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05. Zeitschrift für Bauwesen LVII. 1907, H. VII-IX= Sp. 309-460

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<strong>309</strong> 310JÄHEeANG <strong>L<strong>VII</strong></strong>. <strong>1907</strong>. HEFT <strong>VII</strong> BIS IX.Alte I)emerkenswei'te Kapellciibauteii in Württemberg.In unserer Zeit, welche ein so lelil^aftes Verlangennacli einer Kunst mit nationaler Eigenart betätigt und \velchcdeshalb folgerLchtig auch den Denkmalschutz und die Denk-Vom Oberbaurat Professor Fr. Gebhardt in Stuttgart.(Mit AbbiiduDgen auf Blatt 41 ütid 42 im Atlas.)(AUe Rochte vorbohalten.)der Heerstraße abgerückten Lage nur wenigen ans eigenerAnschauung und vielen vielleicht nicht einmal dorn Namennach bekannt sein dürften. — Die drei kirchlichen Bauten:St. Ulrich in Standorf, St. Kilian in Sehönthalund St. Magaus in Gossenzugen,wolclicn wir im folgenden xinsero Betrachtungenschenken wollen, zählen zu solchen,ein träumorisch verborgenes Dasein führendenechten Kindern ihrer Zeit. Essind nur Kapellen, also Schöpfungen bescheidenenUmfangs, allein sie erscheinenvor unserem geistigen Auge groß undbedeutend, \veil ihre Erbauer ihnen denAdel wahrer Kunst zu verleihen wußten,und weil sie auch infolge ilircs glücklichenVerhältnisses zu der sie umgebendenLandsehart unsere volle Bewunderungverdienen,Abb. 1. St. Magnuskapelie in Gossen zu gen.malpfiefje mit Nachdruck in ihr Programm aufgenommenhat, mag es nicht unangebracht erscheinen, das Ergebnis einigerKunst- und Naturwanderungen in Württemberg der weiterenÖffentlichkeit durch Bild und Wort bekannt zu machen, zumales sich hierbei um das Aufsuchen und die Betrachtungeiniger kirchlicher Altertümer handelt, die bei gutem deutschenWesen als typische Denkmäler bestimmter Zeitabschnitte angesehenwerden dürfen und die infolge ihrer öi-tlichen, von<strong>Zeitschrift</strong> f. <strong>Bauwesen</strong>. Jahrg, LVlt.St. ülricliska pelle in Stundorf,Nach der Zeitfolge ihrer Entstchnngliaben "wir zunächst St. Ulrich in Standorfzu betrachten und zu dieöem Behufeine Fahrt in den weingesegneten, angeschichtlichen Anregungen so reichenTaubergrund zu machen, um von Laudenbachoder Cj'eglingen auf alten überBerg und Tal, durch Feld und Waldführenden Wallfahrte wegen nach der Bergkapellevon Standorf zu pilgern. AVählenwir den Weg von Ijaudeiibach, an derEisenbahnstrecke Crailsheim-Mergentheimgelegen, so en^eicheu wir in genußreicher2\/^ stündiger Wanderung den aufder Sohle und an dorn östlichen Hangedos tief in den Muscheliialk eingenaglenRimbachtales malerisch hillgebreitetenWeiler Standorf, über welchem auf ziemlichsteilabfallender Kuppe, inmitten vonBaum und Strauch und umgürtet vonalter, mit Schlinggewächsen allerart überspomienenMauer die dem Hl. Ulricligeweihte, ans der ersten Hälfte des 13. Jahrhunders stammendeKapelle sich erhebt.An Gotteshäusern ähnlichen Umfangs aus mittelalterlicherZeit, die von einsamer Höhe still ins Tal horniederschauen,haben wir in Schwaben keinen Mangel; ich erinnerenur an Wurmlingen, Michelsberg, Hohenberg, St. Peter beiOberstenfeld u. s. f., jedoch von allen diesen Bauten vermagkeiner das Interesse des Architekten, des Kunstforschers, des20


311 Fr. Gebhardt, Alte bemerkenswerte Kapellenbauten in Württemberg, 312Alterturas- und Naturfreundes in solchem Maße zu fesseln,wie St. Ulrich in Sfandorf. Wenn man auch auf Eigenartigesgefaßt ist, diese Kapelle wird doch jeden empfänglichenund verständigen Besucher überraschen. Keppler nenntsie eine Perle der Architektur, und Paulus erklärt sie alseines der merkwürdigsten Bauwerke des apätromanischenStils. Die Kunstgeschichte weiß uns zu berichten, daß inder ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Schwaben einebesondere rege, kirchliche Bautätigkeit geherrecht hat, welchervir u. a. die schönsten Teile des Klosters Maulbronn, dieStiftskirchen in Ellwangen, Faurndau und Oberstenfeld, dieSt. Johanniökirche in Gmünd, die Kii-chen in Denkendorf,Brenz, Weinsberg u. s, f. zu verdanken haben. In diesenKunstabschnitt fällt aucii die Erbauung der Bergkapelle vonStandorf; denn wie die vorgenannten Kirchen verkündet auchBie die Blüte der romanischen Baukunst in Schwaben zur Zeitder Hohenstaufen. Und wenn die Stiftskirche. zam Hlg. Veitin Ellwangen hinsichtlich des Aufbaues ganz einzig inSchwaben sich darstellt, so darf ähnliches bezüglich der Grundrißanlagevon der Standorfer Kirche (Abb. 1 u. 2 Bl. 42) gesagtwerden; sie bildet eine eigenartige Baugi-uppe, eine Verbindungder romanischen zweitürmigen Choranlage mit einemZentralbau. Zwischen zwei dreigeschossigen Törmen vonquadratischem Grundriß liegt der nach Osten durch einesegmentförmige Apsis erweiterte und mit einem Bippenkreuzgewölbeauf Ectsäulen überdeckte Chorraum von rechteckigerÖnindform, welcher mit den beiden unteren Turm geschossendurch Rundbogentüren in Verbindung steht und sich durchden ebenfalls im Rundbogen geschlossenen Triumphbogennach dem aus sechs Seiten des Achtecks entworfenen Schifföffnet. Wir werden in Württemberg vergeblieh nach einemzweiten ähnlichen Bau oder nach einem Vorbilde <strong>für</strong> einensolchen Umschau halten. Wohl aber möchte ich glauben, daßdie Grundrißanordnung der Standorfer Kirche in derjenigender ehemaligen Zentralkirohe von St. Peter zu Wimpfen imTal enthalten ist; hier ist zwischen Turmanlage und zwölfseitigemZentralraum ein kleiner Zwischenbau eingeschaltet,den der unbekannte Baumeister von Standorf unterdrücktund einen achtseitigen Polygonbau unmittelbar an die zweitürmigeChoranlage angeschlossen hat.St Ulrich in Standorf ist um 2^/^ Jahrhunderte jüngerals die alte romanische St. Peterskirche zu Wimpfen i, T.,nnd während diese im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts derheutigen, in französischer Hochgotik erbauten Kirche weichenmußte, ist St. Ulrich wohlerhalten in unsere Tage gekommen.Das Schaubild (Abb. 1 Bl. 41) gibt das gegenwartige Bild derKapelle wieder; es zeigt, daß um dieselbe im Lauf der Zeitengroße Schutt- und Bodenmassen sich angehäuft haben, daßdie obersten zwei Stockwerke des südlichen Chorturms, wieauch das Hauptgesims der Chorapside samt dem darüber-Uegenden Giebel in Trümmer gesunken und ein schwerfälligerDachstuhl, das <strong>Sp</strong>iegelbild armer Zeiten, über Chor, Turmstumpfund Zentralraum gelegt wurde. In den geometrischenAnsichten (Abb. 3 u. 4 Bl, 42) ist eine Wiedergabe des altenBestandes versucht worden, nicht etwa, um eine Wiederherstellungzur Ausführung be<strong>für</strong>worten zu wollen, sondernlediglich nur, um sich über die Wirkung des ursprünglichenarchitektonischen Oedankena Rechenschaft geben zu können.Wohl in Rücksicht auf den harten Baustoff, zn dem derin der Gegend anstehende Trigonodue-Dolomit verwendetwurde, ist bei St. Dlrich der <strong>für</strong> diesen Kunstabschnitt sonstso reiche ornamentale Schmuck geflissentlich nur auf wenigeArchitekturglieder, und zwar auf die Kapitelle der am Äußeren1:30.Abb. 2.Kapitelle vom Eippenkreuzgewoibeim Chorraum.Abb. 5. Säulenkapitell am Äußerender Chorapbis. 1; 15.Abb. 3.Rippe nprofil.Abb. 4.Kämpfergosims diTiiumphbogeos.i^ii^ ^STfirisrfcr ^,--*istuirichakapello [ 0,18Standorf.inAbb. 6.Hauptgeßims. 11 . 0 1 2 ?1:15.15.t1:30.1:15.der Chorapside (Text-Abb. 5), an den gekuppelten Turmfenstern(Text-Abb. 7 u. 8) und bei dem Rippenkreuzgewölbe des Chorraums(Text-Abb. 3) auftretenden Säulen, sowie auf die miteinem diamantierten Zwischenglied versehenen Profilierungendes Hauptgesimsee (Text-Abb. 6) xind Rundfensters ausgedehntworden. Von Beachtung und zum Nachdenken über ihren ursprünglichenZweck erweisen sich der auf der Ostseite des Südturmesbefindliche, halbrunde erkerartige Ausbau und die etwain derselben Höhe auf der östlichen Außenseite des Nordturmesnoch vorhandenen Kragsteine (Abb. 1 Bl. 41 u. Abb. 3 BL 42).Es ist deutlich wahrzunehmen, daß erst nachträglich — wohlbei Einrichtung der jetzigen Sakristei — die untere innereLeibungBschräge des Erkerfensters, und zwar in ganz roherWeise, ausgespitzt worden ist, um dessen Licht fdr dieuntersten Teile des Turminnern auszunützen, nachdem ein aufder Südseite gelegenes unteres Turmfenster infolge der amÄußeren der Kirche mehr denn zwei Meter hochgelagertenSchutt- und Bodenmasse zwecklos geworden war und vermauertwerden mtiBte. Sodann ist im Innern dieseB Turmed,etwa zwei Meter über dem jetzigen Sakristeiboden, ein ringsumlaufender Mau&rabsatz zn sehen, der früher, wo dasAußengelände und der innere Kirchenboden tiefer lagen, einemBodengebälk als Auflager gedient haben mag, das dann beiEinrichtung der jetzigen Sakristei — um eine größere Raumhöhezu erlangen — entfernt worden wäre.Denken wir uns dieses Zwischengebftlk wieder eingezogenund gleichzeitig den Sakristeiboden wie auch dasAußengelände auf die ursprftngEche Höhe zurüctverlegt unddas unterste jetzt vermauerte Tunufenster wieder geöffipet,fS'i


313 Fr. Gebhardt, Alte bemerkenswerte Kapellenbauten in Württemberg. 314eo "würden an Stelle des jetzigen unverhältnismäßig hohenSakristeiraumes zwei übereinanderliegende, etwa durch Holztreppemiteinander verbunden gewesene Bäume entstehen,von denen der unterste als Sakristei und der dartlberliegende,Abb. 7. Ansieht. Abb. 8. Quoischriitt.Abb. 7 u. 8. St. Ulriohskapelle in Standorf. Turmfenster,luuluut I ..-i—1—1 I L—I L—) I Idurch den Brkerausbau entsprechend erweiterte, als Paramentenraumgedient haben könnte."Was sodann die zwei äußeren Kragsteine am Nordturmbetrifft, BO vermuten Bauer und Paulus, daß sie die TrägerAbb. 9. 8t Ulrichskapelle in Btaudorf. Portal.einer ins Freie gerichteten Kanzel gewesen sein m5gen, unterHinweis auf eine ähnliche Einrichtung — die sogenannteTetzelkanzel — bei der nur YJ Stunde von Standorf entferntenHerrgottskirche von Cr^lingen. Diese Anschauungteile ich voUkotninen; denn in dem ebenfalls unverhältnismäßighohen Läuteraum des Nbrdturmea ist auf der Ostseiteein unteres altes, jetzt vermauertes Fenster deutlich zu sehen,ebenso in halber Höhe des Raumes einige vermauerte Balkenlöcher;denken wir uns nun auch hier in dieser Höhe einZwischengebälk eingezogen, die ursprünglichen (Geländeverhältnissewieder hergestellt und das unterste Turmfenstergeöffnet, so erlangen wir auch im Nordturm zweiübereinander liegende Eänme, von denen der untere alsLäuteraum gedient haben mag, während der dartiberliegende Raum die Möglichkeit gewährte, von ihm nachder ins Freie hinausgebauten Kanzel zu gelangen, umdem aus bestimmtem Anlaß — etwa Patro


315 Fr. Gebhardt, Alte bemerkenswerte Kapelleabauten in Württemberg. 316das Gebälk einer flachen Holzdecke, während der Chorraum,wie schon erwähnt wurde, durch ein Kreuzgewölbe mit kräftigprofilierten Hippen (Text- Abb. 3) überdeckt wird, welcheBUS Ecksäulen sich entwickeln, deren Kapitelle reichen phantastischen,ornamentalen Schmuck zeigen (Text-Abb. 3).Von den alten Ausstattungsstücken der Kapelle ist nochein schöner in Holz g-eschnitzter friihgotischer Knizifixus undein kleiner Chorstuhl aus dem 16. Jahrhundert erhalten."Wenn Adamy sagt, daß wir manchmal sogar an denentlegensten Orten von der technischen Vollendung der Bautendieser Stilrichtung und der edlen Charakteristik ihrer Formenüberrascht werden und daß wir dann hier doppelt die Gewaltdes ästhetischen Gedankens fühlen, unter dessen Herrschaftdie Künstler gestanden haben, so trifft dieser Fall m. B. beiSt. Ulrich in Standorf in vollstem Maße zu.Treten wir wieder ins Freie zurück und nehmen wirunseren Standpunkt in der südöstlichen Ecke des Friedhofes,so bietet das von der Krone eines mächtigen Nußbaums überragte,gleichsam bis um die Schultern in das Erdreich versunkeneimd teilweise zerstörte Gotteshaus inmitten desheutigen Bergfriedhofes ein Bild irdischer Vergänglichkeit,wie es kaum ergreifender gedacht werden kann, und es wäredeshalb m. E. dringend zu wünschen, daß nur Erhaltungs-,nicht aber Wiederherstellungsgedanken sich mit diesem ehrwürdigenBaudenkmal und seiner stimmungsvollen, unberührtenUmgebung beschäftigen möchten,Die St. Kilianskapelle in SchSathaLAus dem Gebiet des Tauberflusses können wir nun mitder Bisenbahn über Crailsheim, Heilbronn und Möokmühloder, was noch lohnender, mit der Bahn bis Künzelsau undvon hier auf Schusters Rappen über Niederiihall*Forchtenbergund Neusaß in das ebenfalls in den Muschelkalk tiefeingegrabene, vielgewundene untere Jagsttal Teisen, um imAnblick der früheren Zisterzienserabtei Schöntbal eines derwirkungsvollsten schwäbischen Landschaftsbilder zu genießenund im Kloster selbst Einkehr zu halten, wo Kunstschätzeallerart unser harren, in dessen Kreuzgang der „Edel undErnvest Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand samptallen Gläubigen in Christo ein fröliche Auferstehung erwartet"und wo der bau- und reimlustige Abt BenediktKnittel im 18. Jahrhundert schaltete, dessen dichterischemGenius man lange Zeit den Begriff des Knittelverses verdankenzu dürfen glaubte.Nachdem schon im 16. und 17, Jahrhundert ein Teilder alten Klostergebäude gefallen war, wurde im 18. Jahrhundertkein Geringerer als Balthasar Neumann beauftragt.Risse zu einer neuen Klosterkirche und Abtei zu fertigen,deren Ausfühning die alte Kirche und der Rest der nochvorhandenen mittelalterlichen Klostergebäude zum Opfer fielen,ausgenommen die im Vorhof stehende St. Kilianskapelle, derwir eine kurze Betrachtung schenken wollen.Schon der Umstand, daß das sonst rücksichtslos mitden Überkommenen alten Bauten aufräumende 18. ^^ahrhundertvor diesem bescheidenen, frflhgotischen<strong>Bauwesen</strong> Halt machte,gibt zu denken und vermag unser Interesse <strong>für</strong> dasselbe zu verstärken.Der Anblick, den das Kirchlein heute dem in den VorhofEintretenden gewährt, ist kein erfreulicher^ indem durchdie langjährige Benutzung der Kapelle als Feuerlöschgeräteraumseitens der Gemeinde eine gründliche Profanierungderselben herbeigeführt und namentlich an Stelle eines zierlichenfrOhgotischen, nach der Überliefening mit hölzernemVordach versehen gewesenen Portals ein zweiflügeligesRemisentor in brutalster Weise ausgebrochen wurde.In dem Schaubilde (Abb. 2 Bl, 41) ist versucht worden,den ursprünglichen Zustand der Kapelle wieder herzustellen.Mit aufrichtigem Danke muß es begrüßt werden,daß die K. W. Staatsfinanzverwaltung, welche in den letztenJahrzehnten nach Maßgabe der ihr zur Verfügung stehendenMittel soviel Gutes und Anerkennenswertes auf dem Gebieteder Denkmalpflege und des Denkmalschutzes stiftete, auchdiesem <strong>Bauwesen</strong> ihre besondere Aufmerksamkeit geschenktund zunächst die Räumung der Kapelle und verschiedeneSchutzarbeiten <strong>für</strong> dieselbe veranlaßt hat.Schönthal war wie Maulbronn ein Zisterzienserkloster,und da dieser Orden seine gesamten Klöster aufs engste miteinanderverbunden hatte, so bestanden auch zwischen diesenbeiden Klöstern nahe Beziehungen, welche in der gesamtenKlosteranlage unverkennbar zum Ausdruck kommen. Wie inMaulbronn gelangte man auch in Schönthal durch den turmbewehrtenHaupteingang zunächst in einen von dem eigentlichenKlosterhof dureh Tor abgeschlossenen Vorhof, der vondem Plörtnerhaus, dem Offiziantenbau, dem Gastbau und derVorhofkapelle umschlossen war. Der Fremde, nachdem erdurch den Pförtner Einlaß in den Vorhof erlangt hatte, wurdezunächst in die Vorhofkapelle geführt, auch soll an einigenTagen im Jahr den Frauen der Zutritt in diesen Kirchenraumgestattet worden sein. Da die in Maulbronn der Hl. Dreifaltigkeitgeweihte Vorhofkapelle in Trümmer ^sunken undverschwunden ist, so darf die leidlich gut erhaltene St. Kilianskapellein Sehönthal vom kultur- und kunstgeschichtlichenStandpunkt aus als besonders bemerkenswert bezeichnet werden.Die Kapelle liegt auf der Ostseite des Vorhofes, istorientiert und zeigt eine einschiffige Anlage mit ctuadratischemChor (Abb, 8 Bl. 42). Während der letztere mit einem kräftigprofilierten, auf schlichten Konsolen (Text-Abb. 13) ruhendenRippenkreuzgewölbe überdeckt ist, besitzt das Langhaus einewagerecbte Balkendecke (Abb. 9 Bl. 42), bei der die Balkenfelderbemertenswerterweise mit gegeneinander gestellten Backsteinenausgewölbt und verputzt sind. Der Bücken der Decke trägtnoch den alten Baoksteinfliesenbelag.Die reichliehe Beleuchtung des Innenraume erfolgteeinstens im lianghause durch fünf zweiteilige Maßwerkfenster,von denen die drei auf der Nordseite liegenden, wie auch dasnördliche Chorfenater, tadellos erhalten sind (Text-Abb. 10und 11). Außerdem war noch der Chor durch zwei mit reichemMaßwerk geftUlte Rundfeneter beleuchtet (Text-Abb. 16).Zu bemerken ist, daß sämtliche Maßwerkfüllungen je auseiner Werksteinplatte gehauen sind und bei jeder ein anderesMotiv zur Anwendung gekommen ist.An dem Äußeren der Nordseite zieht sich unter denFenstern ein Kaffgeeims hin, das zu beiden Seiten von denprofilierten fickUsenen des Baues aufgenommen wird. DieEcilisenen sind bündig mit dem glatt gefaßten Sockel undgehen oben in das mit Plättchen, doppeltem Rundstab undHohlkehle profilierte Hauptgesims über. In Höhe des Hauptegesimes ist die westliche fensterlose Giebelseite durch eineinfoches Traufgesims untergeteilt, und die profilierten Giebel-


317 Fr. Gebhardt, Alte bemerkenswerte Kapellenbauten in Württemberg. 318säume endigen in einer ebensoschön als wirkungsvoll gebildetendoppelten Kreuzblume{Teit-Abb. 15).ursprünglich mag die Kapelleähnlich wie die Dreifaltigkeitskapellein Maulbronn miteinem schlanken DachreiternachZisterzienserartauSgestattetgewesen sein, bis laut Inschriftauf der Westseite des Turmesunter Abt Fuchs im Jahre 1620über dem Chor der jetzigemassigeTiirm aufgeführt wurde,bei welcher Gelegenheit dasöstliche Chorrosettenfensteraußen vermauert worden ist.Die auf der Nordseite vonLanghaus und Chor angebrachtenStein metzzeichen sind inText-Abb. 17 dargestellt Urkunden,welche uns Über dieAbb. 10. Nördliches Chorfenster.Abb. 11. Mittleres nöi-dliches Langhausfenster.St. Kilianskapelle in Sctönthal.f-a-it-t-'H-Abb. 13. RippenprofiLliin ChOf.Abb. 14.Triamphbogen.Abb. 15. fixeuzblume aufdem WestgiebeJ.Abb. 12. Scblullstein im Choigewölbe..IICflRlll^g-Abb. 16. Badfeuster im Chor.


