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Walter Knaus - www . erratiker . ch

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Heidnis<strong>ch</strong>e Spuren in Wallfahrtskir<strong>ch</strong>e vertus<strong>ch</strong>t?<br />

von: <strong>Walter</strong> <strong>Knaus</strong><br />

aus: «mysteries» Nr. 4/2006 (<strong>www</strong>.mysteries-magazin.com)<br />

Im S<strong>ch</strong>weizer Dörf<strong>ch</strong>en Glis bei Brig im Kanton Wallis steht die Wallfahrtskir<strong>ch</strong>e «Unserer<br />

Lieben Frau vom Glisacker». Der Legende na<strong>ch</strong> liess si<strong>ch</strong> der bei seinem Fürsten in<br />

Ungnade gefallene Bis<strong>ch</strong>of Leutmund im Jahre 612 dort nieder. Er verspra<strong>ch</strong>, eine<br />

Kapelle zu bauen, wenn er sein Bistum wiedergewänne. Der Mann durfte in seine Diözese<br />

zurückkehren und tat, was er angekündigt hatte: Er stiftete Glis eine Kapelle. Das<br />

ehrwürdige Gemäuer sollte später etli<strong>ch</strong>e Umbauten erleben.<br />

1984, als der Fussboden der Kir<strong>ch</strong>e Glis für den Einbau einer Bodenheizung geöffnet<br />

wurde, wurde eine Notgrabung dur<strong>ch</strong>geführt. Dabei entdeckte man nebst einem<br />

karolingis<strong>ch</strong>en Baptisterium aus dem 6. Jahrhundert au<strong>ch</strong> einen so genannten<br />

«Heidenstein». Er war na<strong>ch</strong> Westen umgestürzt, entgegengesetzt jener Ri<strong>ch</strong>tung, in<br />

wel<strong>ch</strong>e <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>en ausgeri<strong>ch</strong>tet sind oder sein sollten.<br />

Seltsamerweise wird die Entdeckung dieses Monuments im sonst sehr detaillierten<br />

Grabungsberi<strong>ch</strong>t aus der damaligen Zeit ni<strong>ch</strong>t einmal einer Erwähnung für würdig<br />

befunden! Nur Eingeweihte wissen von diesem Menhir mit den Massen 270 x 100 x 250<br />

Zentimeter einer Art dreieckigen Stelenplatte.<br />

Ganz offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> wurde die Kir<strong>ch</strong>e also einst auf den Fundamenten eines heidnis<strong>ch</strong>en<br />

Tempels erri<strong>ch</strong>tet. Insofern stellt si<strong>ch</strong> die Frage, ob die Entdeckung des heidnis<strong>ch</strong>en<br />

Kultsteins im 99 Seiten starken Grabungsberi<strong>ch</strong>t womögli<strong>ch</strong> absi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> weggelassen<br />

wurde. Beide, Baptisterium als au<strong>ch</strong> «Heidenstein», haben seither jedenfalls wieder ihre<br />

Ruhe unter dem Fussboden der Kir<strong>ch</strong>e gefunden. Heute spazieren die Kir<strong>ch</strong>gänger jeweils<br />

ohne es zu wissen über diesen beim Bau der ersten Kir<strong>ch</strong>e umgekippten<br />

(ges<strong>ch</strong>leiften) Heidenstein zu ihren Bänken.<br />

Kein Einzelfall<br />

«Versteckte Menhire» (oder eben Heidensteine na<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Terminologie) sind keine<br />

Einzelfälle: Im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Lausanne wurde ein zwei Meter hoher Menhir gefunden,<br />

na<strong>ch</strong> Osten umgelegt und zugedeckt von einem römis<strong>ch</strong>en Heiligtum. In Bassecourt, in<br />

der Kapelle des Heiligen Hubertus, steht heute no<strong>ch</strong> beim Altar ein sol<strong>ch</strong>er Heidenstein<br />

«gebannt» oder «<strong>ch</strong>ristianisiert» mit einem Kreuz. Bei der Ritikapelle von Eyholz stand<br />

einst ebenfalls ein heidnis<strong>ch</strong>er Kult- oder S<strong>ch</strong>alenstein. Au<strong>ch</strong> dieser Stein wird in der<br />

entspre<strong>ch</strong>enden Fests<strong>ch</strong>rift zur Einweihung am 10. November 1979 kurioserweise ni<strong>ch</strong>t<br />

erwähnt.<br />

In Salges<strong>ch</strong> wiederum kommt dem Johanniterverein in diesem Berei<strong>ch</strong> eine besondere<br />

