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Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst

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Das Unikum.<br />

T heaterhll 11l0rcskc 1'011 Kar l Pau li,<br />

(Nachdrucl< vcrlJotclI,)<br />

Es giebt doch glU ck liche Menschen, - ich gehe<br />

hier von dem Stand punkt aus, dass Gllick kei n Zustand<br />

ist, so nd ern ein Begriff, <strong>und</strong> Begriffe sind bekanntlich<br />

Produkte un seres eigenen Denkens, ' Es ist daher so<br />

leicht gllicklich ZlI se in , so leicht - allein sind es<br />

die M ensche n, nein! - wen igstens ni cht alle, die<br />

M eiste l), sogar nicht, - er abel' wal' es, er wal' abel'<br />

auch ein Uniku m , ein Kiinstler in j eder Kun st, au ch<br />

der des <strong>Leben</strong>s. - El' wal' Schauspieler <strong>und</strong> hiess, ja<br />

wie hi ess er docl, gleich - ich glaube Gallert - beim<br />

Theater nannte er sich abel' Siilze, aus Rii cksicht Hir<br />

se in e Familie - ich nannte ihn gewohnlich nur das<br />

Unikum, ein e Bezeichnu ng, die er selbst auf sich anwend<br />

ete. Ich lernte ihn ein es Tages in einem Fiinfpfennig-Omnibus<br />

kennen, der Kondukteur konnte nicht<br />

herauso'eben <strong>und</strong> der Ki,instler wend ete sich an mich,<br />

mit der Frage, ob ich in der Lage sei, ein grosses<br />

Geldstlick wechseln ZlI konn en, wobei er mil' ein<br />

Fii nfzigpfenl1'igstiick entgegenhielt. Damais wal' ich<br />

noch' in der gllicklichen Lage; liber sol che Summen ZlI<br />

verfligen <strong>und</strong> wechselte, auf diese W eise wurden wir<br />

bekannt. El' wal' Schauspi eler bei Edurd H ecke rlin,<br />

Direktor der vereinigten Theater Hir Vorort <strong>und</strong> Femve<br />

rk ehr, engagiert. Die Gesellschaft gastierte nur um<br />

Be rlin , meist in Stad ten von weit unter ze hntause nd<br />

Einwohn ern . - Se in e Person lichkeit hatte mei ne Interesse<br />

erw ekt, ich beschl oss, ihn zu besuchen, seine Adresse<br />

hatte er mil', genannt, - Badstrasse 38 16, - s' ist ja<br />

n' bischen' weit. Dort suchte ich ihn auf.<br />

G leich der erste Eindruck wal' ein bedeutend er, ich<br />

sa h ilm noch ga l' nicht, ais ich schon etwas horte, was<br />

mich se in e Ungewohnlichkeit ahn en liess, was mil' wie<br />

ein Hauch se in es Geistes entgegen - nein »wehte «<br />

ware hier nicht der richtige Ausdruck, ich mu ss schon<br />

»entgegenldapperte« sage n. -<br />

A is ich namlich die Treppe ZlI sei ner W ohnung<br />

hinaufsti eg, horte ich in dem Zim mer ein eigentlimlich<br />

klappemdes Gerausch, ais wenn jemand in ein em Buche<br />

blattert, de sen Seiten aus liolz bestehen. Doch ich<br />

hatte ZlIm Nachdenken kein e Zeit, kl opfte an <strong>und</strong> trat<br />

ein. Ich fand den Kiinstler in ein er, Hir ein em Liebling<br />

der Gotter wenig wlirdio'en Umgebung. Zwischen den<br />

kahl en, graugetlinchten W and en des Ziml11ers befand<br />

sich nur ein e gehobe lte Bettstell e, ein ebensolcher Tisch<br />

<strong>und</strong> zwei Stlih le, auf ein em sass der Schauspieler vor<br />

dem Tisch, auf dem and e;'n stand eine Schlissel mit<br />

gebrauchtem W aschwasse r. Die buntrot <strong>und</strong> blau<br />

karrierten Betten in der Bettstelle waren ze rwlihit, oben<br />

drauf lag ein schmutziges Vorh emd chen. Der Klinstl er<br />

trug kein en Rock , se lbst die H emd sa rm el waren von<br />

zweifelhafter W eisse. Der H auptpunkt IIn serer Unterhaltung<br />

war schn ell erl ed igt, wir kamen auf die <strong>Kunst</strong><br />

im allgemein en <strong>und</strong> auf sein e Leistungen im besondem<br />

ZlI sprechen. Er wal' durchaus nicht stolz <strong>und</strong> sprach<br />