319 Fr. Gebhardt, Alt© bemerkenswerte Kapeüenbauten in Württemberg. 330Zeit der Krbaiiung und den Baumeister der Kapelle unterrichtenkönnten, scheinen bis jetzt zu fehlen. Es liegt nahe,in dieser Hiusicht nach dem^ ' T ' I K ^ ^ L i ^^^ wenige Stunden entferntenWimpfen i. T. zuAbb. 17. Steinmetzzeichen. ,,. , '^ T ir,bücken) wo mit der Errichtungder dortigen Eilianskapelle durch Burkhard vonHall (1289 bis 1300) die Bautätigkeit des XIII. Jahrhundertsan der St. Peterskirche abschließt; allein eine Vergleichungder Bauformen zeigt sofort, daß der Meister in SchÖntbal einanderer war, als derjenige zu St. Peter in Wimpfen. Währenduns hier die flüssigen Formen der französischen Hochgotikentgegentreten, sehen wir in Schönthal Motive undFormen, aus denen noch ein gewisses herbes, jedoch selbstständigesund echt deutsches Kunstempfinden spricht, dasuns in mancher Hinsicht an die frühgotischen Bauten Eßlingenserinnert. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir.esin Schönthal mit einem Kloster der Zisterzienser zu tunhaben, die bekanntlich gerade in der Zeit des Übergangsstilsund der Frühgotik durch eine rege fortschrittliche Bautätigkeitan der <strong>Sp</strong>itze schritten und infolge der engen Verbindungihrer Klöster untereinander auch, stets mit „Franzien'^in Fühlung standen.Es ist tief bedauerlich, daß die alte Haupt-Klosterkirchevon Schönthal uns nicht mehr erhalten ist, denn einem ausdem Jahre 16S6 stammenden Kupferstich nach zu schließen,scheinen Chor und Querhaus dieser Kirche ähnlich wie dieSt Kilianskapeile, Schöpfungen des frühgotischen Stils gewesenzu sein, während das dreischiffige Langhaus noch ausder romanischen Zeit stammte.M. E, darf die Erbauung der St. Kilianskapelle, welchenach Paulus zu den tüchtigsten frühgotischen Bauten unseresLandes zählt, in die Zeit von 1250 bis 1300 zu setz^^ sein,HU Magnnskapelle in Crossen zu^en.Und nun wollen wir noch zuguterletzt aus dem unterenJagsttal in das obere Donautal, aus dem Gebiet desMuschelkalks in dasjenige des obersten weißen Jura zu denmontes albi der Römer emporsteigen und jenen südlichenTeil des A.bfaUs der Alb aür oberscbwäbischen Schuttebeneaufsuchen, wo aus dieser der mit Kirche und Burg gekrönteKegel des „Herrscherbergs von Oberschwaben", der Bussen,aufragt, wo in dem Waldesdunkel des Teutschbuchs mächtigeSteinwäUe, die Zufluchtstätten eines uralten Yolkes, ruhen,und wo die jugendfrische Ach, von der Wimsener Höhlekommend» ihre klaren, forellenreichen Wasser durch einstilles, von Laubwaldhöhen umsäumtes Wiesental der Donauzuführt. Es ist die von Naturreizen und geschichtlicher Stimmungso reich erfüllte G-egend von Äwiefalten, wo durchAbt Wilhelm von Hirsau am Ende des 11. Jahrhimderts einBenediktinerkloster gegründet wurde, eine Anlage beinaheso umfangreich wie das Mutterkloster und mit einer Kircheausgestattet, deren Untergang durch Abbruch im 18. Jahrhunderteinen wirklichen Verlust <strong>für</strong> die Geschichte der besondershochstehenden Bautätigkeit der Hifsauer Schulebedeutet.„Obwohlen einer oder der Andere widriger Meinunggewesen**, berichtet der Klosterdironist, wurde im Frühjahr173S in einem Kapitel der Abbruch der alten Klosterkirchebeschlossen. Wie grftndlioh diese Arbeit hernach durch die ausdem Nachbarorte Baach stammenden Maurermeister Joseph undMartin Schneider besorgt worden ist, da<strong>für</strong> zeugt der Umstand,daß von dem ursprünglichen Bau auch kein Bruchstückauf unsere Tage gekommen ist. Daß der Abbruchgedankenicht aus der Baufälligkeit des alten Mtlneters allein erklärtwerden kann, mag daraus erhellen, daß der Chronist in seinerzum Teil mit köstlichem Humor gewürzten Baubeschreibungausdrücklich bemerkt, daß Pulver zur Anwendung gebrachtwerden mußte. Es war eine gründliciie Wandlung der Lebensgewohnheitenwie auch des Geschmackes eingetreten, und esist die sieghafte Gewalt der sinnen völligen Künste des 18. Jahrhundertsgewesen, mit der gegen das scheinbar Veralteteund Unzeitgemäße hier wie in Schönthal j "Weingarten undWiblingen in rücksichtsloser Weise vorgegangen wurde.Der Klosteranalist berichtet, daß das Kapitel die beidenMaurermeister Joseph und Martin Schneider außer mit denAbbrueharbeiten auch mit der Fertigung eines RisBes <strong>für</strong>eine neue Klosterkirche beauftragte und daß unter ihrer Leitungdie umfangreichen Grab- und Pfahlgründungsarbeitenso gefördert wurden, daß am elften Heumonat 1740 diefeierliche Handlung der Grundsteinlegung vor sich gehenkonnte. Dann fährt der Chronist wörtlich fort; ^Da manvermerkt, daß die Maurermeister J. und M. Schneider Ueberein Gewölb von Holz als von Stein in die neue Kirche thätenmachen und ohnedem ein dergleichen Werk von jenen nochniemals ist gemacht worden, so hat man sich, sicher ausein, um einen Mann gesehen, welcher ein solches Werkbesser verstehe; so ist dann der dortmalige in der Kunstberufene Pater Stuarth von Eegensburg über Augsburg anherokommen; endlich aber ist Herr Fischer von München ausBayern gebürtig' als Baumeister inskünftig angenommenworden, welcher schon zuvor in dem ßeiohsgotteshausOchsenhausen bekannt gewesen und ist dann mit ihm einneuer Vertrag gemacht worden, nachdem er zuvor seinenneuen Riß zur Kirchen gezeigt hatte und die Ursachen,warum er den alten Kirchenriß verwerfe, angezeigtj die zweiTürme ausgenommen."Im weiteren erfahren wir unter anderem, daß die prächtigenöewölbefreeken von dem viel beschäftigten Maler FranaJoseph <strong>Sp</strong>iegier, die Stukkaturarbeiton von Johann MichaelFeichtmayr in Augsburg, die außerordentlich kunstvollenSchlosserarbeiten am Ohorgitter von dem SohlossergesellenJoaepf Bttssel und diejenigen am Vorhallegitter von demKlosterschlosser Jüngling in Goseenzugen herrühren- Wohlunmittelbar nach Vollendung des Rohbaues der Münsterkirche,deren Einweihung im Jahr 1752 stattfand, wurde in der nurzwei Kilometer von Zwiefalten entfernten KlostergemeindeGossenzugen die St. Magnuskapelle erbaut Es ist einunendlich liebliches Bild, wenn goldener Sonnenschein überdas Zwiefaltener Tal sich breitet und das zu Füßen und amHange einer das Achtal im Norden gleichsam TerriegelndenFelsengruppe gelagerte Dörfchen mit der auf vorgeschobenerKuppe stehenden Magnuskapelle in Licht tmd Glana getauchtist.Ein mir von dem katholischen Pfarramt in Zwiefaltengütigst zugestellter Auszug aus den in der PÜRnregistraturbefindlichen Notizen über die dem Kloster Zwiefalten inkorporiertenPfarreien und Kapellen besagt, daß die Gössen-


321 Kaiser-'Willielin-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 322zugener Kapelle im Jahre 1749 siu Ehren des heiligen undwundertätigen' Abtes Magnus, des Apostels der Schwaben,aus den Gaben der Gläubigen auf Anregung des KlosterabtesBenedikt, der am 6. September desselben Jahres die Örund-Abb. 18. St. Magnustapelle in Gossenzugen.Inneres E&upigesims.r t r r TT 7 11 1 ^ , __J2.steinlegung vornahm, erbaut wurde, und daß in dem Dorfevorher keine Kapelle gestanden habe; ferner, daß die Wölbungund den Altar Gemälde von bemerkenswert;er Kunstschmücken, welche der sehr berühmte Maler Franz Joseph<strong>Sp</strong>iegier fertigte, und endlich, daß die Stukkaturarbeit mitgleicher frommer Hingabe von dem hervorragenden KünstlerJohann Michael Feiohtmayr, Bürger von Augsburg, ausgeführtwurde*Wir begegnen also hier denselben Künstlern, welche dieMünsterkirche in Zwiefalten schmückten, und wenn auch indiesen Notizen der Name des Architekten nicht genannt ist,80 kann m. E. ein vergleichendes Architekturstudium keinenZweifel darüber aufkommen lassen, daß der Baumeister derMünsterkirche in Zwiefalten und derjenige der Kapelle inGossenzugen ein und derselbe war; denn der Kapellenbauzeigt dieselbe Geschicklichkeit im Aufbau und ganz denselbenfonnalen Charakter wie der benachbarte Münsterbau.Als Baumeiser ist m. E. kein anderer anzusprechen als JohannMichael Fischer, der viel begehite Architekt, welcher alskurkOlniacher Hofbaumeister im Alter von 75 Jahren am6. Mai 1766 in München starb und der nach seiner an derFrauenkirche daselbst atißen an der Südwand angebrachtenGrabschrift 32 Kirchen, 23 Klöster und Paläste gebaut hat.Auch darf m. E. weiter angenommen werden, daß der ebensokunstvolle als zierliche sohmied eiserne Glockenständer aufdem First der Kapelle sowie einige sonstige feine Schlosserarbeitenim Innern der Kapelle von dem in Gossenzugenwohnhaft gewesenen Klosterschlosser Jüngling herrühren, der,wie wir gesehen haben, das treffliche Yorhallenabschlußgitterin der Münsterkirche fertigte.Betrachten wir die Grundrißanlage der Kapelle (Abb. 7Bl. 42) und das Schaubild (Text-Abb. 1, S. <strong>309</strong>), so haben wires mit einem außen achteckigen, innen runden Zentralbauzu tun, der im Osten durch eine Nische <strong>für</strong> den Altar, imWesten durch eine solche <strong>für</strong> eine Empore erweitert und miteiner in den Dachstuhl hineingreifenden Holzkuppel überdecktist (Abb, 6 Bl, 42). Höchst bemerkenswert erweist sich dieBildung des Daches, das unter Vermeidung ausgesprochenerHohlkehlen und Grate in äußerst weicher Form Ober Zentralbauund Nischen gelegt ist.Flüssige, zart behandelte Stukkaturarbeiten zieren dieInnenwände, und ein schön gestimmtes Freskogemälde, eineSzene aus dem Leben des Hl. Magnus darstellend, schmücktund weitet durch flotte Perspektive das Kuppelgewölbe.Es ist ein äußerst fein empfundener Innenraum, dessenWirkung auf eine ganz andere Note gestimmt ist, als wiediejenige der Standorfer Kapelle. Es kann kaum eineninteressanteren Vergleich als den zwischen diesen beidenKapellenbauten geben, um unter anderem auch zu bemessen,welche Wandlung in bezug auf religiöses Kunstempfinden imLauf von fünf Jahrhunderten vor sich gegangen war.Sind in der Zwiefaltener Münsterkirche die dreiSchwesterkünste zu einem „Rieaenorchester" zusammengetreten,so haben sie sich in der Magnuskapelle zu einemHauskonzert vereinigt, dessen Feinheit und Harmonie inVerbindung mit der Stille und Abgeschiedenheit des Ortesauf ein empßlngliches Gemüt erhebend wirkt und dessenwesentlicher Charakterzug als kein fremder, sondern als eingut deutscher bezeichnet werden darf.Quellen.Adftmy, Architektonik auf histor. und äathet. Grundlage. 1884.Hager. Die romao. Kirchenbaukutist m Schwaben.Keppler, Württ. Mrchl. Kunstaltertümer,ObersmtsbeschroibuDgen von Künzelsau, Mergentheim andMünsiogen, Herausgegeb. vom K. Württ stat, topogr. Bureau.Paulus, Das alte uod das neue Kloster in Zwiefaltea.Pfeiffer, Kultur uod Kunst io Obersofawaben.<strong>Zeitschrift</strong> d. histor. Vereins f. d. württ Franken. V.Band, 111-117.Zeller, Die Stiftskirche zu Wimpfen i. Tal. 1903.Katser-WUhelm-Institut fUr Landwirtschaft 1B Bromberg.Zu den MuSnahmen, welche von der Staatsregierungzur wirtschaftlichen und kulturellen Hebung des Ostens, sowiezur Stärkung des Deutschtums in den ehemals polnischenLandesteilen in Aussicht genommw sind, gehj^ unter anderemauch die, Errichtung der landwirtschaftlichen Versuchs- und(Hit AbbilduDgen auf Blatt 43 und 44 im Atlas.)[All« Bbcht« Torbthalton.)Forachungaanstalten in Bromherg. Die ausgeführten Anlagensollen nach Umfang, Auerttstung und Zweckbestimmung sowohlwissensohafüichen Forschungen dienen, als auch zurBelehrung und Förderung der praktischen Landwirte beitragen.Man hofft durch eine solche Tätigkeit nicht nur in den


323 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtsohaft in Bromberg. 324näcUstbeteiligten Provinzen Posen und 'Westpreußen, sondernin dem gesamten Osten der Monarchie — abgesehen von dernational-politischen Wirkung große wirtschaftliche Brfglgezu erzielen. Hatte doch der Osten bisher weder ein tierhygienisches,noch ein pflanzenpathologisches Institut; überihre große Bedeutung <strong>für</strong> die Behörden und <strong>für</strong> die praktischenLandwirte kann aber ebensowenig Zweifel bestehen,als über den Nutzen agrikultur-bakteriologischer Institute.Es kann hier darauf verziehtet werden, die Aufgabenund Ziele der einzelnen Abteilungea, aus denen sichdie landwirtschaftlichen Anstalten in Broinberg zusammensetzen,näher zu schildern und das Bauprogramm daraus zuentwickeln. Bemerkt sei nur, daß ähnliche, größere Anlagenin Deutachland nicht bestehen und daher die zur Gesamtanlagegehörigen Bauten erat nach längeren, eingehendenBeratungen zwischen den beteiligten Ministerien bezw. nachAnhörung sachverständiger Leiter verwandter Institute inBerlin festgestelU wurden.Die Anstalten umfassen folgende Baulichkeiten:a) ein Hauptgebäude, enthaltend das pflanzenpathologischeund das meliorationetechnische Institut, mit dem eine meteorologischeStation verbunden ist, außerdem die Yerwaltungsräumeund einige den einzelnen Instituten gemeinsame Hörsäle;b) ein tierhygienisches Institut, zu dem zwei Stallgebäudegehören;c) ein agrikultur-chemischesundbakteriologischeslnstitut;d) zwei Pfltanzenhäuser, das eine zum chemisch-bakteriologischenInstitute, das andere zum pflanzen pathologischen Inatitutegehörig;e) die nötigen Nebenanlagen, unter anderen auch eineDilngerBtätte und eine Fuhrwerkwage.Ferner sind <strong>für</strong> die oberen und mittleren Beamten folgendeWohnhäuser gebaut:f) zwei Wohngebäude mit je zwei Dienstwohnungen <strong>für</strong>höhere Beamte;g) ein Wohngebäude mit Dienstwohnungen <strong>für</strong> einenObergärtner und einen Eechnungsbeamten, sowie mit einemAnbau <strong>für</strong> das Kesselhaus des zum pflanzenpathologischenInstitute gehörigen Pflanzenhauses.Schließlich seien hier noch erwähnt die baulichen Anlagenauf den anstoßenden Versuchsfeldern und zwar:h) zwei gemauerte Versuchsparzellen;i) ein Scheunengebäude;k) Nebenanlagen, -wie Drainage, Wasserversorgung unddie nötigen Wege zur Bewirtschaftung der Versuchsfelder.Mit der Ausführung dieser Bauten wurde im Sommerdes Jahres 1903 begonnen, nachdem im vorangegangenenWinter die Vorentwürfe der Öesamtanlage, sowie die Kostenanschlägeund ausftlhTliohen Entwürfe zuu\ Hauptgebäude undzu dem einen Dienstwohngebäude <strong>für</strong> höhere Beamte in derBauabteilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten aufgestelltwaren. Dieser von dem üblichen abweichende Wegder Beschaffung der Entwürfe mußte nämlich gewählt werdenmit Rücksicht auf ein© möglichst schnelle Erledigung derAngelegenheit, welche jeden Zeitverlust ausschloß, sowie inAnbetracht des Ümstandes, daß es in der Regel in der Provinzan geeigneten Kräften <strong>für</strong> Bol