Ehre zu. Die Malteser hielten si<strong>ch</strong> von 1235 bis 1650 dort auf und hatten neben dem Bau<br />

eines Hospizes dank des kalkhaltigen Bodens in Salges<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Rotweine zu Ruhm<br />

gebra<strong>ch</strong>t. In den 90er-Jahren haben sie den unter der dortigen Kir<strong>ch</strong>e gefundenen Menhir<br />

mit drei Begleitsteinen davor wieder aufgeri<strong>ch</strong>tet. Jeder Stein dort ist bes<strong>ch</strong>ildert. So<br />

könne man dur<strong>ch</strong> die Länge des Mittagss<strong>ch</strong>attens, wenn er vom Menhir auf je einen<br />

dieser kleinen Steine falle, die Sonnwende und die Tagundna<strong>ch</strong>tglei<strong>ch</strong>e ablesen, heisst<br />

es. Nur funktioniert die Probe auf das Exempel ni<strong>ch</strong>t, denn die Steine sind ni<strong>ch</strong>t, wie man<br />

mit der Bussole feststellen kann, na<strong>ch</strong> Nordsüd ausgeri<strong>ch</strong>tet (360°), sondern auf 345°.<br />

S<strong>ch</strong>ade um die Mühe!<br />

Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Osten orientiert<br />

Wer der Gliser Kir<strong>ch</strong>e einen Besu<strong>ch</strong> abstattet, bemerkt zudem Sonderbares. So fällt<br />

soglei<strong>ch</strong> auf, dass die Kir<strong>ch</strong>e «ziemli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ief» in der Gegend steht also ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><br />

Osten orientiert ist. In diesem Fall müsste die A<strong>ch</strong>se nämli<strong>ch</strong> etwa auf 90° Azimut (bei<br />

der 360°-Einteilung) liegen. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> sind die meisten Kir<strong>ch</strong>en «geostet», au<strong>ch</strong> wenn<br />

sie meist einige Grad von Osten (90°) abwei<strong>ch</strong>en. In Glis dagegen mass i<strong>ch</strong> 62°. Ein<br />

markanter Unters<strong>ch</strong>ied!


Das ma<strong>ch</strong>te mi<strong>ch</strong> insofern na<strong>ch</strong>denkli<strong>ch</strong>, als es weitere Kir<strong>ch</strong>en mit einer ähnli<strong>ch</strong>en<br />

Ausri<strong>ch</strong>tung gibt. So ist das bekannte Grossmünster in Züri<strong>ch</strong> ebenfalls ni<strong>ch</strong>t «geostet»,<br />

sondern exakt mit der Altarseite auf den Sonnenuntergang bei der Sommersonnwende<br />

geri<strong>ch</strong>tet. Lange hatte man geglaubt, die kuriose Ausri<strong>ch</strong>tung des Kir<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>iffs sei auf<br />

topographis<strong>ch</strong>e Umstände zurück- zuführen. Weit gefehlt, wie der Uni-Laborant und<br />

Hobby-Astronom Christof Hugentobler herausfand. Na<strong>ch</strong> einem entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Zeitungsartikel im Zür<strong>ch</strong>er «Tagesanzeiger» vom 21. Dezember 1994 wurde seine<br />

Entdeckung allerdings wieder «s<strong>ch</strong>ubladisiert».<br />

Au<strong>ch</strong> das Basler Münster genauer: die älteste Vorgängerkir<strong>ch</strong>e aus dem 9. Jahrhundert<br />

weist über die Theodorskir<strong>ch</strong>e und die Hohe Möhr auf den Sonnenaufgang zur<br />

Sommersonnwende (längster Tag), wo si<strong>ch</strong> jährli<strong>ch</strong> Massen in die Krypta zwängen, um<br />

dort die Sonnenstrahlen dur<strong>ch</strong>s kleine Fenster in die Gruft fallen zu sehen.<br />

Derlei «un<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e» Ausri<strong>ch</strong>tungen von Kir<strong>ch</strong>enbauten finden si<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong> im übrigen<br />

Europa. Somit war mir bei der Ausri<strong>ch</strong>tung der Gliser Kir<strong>ch</strong>e klar, dass das kein Zufall<br />

sein konnte. S<strong>ch</strong>on die Entdeckung des Heidensteins deutete ja auf eine vor<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />

Kultstätte. Und die 62° mit dem relativ hohen Horizont lassen die Bere<strong>ch</strong>nung zu, dass<br />

der heidnis<strong>ch</strong>e Altar einst auf den Sonnenaufgang am längsten Tag geri<strong>ch</strong>tet war.<br />

