Das Tagebuch - Stadtbibliothek Graz
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Jana Krawagna, 9 Jahre<br />
<strong>Das</strong> <strong>Tagebuch</strong><br />
Vorwort<br />
Ich bin Luise, elf, bald zwölf Jahre alt, lese und schreibe gerne, und zeichnen<br />
tu’ ich auch relativ gern – oder … nein, doch nicht. Meine besten Freunde<br />
sind – ähm, ja, ich fange einfach an, in dich rein zu schreiben. Du musst ja<br />
nicht alles über mich wissen, mein liebes, gelb-rosarot gepunktetes<br />
<strong>Tagebuch</strong>. Immerhin bist du ja nur zwei Seiten dick und da ist kein Platz für<br />
ein langes Vorwort.<br />
28. August<br />
Heute hat mein kleiner Cousin Mark (ich weiß, hässlicher Name) Geburtstag,<br />
er wird „ei“, das bedeutet in seiner Sprache zwei. Leider kann ich nicht<br />
mitfeiern, weil ich Karate gehen muss.<br />
29. August<br />
Die Karatestunde gestern war super! Wir haben einen neuen Trainer, das<br />
heißt eigentlich eine neue Trainerin. Sie heißt Wigatschnig oder so ähnlich.<br />
Auf jeden Fall ist sie sehr nett.<br />
30. August<br />
Heute war nix los.<br />
31. August<br />
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Wir ziehen um, in eine scheußliche Wohnung, weil Papa gemerkt hat – und<br />
das nach fünf Jahren –, dass in unserer Wohnung keine Badewanne ist. Ich<br />
frage mich, wozu er die braucht. Bis jetzt hat die Dusche ja auch immer<br />
gereicht. Mama und Papa haben zwar schon länger darüber geredet, dass<br />
wir uns eine neue Wohnung suchen, aber jetzt ist das mit dem Umzug wohl<br />
endgültig. Wahrscheinlich kommt Papa dann in drei Jahren drauf, dass die<br />
neue Wohnung keinen Balkon hat.<br />
1. September<br />
Heute haben wir Turnen gehabt (in der Schule natürlich). Danach sind wir in<br />
die Hofpause gegangen, und da hat es zwischen Leo und Franz eine Prügelei<br />
gegeben. Meine Freundin Marita und ich holten, so schnell wir konnten, die<br />
Lehrerin. Als wir gemeinsam wieder zurück waren, lag Leo schon am Boden<br />
und schluchzte: „Au, meine Hand, meine Hand tut mir so weh!“ Von Franz<br />
war weit und breit nichts mehr zu sehen. Die Lehrerin hob Leo auf und ging<br />
mit ihm zur Schulärztin. Kurz darauf kam sie zurück – aber ohne Leo. „Wo<br />
ist Leo?“, fragte ich erstaunt. Die Lehrerin sagte, er hätte sich die Hand<br />
gebrochen und seine Eltern würden mit ihm ins Spital fahren. Und bald<br />
darauf fragte sie die Klasse: „Wer hat sich eigentlich mit Leo geprügelt?“ Alle<br />
zeigten vorwurfsvoll auf Franz. Der fing zu weinen an und schluchzte, dass<br />
das keine Absicht gewesen wäre. Dabei kenne ich Franz, der dreht immer<br />
gleich durch, wenn ihn nur irgendwer berührt. Er bekommt dann einen roten<br />
Kopf und beginnt zornig zu quieken wie ein Ferkel, wenn es in Gefahr ist.<br />
Franz hat also trotzdem eine saubere Strafaufgabe bekommen – die Lehrerin<br />
kennt ihn ja schließlich auch. So wie der ist, wollte er der Lehrerin daraufhin<br />
wohl am liebsten eine runterhauen, aber so schlau ist er zum Glück, dass er<br />
weiß, dass er sicher noch mehr Aufgabe bekommen hätte, und hat es also<br />
gelassen.<br />
Ach so, was ich noch sagen wollte: Morgen habe ich Geburtstag.<br />
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2. September<br />
Heute hab ich Geburtstag, und nicht mein kleiner „ei“-(zwei-)jähriger<br />
Cousin. Ich bin jetzt zwölf, das heißt noch nicht ganz, erst in … jetzt in zehn<br />
Minuten. Jetzt nur noch neun. Dich interessiert’s sicher nicht, mir beim<br />
Zählen zuzuhören. Also bis morgen!<br />
3. September<br />
Gestern hab ich sehr viele Geschenke bekommen: ein neues Handy, vier<br />
Bücher, einen neuen, coolen Taschenrechner und eine kleine echte Maus.<br />
Übrigens auch ein <strong>Tagebuch</strong>, das nicht gebastelt ist und auch viel schöner<br />
als du. (<strong>Das</strong> soll jetzt keine Beleidigung sein, immerhin hab ich dich ja selbst<br />
gemacht.) Deswegen werde ich in Zukunft das neue <strong>Tagebuch</strong> benutzen,<br />
auch weil du schon voll geschrieben bist. Ich hab’s schön gefunden, in dich<br />
rein zu schreiben, weil du immer den Mund gehalten und zugehört hast,<br />
wenn ich dir was erzählt habe. Mama und Papa hätten das nie geschafft.<br />
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