325 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Broraberg. 326gebäude zut Aufnahme von Ernten, sowie von Getreide- undsonstigen Sämerei-Vorräten, und außerdeni zwei gemauerteYorsuchsparzelien errichtet, die am Schlüsse noch näher beschriebenwerden. Zur Einfriedigung des Grundstocks ist,soweit die Bebauung reicht, ein einfaches, schmiedeeisernesGitter auf gemauertem Sockel hergestellt, während die ümwebrungder Versuchsfelder an den Straßen sowohl wiegegen die Dienstgärteu durch einen Zaun aus verzinktemEisendraht erfolgt.BanauBfUhrang.Bei sämtlichen Gebäuden sind die Bankette der Fundamenteund der untere Teil des Sockelmauerwerks aus Stampfbetonin einer Mischung von 1 Teil Portlandzement, 3 Teilen scharfenSand und 6 Teilen gewaschenen Kies hergestellt worden. Vondem sonst im Osten üblichen Feldsteinmauerwerk mußte abgesehenwerden, da der Feldstein in der Umgegend vonBromberg schon sehr selten und daher zu teuer ist. Anderseitsaber wurde dem Betonfundament mit Rücksicht auf dieungleichmäßige Preßbarkeit des bereits erwähnten Tonbodenseine größere Zugfestigkeit durch Einlegen von Flachschienengegeben.Zur Erzielung trockener und gesxmder Kellerräumeschließlieh wurden die äußeren Keilerumfassungswände miteiner 50 cm starken Schicht von Ton und mit einer Kiespackungversehen, in welcher alsdann Drainrohre zur Abführungdes sich ansammelnden Wassere verlegt wurden.Letztere sind wiederum an das städtische Kanalisationsnetzangeschlossen. Außerdem ist das Kellermaüerwerk gegenaufsteigende Erdfeuchtigteit dxireh Lagen von Gußasphalt,sowie auf den Außenflächen, soweit sie im Erdboden liegen,durch Goudronanstrich auf 2 cm starkem Zementputz ausreichendgesichert. Über den unteren Teil des Sockelmauerwerkshinaus ist <strong>für</strong> alles Mauerwerk Ziegelstein und Kalk*mörtel verwendet worden. Hierbei haben die Sockel derHauptgebäude eine mehr oder weniger hohe Verblendung ausschlesisohen Granitplatten erhalten; bei dea Bauten vongeringerer Bedeutung sind dagegen die dicht über dem Erdbodenliegenden Teile der Umfassungsmauern entweder auchaus Stampfbeton mit Zementverputz oder aus Eisenklinkemin Zementmörtel hergestellt. Die Fassaden sämtlicher Gebäudesind durchweg in einfachen und schlichten Formengehalten; sie haben im Hinblick auf das Klima, das gegenSturm undRegen möglichst dichteUmfassungswändewünschenswertmacht, gi*ößtenteil8 einen guten Verputz aus hydraulischemKalkmörtel erhalten. Nur bei den Stallgebäuden istvon diesen Putzflächen ein möglichst geringer Gebrauch gemacht,weil der Verputz bei solchen Gebäuden erfahrungsgemäßschlecht hält. Der verwendete hydraulische Kalkstammt aus Rtidersdorf bei Berlin (R. Guttmann u. Jeserich).Die Fenster- und Türeiufassungen und einzelne im Interesseder architektonischen Wirkung auszuzeichnende Flächen sinddurch Verblendung mit ausgesuchten Ziegelsteinen, welchesämtlich in der Umgegend von Bromberg hergestellt wurden,besonders hervorgehoben. Abgesehen von den nötigen Keilsteinen<strong>für</strong> die Bogen der Fenster- und Türöffnungen ist dieVerwendung von Formsteinen aufs äußerste beschränkt. DieDachstQhle sind sämtlich, mit Ausnahme der Glasdächer, ausKiefernholz hergestellt und vornehmlich mit Mönch-Nonnensteinender Jirma Falk u. Ko. aus Graudenz eingedeckt; nurZeiti^irift f. Banwesui. Jaluff. <strong>L<strong>VII</strong></strong>.die Scheune und die Pflanzenhäuser haben eine Abdeckungvon Pappe bezw. Glas erhalten. Außerdem sind die Turmhaubenund Abzugsschachte auf den Hauptdächern, sowie dieErkerdächer teils mit Biberschwänzen, teils mit Kupfer versehen.Kupfer ist auch zur Herstellung der Dach- und Abflußrinnenbei den drei Hauptbauten verwendet worden; beiden übrigen kleineren Gebäuden dagegen sind sie in Zinkausgeführt. — Im besonderen sei zu den einzelnen Baulichkeitenfolgendes bemerkt:a) Das Hauptgebäude.Das 66,25 m lange, dreigeschossige Hauptgebäude (Abb. 5Bl. 43) ist in seiner dem Bülowplatz zugekehrten Vorderfrontdurch einen kräftig vortretenden Mittelbau und zwei schmalereSeitenvorsprünge gegliedert. An seinen beiden Seiten wirddieser Mittelbau von zwei mit Kupfer gedeckten Türmchenflankiert, während das Giebelfeld einen in Stuckbewurf ausgeführtenpreußischen Adler zeigt. Einen besonders reichenSchmuck weist ferner die aus Eichenholz gefertigte Haupteingangstürauf. Auf einer über dem Kämpfer angebrachtenKartusche sind in reicherer Holzbildhauerarbeit die Zeichender Landwirtschaft ausgeschnitzt Im Kellergeschoß befindensich im südlichen Flügel die Wohnungen der Diener,während die übrigen Eäume zur Aufnahme der Kessel <strong>für</strong> dieSammelheizung, zur Aufbewahrung von Kohlen, Glaesachen,Chemikalien und Gerätschaften dienen. Rechts und links vomHaupteingang sind imErdgeBchoß(Abb. 7 BL 43) die Verwaltungsräume,bestehend aus dem Zimmer des Direktors, demVerwaltungsbureau und dem Kaesenraum angeordnet. Hieranschließen sich nach beiden Seiten die Arbeits- und Sammelräumedes pflanzenpathologischen Instituts. Dieses besteht auseiner zoologischen und einer botanischen Abteilung, deren Aufgabedie Erforschung der gesamten Biologie der tierischenund pflanzlichen Schädlinge im allgemeinen und besondersder Schädlinge unserer Kulturpflanzen ist. Beide Abteilungenverfügen auch <strong>für</strong> Lehrzwecke, Kurse usw. Über geeignetePraktikantenräume. Für die wissenschaftlichen Arbeiten derInstitutsmitglieder sind besondere, zoologische und botanischeLaboratorien bestimmt, die <strong>für</strong> alle morphologischen undphysiologischen Arbeiten, besonders was den mikroskopischteohnischenApparat anlangt, in einer den weitgehendstenAnforderungen genügenden Weise ausgerüstet sind. Besondersgünstig liegen die Mikroskopiertische der botanischen Abteilung,da sie nach Norden angeordnet sind. Das Laboratorium desZoologen hat dagegen zwei sehr brauchbare S ebenräume ineiner ofTenen und einer mit Glas verdeckten Halle; siedienen zur Aufzucht von Schädlingen und ähnlichen Arbeiten,bei denen es auf günstige Lüftungs- und Lichtverhältnisse ankommt.Ferner besitzt das Institut <strong>für</strong> chemische und bakteriologisch-mykologischeArbeiten ein chemisches Laboratoriumund ein mit den nötigen Sterilisatoren ausgerüstetes Kulturenzimmer.Das Arbeitszimmer des ersten AssiBtenten istgleichzeitig <strong>für</strong> mikroskopische Arbeiten eingerichtet. KinSaal ist femer zur Aufnahme der Bücherei und derSammlungen bestimmt. Für mikro- und makroskopische Arbeitenist im zweiten Stockwerk ein großes Atelier mitDunkelkammer eingerichtet. Das Dienerzimmer wurde, mit<strong>Sp</strong>ülvorrichtung und großen Trockenschränken versehen, diemit einem durch Gas heilbaren Apparat zur Bereitung21


327 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 328destillierten Wassers vevl>«ndeii\ sind. Gegenüber dem Hanpteiiigaiigführt eine stattliche Haupttreppe mit reich geßchmiedetemGeländer zu den Räumen des Ober- und Dachgeschosses.Dieses Treppenhaus ist, wie nebenbei bemerkt sei,mit Absicht seitlicli der Mittelachse des Gebäudes angeordnet,um eine spätere Erweiterung des Mitteliiaues nach dem Hofezu ermöglichen. Das Obergeschoß (Abb. 6 BI. 43) nimmt inseinem nördliclien Flügel die Zeichen- und Sammlungssäledes kuUiirtechnischen InstiUits und das Arbeitszimmer <strong>für</strong>den Vorsteher dieses Instituts auf. Außerdem befindet sichhier ein Raum <strong>für</strong> die meteorologische Station, welche demknlturtechnischen Institut angegliedert ist. Dieran seliließeusich zum Gebrauch <strong>für</strong> die sämtlichen Institute zwei Hörsälemit 126 bezw. 88 Sitzplätzen und das Konferenzzimmer an.Da diese Hörsäle in der Hauptsache nur <strong>für</strong> rednerischeVorträge geplant sind, wurden auch die Sitzreihen nicht ansteigend,sondern unmittelbar auf dem Fußboden angeordnet,wogegen der ßednerstand zur Erzielung besserer Hörsamkeitum 20 cm über dem Fußboden erhöht ist. Gegenüber diesenRäumen liegt hofseitig der große Hörsaal nebst dem Vorbereitungszimmer.Die Kinrichtung des großen Hörsaales istso ansgefEihrt, daß in ilim Versuche und Bilder durch denBildwerfer voigeführt werden können. Er hat daher auchansteigende Bankreihen mit 190 Klappsitzen, sowie an sämtlichenFenstern von einer Stelle aus zu bedienende VerdunklungsVorrichtungenerhalten. Außerdem ist der großeExperimentiertisch mit allen <strong>für</strong> wissenschaftliche Versuche erforderlichenEinrichtungen und Abzügen versehen. Fernerist dieser Hörsaal mit seinem Vorbereitungszimmer abgesehenvon einer Tür durch eine 1,50 m hohe und 1,30 m breiteDurchreichöffming verbunden, "welche an beiden Seiten durchSchiebefenster geschlossen und als Äbzugsöffnung <strong>für</strong> Gasebenutzt werden kann. Im Dachgeschoß schließlieh isthofseitig die bereits oben erwähnte photographische "Werkstattnebst Dunkelkammer untergebracht, während in derVorderfront zwei Wohnungen <strong>für</strong> die Assistenten eingerichtetsind. Der übrige Teil dieses Geschosses besteht aus Bodenräumen,Im Kellergeschoß ist der Fußboden aus Zementestrichauf Betonunterlage ausgeführt, nur die Zimmer der Dienerbezw.Heizer Wohnung haben einen in Asphalt gelegten Stabfußbodenvon Yellow - pine erhalten. Letztere Fußbodenartfinden wir auch in den oberen Stockwerken in denjenigenRäumen, in denen besonders mit Säuren gearbeitet wird, alsoz. B. in dem <strong>Sp</strong>ülraum, im zoologiechen und chemischenLaboratorium, in dem Vorbereitungsraum des großen Hörsaalesusw. In den DienerkOchen und den erwähnten Hallendes Erdgeschosses ist Gußasphalt zur Verwendung gekommen.Alle übrigen Räume jedoch haben bis auf die Flure undTreppenabsätze, die mit einem Terrazzobelage versehen sind,einen Linoleumfußboden auf Betonuuterlage erhalten. Fastdurchweg sind die Decken massiv hergestellt; und zwar sinddiejenigen der Flure überwölbt, während die der einzelnenBäume als Äckermannsche Betondecken zur Ausfährung gelangten.Ausgenommen hiervon sind die geschalten und geputztenBalkendecken der Assistentenwohnimgen und diegroße Hörsaaldecke, welche zur Erzielung einer guten Akustikals sichtbare Holzbalkendecke ausgebildet wurde. Die Treppensind ebenfalls fast sämtlich aus uarerbrennbareni &toft> hergestelltund gegen den Dachboden feuersicher abgeschlosBen.Die Stufen bestehen bei den Freitreppen, den Kellertreppenund den zum Erdgeschoß führenden Treppen aus Granit, beiden übrigen Treppenläufen hingegen aus Kunststein. Undzwar sind die Stufen der Haupttreppe aus Qranitbeton gestampftund mit geschliffenem Terrazzo belegt, wogegen dieStufen der Turmtreppe in Kiesbeton ohne geschliffene Ober*fläche hergestellt sind. Holz wurde nur bei den wenigenStufen, welche zu den Wohnungen der Assistenten im Dachgeschoßführen, verwendet. Die Wandflächen sind mit ICalkmörtelverputzt und zwar in allen Arbeitsräumen, Flurenund Treppenhäusern in erreichbarer Höhe unter Zusatz vonZement.Auf dieselbe Höhe wurde auch ein Ölfarbenanstrichhergestellt, während darüber hinaus Leimfarbenanstrich verwendetwurde. Nur die Hörsäle und Flure, sowie dieEingangshalle und das Treppenhaus haben eine etwasreichere Ausmalung erhalten. Außerdem ist der große Hörsaal,passend zu seiner Holzdecke, mit einer paneelartigen,gestäbten Holztäfelung von 2 m Höhe ausgestattet worden.Das Dienstzimmer des Direktors, sowie die Wohnräume derDiener und Assistenten sind mit Tapeten versehen. Fensterund Türen sind, mit Ausnahme der aus Eichenholz gefertigtenHauseingangstüren, aus bestem Kiefernholz gearbeitet unddunkelbraun lasiert; nur die Außenseiten der Fenster habenzur Belebung der Fassaden einen weißen Ölfarbenanstricherhalten. Die Fenster sind zum größten Teil als Doppelfenstermit oberem Kippflügel ausgeführt; ausgenommen sind nurdiejenigen der Nebenräume und der Flure, <strong>für</strong> welche einfacheFenster genügten. Die Ijatteibretter in den mit Heizkörpernausgestatteten Fensternischen, sowie die Fußleistenin den Fluren und in den Treppenhäusern wurden zwecksbesserer Haltbarkeit aus Schiefer hergestellt. Die innereEinrichtung, die Wasserversorgung, Beleuchtung und Erwärmungder Bäume sind am Schluß behandelt. Das Hauptgebäudeenthält eine bebaute Grundfläche im Erdgeschoß von1026 qm und ist ganz unterkellert. Bei den Geschoßhöhendes Kellers von 3,20 m und des Erdgeschosses, sowie desersten Stockes von je 4,35 m ergibt sich unter Berücksichtigungdes höher geführten Mittelbaues, der Drempel, derSeitenflügel und der größeren Höhe des großen Hörsaales (zudurchschnittlich 2,03 m Höhe gerechnet) ein Inhalt von14292 cbm, so daß bei den Gesamtausführungskosten (ausschließlichder inneren Einrichtung) von 212 400 J^ sich alsEinheitspreise <strong>für</strong> 1 qm 207,02^ und <strong>für</strong> 1 cbm 14,86 J«ergeben.b) Das tlerhyglcfiisohe InstitutDieses aus einem Hauptbau (Abb. 1 Bl. 43) und zwei Stallbautenbestehende Institut ist in erster Linie zur Forschung undBekämpfung von Tierseuchen bestimmt. Außerdem soll es aberauch zur weiteren Ausbildung und Belehning von Tierärztenund Landwirten dienen. Es ist daher mit allen Einrichtungenzur Haltung gesunder und kranker Tiere, zur Immunisierungund Serumgewinnung, sowie zum Studium der in das Reichder mikroskopisch kleinen Lebewesen gehörigen Krankheitserregerausgerüstet. Daneben sind, wiß auch in den anderenInstituten, Kursuszimmer und Arbeitsräume <strong>für</strong> Praktikantenvorhanden. Bezeichnend <strong>für</strong> das Institut sind die zahlreichenund sehr großen Fensteröffnungen, durch die den Arbeits-


329 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 330und Sammlungräuraen räne ge^ffaltige Lichtfülle zugeführtwird. Der zweigeschossige Hauptbau hat in der Achse dernach Süden gerichteten Hinterfront in dem als Tufm ausgebildetenTreppenhaus© den Haupteingaiig. Eechls davonführt eine besonder© Haustür zu der im östlichen G-iebel desSockelgeechoeses gelegenen Dienerwohnung, während der Zugangzu den sonstigen, den Institutszwecken vorbehaltenen Kellerräumenunter der Haupttreppe liegt. In dem Kellergeschoß(Abb. 4 Bl. 43) sind zunächst Räume <strong>für</strong> grobe Arbeiten, <strong>für</strong> dieSammelheizung und Kühlräume vorgesehen. Hier finden wirferner Räumlichkeiten zur Unterbringung kleiner Versuchstiere,zur Aufstellung von Brutschränken und Zentrifugen,sowie zur Aufnahme eines kleinen Korischen Verbrennungsofens<strong>für</strong> Tierkadaver und eines Entkeimungeapparates. Letztererist zum Entkeimen von Geschirrstücken, Decken und sonstigenkleineren Gegenständen bestimmt und mit zwei Türen anbeiden Stirnseiten ausgestattet; der Raum, in welchem eraufgestellt ist, hat dementsprechend auch zwei äußere Eingängeund eine mittlere Trennwand erhalten, so daß die zuentkeimenden Stücke von der einen Seite hineingeschafft undund auf der anderen in gereinigtem Zustande herausgenommenwerden können, ohne von neuem mit Infektionserregern inBerührung zu kommen. Schließlich steht das Kellergeschoßdurch eine kleine Nebentreppe mit der Obduktionehall© inVerbindung; letztere liegt zum.bequemen Hinein- und Herausschaffender Tiere zu ebener Erde und hat eine besondere Einfahrtan der Straßenfront Das Erdgeschoß (Abb. 3 B1.43}nimmt die eigentlichen wissenschaftlichen Arbeitsränme des Institutsauf; hier gruppieren sich um einen mittleren Flurgangder nach Norden gelegene Kursussaal und ein Arbeitsraum <strong>für</strong>die Assistenten nebst Nährbodenküche, sowie auf der anderenSeite des Treppenhauses die Geschäfts- und Arbeitsräumedes Vorstehers, das aseptische Zimmer und ein chemischesLaboratorium mit Wägezimmer. Zwischen diesen beidenGruppen liegt in der Mittelachse des Gebäudes die bereitsoben erwähnte Halle <strong>für</strong> hygienische und Fleischbeschanvorführungen,<strong>für</strong> Arbeiten an Versuchstieren und eingesebicktenObjekten. Sie ist ebenso wie vom Kellergeschoß auch vomErdgeschosse durch eine kleine Nebentreppe bequem zu erreichen.Anderseits aber schließt die Lage der Halle aus,daß von ihr aus schlechte Düngte in die Arbeitsräume desErdgeschosses dringen und die Luft derselben verpesten. DasObergeschoß (Abb. 2 Bl. 43) dient hauptsächlich zu BüchereiundSammlungszwecken, Hier liegen jedoch auch hofseitig diebeiden Assistentenwohnungen und die Räume <strong>für</strong> Makro- undMikrophotographie nebst dem zugehörigen Dunkelzimmer undKopierraum. Das Dachgeschoß schließlich enthält nurBodenräume, die zur Aufbewahrung von Kisten usw. dienen.Die Treppen sind sämtlich massivj und zwar bestehen dieäußeren Freitreppen und die Kellertreppen aus Granit, wogegenalle übrigen Treppen aus Kunstsandstein hergestelltund mit Linoleumbelag versehen sind. Di© Überdeckung derzum Institute gehörigen Kellerräume erfolgte mit ilachenKappengewölben, die der anderen Geschosse, sowie der Diener-Wohnung im Kellei^eschoB mit Aokermannsohen Betondecken.Der Fußboden besteht sowohl in den Kellerräumen, wie imDaohgösohoB aus Zementes&ich auf Magerbeton. In derDiener Wohnung jedoch ist, wie im- Kursussaal imd in dendrei Laboratoriumsräumen, Stabfußboden von Yellow*pine zurVerwendung gekommen, während die Bäwme, in denen besondersmit Flüssigkeiten gearbeitet wird, als die Nährbodennnd<strong>Sp</strong>ülküche, das aseptische Zimmer, die Dunkelkammerund der Präparationsraum, einen Fliesenbelag erhalten haben.In den noch übrigen Räumen finden wir zum Teil Linoleumbelag,zum Teil, nämlich in den Fluren, Aborten und in derObduktionshalle, Terrazzofußboden. Zum Schutze gegen dieÜbertragung von Infektionserregern ist in den Laboratorien,dem aseptischen Zimmer, sowie in der Obduktionshalle undder Nährbodenküche auf eine besonders sorgfältige WandbekleiduDgBedacht genommen worden. Dementsprechendwurde der Wandputz in diesen Räumen in einer Höhe von1,90 m mit geglättetem ßobinsonzement hergestellt und mitSchmelzfarbenanstrich versehen; der Kalkmörtelputz darüberhat einen abwaschbaren Ölfarbenanstrich erhalten. In denübrigen Räumen ist einfacher Leirafarbenanstrich verwendet,nur das Geschäftszimmer des Vorstehers und die Wohnzimmerder Assistenten und des Dieners sind tapeziert. Die Türenund Fenster entsprechen denjenigen im Hauptgebäude.Die bebaute Fläche des Gebäudes beträgt 573 qm; derumbaute Raum hingegen beläuft sich bei einer Geschoßhöhevon 3,20 m im Untergeschoß und je 4,20 m im Erd- tmdObergeschoß — unter Ausgleich des hochgefülirten Treppenturmesund des teilweise ausgebauten Dachgeschosses durcliden tiefer bleibenden Anbau — auf 6647 cbm. Bei den Ausführungskostenvon 112000 ^ entfallen somit auf 1 qm195,46 Ji und auf 1 cbm 16,85 J^.Zum tierhygienischen Institute gehören ferner zweiStallgebäude. Sie sind südlich von dem Hauptbau angeordnetund zur Unterbringung von Großvieh bezw. Kleinviehbestimmt. Die Architektur dieser Bauten schließt sichder der übrigen Gebäude an; durch die hohen Ziegeldächerund die abgewaUnten Giebelaufbauten, sowie dureh die denDächern aufgesetzten LüftungstÜrmchen und einen Treppenturmist eine malerische Wirkung erzielt worden. Jedesder Gebäude enthält zwei durch je einen Operationsraumgetrennt© Abteilungen <strong>für</strong> gesunde und <strong>für</strong> angesteckte Tiere. ImGroßviehstallgebäude (Abb. 15 Bl. 44) ist femer zur Sicherungeines zugfreien Zuganges zwischen der Operationshalle und deneigentlichen Ställen je ein Quergang geschaffen. Am Endedieses Ganges ist in der öesundenabteÜung eine Geschirrkammer,in der Abteilung <strong>für</strong> Infizierte dagegen ein Treppenaufgangzum Futterboden angeordnet Bei dem Kleinviehstallgebäude(Abb. IG u. 17 Bl. 44) sind die beiden. Abteilungen durchje eine Futterküche nebst Öeschirrkammer und einen Treppenaufgangabgeschlossen. Brstere sind unterkellert, um Raum zur*Aufbewahrung von Rüben, Kartoffeln usw. zu gewinnen.Letztere führen teils zu einer Wärterwohnung, teils zu einemBodenraum, der zur Unterbringung von Käfigen för kleineVersuchstiere bestimmt ist Die Stallräume haben eine lichteHöhe von 3,70 bezw. 2,50 m und sind mit preußischenKappen zwischen eisernen Trägern überwölbt. Die Pferdeständebesitzen eine Breite von 1,75 m, die der Binder einesolche von 1,49 m, d. h. Abmessungen, welche mit Rücksichtauf ein bequemes Lager <strong>für</strong> die kranken Tiere zweckmäßigerscheinen, anderseits aber Obelstände infolge Querstellungder Tiere nicht be<strong>für</strong>chten lassen. Die Länge der StändeIst sehr ausgiebig, auf 3,40 m bemessen wurden. Besitzennun die einzelnen Rindviehslände keineTrenmtngsvorrichtuugen,21*