Neugierig geworden, wollte i<strong>ch</strong> die Baupläne der sieben Bauphasen der Kir<strong>ch</strong>e einsehen,<br />

wie sie im Innenraum glei<strong>ch</strong> neben dem Haupteingang re<strong>ch</strong>ts angebra<strong>ch</strong>t sind. Zu<br />

meinem Erstaunen war der Nordpfeil Bestand eines jeden professionell verfassten<br />

Bauplanes auf zwei Plänen derart eingezei<strong>ch</strong>net, als ob die Kir<strong>ch</strong>e «geostet» sei, und<br />

zwar exakt auf 90°! I<strong>ch</strong> stutzte: War dieser fals<strong>ch</strong>e Nordpfeil wirkli<strong>ch</strong> nur ein Versehen?<br />

Wieso dieses S<strong>ch</strong>weigen?<br />

Im September 2004 habe i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> an das Pfarramt Glis gewandt. Eine Antwort<br />

blieb bis heute aus. Sodann kontaktierte i<strong>ch</strong> telefonis<strong>ch</strong> den Kir<strong>ch</strong>envogt von Glis, Herrn<br />

Josef S<strong>ch</strong>westermann, der mir verspra<strong>ch</strong>, bei der nä<strong>ch</strong>sten Pfarramtssitzung würde mein<br />

Anliegen behandelt. Au<strong>ch</strong> von ihm habe i<strong>ch</strong> seither seltsamerweise ni<strong>ch</strong>ts mehr gehört.<br />

Anlässli<strong>ch</strong> eines Besu<strong>ch</strong>es im Wallis im Juli 2005 musste i<strong>ch</strong> statt dessen feststellen, dass<br />

der Nordpfeil auf den in der Kir<strong>ch</strong>e Glis aufgehängten Bauplänen no<strong>ch</strong> immer auf das<br />

Azimut 28° zeigt (statt na<strong>ch</strong> Norden). Meine Anträge wurden also s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t und einfa<strong>ch</strong><br />

ignoriert. Wieso dieses S<strong>ch</strong>weigen? Auf den Bauplänen des Grabungsberi<strong>ch</strong>tes jedenfalls<br />

ist der Nordpfeil interessanterweise korrekt eingezei<strong>ch</strong>net. Nur eben dort ni<strong>ch</strong>t, wo die<br />

meisten Mens<strong>ch</strong>en die Baupläne sehen in der Kir<strong>ch</strong>e selbst.<br />

Mit Si<strong>ch</strong>erheit geht es hier ni<strong>ch</strong>t darum, einen Feldzug gegen das Christentum zu führen.<br />

Bei einem reinen Versehen aber hätte man auf meinen Antrag hin wohl Eile gezeigt,<br />

diese für Baupläne do<strong>ch</strong> ziemli<strong>ch</strong> peinli<strong>ch</strong>e Begebenheit zu korrigieren. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

werden Fa<strong>ch</strong>leute, die einen Nordpfeil fals<strong>ch</strong> setzen, kaum no<strong>ch</strong> ernst genommen. Bleibt<br />

also nur no<strong>ch</strong> der Verda<strong>ch</strong>t, dass man mein Anliegen bewusst ignoriert hat. Um die<br />

wahre und damit «un<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e» Entstehungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te mit dem fals<strong>ch</strong> dargestellten<br />

Nordpfeil bewusst zu vers<strong>ch</strong>leiern?<br />

Korrigendum<br />

Anbei ein Korrigendum zu meinem Artikel zur Kir<strong>ch</strong>e in Glis: Beim Gut zum<br />

Druck habe i<strong>ch</strong> übersehen, dass der Nordpfeil in den Plänen der Gliser Kir<strong>ch</strong>e<br />

ni<strong>ch</strong>t auf 28° wie ges<strong>ch</strong>rieben steht, sondern auf 332° (also 360° - 28°).<br />

Somit ist der Winkel zwis<strong>ch</strong>en Nordpfeil und A<strong>ch</strong>se zu gross und muss kleiner<br />

werden (damit der Bau wirkli<strong>ch</strong> auf die ri<strong>ch</strong>tigen 62° s<strong>ch</strong>aut!).<br />

Daniel Rei<strong>ch</strong>muth CH-6438 Iba<strong>ch</strong> / SZ <strong>www</strong>.<strong>erratiker</strong>.<strong>ch</strong>

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