong>der</strong> Lebensraum des <strong>Ziegenmelker</strong>s<br />
hauptsächlich auf gehölzdurchsetzte<br />
Heidegebiete. Seine höchste Sied-<br />
- lungsdichte von bis zu zwei<br />
Brutrevieren auf 10 Hektar erreicht<br />
diese Vogelart in <strong>Heiden</strong> mit jungen,<br />
lockeren Vorwaldbereichen aus Birke<br />
und Espe. Ausschlaggebend für die<br />
Bindung an diese Gehölze ist <strong>das</strong> Verhalten<br />
<strong>der</strong> Insekten. Birke und Espe<br />
sind nicht nur Nahrungspflanzen für<br />
viele Falter- und Käferarten, sie sind<br />
gleichermaßen ihr bevorzugter Flugraum,<br />
wobei die <strong>Ziegenmelker</strong> im<br />
Tiefflug zwischen den unterschiedlich<br />
hohen Bäumen reichlich Beute machen.<br />
Erst ab Ende April gibt es im Jahresverlauf<br />
ein reichhaltigeres Angebot fliegen<strong>der</strong><br />
Insekten, und <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> Grund
für die späte Ankunft dieser Zugvögel<br />
in ihren Brutgebieten ab Mitte Mai.<br />
Seine dämmerungs- und nachtaktive<br />
Lebensweise erfor<strong>der</strong>t beson<strong>der</strong>e Sinnesleistungen,<br />
welche die Insektenjagd<br />
möglich machen. Mittels großer Augen<br />
und fühlerartiger Fe<strong>der</strong>n an den Schnabelseiten<br />
wird die Beute aufgespürt, <strong>der</strong><br />
extrem breite Rachen «keschert» sie im<br />
wendigen Flug aus <strong>der</strong> Luft.<br />
Seine Anwesenheit verrät <strong>das</strong> Männchen<br />
durch sein angenehm klingendes,<br />
weiches, in <strong>der</strong> Tonlage auf- und abschwellendes<br />
Schnurren von einer Sitzwarte<br />
o<strong>der</strong> vom Boden aus. Klangvollere<br />
«Krü-ek»-Rufe und deutlich vernehmbares<br />
Flügelklatschen zur Balz und Revierabgrenzung<br />
verraten ihn aus <strong>der</strong><br />
Luft, wo man ihn im falkenähnlichen<br />
Flug beobachten kann (deshalb auch<br />
«Nachtfalke» genannt). So auffällig sein<br />
nächtliches Treiben vor allem zur Balzzeit<br />
ist, am Tage deutet nichts auf die<br />
Anwesenheit dieser Vogelart hin. Als<br />
Bodenbrüter und in Bodennähe Ruhen<strong>der</strong><br />
ist seine tarnende Gefie<strong>der</strong>zeichnung<br />
perfekt. Selbst bei Kenntnis<br />
des Neststandortes ist <strong>der</strong> brütende Vogel<br />
erst im Abstand von wenigen Metern<br />
auszumachen, wo er seiner Tarnfärbung<br />
«vertrauend» erst im allerletzten<br />
Moment auffliegt. Das Gelege, aus<br />
nur zwei Eiern bestehend, befindet sich<br />
in einer Bodenmulde mit vorhandenem<br />
Moos o<strong>der</strong> Nadelstreu ohne weitere<br />
Auspolsterung. Auch die heranwachsenden,<br />
noch flugunfähigen Jungvögel<br />
verharren bei Gefahr reglos mit fast geschlossenen<br />
Augen. Fühlen sie sich entdeckt,<br />
reißen sie ihre rosaroten Rachen<br />
zur Abwehr urplötzlich weit auf.<br />
Mit 700<strong>–</strong>800 erfassten singenden<br />
Männchen in ganz Brandenburg (RO-<br />
TE LISTE BRANDENBURG 1997)<br />
zählt <strong>der</strong> <strong>Ziegenmelker</strong> auch deutschlandweit<br />
zu den stark gefährdeten Brutvogelarten.<br />
Die Gründe hierfür liegen<br />
überwiegend am Schwund von offenen<br />
Sand- und Heidegebieten. Diese befinden<br />
sich in großflächiger Ausprägung<br />
fast ausschließlich auf ehemaligen und<br />
in Nutzung befindlichen Truppenübungsplätzen.<br />
Ihr Schwund erklärt sich<br />
im allmählichen Bewalden <strong>der</strong> Heideflächen<br />
durch natürlichen Gehölzanflug<br />
und örtliche Aufforstung. Ein gezieltes<br />
Heidepflege-Management, sei es<br />
durch Beweidung mit Heidschnucken<br />
(Schafrasse) o<strong>der</strong> Heidemahd mit Einzelbaumentnahmen,<br />
könnte für den<br />
langfristigen Erhalt solcher Flächen<br />
sorgen und wäre nicht nur ein Beitrag<br />
zur Bestandssicherung für den <strong>Ziegenmelker</strong>.<br />
Sicher ist jedenfalls, <strong>das</strong>s nicht <strong>der</strong><br />
geringe Ziegenbestand unserer landwirtschaftlichen<br />
Höfe diesem seltsamen<br />
Vogel schadet, wie es die Menschen im<br />
Mittelalter vielleicht vermutet hätten. <strong>–</strong><br />
Seinen Namen verdankt dieser Vogel<br />
mittelalterlichenVorstellungen: Danach<br />
gaben Ziegen auf den kargen Weideflächen<br />
<strong>der</strong> <strong>Heiden</strong> wenig Milch. Die<br />
<strong>Ziegenmelker</strong> wurden in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong><br />
Ziegen fliegend beobachtet. Sie jagten<br />
dort allerdings nur aufgescheuchte Insekten,<br />
was damals aber wohl noch unbekannt<br />
war. Die Tatsache, <strong>das</strong>s man<br />
diese Vögel am Tage vom Boden <strong>der</strong><br />
Ziegenweiden aufscheuchte, sie große<br />
Rachen mit sehr kleinem Schnabel haben,<br />
und die Ziegen zu wenig Milch lieferten,<br />
gab sicher Anlass für den Irrglauben<br />
<strong>–</strong> an den ziegenmelkenden Vogel.<br />
Eine an<strong>der</strong>e Erklärung für den Namen<br />
besagt, <strong>das</strong>s sich die Ziegenhirten<br />
hin und wie<strong>der</strong> selbst an <strong>der</strong> Ziegenmilch<br />
labten.Wenn dann die Ziegen am<br />
nächsten Tag weniger Milch gaben, waren<br />
dafür natürlich die <strong>Ziegenmelker</strong><br />
verantwortlich.