331 Kajser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 33230 erfolgt die Äbscheidung der Standplätze in den Pfoideställenduch feste, 1,35 m hohe Trennwände aus Eichenholz,denen sogenannte Trennwandgitter aus Eisen in halber Längeaufgesetzt sind; die Schweine- und Schafbuchten dagegensind durch ^j^ Stein starke, 1,40 m hohe Wände und nachdem Futtergange zu durch eiserne Öittertüren eingefaßt. Inden Sch'weine- nnd Rinderstäüen bestehen die Krippen schalenaus glasiertem Ton. In den Pferdeställen sind gußeiserne,emaillierte Tröge in den massiven Futtertisch eingesetzt,während aufstehende Kaufen mit Einlagegitter über diesembefestigt wurden. Diese Art der Raufen mußte ausgeführtwerden, um das Entstehen von Augenkrankheiten bei denTieren zu verhüten, die durch die hochhängenden Korb- oderLeiterraiifen nur zu häufig verursacht werden. Zur besserenReinhaltung haben ferner die Wandfläehen oberhalb derKrippentiseile in den Pferdeständen 95 cm hohen, elfenbeinfarbigenFliesenbelag erhalten. Außerdem wurden die geputztenWand flächen der Stallräume und der Operationshallenmit heller Ölfarbe gestrichen und die Ecken abgerundet.Die Stallräume sind weiterhin mit luft- und wasserdichtenFußböden versehen, um ein Eindringen von läulniserregendenStoffen und Kleinlebewesen, sowie ein Entstehen übler Gaseund Infektionserreger zu verhindern. Im Öroßviehstalle istdaher der Fußboden aus hochkantig versetzten und mit Zementvergossenen Klinkern ausgeführt, während <strong>für</strong> den Kleinviehstallgebügelter Zementbeton gewählt wurde. In den Operationsi-äumenfinden wir wiederum einen Asphaltbelag, der nachder Mitte zu abgewässert und an den Wänden etwas hinaufgezogenist. Das Gefälle der Standplätze beträgt auf ihrerganzen Länge 5 cm, es verläuft nach offenen Rinnen, dieihrerseits in besondere, mit Abspen'schiebern versehene Jauchesammeitöpfeführen. Hier wird die angesammelte Jaucheund das <strong>Sp</strong>ülwasser erst in geeigneter Weise gereinigt, bevores in die allgemeine Entwässerungsleitung abgelassen werdenkann. Die Fenster sind in den Stall- und Operationsräumendurchweg aus Schmiedeeisen hergestellt und haben in ihremmittleren, oberen Teile nach innen aufschlagende Kippflügelmit seitlichen Backen erhalten. Ferner steht jede Stallabteilungund jeder Operationsraum mit der Außenluft durcheinen von der Decke des Raumes bis über Dach geführtenDunstschlot aus verzinktem Eisenblech in Verbindung- Dieserwird an seinem untaren Ende von einer Drosselklappe,oben durch einen Deflektor abgeschlossen. Eine im Innerendes Dachraumes hergestellte Ummantelung aus Holz, sowiedie Ausfüllung des Zwischenraumes mit Sägemehl verhindert*ein Niederschlagen des Sehweißwassers an den innerenWandungen der Schlote und sein Abtropfen in die StalLräume. Die äußeren Eingangstüren der Stallräurae sehlagennach außen so weit auf, daß sie sich ganz gegen die Außenmauemlegen und an diesen festgestellt werden können.Zur ungebundenen Bewegung der Tiere in freier Luftsind ferner vor bezw, zu Seiten der Stallgebäude acht Außenboxenvon je iO und 22 qm Größe angelegt worden. Hierbeiwird namentlich den Schweinen und Schafen das Betretender Laufkoppel durch die an den Längsseiten des Kleinviehstallesvorgesehenen äußeren Eingangstüren sehr erleichtert.Die Einfriedigung besteht aus schmiedeeisernen T-Ständern,in welche drei bezw. vier überananderliegende wagerechteStränge von starken Gasrohren eingeschoben sind. Außerdemsind bei den Kleinviehboxen die unteren Teile der Umfriedigangmit senkrechten Zw lachen Stäben versehen undzum TeU untermauert, um ein Durchkriechen und Unterwühlender Gitter zu verhüten. Schließlich sei noch einerGrube Erwähnung getan, die an der Westfront des Großviehstalleszur Ansammlung der bei den Operationen entstehendenAbfälle angelegt ist. Sie ist 1,50 x 2,40 m großund 1 m tief, wasserdicht in Klinkermauerwerk und Zementmörtelhergestellt und mit eichenen Bohlen abgedeckt.Das Gebäude des Großviehstalles hat eine bebaute Grundflächevon 190 qra und bei 5,80 m Höhe einen umbautenRaum von 1102 cbm; es ergeben sich daher bei 17000 J(/Ausfflhrungskosten <strong>für</strong> 1 qm 89,47 ^ und <strong>für</strong> 1 cbm15,43 Jd Bankosten, Beim Kleinviehstalle beträgt die bebauteFläche im Erdgeschoß 224 qm, wovon 48 qm unterkellertsind, und der umbaute Raum im ganzen, unter Berücksichtigungdes hoher geführten Teiles <strong>für</strong> die WärterwohnüDg,der TurmnndGiebelaufbauten, rd. 1500 cbm. Die Baukosten belaufensich auf 23800 M, also kosten 1 qm bebauter Fläche 106,25..^und 1 cbm umbauten Raumes 15,87 Jii.c) Das Rgrikultur-chemlache und bakteriologische InstitutDas agrikultur-chemische und bakteriologische Institut, indessen Arbeitsbereich alle auf die EmlUirung der landwirtschaftlichenNutzpflanzen und -Tiere bezüglichen Untersuchungen gehören,ist in einem zweigeschossigen und zum Teil im Dachgeschoßausgebauten Gebäude {Abb. 8 bis 11 Bl. 43) an der Hohenzollernstraßeuntergebracht. Bei der Anlage dieses Institutswurde vor allem "Wert darauf gelegt, die zahlreichen, zur Untersuchungkommenden Proben von Dünger und Futtermitteln,Bodenarten und Erntefrüchten bereits in den KeUerräumenzur Prüfung vorbereiten zu können, bevor sie in dieoberen Arbeitsräume gelangen. Wir finden daher im Kellergeschoßneben Yorratsräumen <strong>für</strong> Glasgeräte und Chemikalieneine geräumige, mit Trockenschränken ausgestattete <strong>Sp</strong>ülküche,sowie einen Maschinenraum, in welchem elektrischbetriebene Zerkleinerungs- und Schüttelmaschinen die Vorbereitungder zu untersuchenden Proben bewirken. Die gereinigtenGlassachen und die zur Analyse hergerichtetenProben können alsdann mittelö Aufzuges oder über einekleine Wendeltreppe in die oberen (Jesohosse befördert werden.Im Kellergeschosse ist femer neben dem <strong>Sp</strong>ülraume einKessel zur Gewinnung destillierten "Wassers aufgestellt. Diesessoll nämlich w^en seiner vollkommenen Reinheit nicht nur<strong>für</strong> alle chemischen Arbeiten Verwendung finden, sondernauch während der Sommermonate in großen Mengen in derVegetationsstation des Instituts zur Deckung des Wasserbedarfsder in etwa OOO Gefäßen angebauten Pflanzen dienen.Die von der Firma Bitter-Bielefeld ausgeführte Destillieranlageist daher in einem großen Maßstabe angelegt; enthältdoch der erforderliche <strong>für</strong> 0,5 Atm. Überdruck eingerichteteDampfkessel (BÜnflammrohrkeasel) bei einer Mantellänge von1,82 m 6 qm wasaerberührte Heizfläche. Der in diesemKessel erzeugte Dampf, der nebenbei zur Erwärmung größererTrockenschränke und Wasserbäder verwendet werden kann,gelangt durch eine besondere Leitung auf den Dachbodendes Gebäudes und wird hier mittels einer kupfernen Kühlvorrichtungniedergeschlagen. Das in einem geräumigenKupferbehälter gesammelte, destillierte Wasser fließt alsdann


333 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 334vom Boden mittels natürlichen Gefälles durch eine Leitungaus reinem Zinn in die einzelnen Laboratoriumsräume. ImKellergeschoß (Abb. 9 BL 43) seien schließlich noch erwähntdie Dienenvohnung und die Räume zur Unterbringung derSammoihGizungsanlage, sowie ein zweiter hinterer Ausgang,der im besonderen zum bequemen Einbringen der Probendient. Das Erdgeschoß (Abb. 10 Bl, 43) nimmt neben denGeschäftsräumen des Institntsvorstehers und einer Handbüchereinur die chemischen Laboratorien auf. Hier gruppieren siehum ein großes Hauptlaboratorium die den besonderen Zweckendes Instituts dienenden und <strong>für</strong> diese besonders eingerichtetenkleineren Arbeitgräunie, nämlich ein Stickstoff-, PhosphorBäurc-,Polarisations-, Proben- uud Stinkzimmer, sowie ein besonderesgrößeres Praktikanteiilaboratorium. Der sonst übliche Mittelflurist absichtlichweggelassen und demmit Glastüren versehenenHauptlaboratoriumzugeschlagen"worden, umeinmal eine bessereÜbersicht, andermalaber auch eine bequemeund gefahrloseBeförderung derleicht zcrbreclilichenGlassachen zu ermöglichen.Im er s tenStockwerke (Abb.11 BJ. 43) ferner istdie aus einem Mikroskopiersaale, einemSterin sierzi mm er unddem Arbeitszimmer des Ijeiters bestehende bakteriologischeAbteilung untergebracht. Der genannte Mikroskopiersaal istebenso -wie das in demselben Geschosse befindliche Laboratorium<strong>für</strong> Pflanzen Züchtung nach Norden gelegt worden, um<strong>für</strong> die feinen, mikroskopischen Arbeiten möglichst viel ruhigesNordlieht zu gewinnen. Zur Vermeidung von ungünstigenSchattenwii'knngen ist alsdann in diesen Räumen der untereTeil der Fenster ohne Mittelpfosten und <strong>Sp</strong>rossenteilung ineinem einzigen Flügel ausgefülirt. Weiterliin befinden sichin dem ersten Stockwerke ein elektrolytisclies, mit drei Schalttafelnzur Regelung des elektrischen Stromes ausgestattetesZimmer, zwei Bäume <strong>für</strong> Bücher und Sammlungen und einkleiner Hörsaal nebst Yorbereitnngszimmer, Dieser mit 52 Sitzplätzenversehene Saal ist ähnlieh wie der große Hörsaal desHauptgebäudes eingerichtet und besJt?.t einen Experimentiertisch(Text-Äbb. 1), der mit einer pneumatischen "Wanne, mitGas-, Wasser- und Entwässerungsleitung, sowie mit elektrischerKraftleitung versehen ist.In der Mitte der obersten Sitzreihen ist ein Platz <strong>für</strong>den Tisch freigelassen, der bei Fernprojektionen den Lichtbildwerferaufnehmen soll. Auch hier lassen sicli die "Verdunklungsvorrichtungender Hörsaalfenster von einer Stelleaus zuziehen und wieder öffnen. Erwähnt sei ferner imersten Stockwerke das photographische Zimmer, das miteiner Quecksilberdampflampe ausgestattet wui-de. Im Dachgeschoßschließlieh sind außer den üblichen BodenräumenAbb, 1, Hörsaal im agrikultur-cheiniscbeii uod bakteriologischen Institut.zwei Assistentenwolmungen und einige Yorratsräume unter-gebracht-Die Ausführung des Gebäudes entspricht der der beidenanderen Hauptgebäude. Auch hier sind sämtliche Decken,sowie die Decken der Dieiierwohnung im Kellergeschossemassiv, als Ackennannsche Betondecken hergestellt. Nur dieim Dachgeschoß liegenden Räume haben Balkendecken erhalten,wogegen sämtliche Kellerräume, abgesehen von derBienerwohnung, mit flachen Kappengewölben abgedeckt sind.Zur Ausführung der Freitreppen wurde Granit verwendet,<strong>für</strong> alle inneren Treppen hingegen Kunstsandstein mit Linoienmbelag.Der Fußboden im Kellergeschoß besteht zum größtenTeil aus Zementestrich auf Magerbeton, im <strong>Sp</strong>ülraum jedochund im Destillierraum zwecks Erzielung größerer Reinlichkeitaus Fliesen. In derDienerwohnung findenwir ferner, wiein den Laboratorienund denjenigen Käumen,welche besonderseiner Beschädigungdurcli Säurenausgesetzt sind, ähnlichwie im Hauptgebäude,einen inAsphalt gelegtenStabfußboden. DioTreppenabsätze undFlure haben auchhier wieder einenTerrazzobelag erhalten,während <strong>für</strong> alleübrigen Räume Linoleumbelagauf Zementestrich verwendet wurde. Entsprechendden Maßregeln im tierhygienischen Institut gegen die Übertragungvon Infektionserregern ist ebenfalls hier in einigenRäumen auf eine besondere sorgfältige Herstellung der AVandbekleidungBedacht genommen worden. Daher haben dieLaboratorien, wie überhaupt alle zu chemischen Zweckenbestimmten Räume bis zur Höhe von 1,90 m geglättetenZementputz von Robinsonzement mit Schmelzfarbenanstricherhalten; darüber hinaus ist Kalkmörtelputz mit abwaschbaremOlfarbenanstrich verwendet worden.In allen übrigen Räumen kommt genau wie bei denentsprechenden Räumen des tierhj'gienischen Instituts Leimfarbenanstriehbe?,w. Tapeziernng zur Terwendung; auch inbetreff der Ttir- und Fensteranlagen kann, abgesehen vonden bereits angeführten Fenstern in den Mikroskopiersälendes ersten Stockwerks» auf die Angaben bei dem tierhygienisehenInstitut Bezug genommen werden. Die bebaute Fläche desganz unterkellerten Gebäudes beträgt 573 qm. Der umbauteRaum hingegen bei den Geschoßhöhen von 3,20 m imKeller und von je 4,20 m im Erd- und Obergeschoß, sowieunter Berücksichtigung des 1 m hohen Drempels und deshöher hinauf geführten Teiles des zweiten Stockes, etwa7800 cbm.Demnach kosten bei der Ausführungssumme von 124000.^1 qm bebauter Fläche 216,41 Ji und 1 cbm umbautenRaumes 15,91 M.


335 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 336ft) Oie Pflanzen hftuaar.Für das agrikultur-chemische und bakteriologische Institut,sowie <strong>für</strong> das pflanzenpathologische Institut ist je einbesonderes Pflanzenhaus zur Vornahme von Einzelversuchenhergestellt werden.Das Pflanzenbaus fttr das erstere Institut (Abb. 11bis 14 Bl. 44) besteht in der Hauptsache aus einem nach Südengerichteten Glashause von 15,50x6,50 m Größe, dem nachNorden zu eine Schreibstube und ein Geräteraum voi-gelagei-tsind. Letzteren Räumen schließen sich zu beiden Seiten zweije 16 m lange, nach Süden zu oiTene Schuppen an. Vor ihnenbefinden sich ebenso wie vor der oben erwähnten Glashallein ihrer ganzen Länge 4,00 bezw. 6,50m breite Kieswege, dievon allen Seiten mit verzinktem Drahtnetz zur Fernhaltungder Vögel umgeben sind (Text-Abb. 2). Hierbei ist das Gitternetz8» fein und hoch ausgeführt, daß eine Schädigung derPflanzen durch Lichtmangel nicht zu be<strong>für</strong>chten ist.Die genannten Kiesflächen sind nun wie die dahinterliegende Glashalle und die offenen Schuppen von FeldbahngläsendurchÄOgen, um eine bequeme Fortbewegung derin Kübeln vorzunehmenden Versuche auf kleinen Wagen in undaus deu geschützten Hallen gestatten zu können (Text-Abb. 3).Auf einem rechtwinklig zu diesen Gleisen liegenden Schienenpaarkann ferner in jeder Halle ein kleiner Gewiohtswagenzur Festßtellung der Gewichte der einzelnen Pflanzenkübelbewegt werden.Das Glashaus ist mit Ausnahme der völlig massiv gemauertenNordwand auf Kiesbeton-Fundamenten und -Sockelgänzlich aus Schmiedeeisen und Glas erbaut und mit denselbenStoffen gedeckt. Nur die <strong>Sp</strong>rossen des Glasdachessind zur Verhütung der lästigen Schweißwasserbildtmg ausPitch-pineholz gefertigt.In den übrigen Räumen, sowie bei den drahtumspanntenFlächen ünden wir ebenfalls die tragenden Stiele, die Wandpfoetenund Binderkonstruktionen aus Schmiedeeisen hergestellt,wogegen ihre ümfassungswände massiv gemauert undauf den Außenseiten unter teilweiser Ziegelverblendung mithydraulischem Kalkmörtel geputzt sind. Als Dach dienthier eine doppellagige Dachpappe, welche auf gespundeter,kiefemer Schalung angebracht ist.In diesem Dache sind ferner zwecks besserer Erhellungder offenen Schuppen insgesamt acht feststehende Oberlichteaus Kiefernholz mit eichener <strong>Sp</strong>rossenteilung angebracht undmit ^/^ rheinischem Glase verglast.Zu den lotrechten Glaswänden wurde */^ rheinischesGlas gewählt, zur Bedachung des Glashauses hingegen alswirksamerer Schutz gegen Hagelschäden Drahtglas.Im Innei-n sind die Wflnde gefugt und geweißt. Nurdie Schreibstube, sowie die massive Wand der Glashalle sindgeputzt und mit heller Leimfarbe gestrichen, um <strong>für</strong> photographischeZwecke einen guten, glatten Hintergrund zu erhalten.Ale Fußboden dient im Glashause und im Gerftteraumzwecks bequemer und sorgfältiger Herstellung vonBodenmiscbungen ein Zementestrich auf einer Betonunterlage.Die Schreibstube hat zur Erzielung eines warmen Fußbodensauf eloem Korkestriche Linoleumbelag erhalten, während füidieoffenen Hallen eine einfache Kieslage genügte.Heilbar ist nur die Schreibstube vermittels eines Kachelofens;<strong>für</strong> die Bewässerung der Anlagen ist durch reichlicheAnordnung von Zapfstellen Sorge getragen worden, — Dieeigentlich bebaute Grundfläche des vorstehenden Pflanzenhausesbeträgt nun 389 q^m, während die drahturaspanntenFlächen insgesamt 231 qm groß sind. Demnach entfallenbei einer Ausführungssumme von 13 000 hetw. 1700 J^ auf1 qra bebauter Fläche 33,41 ^ und auf 1 qm drahtumspannterFläche 7,35 Ji Baukosten.In diesen Preisen sind jedoch die Kosten zur Herstellungder Gleisanlagen nicht mitenthalten. Letztere sind vielmehrbei der Ausführung der Kebenanlagen zur Anrechnunggekommen.Bei dem Öe wächshause des pflanzen pathologischenInstituts {Abb. 8 bis 10 Bl. 44) bildet den Hauptraumeine sattelförmig abgedeckte Glashalle von 8,16x24,63 mGröße. An ihrer östlichen lÄngseite ist unter dem herübergeschlepptenGlasdache ein Sterilisationeraum, sowie eineAnzahl ganz von Glaswänden umschlossener, heizbarer und staubdichterKammern <strong>für</strong> Fflanzenzüchtung und <strong>für</strong> InfektionsundTreibversuche angeordnet worden, wogegen den nördlichenTeil des Hauses ein Schi-eibzimmer und zwei kleinere Vorratsgelasseeinnehmen. An der Südseite des Gewächshausesschließt sich wiederum in der Tiefe der Glashalle ein 15 mlanger Kiesplatz an, der von allen Seiten von einem Drahtnetzauf leichten Etsengerüsten umgeben ist.Vier Schienenstränge durchziehen die Glashalle und denumgitterten Raum und ermöglichen es, daß die Wagen mitden Pflanzenkübeln leicht und ruhig heraus- und hereingeschobenwerden können.Die Bauart der Glashalle und der anschließenden Glaskammernist ähnlich wie die des Pflanzenliauses des chemischenInstituts. Auch hier sind die Fundamente und dieetwa 70 cm hohen Sockel aus Kiesbeton hergestellt; indiesen sind dann die senkrechten aus T- und C-Eisen bestellendenKonstruktionsteile eingestampft, welche das Gerippeder ganz aus Eisen und Glas hergestellten Umfassungenbilden und die ebenso ausgeführte Bedachung tragen. Nurder am nöi-dliehen Ende des Hauses liegende Teil istin ausgemauertem Eisenfachwerk hergestellt und mit einemdoppellagigen Pappdach versehen.Als Fu6boden kam in der Hauptsache zwecks gründlicherReinigung und sorgföltiger Herstellung von Bodimraischungenein Zementestrich auf Betonunterlage zur Ausführung;nur die Schreibstube hat einen Linoleumbejftg aufKorkestrich erhalten, während <strong>für</strong> den südlicheren Teil derGlashalle und <strong>für</strong> einige Ölaskammern einfach« Kieelagengenügten.Die Verglasung der senkrechten GlaswAnde, sowie derDachflächen entspricht der des eratgenannten Pflanzenhauses,wobei ebenfalls ftlr die Dachsproseen, zur Vermeidung desSchweißwassers, Pitch-pineholz genommen wurde.Zur Abhaltung Ton lästigen Sonnenstrahlen sind fernerdie Dachflächen oberhalb der Glaskammern mit hölzernenSchattendecken bewährter Konstruktion ausgestattetDie Lüftung des Glashauees erfolgt durch größere, mitStellvorrichtungen versehene Lüftklappen, die in dem Betonsockel,im oberen Teil der GlaswÄnde und in den Dachfl^henangeordnet sind. Vor diesen LuftkUppen sind engmaschigeDrahtßiebe angeordnet, um Vögel und gröbere Ünreinigkeitenfernhalten zu können.