liber sich mit dem grossten Freimut.<br />

" Se hen Sie, mein werter Fre<strong>und</strong>,« sagte er, ', einen<br />

Klinstler wie mich finden Sie nicht ZIIm zweitenm ale<br />

in der Welt, ich bin eben ei n U niku m ! ich sp iele alles,<br />

alles, den Karlos, den Shy lock, den Othello, den ScllLl ster<br />

Weigel, den Lear, den Max Piccolomini, alle drei<br />

M oore -» er wollte weiter sprechen, unterbrach sich<br />

abel', ind em er auf den Tisch deutete <strong>und</strong> nachlassig<br />

hinwarf:<br />

»Aber Sie konn en sich ja se lbst liberzeugen, bitte<br />

da li eO'en mein e Rece nsionen. < Ich sah nach dem Tisch,<br />

erblickte abel' nur einen etwa fus hohen Stoss liberein<br />

and ergesch ich teter Zigarrenkisten brette!'. Dieselben<br />

waren an der ein en Langseite durchbohrt <strong>und</strong> wurden<br />

von ein em durch die Bohrlocher gezogenen Bindfaden<br />

zusamm engehalten. Ich hatte also recht gehort, es war<br />

in ein em Buch geblattert word en , desse n Seiten aus<br />

Brettern bestand en. Und dieses Dauerbuch enthielt<br />

sein e Recensionen ? Er verstand meinen fragenden<br />

Blick <strong>und</strong> sagte: »j awohl, das sind sie, man reisst sich<br />

so um di ese Lektlire, dass ich genotigt war, ihnen<br />

ein e festere Gr<strong>und</strong>lage zu geben, um sie vor der<br />

Vemichtung zu bewahren; sie sind doch immerhin von<br />

hi stori schem W ert. " - Mit der ihm schuldigen Achtung<br />

schlug ich das histori sche Dokument auf <strong>und</strong> las. Der<br />

Klinstl er ging ein e W eile schweige nd im Zim mer auf<br />

<strong>und</strong> ab, plotzlich ri ef er, ste hen bleibend, sich hoch<br />

aufri chtend :<br />

»Zu letzt, was hat das ZlI bedeuten? Sie lesen<br />

nur darin, was ich ka nn, abel' was ich ni ch t kann,<br />

das finden Sie nirgend s; das giebt es nam lich nicht! _.<br />

,Mich bringt nichts in Ve'rlege nheit! ni chts aus der<br />

Fassung! N ehm en wir an, es ware in einer Rauberaufflihrung,<br />

<strong>und</strong> vor dem fiinften Akt stirbt plotzlich<br />

der Daniel ? W as thun? liberall wo das SWck auch<br />

gegeben wlirde, I11li sste die Vorstellung unterbrochen<br />

werden, nur nicht an der Biihne, wo ich engagiert bin!<br />

<strong>und</strong> wisse n Sie warum ? wei l ich den Franz spi elen<br />

wlirde! <strong>und</strong> wissen Sie was ich tate? nein , antworten<br />

Sie nicht, Sie konn en es nicht wissen, abel' horen Sie!<br />

- ich sprache die Rolle des Daniel ZlI der des Franz<br />

ZlI! Sie stallIlen ? Sie wissen nicht wie das moglich<br />

ist, nun horen Sie! t.lso das hier ist die Blihne. Hier<br />

knie ich ais Franz <strong>und</strong> bete. - Er kni ete bei diesen<br />

\Vorten nieder, rollte die Auge, schnitt ein e grassliche<br />

Fratze <strong>und</strong> sprach mit der ganze n UnnaWrlichkeit von<br />

drei Schmierenkomodianten ZlIsamm engenomm en : »I-Iab<br />

mi ch nie mit Kleinigkeiten abgegeben, mei n lierrgott!«<br />

Im gewohnlichen Tone fuhr er dann fort: »jetzt<br />

hatte der Daniel zu red en <strong>und</strong> zu sage n : »Gott,<br />

Gott, auch sein e Gebete w erd en zu Slinden! « Da er<br />

abel' nicht da ist , fahre ich ruhig fort: »W enn mich<br />

Daniel horte, er wiirde mei n Gebet Hi r Slind e<br />

hal ten, abe l' ich will auch nicht beten, diesen Sieg 50 11<br />

der Hil11m el nicht habe n, diesen Spott mir nicht antun<br />

die lioll e. « j etzt hat w ieder Daniel ZlI reden <strong>und</strong> zwal'<br />

ruft er : "j esl1s Maria, h e 1ft, rettet, das ganse Schloss<br />

steht in Flal11men

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