337 Kaiser-Wiliielra-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in 13romborg. 338Zur Erwärmung der Schreibstube, des Sterilisatiorsraumesund der sämtlichen Glaskammern dient eine Warmwasserheizung,deren Kessel in einem Anbau des Rendantenwohnhausesuntergebracht ist.Die Heizanlage ist am Schluß dieser Abhandlung näherbeschrieben; bemerkt sei hier nur, daß die Warm Wasserrohrein den Ulaskammern unter den an den Fensterseiten befindlichenPflanzentischenhinlaufen.Letztere bestehenin ihren Konstniktionsteilenvöllig ausEisen und sind mitflachen ZiegeldachsteinenzwischenX-Eisen abgedeckt.Die Tische selbstsind von der lotrechtenAußenwandetwas abgerückt, damitder warme Luftstromunmittelbar auden Fenstern aufsteigenkann. — Von denHeisrohren zweigen sichferner in den einzelnenGlaskammern nach demGlasdach sogenannteTaurohre ab, welche imWinter den auffallendenSchnee zum Schmelzenbringen.Das Pflanzenhaus <strong>für</strong>das pflanzenpathologischeInstitut hat eine bebauteGrundfläche von 308 qm,zu denen etwa 128 qmdrahtumspannter Flächehinzutreten.Da sich nun dieAüsführungskosten ausschließlichder Gleisanlage auf 20 850 Ji hezw, 950 Jisbelaufen, entfällt auf 1 qm bebauter Fläche 67,69 Ji^ undauf l qm umgitterter Fläche 7,42 .^ Baukosten,0. die Ausführung sonstiger kleinerer Anlagen, als AschundMüllgruben, Gleisanlagen bei den Pflanzenhäusern,Laufstallum wehrungen, sowie äußere Beleuchtungsanlagen.Im einzelnen wird zu den Ausführungen folgendes bemerkt:1. Die Umwehrung. Die Einfriedigung des Grundstückeserfolgte, soweit es mit Baulichkeiten besetzt ist,durch eine 70 cmhoho Sockelmauer,auf der ZAviachenMauerpfeilern eineinfaches, schmiedeeisernesGitter mitden erforderlichenQuerverbindungen ineiner Höhe von1,55 m errichtet ist.Es wird am Bülowplatzdurch dasHauptgebäude unterbrochenund enthältAbb. 2. PfIaii;5eHliaus <strong>für</strong> das agrikultar-chemisebö wnd bakteriologische Institut.im ganzen an günstiggelegenen Stellendrei Einfahrtstore,sowie sechs Eingangspforten.Als Baustoff <strong>für</strong>die Sockelfundamontoist, wie bei den übrigenBauten, Stampfbeton verwendetworden, -welcherje nach dem Steigungs­e) Die Nebenantagen.Außer den oben angeführten Gebäuden wurden zur ordnungsgemäßenInbetriebnahme der Anstalten noch folgendekleinere bauliche Anlagen auf dem eigentlichen Baugeländeerforderlich;1. die TJmwehrung des Grundstücks und der Dienstgärtender vier oberen Beamten,2. die Befestigung des Geländes durch Pflaster und Bekiesung,sowie die Herrichtung des Bodens zur Anlagevon Gärten,3. die äußeren Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen,sowie die Gaszuführung zu den einzelnen Gebäuden,4. die Anlage einer Düngerstättc,5. die Herstellung einer Brückenwage,verhältnis der Straßeneine Höhe von 1,20 bis1,40 in erhalten hat.Bei einer Ausführungssuraraevon rund14 900 ^ und einerLänge von 392 m belaufensich die Baukosten<strong>für</strong> 1 m LängeAbb. 3. loueies der Glaahalle des Pflanzeiihau&es,auf 38 Ji.Als Umwehrung der Versuchsfelder sowie der Dienstgärtender vier Oberbeamten dienen Drahtzäune von 1,80 mHöhe. Sie bestehen aus verzinktem Drahtgeflecht von50 mm Maschenweite und sind mit L-Eisenrahmeneinfassungan T-Eisonständern befestigt, die ihrerseits wiederum einenHalt in 00 cm hohen Betonklötzen haben. Besondere Einfahrtstoreund Pforten vermitteln auch hier den Verkehr vonden Feldern nach den Strafen bezw. von den Dienstgärtennach den Instituten.Die Aüsführungskosten <strong>für</strong> diesen, insgesamt 955 mlangen Drahtzaun betragen etwa 5630.^/)^, so daß Im Länge5,90 v^ an Baukosten verursacht hat.2. Die Befestigung des Geländes. Die Befestigungdes Geländes wurde teils durch die Herstellung von Pflasterstraßenund Kieswegen, teils durch die Herrichtung desBodens zur Anlage von Rasenflächen bewirkt. Die Pflagterstraßondienen zur Anfuhr der Brennstoffe <strong>für</strong> die SammelheiZungsanlagenund vermitteln den Verkehr nach den Stall-


339 Kaiser-Wilhelm-Institut <strong>für</strong> Landwirtschaft in Bromberg. 340gebäuden, den Pflanzenhäusern vnd den Yersuchsfeldern vonden städtischen Straßenzügen aus. Die Breite der Fahr-"vs^ege beträgt durchweg 4 m. An einzelnen Stellen jedoch,"wie an der Düngerstätte, der Viehwage und an den Kohlenschächten,sowie überhaupt an allen Stellen, wo ein größererVerkehr in Aussicht steht, sind Verbreiteriuigen des Fahrdaramesvorgesehen.Sämtliche gepflasterte Fahrwege haben gutes Kopfsteinpflastermit Einfassung von bearbeiteten Granitbordsteinenerhalten, wobei auf das nötige Quer- und Längsgefälle zurAbleitung des Tagewassers Rücksicht genommen wurde.Außer diesen Jahrstraßen ermöglichen 3,50 m breiteKieswege den Verkehr zwischen den einzelnen Institutenwährend die übrigbleibenden Flächen durch Herstellung vonEasenanlagen befestigt sind. Man war bei der Anlagedieser Gartenflächen bestrebt, die einzelnen Baulichkeiten mitgrünen Rasenflächen zu umschließen und hierdurch eine bessere"Wirkung der Backsteinarchitektur der Gebäude hervorzurufen.Weiterhin suchte man auch weniger bevorzugte Baulichkeiten,wie die Düngerstätte, Aach- und Müllgruben, mitBuschwerk zu umgeben, um ihren Inhalt, soviel wie möglich,den Blicken des Beschauers zu entziehen. Ferner sindan den Laufliöfen der Stallgebäude, sowie an der Nordseitedes tierhygienischen Instituts gärtnerische Anlagen teilszur Abhaltung von lästigen Sonnenstrahlen, teils zum Fernhaltenneugieriger Blicke von den angrenzenden Straßen ausvorgesehen worden.Nur der östliche, den Versuchsfeldern zunächst gelegeneTeil des eigentlichen Baugeländes wurde nicht bepflanzt.Hier erschien aus praktischen Gründen zur etwaigen vorübergehendenStapelung der Ernteerträge aus den Versuchsfelderneine Kiesachüttung am besten angebracht.Insgesamt wurden 17 880 qm in der geschilderten Weisebefestigt, so daß bei einer AuBführungssumme von rd,37 200 ^ 1 qm 1,53 ^ kostete.3. Die Anlagen <strong>für</strong> die Be- und Entwässerung,sowie <strong>für</strong> die Gasleitung außerhalb der Baulichkeiten sindam Schluß bei Kapitel; „Oasleitung, Wasserversorgung undKanalisation " behandelt.Hier sei mir bemerkt, daß diese Anlagen rd. 13200,^an Baukosten verursacht haben.4. Die Düngeretätte, die zur Aufbewahrung des inden Ställen aufkommenden Düngers dient, wurde mit Rücksichtauf eine kurze Anfuhr von den Stallgebäuden, sowieauch zwecks bequemer Abfuhr nach den Versuchsfeldernhinter dem Kleinviehstalle, an der Grenze der Tersuchsfelderangeordnet. Bei ihrer äußeren Gestaltung waren verschiedeneForderungen zu berücksichtigen. So mußte zur Verhütungeiner Wertverminderung des Düngers, infolge Eintrocknens,ein Schutz gegen Sonnenstrahlen geschaffen werden; auchwar es notwendig, Vorkehrungen zu treffen, um ein Versickernder Jauche in den Untergrund und ein Eindringendes Tageswassere zu verhüten.Schließlich war es geboten, der Düngersätte eine Formzu geben, welche sich der Qesamtanlage der Anstalten anschließt.Sie wurde daher in einer rechteckigen Gestalt, mit6 m innerer Länge und einer Breite von 5 m an dem eingangsgenannten Platze errichtet. Ihre Tiefe beträgt 1,05 m unterGelände. Über diesem wird die Düngerstätto ringsum vonBrüstungsmauern umschlossen, die an den Längeseiten 3 mbreite Öffnungen zur bequemen Hinein- und Heraussehaffungdes Düngers erhalten haben.Die mit Gefälle aus Beton hergestellte Sohle der Grubeund die Innenseite der Umfassungswände sind mit geglättetemZementputz bekleidet. Vom Gelände bis zur Sohle ist dasMauerwerk nach innen im Verhältnis von 1; Ys abgeböscht,damit der Dünger bis an den Eand heran fest lagert undhier nicht der Versohimmelnng anhisimfäUt. Zum Schutzegegen das Eindringen von Tagewasser in die Grube dienen20 cm hohe gemauerte Schwellen bezw. gepflasterte Rinnenvor der Rampe an der Abfuhröffnung.Der mit doppelter Papplage auf Schalung abgedeckte,in gefälliger Jorm ausgebildete Dachstuhi wii-d von zwölffreistehenden, 2 m hohen und durch Eopfbänder verstrebtenHolzständern getragen, deren Fußsohwelle auf der Brüstungsmauerruht. Von dieser an bis zu der weit überhängendenDachtraufe ist die Düngerstätte an allen Seiten offengelassen.Die bebaute Grundfläche beträgt 39


341 Bernh. Hoffmann, Die St. Miohaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol. 342Die St. Micliaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol,(Mit AbbildungeH auf Blatt 45 bis 46 im Atlas.)(Alle Eeclito vorbehalten,)Unweit der belebten Brenrierstraße und doch wenigberührt vom großen Touristenverkehr liegt das Kloster Neustift,Ans der Ferne lockt den Wanderer, der von ßrixennach Norden zieht, der eindrucksvolle Umriß der Klosterkirche,deren gewaltiger romanischer Glockenturm an Höhefast von dem mächtigen Hache des gotischen Chores erreichtwird (Test-Äbb, 1), Wer nun den Umweg nicht scheut, demlohnt reiche Anregung die Mühe. Nach dem Überschreitendes brausenden Eisacka und dem Durchschreiten dos Torgebäudes,das der Länge nach von der Fahrstraße durchschnittenwird, führt der Weg zu den Außengebäuden des Klosters(Abb. 5 Bl. 4G), von denen fast jedes einzelne sich durchmalerischen Eeiz auszeichnet und die Landesart vortreftlichwiederspiegelt. Kur ein Gebäude erscheint hier wie einFremdling, ein Rundbau,halb Burg, halb Kapelle,von seltsamer, infolgekürzlicher Wiederherstellungetwas frostigerMonumentalität. Auchdas eigentliche Klosterbietet des Sehenswertengenug. Mit rücksichtsloserKraft ist die imÄußeren so verschiedenzeitigeKlosterkirche imInneren zu einem einheitlichenRokokobaii vonedler Haltung zusammengeschweißt(Test-Abb. 7); liebevollsteDurchbildung zeigt siehbei den reichen kunstvollenGrabsteinen des Kreuzgauges; naive Selbstj^ufriedenheitund Freude an dem Erreichten spiegelt sieh darin wieder, daßan dem achteckigen von Säulen getragenen Brunnenhäuschen(Text-Abb. 4 u. 6) das Bild des Klosters in Parallele mitden sieben anerkannten Weltwundern in Freskomalerei dargestelltist; jenes luftige Gartenhäusclieu mit hohem Dach(Text-Äbb. 18 u. 19), welches auf acht Säulen der Piscinavom Jahre 1668 steht, läßt konstruktiven Wagemut erkennen;auch mancher andere Bauteil verdient noch reges Studium,Bei all diesen Bauten ist aber der Zwecke <strong>für</strong> den sie er=richtet wurden, klar erkennbar. Bei jenem Rundbau hingegenkommt noch der Reiz des Geheimnisvollen, die Yersehloierungdes Bauzweckes hinzu, um zu längerem Yerweilonaufzufordern.Verfasser dieses hatte nun das Glück, dort im Juni 1903mit Herrn Professor August Thiersch aus München zufälligzusammenzutretfen und im Gespräch über die ursprüüglioheGestalt und Zweckbestimmung jenes Gebäudes schöne Stundenzu verleben. Da die Erklärung der Oi'tsansässigen, daß derRundbau Michaelskapelle oder Engelsburg genannt werde undnach dem Muster der Engelsburg in Rom gebaut sei, nichtausreichend erschien, so wurde das Bauwerk selbst durchZeitschritt f. BaBwesep, Jabrg. LVU.Aufmaß um seine Geheimnisse befragt. Wie es sich späterherausstellte, ist das Gebäude schon mehr als einmal veröffentlicht,und zwar: 1. in der Kunstgeschichte von Tirolund Vorarlberg von Karl Atz, Priester zu Terlan, erschienenBozen 18S5, Seite 133 bis 138; 2. in der Kunst an derHrennerstraße von Berthold Riehl, erschienen Leipzig 1898,Seite 109 bis 112; 3. in den Mitteilungen der K, K. Zentralkommission<strong>für</strong> Erforschung und Erhaltung der Kunst- undhistorischen Denkmale, Wien 189S, Seite 85 bis 88. Wennnun diese Veröffentlichungen hiermit noch um eine vermehrtwerden, so geschielft dies deshalb, weil sich hei eingehenderAufnahme des Gebäudes noch manches ergab, das bishernicht beachtet war, und weil es wichtig erscheint festzulegen,welche Veränderungen bei der Wiederherstellnng von 1902vorgenommen wurden.Diese Wiederherstellunggeschah handwerklichtüchtig. Sehr zu beklagenist es aber, daßdie Arbeiten nicht vonein em kunstgeschichtlichgebildeten Architektenim Sinne der notierenDenkmalpflege geleitetwurden. So wurde einerseitsmanches zerstörtoder willkürlich verändertj was erhaltenswertgewesen wäre, undanderseits die Gelegenheitverpaßt, wertvolleAbb, I. KlöstCL Neastift IQ Tirol.Atif Schlüsse über denBaukörper und seinefrühere Beschaffenheit zu erhalten. Nur einiges konnte Verfasserdurch Befragen des italienischen Poliers, der dieArbeiten ohne weitere Aufsieht geleitet hat, und durch Benutzungvon Photographien aus fiilheren Jahren über dienicht mehr sichtbaren Teile feststellen (Abb. 1 u. 2 Bl. 45).Die Michaels kapeile besteht aus einem zweigeschossigenzentralen Rimdbau mit herumgelegtem Sechzehneck, an desseneiner Seite ein dreigeschossiges Rundtürmchen angebaut ist.Dieses letztere enthält im Untergeschoß den Haupteingang,in seinen oberen Teilen die Verbindung vom Umgang desObergeschosses zur Plattform über demselben.Das Untergeschoß (Abb. 4 BL 46) enthält einen rundenMittelraum von 8,40 m Durchmesser und 4 m Höhe, derjetzt drei Stufen unter Gelände liegt. Nach Nordosten, demTurmvorbau zu und nach der entgegengesetzten Seite schließtsich ohne trennenden Gurtbogen je ein gangartiger Nebenrauman, der sich nach außen erweitert Beim Turmvorbau reichtdieser Gang wieder ohne abschließenden Gurtbogen bis zurAußenseite des Sechzehnecks. Aber auch auf der entgegeügesetztenSeite ist die Außenmauer auflallend dünn, und einLichtbild aus dem Jahre 1902, aufgenommen während derWiederherstellung, als der lockere Verputz entfernt war,22


343 Eernh. Hot'i'mann, Die St. Michaelskapelle beiiii Kloster Neustift in Tirol. 344zeigt an dieser Stelle einen weitgespauiiten Miiuorbogen, dessenHöhe der inneren Tonne entspricht (Abb. 2 Bl. 45). Umdiesen Bug-en recht weit spannen zu können, hat der Erbauerdiese Sechzehneckseile mit 4,30 m etwa GO cm breiterg-emaclit als den Dui'chschnitt der übrigen.Durch diese Beobachtung ist zu folgern, daß das Untergeselioßzur Zeit des Bauens lu'sprünglich von einem anschmälster Stelle 2,32 m breiten Gange durchzogen war, derdem Erbauer so wichtig war, daß er um des Ganges willensein Scchzehneck ungleichseitig gestaltete.Der i'unde Mittelraum ist mit einem Kreuzgewölbe überdeckt(Abb. 1 Bl. 4G). Die im Mittel 45 cm breiten und24 cm liehen Rip]ien schneiden sclu'üg gegen die Wand anund bestehen, wie man unter der Tünche erkennen kann,abwechselnd aus üranitstücken und Mauerwerk. Die gleicheTechnik zeigen die Stirnbogen des eben besprochenen Längsgangesnach dem JLittelraura zu. Wie man aus Ätz') ei'fähit,sind die übi'igcn Bogen in gleiclicr Weise hergestellt.Im rechten Winkel zu der Lärigsachso des Ganges gehtin südöstlicher Richtung die Treppe ab, die nacii oben führt.Sie liegt zwischen Mauern und steigt durch einen großen,jetzt durcii kein Geländer gesicherten Schlitz zum Umgangdes Obergeschosses (Abb. 9 Bl. 4G). Die eine Begrenzungsmauerdes Schlitzes ruht auf der Mitte des steigenden Tonnengewölbesder Naclibarkammer. Der erste Lauf dieser Treppeist mit steigender Tonne überdeckt. Trotz oder wegen derSchlichtheit dieser Anlage Avirkt sie monumental.Gegenüber dem Zugang zu dieser Treppe ist der Hundbogenvermauert. Nur eine kleine Tür führt zu einer <strong>für</strong>Oefängnisz wecke eingerichteten Kammer. Die Stichkappeneben dem Fenster dieser Kammer, mehr aber noch dieansteigenden Kappen der Naehbarkammcr, dargestellt auf demabgewickelten Längsschnitt {Abb. 9 Bl. 46), zeigen deutlich,daß hier eine zweite gleichartige Treppenanlage vorhandengewesen ist. Die übrigen vier Kammern sind ebenfalls mitTonnengewölben überdeckt und bieten in ihrer ursprünglichenAnlage nichts Erwähnenswertes,Die auffallend dicke Decke ist nach Aussage des Poliersdadurch erleichtert worden, daß über die Mitte der Gewölbehinweg, der Begrenzungsmauer der Treppensclilitze entsprechend,eine ringförmige Zungenmauer aufgesetzt ist, diedie Fußbodenkappen trägt. Es sind auf diese Weise unterAbb. 2. Abb. :iGranitkänijjfuiderKuppel. des UingaTiges.dem Umgänge zwei kanalartigeGänge entstanden, die fast umden ganzen Bau führen (Abb. 1Blatt 4G).Im Obergeschoß (Abb. 2Bl. 46) hat der Mittelraum8,80 m Durehmesser und Hmllülie. Er besitzt als architektonischeGliederung nur einGranitgesims (Text-Abb. 2), aus Wulst und Platte bestehend,auf der das Kuppelgewölbe aufsitzt. — Einfach und in guten1) Atz: Merkwürdig ist, daß alle Enden der Tonnengewölbemit einem starken Bogen schließe!), welche von Oranitwürfeln undebenso großen ZiegüUageu gebildet sind, aber ohne Profil; so gefälligsind auch die Rippen des Kreuzgewölbes gebaut. Stüht man in derMitte der Rotunde, so hat man samt den Gurten zehn solcherBogen um sich, was einen prächtigen Anblick gowähil, da Oranitund Ziegel noch ganz neu scheinen.VerliältnisKen gestaltet ist der Altar mit massiver Platte ausiNlarmor und in halbkreisföimig überwölbter eckiger Nischehalb vertieft liegend.^) Darüber befindet sich eine zweit©halbrunde nach der Ilalbkuppel geschlossene Nische.Zu beklagen ist, daß der Büdersulimuck^} der Altat'-nische, der von sämtlichen obengenannten drei Berichterstatterngelübt wird und der in den Mitteilungen derK. n. K. Zentralkommission abgebildet ist, nunmehr verschwundenist. Nach dem Grunde des Vei-schwindens konnteAbb. 4. Haupthof des Klosters mit Brunnenhänscheo.Verfasser seinen Gewährsmann nicht fragen, da er erst durchspäteres häusliches Studium von dem frühereu Bestände erfuhr.Im Herbst 1905 angestellte Nachfragen blieben erfolglos.Es muß also angenommen werden, daß der Polier, ohne zufragen, das Gemälde eigenmächtig zerstört hat. Nach Angabedes Poliers sollen sich früher neben dem Altar noch zwei2) Bertliüid Kiohl: Interessant ist der Altar der oberenKapelle. Er steht in einer niedrigen Nische, was an die altchristlichenÄkrosolion erinnert.3) Atz (1885): Die Altarnische miiit von der Mensa ab 1,75 m.An ihrer Ilinteiwaud befinden sich drei Arten von Malerei. Dieauffallendste ist jene aus dem 15. .lahrhundcrt und füllt mit Figurenbeinahe die ganze Fläche aus. In der Mitt« steht Maria als Jungfraumit gefalteten Händen• • ^nach Art des beicanutenMailänder Bildes: Virginisdesponsatac (Bri.xen,Frauenkirche, SoitenKoh [ff).Rechts davon (im Bilde)der Kreuzträger, Iink.s St.Andieas. Zwischen diesenFiguren sind zwei kleine,einen Tcppicli haltendeEngel angebracht. Letztere,sowie die oberstenTeile der drei übrigen Gestaltennnißten wii- erstvon der Tünche befreien.Die Malerei scheint mirungemein schön zu sein,eine ähnliche wäre imKreuzgango in Brixengleich am Eingänge vomSemiuaie (Ostaeite) her zubeobachten, bie ißt aufeinem glaa h a rte n (Jrundeausgeführt, der aber einigeAbb. 5. Blick in den Umgang.Zentimeter über der Mcnsa einen noch älteren Grund sichtbar läßt.Auch dieser ist ornamentiert, meist in brauner Farbe. Die dritteMalerei ist in der Bogenleibung und Umgebung der Apsis undbesteht aus i'oher Zopfklexercl. —Mitteiluntj;cn (1899); Das AVandfeld dieser Lünette schmücktein interessantes Freskogemalde (s. die beigegebene Tat 2), welchesunr geringe l^eschädigungeu aufweist. Seine in drei Feldern abgegrenztenDarstellungen reichen nicht bis zur Menöaplatte herab,m->(i war mutmaßlich ehedem dieser nicht bemalte Teil der Lünetten-


345 Beruh, floffmann, Die St. Michaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol 346Abb. 6.Bi'unnenliäusühen.Nischen befunden haben, die er als störend zn^'cinauert hat.Die Stellen, die er an der Wand zeigte, sind im Schnitte{Abb. 1 Bl. 46) punktiert angedeutet.Der Kuppelraum empfängt sein Lieht durch ein großesspitzbogiges Fenster, welches den Granitsims der Kuppeldurchscliueidet. üer Polier will beim Ausbessern der Sohlbankdieses Fensters Profüsteinteile gefunden haben, diedarauf hinweisen, daß dieses Fenster früher durch Pfostengeteilt war. Daß dieses spitzbogige Fenster nicht die ursprünglicheBeleuchtung darstellt, ist ohne weiteres klar. Von denfrühereu Fenstern sind an der Kuppeltroramcl zwei äußereHälften als Kisclicn erhalten, imd zwar gegenüber dem Altareine Rundnische, außerdem seitlich eine Langfeiisternische.Für die Lage der anderen Fenster können nach derWiederherstellung des Putzes höchstens aus denAbflachungen der Kuppeltrommel unsichere Schlüssegezogen -worden. Zum Glück gibt hier Atz^) dio ganz bestimmteAngabe, dalJ er nntor dem damaligen Dache vier romanischeLang- nnd zwei Rundfenster erkannt habe. Der Abstandder erhaltenen Fensternischen paßt <strong>für</strong> eine Seehstcilung.Das zweite Kuudfenstcr wird demnach über dorn Altar gelegenhaben. Ein Rundfenstor war <strong>für</strong> diese Stolle besonders geeignet,da anscheinend Fensterachso und Ältarachse nichtzusammen fiel und diese Unregelmäßigkeit beim Rundfensteram wenigsten bemerkt werden konnte. Die lialbrunde Nischeüber dem Altar, -welche ein Fenster über diesem ausschließenwürde, dürfte später eingebrochen sein.^) Beim Aufmaßergab sich, daß diese Nische mit ihrer llnterkante 1,19 m,mit ihrer Oberkante 0,82 m tiefer liegt als die entsprecheadenStellen des 5 m entfernten Außen fenstcrs. Dieser Höhenunterschiedkonnte von den früheren Forschern nicht bemerktwerden, weil das ehemalige Dach jedes j\rcssen vereitelte.Der Fußboden des Innenranmes besteht aus einem altenfesten, in Form von Platten gerissenen Estrich.'')Um den Kuppelraum ist ein sechzehneckiger Umgang^)lierumgclegt, dessen lichte Weite zwischen 2,68 und 2,83 mschAvankt, beim Treppentum sogar nur 2,22 m beträgt. DerUmgang (Abb. 9 Bl. 46.) i.st überwölbt und zwar, wie manans dem Grundriß (Abb. "2 Bl. 40) sieht, mit sehr unregelmüßigenKreuzgewölben, deren Wirkung trotzdem vortrefflich4) Atz (188;')): DaB einmal das ganze Dach nitdi-iger dem Rundbausich anlegte, ist klar, denn unter dem Datiho fanden wir vierrumänische J^ang- und ;swci Eiindfenster, je ((ines dieser fandön wirhalb, die übrigen ganz vormauort. Vielleicht waren fri'dier allegeschlossen und dio Füllung ist von den genannten nur herausgefallen,wie sie sich auch bei den übrigen dur(di große <strong>Sp</strong>rängevon den Fensterwändon absondert. Das Fenster D (das Langfeiiater)ist mit eiufaehon Bruclisteinen gewölbt, der Fensterf^tock besteht aberaus einem, jetzt allerdings gesprungenert Steine; dagegen ist dasEundfenster (/") aus gewaltigen OrarntkeÜen gefügt, der aubereDurchmesser betragt 1 m, der inuero im Lichten 0-5Ü in.5) In den Mitteilungen 1899 werden die ganz vermauertenFenstei' incbt erwidint. Die dort ausgesprordieno Annahme, daß diehalbkreisförmige Nische über dem Altai" aus einem Laugfenster hergestellt.sei, ist wegen des Höbenuntcrsehiedes hinfallig.G) Atz spricht von unregelmäßigen Platten.7) Bei'thold Uiehl: Die AulJenmauer dio-ses Umganges istsoehzehnseitig, was unwillkiirlieh wieder an dio karolingüsche Kunsterinnert.vwand durch eine Lichterbauk aus llolx vüfiJeckt. DieiiDgleichfÖrmige Abgrenzung der untej'Cii Partio IIPHWandgeuiüldes, wciobes hier als Aitarbild diente, liUätdeutlich erkennen, daß sich, unter deni ca. li mm starkenFreskoverputze desselben noch ein älteres Fresko befand,von dem die aodh erlialfeuen über das (gegenwärtige (iemäldeherabroicbeuden <strong>Sp</strong>uren einer urnamentalen UmrahmungromaiiiKcho BtilforinoD aufweisen.Bemerkenswert an dem gegenwärtigen, wold amEnde des 35. Jahrhunderts entstandenen, als Freskogemalten Triptyehon ist die schhclite, kräftige Zeichnungder Madonna im Mittell'elde und der beiden Engelsköpfcüber dem gemusterten Teppichbehang, welelier den Fondder Madonnenfigur bildet. Besonders kunstvoll in derModelUerung zeigt sich das Haupt des kreuztragondenChristus, dessen seeiisoher Ausdruck von großer Wirkungist. Das Gegenstück dieser Eigur bildet jene dosheil. Andreas mit dem Kreuze, am rechten Flügel.ingcsichts der melirfachon baulichen A^'eranderungcn,welche die yt. Miebaeliskapelle im Laufe der Zeitenerlitten hat, und hinsichtlich des ü"mstandes, daI3 dereigentliche Kapellenraum .seit längerer Zeit als Depot <strong>für</strong>alteEisenbestandteile u.dgl. dient, ist es zu verwundern,daß das vorerwähnte l'^reako so gut erhalten geblieben ist.Abb. 7.Innenan-sicht der Klosterkirche.22*


347 Bernh. Hoffmann, Die St. Miohaelskapelle heim Kloster Neustift in Tirol. 348Abb. 8 bis 15. Feiistorsäulen und Xa[i!tclle,Abb. S. Fold 2,Irmen.Abb. U, Feld 4.0,5Abb. 10. Feld 2.Seitenansicht.1;101 : 10Abb. 12. Feld 1. Abb, K.{, Feld 2.Außeriansicht.Abb. U. FoLd 7.J_2SJ__.. M,5„^.ist. Die Wölbunj^^ ist ohne Rippen durchgeführt; die Gratezwischen den Kreuzkappen und zwischen den einzelnen Oewölbejochcnsind lediglioli durch Zuschärfen der busigenGewölbe gebildet (Text-Abb, 5). Die GewCilbe belasten diein einfachster frühester Form zum Teil ans "Wulst und l'Iatte,zum Teil aus Kehle und Platte bestehenden granitenenKämpfer (Text-Abb. 3, S. 343) sehr geschickt.Ein Grund <strong>für</strong> die Unregelmr^.ßigkeit ist nicht klarerkennbar. Am wahrscheinlichsten dürfte es sein, dalJ Zufälligkeitenbei der schwierigen Ausführung während desNeubaues die jet/.ige Gestaltung herbeigeführt haben. Dieswürde den Schluß zulassen, daß eine der jetzigen entsprechendeIJberwölbung von Anfang an geplant gewesensei. Dieser Schluß kann aber nicht mit Sicherheit gezogenwerden, da auch der Wunsch, die dünne Rückwand derAltarnische nicht mit dem Gewölbe in der Mitte zu belasten,bestimmend gewesen sein kann.Ausgeschlossen dürfte es wohl sein, daß die Unregelmäßigkeitnicht im Zufall oder in konstruktiver Ängstlichkeitihren Grund findet, sondern in dem Bestreben, die kleine,nach Angabe des Poliers eingetragene, jetzt verschwundeneNische des Umganges möglichst gegen die Mitte dos Altareszu setzen (Abb. 2 Bl. 46); eine rituelle Begründung <strong>für</strong> dieseAnordnung dürfte fehlen. Daß die Konsolen vor der Erbauungdes Treppenturmos im Mauerwerk saßen, woran freilich auchnoch niemand gezweifelt hat, zeigt sich deutlich an demKonsol nördlich vom Treppenhause. Dieses sitzt in demScchzehneckswinkel ohne Bücksicht auf den Treppenturm,Abb. 14. FeM3. Abb. 15. Feld 7.InnGnaasiclit.2Qn1dessen Maue'rmasse oberhalb des Konsoles eine Nische bildet,— Der sechzehneckige Umgang besitzt an 13^) Seitenmittels Ziorsäulen geteilte Fenster, an einer Seite schließtsich der Trcpponiurra nach der oberen Plattform, an einerzweiten ein Verbindungagang mit dem Nachbarhauso an,während die dritte Seite vermauert ist. Die Breite der ÖffnungenscliAvankt zwischen 1,02 und 1,11 m, die Höhezwischen 1,00 und 1,90 m.Rege Beachtung beanspruchen die die Fenster gliederndenSäulchon (Text-Abb. 12 bis 15), die teils aus Marmor, teilsaus Granit hergestellt waren. Im Jahre 1902 hat sieh alsdritter Baustoff der Zement'*) hinzugesellt.Die meisten Kapitelle weisen eine sehr frühromanischeForm auf und zeigen unmittelbare Anklänge an korinthischebezw. Komposit-Kapitelle (Text-Abb. 8 bis 10). Die Eckvoluteusind freilich ohne rechtes Verständnis angeordnet,eine Volute ist sogar verkehrt gerollt {Text-Abb. 9). ReicheAbwechslung zeigen die Kapitcllmittelstücke,ein Menschenkopf (Text-Abb. 10), ein pickender Vogel (Text-Abb. 10), Vogelköpfe mit und ohneKugel, maiskolbenähnliche Gebilde,wurstähnliche Rollen, hakenförmigeRanken, Zapfen, einzelne Blätter undBlätter mit einem mißverstandenenStück Kelchrand darüber sind zurAusschmückung herangezogen. DieseKapitelle haben kein Halsglied undtragen als oberen Abschluß nur ein,,, .„ ,. ., ,, , unprofiliertes Plättchen. Die Kelch-AtM). 1(). KapitoM ans dem ^Umgang. Feld 3. blätter sind einfach, ungegliedert, „fettlaub"-ähnlichund sehen aus, als ob derSchaft der Säulen selbst sich erweiterte und in einzelne Lappenspaltete. Von dieser Art Kapitelle sind fünf Stück erhalten.Ein Kapitell zeigt Eckvoluten, aber keine Mittelstücke. Voneiner dritten vereinfachten Form ohne Eckvoluten und ohneMittelstück ist ein Stück erhalten. Sehr beachtenswert ist8) Nicht 14, wie in den Mitteihmgen angegeben.9) Lüider mit schlechtem Erfolg. 1905 .sind bereits starke Absplitterutigeubemerkbar.


349 Beruh. Hoffmann, Die St. Michaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol. 350Abb. 17. Verbind an gsgaDg zatn alten <strong>Sp</strong>lta,!, Abb, 18. Garte nbäuschen. Abb. 19. Gartenhäuschen.noch, ein Kapitell^"), -welches abweichend eine frühe Formdes Würfelkapitells izeigt (Text-Abb. 11 u. 15). Da die Schildseitengeneigt sind, ist Ähnlichkeit mit den Trapezkapitellenvorhanden, Hervor^nhebeii ist hier die sehr zarte und feinabgewogene Profllierung. Sämtliche erhaltenen Kapitelle bestehenans Marmor,Die anderen fünf Kapitelle bestehen aus Zementguß undstammen ans dem Jahre 1902. Das in den „Mitteilungen"veröffentlichte vierfache Pfeilerkapitell nebst Basis ist jetztdurch ein Blattkapitell aus Zementguß ersetzt worden. DerPolier 7.eigtc mir noch die Stelle, wo er das eigenartige alteKapitell hingelegt hatte, doch war es von dort schon verschwunden.Ob dieses Kapitell dem ursprünglichen Bauangehört hat, läßt sich nach seinem Verluste ychwer entscheiden.Es saß jedenfalls an bevorzugter Stelle, in dergrößten Öffnung und in der größten Seite des Sechzehnecksüber dem früheren Durchgang durch das Gebäude.Yon den Säulen Schäften bestehen vier Stück aus Marmor,acht Stück aus Granit, ein Stück aus Zement. Die Schäftesind teils mit, teils ohne Yorjüngnng gearbeitet. Bei einemMarmorschaft ist der sehr kräftige Basiswulst gleich ausdemselben "Werkstück herausgearbeitet.Von den Granitsäulen zeigen drei Stück eine romanisclistrenge Form der balusterähnlichen Kandelabersänlon (Text-Abb. 12U.13), deren Erscheinung unter früh romanischen Kapitellenzunächst überrascht.'')Von den Basen bestehen fünf Stück aus Marmor, dreiStück aus Marmor mit Zemcntcrgünzung und fünf Stück ausZement. Die Basen sind zur Hälfte in eine vorgeputzteprofilierte Sohlbank eingebettet, welche 1902 an Stelle einermit Bieberschwänzen abgedeckten schlichten Äbwässerung10) Das bei Ätz goj:eichneto hochgestebte Kapitell hat mit demvon mir aufgenommenen nur sehr geringe Ähnlichkeit und entbeiivtaller FeiDheiten.11) Es sei hier daran erionort, daß 0. Mothes in seiner Baukunstdos Mittelaitors, Jena 1894, auf Seite 249 lange bardischeMittelschiffsäuien und Ziersäuion vom AUar der Kathedrale zu Kaprinachweist, die die Verwenduog von Baluster formen im Anfange des7. Jabrh. zeigen. Vielleicht kommt also den drei Granitschiiftenin Neustift ein höheres Alter zu, als man zunächst meinen möchte.hergestellt wurde. In der Fußnote^^) folgt nun, was frtiherüber die Säulen gesagt wurde.Die Säulen tragen mehr oder minder überhöhte Rundbogen,welche bei der Außenfront des Gebäudes in Mauerfluclit,nach dem Umgange zu aber in Nischen liegen undsich hier auf etwa 8 cm vorspringende Jrauerpfeiler aufsetzen.Von diesen Nischen sind zehn Stück nach dem Rundbogen,zwei Stück nach dem Stichbogen und ein Stück nach dem<strong>Sp</strong>itzbogen überwölbt. Durch die beigegebenen Lichtbihlaufnalimenaus dem Jahre 1902 (Ä.bb. 1 u. 2 BI. 45) sindacht Fenster mit abgefallenem oder abgehauenem Putz festgelegt.Das Mauerwerk des Sechzebnecks besteht demnach biszur Höhe der Wasserspeier aus unregelmäßigen, aber schicht-12) Atz (1885): Die Fenster sind ziemlich regelmäßig verteilt;an ersterem (am Treppenturm) schmal und einfach im Halbkreis abscliheßend(Anm. Ein n-rtam, durch utigenaue Zeichnung verursacht,vgl. S. 354), an letzterem (dem Sechxehneck) durch Säulchen geteilt,ausgenommen zwei derselben. Die Kapitolle dieser Siinlchen habenteÜK hochgestolzto Würfel (Abb- 175g), teils mehrere Reihen vonFettlaub älLiilicli der Abb. 110. Die Basen mit Eckblatt sind fein inMarmor gemeißelt, die Schäfte aber aus Granit oder Holz. Erstererühren wahrscheinlich aus dem Klostcrkreuzgauge her, der jetzt nurmehr die später erweiterten leeren <strong>Sp</strong>itzbogenötFnungen hat. In einemdieser Fenster sieht man einen dünnen Schaft, der „vier" Kapitelleeines ehemaligen Pfeilerbündels trägt. Hinter den Säulchen erhebtsich zu Ys ""1 Höhe eine Brustwehr mit je zwei jetzt geschlossenenScharten. —•Berthold Riehl (1898): Die Toihingssäulchen dieser Fensterhaben sich mit Ausnahme einiger Schafte und eines Kapitells, dieim 17. Jahrhundert ergänzt wurden, gut erhalten. Die "Würfel undBlätterkapitello und die Hasen dieser Säuleu deuten gleich den Gewölbenauf die Mitte etwa des 13. Jahrhunderts als Bauzeit dieserKapelle.Mitteilungen (189!)): Die gegenwärtigen schmalen gekuppeltenBogenfenster, welche den ßundgaag erhellen, verdanken ihreeigentümliche befremdliche Erscheinung dem Umstände, daß manim 17, Jahrhundert, zu welcher Zeit ein, weiterer Umbau vorgenommenwurde^ Säulen kapitolle früh-mittolaltei'lichen Stils, dieoffenbar noch als Reste des älteren Stiftskronzganges vorhandenwaren, tiior zur Anwendung brachte. Diese Kapitelle, von denendie Mehrzahl den in Abb. 14 skizzierten Charakter zeigen, sind ansWeißem Ratschinger Marmor, dagegen die roh gearbeiteten Säulenschäfte,welche in sehr mangelhafter Weise hinzugepaßt wurden,aus Granit. (Anm.: Von dem schlechten Passen der Schafte ist nach1902 nichts mehr zu bemerken, möglicherweise iafolgeNaoharbeitensder Schäfte. Über die späten Datierungen in denMitteilungen vgl. S. 35B.)


351 Bernh. Hoffmann, Die St Michaelskapelle beim Kloster Neastift in Tirol. 352recht gelagerten Bruchsteinen, i^) Die Bogen oberhalb derSäulchen, das Zwickelmauerwerk bis zur Höhe der innerenNischen nnd einzelne angrenzende Älauerwerkteile sind mitkleinen regelmäßigen sehr gut erhaltenen Steinen, anscheinendZiegelsteinen, von etwa 40 cm Länge hergestellt. Das Mauerwerkoberhalb der Wasserspeier besteht aus Ziegelsteinen,von denen in Höhe der Dachrinne viele abgeblättert sindund sich durch dunkler© Farbe deutlich abheben.Die Bogen über den Säulchen bestehen aus zwei übereinandergewölbten Schichten teils von gleicher und teilsvon verschiedener Stärke. Nur ein einziges Mal ist einRundbogen zu erkennen, der die ganze Öffnung überspannt,ebenfalls aus zwei Wölbschichten bestehend (Abb. 1 Bl. 45.)"),Die Nische dieses Fensters ist inwendig mit dem Stichbogenabgeschlossen. Die inneren Nischen scheinen also ankeiner Stelle durch die ganze Dicke der Mauer hindurchgegriffenzu haben. Die seitlichen Gewände bestehen ausWerkstein, der nach photographieehem Ausweis an einerStelle bis Oberkante Kapitell reichte, an anderen Stellenetwa mit Unterkante Kapitell oder ^/s Säulenhöhe abschließt.Da neben diesen Gewändesteinen an keiner Stelle AuszwickungeU)die an nackträglichte Vermauern erinnern j wahrzunehmensind, vielmehr das Bruchsteinmauerwerk allenZufälligkeiten der roh bearbeiteten Innenseiten folgt, so mußgeschlossen werden, daß diese Werkstücke zum ursprünglichenBau gehören. Die jetzt vorhandene Öffnungsbreite und Höheentspricht demnach der ursprünglichen Anlage.Der Gedanke liegt somit nahe, ob rieht auch die jetzigeForm mit der ursprünglichen identisch ist. Die Verschiedenheitder Säulenhöhen und der sonstigen Einzelformen kanndadurch erklärt werden, daß die ursprünglichen Mittelsäulenschadhaft wurden und durch gut erhaltene Säulen von anderenBauten ausgewechselt wurden. Ein urkundlicher Beleg da<strong>für</strong>,daß die Säulen erst später eingefügt worden seien, istnirgends erwähnt. Die Fensterform selbst mit der Fensterteilungpaßt sehr wohl zu den frühen Zeiten.Erwähnenswert ist noch, daß die Lichtbildaufnahmenbis zum Jahre 1902 in den Fensternischen, dicht hinter demAnschlag der Fensterbogen, Steinbrüstungen bis Mitte Fensterhöhezeigen, welche demnach 0,80 bis 0,90 m hoch waren.Bei zwei Fenstern sind noch in dem ojlfen gebliebenen oberenTeil die Riegel zu erkennen, um welche die mit Blech oderFellen überzogenen Holzläden schwangen, die zusammen mitden Steinbrüstungen den Umgang gegen feindliche Geschossesicherten. Im Jahre 1002 sind auch diese beachtenswerteReste beseitigt worden.Beim Umgang fällt schließlich der prächtige Fußbodenbelagauf, der in großen unregelmäßigen Porphyrplatten hergestelltist und recht würdig hem altertümlichen Charakterentspricht Überraschend war daher die Mitteilung vomPolier, daß er den Fußboden mit Porphyr aus Bozen hergestellthabe. Vorher sei Estrich und Kleinpflaster gewesen.Eine Stelle sei sogar mit Holz abgedeckt gewesen. Wie einBlick auf den Grundriß und den abgewickelten Längsschnitii13) Die ZeichnoDg ID den 11 itteilungeii, noch der die Bruchsteinebis in die Zinnen hinein reichen, ist also tmrichtig.14) Bei der IJohtltildaufnafanie ans dem Jahre 1902 fehltdiesem Feoster die Sätile, bei einer nooh früheren Photographie ausdem Jahre l$9d war sie iloch vorhanden.(Abb. 2 u. 9 Bl. 46) zeigt, entspricht diese Stelle genau demzweiten von unten kommenden Treppenaufgang und bestätigtsomit den Schluß, der aus der Gewölbebildung gezogenwerden konnte.Oberhalb des Umganges vot& Obergeschoß ist jetzt einäußerer Umgang, eine Plattform, geftchätzt durch einen hohenwehrßUiigen Zinnenkranz (Abb. 3 B1.46). Bis zum Jahre 1903bestand hier ein Ziegeldach, welches so bauläUig war, daßsogar Bäumchen darauf wachsen, die ihre Wurzeln durch dieKreuzgewölbe hindurch sandten. Die jetzige Abdeckung mitgutem Estrich entspricht dem Zinnenkränze jedenfalls vielbesser als das frühere Bach. Auf dem Estrich ist anerkennenswerterweisedie Jahreszahl der Wiederherstellung 1902 eingegrabenund auch durch ein Kreuz die Stelle bezeichnet,an welcher früher ein in die Mauer eingeetemmtes Rauchrohrüber Dach geführt war.Die Entwässerung erfolgt durch eingebettete Granitrinnen,die ihr Wasser an jeder zweiten Ecke des Sechzehn-'ecks in einen tiefer liegenden Wasserspeier abgeben. DieseWasserspeier bestehen aus Granit und sind gedningen gebaut.Einige sind ganz schlicht nach dem Halbzylindei*, einige nachdem halben Achteck geformt, während bei andern die Rundungtauartig gerieft istDie Wehrhaftigkeit dieser Plattform wird durch die Höheund Stärke der Zinnen und durch die immer noch 1,50 m betragendeHöhe der Lücken zwischen den Zinnen gewährleistet.Auch sind die Schießscharten (Test-Abb. 20) <strong>für</strong> wirklicheBenutzung wohl geeignet. Die Herstellung erfolgte in Ziegelsteinenmit Terpütz, soTonn,IT daß die ungleichen Seitenirlängen des SechzehnecksO leicht vermittelt werdenim^ ^ , könnten. Die auf der Mittebiadangs- (jg,. Seiten stehenden Zin-Nftner.Tutm, Plattform.^''^^' nou trftgeu lu dem OberenAbb. 20. Sohießacharten. Abschluß ihrer Blendeneinen DreipaB als Schmuck;über den Ecken des Sechzehnecks sind die Zinnen gebrochenund mit einer einfacheren Nasenbogenblende geschmücktJetzt sind die Zinnen sÄmtlich abgetreppt. Bis zum Jahre1902 waren drei Stück neben dem Treppenturm vollkantig(Abb. 1 Bl. 45). ^5) Sonst wird bei der Wiederheratelhmg andiesem Zinnenkranze wohl nichts geändert sein, weil seinZustand schon vorher vortrefflich war.Auch der höher geführte Mittelbau trägt einen Zinnenkranz,aber nur zur Zierde. Diese Zinnen waren teilweiseschon sehr fichadhaft, teilweise fehlten sie ganz und sind1902 durch solche ans Zementgufi ersetzt worden. Hierbeiist die Blendenform leider mißverständlich verändert worden.Die alten Blenden zeigten eine verhältnismäßig klare spätgotischeForm, die sich durch Fischblasenmotive und durchdie Neigung, den Bogen als Eselsrücken entgegengesetzt zuschweifen, als später entstanden erwies gegentlb^ den unterenBlenden. Die neuen Blenden indessen sind ohne GefOhi füfgotische Formen umgestaltet worden (vgl. Text-Abb. 21 u. 22).So sind Formen entstanden, die sich dem räteelhatten Ge-15) Bei Atz (1885) sind bereits sämtlicbe Zinnen abgetrepptgezeichnet, aozos&gen ein prophetisdier Seiobenfehler.


353 Bernh. HoffmiiDn, Die St Michaelskapelle beim Kloster Neastift in Tirol. 354aamtbilde des Baues ganz gut eiiifüge>n imd den inteTessäntenEindruck nicht schädigeu. Gleichwohl iBt die Umänderung--?-"1nmnmniriiiiTiiiimiiiTiiaiim»iHmfffTiWPii»'iwn-Abb- 2t. Niich 1903,am ZetnentgnS.TwmitttdKKWttTrinifKiiKKi'tttfdirKiiiKiiiiitiirriKiiioiAbb. 22. Vor 1902, aimgepntzton Ziogelmanerverk.Abb. 21 u. 22. Zinnen und Blenden des Mittelbaues.lebhaft zu bedauern, gerade weil die neuen Zinnen wegenihrer Unbeholfenheit <strong>für</strong> echt gehalten werden können undweil man nicht nahe genug herantreten kann, um den Irrtumzu entdecken,Bas Kuppelgewölbe trägt einen Dachreiter von oblongemGrundriß, dessen Längsachse etwa auf die Mitte zwischenAltar und Treppenturm zeigt. Der Dachreiter hat einenmaBsiven Helm, der mit Giebeln geschmiickt ist. Der Helmsoll früher rot verputzt gewesen sein»Zur Aufhebung des Seitenschubes sind am Fuße desKegels Holzanker eingemauert und zwar je einer längs jederSeite und außerdem noch einer in der Mitte der Längsachse.Einen durch die Kühnheit der Bauweise und durch dieSchönheit und Zweckmäßigkeit der gewonnenen Bäume gleichbemerkenswerten Zusatz eum ursprünglichen Bau bildet derTreppenturm. Dieser enthält, wie schon bemerkt, im Untergeschoßden Haupteing^ng. Der Turmsockel, der früher ausprofilierter HoUschicht^'') bestand, jetzt eine geputzte Hohlkehlezeigt, ist bei der spitzbogigen EingangstOr hoch gekrQpft undmittels einer zweiten KrCpfung bis zn einem erkerfihnlichenAusbau des Hauptgeschosses hinaufgezogen (Abb. 1 Bl. 45).Dieser Erker trägt aut seiner fiach gekrümmten Abdeckungmit einem kleinen Postament eine Engelsfigur, buntbemalt, in tüchtiger Arbeit, wie man sie in Tirol rielfaehsieht (Abb. 1 Bl. 45). Die Yorkragung des Erkers ist als geistreichzu bezeichnen. Zwei 0,43 m weit ausladende Eonsolenaus Granit tragen eine 18 cm starke Steinplatte, so daßzwischen Steinplatte und Turmmauerwerk ein 25 zu 44 cmgroßer Schlitz entsteht (Abb. 1 Bl. 46). Es war hier also die imMitteklter als Verteidigungsmittel so außerordentlich beliebtePechnase (machicouli bei Viollet-le*Duo) vorhanden. DieSteinplatte trägt ein zentrisch angelegtes Eünsol, auf demdann der eigentliche Hohlkörper des Erkers folgt Der besteBevreis da<strong>für</strong>, wie versteökt die Anlage der Pechuase gemachtist, ist wehl dann zu erblicken, daß diese Anordnung inkeiner der früheren Beschreibungen erwähnt iat Bei einemSturm auf die Tür würde alao die Abwehr überrasciiend unddeshalb doppelt günstig gewirkt haben.18) Atz: Der Sockel des Tonuea* 1 m hopfa, «ndigt in nobeu--einander ier grateltten Ziegeln, die eine stnsohe Form hahetn.gleichseitigen Kreuzgewölbe Überdeckt ist Dies Gewölbeerinnert iu der busigen Form seiner Kappen und der Zuspitzungder Grate an die Kreuzgewölbe des Umganges; nurschneidet das Gewölbe im Turm unmittelbar ohne Vermitt*lung durch Konsole gegen die Wand an. Om den Wandanschlußplastischer zu gestalten, sind hier kleine Schild*bogenstücke nach Art von Stichkappeu in das Gewölbe ein*geführt, und die Gewölbe selbst kurz TOP dem G^^uschnittgegen die AVand spitz abgeschnitten (Text-Abb. 23). Durchdiesen Kunstgriff ist eine wirkungsrolle LOsung gewonnen, diewegen ihrer Einfachheit wohl eine Wiederaufnahme verdienenwürde. Oberhaupt ist durch die geßchickte GewölbelösungIm Hauptgeschoß (Abb. 7 Bl 46) ent^Üt der Turm einenVorraum zur Treppe, der mit einem fünfteiligen sehr un-dieUnregelmäßigkeitdesBaumes völlig verdecktworden. Vier Schießschartenerhellen denBaum und die anschliek-W-SBende Treppe, außerdembringen die fünfAbb. 23.Abb. 24.Haaptgoschoß. Obergeschoß. SehießscharteB des ErkersLicht herein. DerGewölbeaDfädger im Turm.Boden dieses Erkersliegt 0,55 m Höhe über Fußboden, Seine lichte Höhe beträgtnur 1,20 m. Der Verteidiger mußte also knieend in ihmfechten. Die Pechnase ist jetzt im Inneren abgedecktDie Treppe, die zur oberen Plattform führt, wendelt umeinen festen Enndpfosten, der auch eine Kappe des Gewölbesträgt. Auf diese Weise ist der Eintritt zur Treppe schönspitzbogig umrahmt. Um die Treppe unterbringen zu können,ist die Mauer bis auf 35 cm Stärke verschwäoht. Die Treppeist mit einem steigenden, wendelnden, spitzbogigen Tonnen*gewölbe überdeckt, oberhalb dessen die Mauer wieder auf0,495 m Stärke sich verbreitert Wenngleich die Strecke,während deren diese Konstruktion vorhanden ist, nur 2 mbeträgt, so muß doch die Kühnheit der Anlage anerkanntwerden. Die spitzbogige Tonne steigt bis in das obersteTurmgeschoß und endigt hier in einer schlichten Portalwand,Die Portalwand trägt eine tischähaliohe Fläche, die <strong>für</strong> alleZwecke gewiß sehr willkommen war. Es schließt sich einStück steinerne Brüstung an, so daß dieser Aufstieg in besterWeise geschützt ist.Der oberste Turmraum (Abb. 6 Bl. 46) ist mit einemhohen siebenteiligen StemgewOlbe nach der <strong>Sp</strong>itzkuppel reizvollüberdeckt, dessen Grate wieder, wie oben berichtet,gebildet worden. Die AnMnger der Kappen sind hergestelltdurch Absohneiden des stark plastisch vortretenden Gewölbesnach der Hohlkehle, wieder in einer einfachen, wirkungsvollenund empfehlenswerten Form (Text-Abb. 24). Unmittelbu: aufdem StemgewOlbe sitzt ein massiver mit Ziegeln abgedeckterHelm. Als Schmuck trägt auch dieser Turm einen Zinnenkranz,der mittels einer kleinen Hohlkehle vorgekragt ist In dieserHohlkehle sitzen Wasserspeier aus Metall fast einen halbenMeter tiefer als Oberkante Schüdbogen des Sterngewölbes.Hier hat also der Erbauer bei seinem Streben nach weitestgdiienderspielender Ausnutzung des Baustoffes sich nichtgescheut, die Gefahren der Schneesackbüdung mit in den Kauf%\L nehmen. — Das TurmgesohoS wird beleuchtet durch vierbreite, im Stichbogeu geschlossene Fenster^^ und drei Schieß-17) Nicht scbmal and im Halbkreis abschließend, wie Atx angibt


355 Bernh. Hoffmann, Die St. Michaelskapelle beim Kloster Neuatift in Tirol. 356scharten. Die Fenster besitzen noch zum Teil die drehbareingelassenen Holzriegel 7/10 cm stark, an denen früher dieHölzflügel saßen, die den Raum gegen Geschosse sicherten.Die Malereien dieses Turmgeschosses sind 1902 unberührtgeblieben. ^8) Erkennbar erhalten sind aber nur nochdie beiden fechtenden Figürchen und Teile des fahnenschwenkendenLandskneclitea. In den Schild bogenflächenwaren früher ebenfalls Schießscharten vorhanden, die imÄußeren noch zu erkennen sind, im Inneren indessen nurzum Teil durch Nischen angedeutet werden. Aus dem Turmgeschoßführt eine spitzbogige Tür, unter der zwei Stufenliegen, auf die obere Plattform.Das oberste Geschoß des Turmes ist kreisrund, dasHauptgeschoß stark verdrückt und das Untergeschoß halbkreisförmigvorgelagert. Hieraus folgt, daß die Innenmauerndes Turmes jedesmal auf dem Gewölbe des unteren Geschossesaufsitzen. Dieser Treppenturm sicherte den Zugang zuroberen Plattform, der Hauptverteidigungsbühne des Bauwerks.Der Treppenturm ist wesentlich leichter gebaut als dieÄußenmauern der Kapeile. Er liegt aber auch geschützt, aufder Hofseite, durch andere Gebäude vor etwaigen Stückkugelngesichert. Zur Verteidigung gegen Handfeuerwaffenaber und gegen unmittelbaren Sturm war er wehrhaft genug.Der Rundbau ist mit dem Nachbarhause durch ein Stückder Abschlußmauer des Klostergehöftes verbunden. Nach derAußenseite zu schließt sich ein mächtiger Gurtbogen von1,25 m Breite an, nach der Innenseite zu eine Tümischevon 0,50 m Breite. Hierdurch wurde eine Fläche von 2,25 raBreite gewonnen. Diese Breite hat genügt, um einen Verbindungsgangvon 1,71 m lichter Weite herzustellen und ihnmassiv mit einem zierlichen Netzgewölbe zu überspannen(Text-Abb, 17 S. 349 und Abb. 2,4 u. 8 Bl. 46). Das Gewölbehat ein unsymmetrisches Netz erhalten, derart, daß halbeAchteckpfeilervorlagen als Gewölbeträger um halbe Feldbreitegegeneinander versetzt sind. Die Gewölbe schneiden ausdiesen Pfeilern schräg heraus. Die Behandlung des Gewölbesist sonst genau so wie bei den anderen Gewölben des Baues.Der Gang ist durch eine schräg eingebrochene Tür mit demUmgang des Hauptgeschoeees in Verbindung gebracht. Aberauch nach dem Untergeschosse zu besteht eine unmittelbareVerbindung (Abb. 4 u. 9 BL 46). Die dicke Außenmauer desBundbaues ist durchhöhlt worden, um eine Treppe anzulegen,18) Atz; Alle "Wände sind mit Zeichnungen versehen in Eötelund Farben oder Blelstiftf so daß man Bioh in die Zeit der drohendenBelagerung zurückversetzt fülilt, wo dieser Raum als Wachtatüböder jeweiligen Besatzung gedient habea muß. Das bestätigen:Eine feste Tür, durch die man zu demZinaen- und Mauerkranze gelaugt,der einzige Zugang, wo ein störender Feind von oben in dasuntere Stockwerk gelangen könnte; daher ist sie von innen miteinem Kiegel verschließbar. Ferner fanden wir einen großen eiseruanPfropfzieher samt dem Stücke eines alten Haubitzenladostookes. DieZeichnangen: ein Türke mitKrummsÄbel, Turban, Stumphoaen, flohtmit einem Grenadier des 17, Jahrhunderts (klein mit jRötel), einIjandskneoht schwenkt eine Fahne usw., eiue Kaoone gegen einHaus gelichtet mit Laretten, wie sie noch in der Klostersammlungzu sehen. Eiue Infel (Tafel?) mit HI (Hieronym I Prälat), darunter1569; ferner die Jahreszahl 3688 (1669 auf Hieronymus II).Uitteilnugeu (1899). Außer den diese Bauzeit (zweite Hälftedes IT.Jahriiunderts) verratenden Formen der Schießlöcher an denZinnen und den <strong>Sp</strong>uren gemalter Wappen daselbst im Stile der<strong>Sp</strong>ät-Renaissance, finden sich in der obersten Etage des Runderkeranoch teilweise erhaltene Wappen mal ereien ähnlicher Ai-t, ferner dieJahreszahlen 1660 und 1688. Zwei in roter Farbe ganz flüchtiggemalte Figürchen von ca. 20 om Höhe an der Innenwand des Erkerssind im Soldateukostüme Jener Zeit und mit Schwertern bewaffnetdargestellt.die in eine der vier Kammern des Untergeschosses fflhrt.Das Gewölbe der Kammer ist nnverletzt geblieben und amKämpfer durch einen Bogen und ein Bippenstück i^), die sichgemeinsam auf ein achteckiges Säulchen von 18 cm Durchmesserstützen, aufgefangen worden. Dicht Über der Säulegreift ein Anker von 25/45 mm Querschnitt an, der denSchub der Tonne aufheben soll. Von dieser Treppe ist wederaußen am Gebäude noch im Inneren des sechzehnseitigen Umgangesetwas zu bemerken. 2**)In früheren Zeiten war der Rundbau noch an andererStelle mit einem Nachbargebäude in Verbindung gesetzt,dort wo jetzt die Sechzehnecksseite völlig zugemauert ist.Die Photographie von 1895 gibt Über etwaige Reste ausdieser Zeit keinen Aufschluß. Wichtig sind aber die Bemerkungenvon Atz 2^), die untenstehend angeführt sind.Nachdem jetzt alle Einzelheiten besprochen sind, tauchtdie Frage auf, wann und zu welchem Zwecke das Bau*werk errichtet wurde. In den bisher erschienenen Veröffentlichungenwerden hierüber verschiedene Meinungen geäußert.Atz gibt, gestüzt auf das Werk von H. Mitterrazner, Cataloguscanonicorum unter "Anführung der betreffenden lateinischenStellen folgende Angaben: „Der Kundbau mit denGelassen unten und dem Umgänge oben (ohne Gewölbe, sodaß die Fensterlein höher standen Über dem Dache) ^^), wurde1190 bis 1199 erbaut und zwar wie in Klausen^3) als <strong>Sp</strong>ital-,vielleicht zugleich auch als Gottesackerkirche.Das Erdgeschoß wäre demnach Ossarium gewesen. Derobere Umgang hätte entweder die jetzigen Rundfenster ohneSäulchen oder eigentliche romanische Schlitzen **) mit Schrägengehabt, so daß letztere später einfach herausgeschlagen undda<strong>für</strong> die Säulchen eingesetzt wurden.1319 bis 1327. Note 2 müßte demnach nur auf einenErweiterungsbau und infolgedessen Erhöhung des Ganzenund Einsatz der Säulchen in den Fenstern zu beziehen sein.Bis 1342. Ausführung der Innenmauern des Klosters, vielleichtschonHerstellung der Verbindung mit demfesten Eckhause.19) Das Profil des Rippenstückes entspricht dem der 18 cmbreiten Steinplatte vor der Pecbnase. Ätz (S. 373) weist das gleicheProfil in der <strong>Sp</strong>italbircbe zu Meran nach, 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts.20) Atz und fiieh! orwähneD und zeichnen die Treppe nicht.In den Mitteilungen ist eis gezeichnet und zwar so, da£ sie sich imsechzehosoitigen Umgang durch einen Toraprung kennzeichnet21) Atz: Ein gleicher Gang befand sich einst auch im Nordwesten,von dem aber jetzt nur mehr die zwei Oranitpfosten übrigsind, überdies der eine von seinem Platze verrückt ist. Bei d istdie jetzt vermauerte, im Viereck mit Oi-anltblöoten eingefaßte Türzum ehemaligen, bei e die noch offene gleioh gebaute, zum vorhandenenTorgange ausgeschlagen. Jene bei d iat jücger als dieFensteröffnungen, denn man sieht auswendig, da die Türöffnungnicht mit deraelben zusammenfiel, das vermauerte Fenster neben dervermauerten Tür. Der obere Türatein bei 4 hat die Jahreszahl 1558eiogemeißelt.22) Wie auf Seite 350 besprochen, reicht das alte gleichartigeBruchsteinmauerwerk bis an die Wasserspeier heran. Das alte Dachbat also mit der jetzigen Plattform gleiche TrauHiöhe gehabt. Hinterder Traufhöhe haben aber die Gewölbe Plata. Mit der Zumauerungder Kuppelfenster kann somit eine spätere Datierung der Umgangsgewölbenicht begründet werden. Anscheinend war Atz der Aasioht,daß die Rundnisoh« Über dem Altar und die Aoßenfenster in gleicherHöhe lägen.23) Kaoh Atz (S. 139,140) ist iu Klausen die alte ßpitalkirohezu den zwölf Aposteln, jetzt St. Sebastian, als Rundkircfae mit Kryptagebaut.24) Gegen die zweite Annabme spricht die Kinmauerung derGewändewerksteine, vgl. S. 351. Die erate Annahme ist möglich,doch liegt kein Grund dagegen vor, auch früher schon Sffulenstellunganzünehinott.


357 Beruh. Hoffmann, Die St. Michaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol. 3581470 bis 1479. Bei Aufführung der äußeren Ringmauerndes Klosters mag der Tortunn der Kapelle gebaut und diesemit Zinnen bekrönt sein, nämlich 1470 bis 1479, unter dembaulüstigen Leonhai"d, der das Chor der Stiftskirche soprächtig aufführte; auch das gotische Fenster mag er ausgebrochen,die Zinnen errichtet (um das große Fenster zudecken) und die Gemälde besorgt haben u. dgl.Nun kommt die Renaissance. 1558 wurde das Dacherhöht (vielleicht der Haltbarkeit •wegen), der Umgang eingewölbt,.wenn dies nicht schon frfiher geschah, infolgedessendie Fenster vermauert"Berthold Kiehl, der auf die Ähnlichkeit mit karolingischenund altchristlichen ßaumotiven hinwies, datiert dieErbauung der Kapelle merkwürdigerweise später, <strong>für</strong> die Mittedes 13. Jahilnmderts. „!Nicht gerechtlertigt ist, daß man dieMichaelskapeile, die nach ihrer ganzen Anlage offenbar zuEhren des Erzengels und als Kirchhofs kapeile erbaut wurde,mit der 1199 geweihten <strong>Sp</strong>ltalkircKe identifiziei-eiv wollte,/umal da die Anlage der Kirche <strong>für</strong> eine <strong>Sp</strong>italkapelle jaganz ungeeignet gewesen wäre."Riehl hieH die Sätilenfenster <strong>für</strong> Teile der ersten Anlage.Die Mitteilungen nehmen an: 1190 „Erbauung als <strong>Sp</strong>italkirche"..,DJe vorstehende kurze Nachricht über die Ent-Btehungszeit der St. Michaelskapelle läßt an sieh schon vermuten,daß dieser Bau zunächst als Kamer von kreisförmigerdniödforai mit einer Gruftkapelle (Krypta) erriclitet wurdeund die Angliederung des sechzehnteiligen Umganges späterhinerfolgte." Diese Annahme wird wieder mit den zugemauertenKuppelfensterohen begründet. Da die Mitteilungenannehmen, daß die halbrunde Nische über der Altarnischeaus einem früheren Fenster entstanden sei, so bleibt <strong>für</strong> dasDach über dem Umgang in der Tat wenig Platz übrig (vgl.S. 346 und Querschnitt Abb. 1 BI. 46). 1470 bis 1479 „derfortifikatorischen Zwecken dienende seohzehTiseitige Umgang,jedoch ohne den erat im 17. Jahrhundert zugefügton Ti'eppenerker."„Die dritte Bauperiode fällt in die zweite Hälfte des17. Jahrhunderts. In dieser Zeit entstanden auch der Runderker(der Treppenturm) an der Nordseite, die Einwölbungdes eigentlichen Kapellenraumes mit einer Kuppel und diegegenwärtige Zinneiibekrönung am inneren und äußerenStauerring. '^)"Keine von diesen drei Meinungen befriedigt völlig. Diebeiden ersten Autoren geben keine genügende Begründungund Erklärung des Umganges. Per Kuppelraum hat einschließlichMauern rd. 98 qm Fläche, das SechzehneckeinachlieBIich Mauer rd. 283 qm, also 185 qm mehr bebauteFläche j das ist beinahe das Doppelte des Kuppelbaues, Beieiner Erbauung zur <strong>Sp</strong>italkirohe würde dieser Aufwand unerklärlichsein, ebenso aber auch bei einer Erbauung alsFriedhofkapelle gewöhnlicher Art.Berthold Riehl vergleicht die Michaelskapelle in Neustifteingehend mit der in Fulda und findet sehr -viel Ähnlichkeit.Er erwähnt auch dea Unterachied der HaviptgeschoBse,aber er bewertet ihn nicht genügend. "Wenn hierin Neuatift der Umgang wie in Fulda gegen den Mittelraummit Säulen und Bogen Stellungen geöffnet wäre, so würden2.">) Die BegmnduDg ist io der Fußnote 18 enthalten.Z^tsßbrift r. <strong>Bauwesen</strong>. Jahrg. LVU.nicht rd. Gl qm, sondern rd. 200 qm nutzbare Bodenflächezur Abhaltung gemeinsamer Feiern zur Verfügung stehen.Ein Zeutralraum, der durch ein kreisförmiges Seitenschiff erweitertist (Fulda), verkörpert einen völlig anderen Baugedankenals ein Zentralraum, der von einem geschlossenenUmgang umgeben ist (Neustift). Gegenüber dieser grundlegendenVerschiedenheit erscheinen die anderen Ähnlichkeitenals zufällig und nebensächlich.Die Auffassung der „Mitteilungen", daß der sechzehnseitigeUmgang ein ZuKits des 15. Jahrhunderts <strong>für</strong> fortifikatorischeZwecke sei, könnte zunächst einleuchtendererscheinen, da hiermit der Raumaufwand genügend erklärtsein würde. Dem stehen aber andere Bedenken entgegen. DieGrundrißlösung des Untergeschosses allein zeigt es schon an,daß alle Teile gleichzeitig sind. Bei nachträglicher HinzufüguDgdes Sechzehnecks würden mindestens die vier DurchbrQchenach den Kammern unterblieben sein, da diese Kammernviel bequemer von den neu anzulegenden Seitenwändendes Hauptganges aus zugänglich gemacht worden wären.Auch ist der Durchgang selbst fortifikatorisch nicht günstig,da die wesentlich dünnere Abschlußmauer des Längegangeseinen schwachen Punkt <strong>für</strong> die Verteidigung ergeben hätte.Den schwersten Verstoß gegen das fortifikatorische Interessebildet aber die Anlage der Treppe oder, da ja der Umgangnach Meinung der Mitteilungen erst im 15. Jahrhundert erbautsein soll, mithin in ursprünglicher Anlage ohne spätere Abänderungbetrachtet werden muB, die Anlage der beidenTreppen. Durch beide Treppen zusammen würde die Verteidigungvon vier Außenseiten erschwert sein. Erste Bedingungist aber, daß der Verteidiger unbehinderten Zutrittzu allen Öffnungen hat.Wenn der Umgang <strong>für</strong> Verteidigungszwecke erbautworden wäre, so würde wohl erstens nur eine Treppe angelegtsein, diese Treppe dann zweitens in dem geschützterenTeil des Gebäudes hofseitig in der Gegend des Treppentiirmesund drittens längs der Innenmauer angelegt sein, wo siekeinen <strong>für</strong> die Abwehr wertvollen Platz wegnahm.Auch die fensterform paßt nicht zu einem Festuogsbau.Folgerichtig betrachten die Mitteilungen die Säulen in denFenstern als einen späteren Zusatz; aber nicht nur dieMittelsäule, sondern auch die ganze breite Anlage der Öffnungentspricht nicht einem Befestigungsbau. Daß aber diebreite Form ursprünglich ist, wird bewiesen durch den aufSeite 361 erwähnten satten Anschluß der Qewändestücke andas Bruchsteinmauerwerk. Es mag noch erwähnt werden,da§. die auf Photographien wahrnehmbare Herstellung desKuppelmauerwerks aus Bruchstein große Ähnlichkeit mit derdes Umganges hat. Wenn dies auch kein Beweis <strong>für</strong> gleichzeitigeEntstehung ist, so bietet es doch erst recht keinenAnlaß zu verachiedener Datierung. Auch stilistische Gegengründesind geltend zu machen. Da die „Mitteilungen" annehmen,daß das Sechzehneck im 15. Jahrhundort erbaut sei,müssen die Zinnenkränze und der Treppenturm noch späterdatiert werden. Gewählt wird hier<strong>für</strong> die zweite Hälfte des17. Jahrhunderts.Die Jahreszahl 1569, die Atz im Treppenturm sah, warvielleicht schon unleserlich geworden, als die Aufnahme <strong>für</strong>die Mitteilungen bewirkt wurde. Ausschlaggebend waren nundie noch vorhandenen angemalten Zahlen und der gemalte23


359 Bernh. Hoffmann, Die St. Michaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol. 360Wappenschrauck. Auch werden die Schießscharten als charakteristisch<strong>für</strong> diese späte Zeit genannt. Demgegenüberträgt die ganze Anlage und der Stil des Treppentürmchensund der Zinnenbekrönung einen so klaren spätgotischenCharakter, daß Malereischmuck und sonstige spätere Zusätzenicht ausschlaggebend sein können.Dies dtirften mehr als genug Gründe sein, um die AnsichtYen Atx über deii Gegenstand der Bauzeit des fünfzehntenJahrhunderts zutreffender erscheinen zu lassen, alsdie Ansicht der Mitteilungen,Welcher Grund mm da<strong>für</strong> sprechen soll, das Kuppelgewölbeauch erst im 17. Jahrhundert anzunehmen, das istnicht einzusehen. Das einzige vorhandene architektonischeZierglied, der Kämpfer, aus Wulst und Platte bestehend, istfrühest romanisch oder altchristlich und der Gedanke desKuppelgewölbes selbst erst recht.Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Reg.-Chorherrnvon Neustift, Professors Hartmann Ämmann, erhielt VerfasserAuszüge aus den beiden über die Geschichte des Klostersvorhandenen Codices 930 und 931 der Innsbruciier Universitätsbibliothek.Im Begleitschreiben war betont, daß namentlichder zweite Kodex 1693 von Domenikus Koller, Chorherrnvon NeuBtift, geschrieben, unbedingten Glauben verdient, daer fast überall auch die Quellen zitiert, aus denen er geschöpfthat und bei der damals vorgenommenen Neuordnungdes Archivs rait seinem Milbruder Martin Ward sehr, ja fasteinzig hervorragend tätig war.Da die Stellen aus Kodex 930 die des Kodex 931 nurbestätigen, mögen die letzteren hier folgen und zwar miteinigen Ergänzungen, die Verfasser aus dem Original entnommenhat. 2«)26) 1. Und damit die auseinander gehenden Armen (paupereawird auch <strong>für</strong> ungebildete Analphabeten gebraucht) nicht Hüv mitkörperlichen Werken der Barmherzigkeit, sondern auch mit dengeistlichen Opfern der Messe am selben Orte versehen wären, begaQDer auch ein kleines Heiligtum in nächster Nachbarschart desneuerbauten Hospitals (und) zu Ehren des göttlichen Heilandes(welches heute das Heiligtum des heiligen Erzengels Michaels genanntwird) von Orund aus 2u erhauen; und nachdem dieses damalsin seiner äußeren Erscheinung mit magereren Schmuckstücken (e:xUiswird anscheinend niemals im lobenden Sinne = zierlich gebraucht)gebildet war, wurde es später unter den Zeiten des Abtes Lucasflaerber mit einem stattUcheü Umgang (ia vorstehender AbhandlungPlattform genannt) nach Art einer Burg umgüitet (wie es noch heutedem Anblick offen steht) und im Laufe der Zeiten von verschiedenenÄbten erneuert, wie mau häufiger liest.2. Lukas Haerbor 1483 bis 1503. Denn in der Burg des heiligenErzengels Michaels fügte er einen Umgang nach Art eines b^estigtenVovwerts aus gemauerten Steinen (caementum der gebrochene Stein;sm Ziuuenkmnzä sind aber nur Ziegelsteine zu ertcenneti, ob dieFensterbrüBtungen ans Bruchstein bestanden, ist ungewiß) rund hemmhinzu, in welchem intnd herum kleine OifQungeu, bequem eiogericbtetfüi' Feuerschüsse mit geaohwärztem Pulver» auoh heute nochsichtbar sind. Nachdem dies vollendet war, befestigte er, damitnicht eine goldene sondern niisseme Freiheit (wohl bewahrt wie derKern in der Nußschale) bald nachher in dieser Art die Diener durchdie Oelegeoheit nfichtlicher Ausschweifungen zur Sandbank der Gefahranreizen könne, befestigte er in der Säuleoballe des Erzengels Michaelsden doppelten DuTObgang stark mit je zwei Türen, welche er au deueinzelnen Tagesdämmerungen gegen die verruchten "Waguisse bald derAusgehenden, bald der Eingehenden und gegen die Possen der Burschenstreng zu bewachen befahl.3. HIerouymus I Piessendorfer 1542 bis 1561. Das zweite darauf,WM er aiKgebessert hatte, war das Heiligtum des göttlichen Michael.Nachdem nämhch jenes uralte Heiligtum im Jahre dos Herren 11Ö9zu Ehren des göttUchen Heilandes erbaut und darauf In den Jahren1219 und nicht zum wenigsten 1491 zu wiederholten Maleu wiederhergestellt,und deswegen weil es in der Gestalt irgend eioer Burgmit rundem Umgang wieder erbaut worden war, zu Ehi-en des heiligenMichaels geweiht worden war, wollte der. neue Abt im Terlaufdes Jahres 1544, daß dieses in Reicher "Weise in der äußeren Er-1. Propst Conrad IL 1177 bis 1200. An die Errichtungeines Hospitals reiht sich die Notiz: Neve corporalibus solummisericordiae operibus, sed et spiritualibus missae sacrificiisdivertentes ibidem pauperes provisi essent, sacellum {jucq^ueneoconstructo hospitali contigmim et ad D. Salvatoris (quodmodo St. Michaelis Archangeli saoellum nuncupatur) gloriamfunditug erigere csoepit, quod cum exilioribns eecundum exterioremstructuram omamentis ttmc efformatum esset, deinsuh temporibus Lucae Härber praepositi specioso ambitu adcastri morem (uti hodie spectantibus patet) circumseptumsuccefisuqu© teniponim a vsriis praepositia lenovatum saepiusl^itur.2. Lucas Bärber 1483 bis 1503. Nam in castro diviMichaelis Archangeli ambitum ad modum propugnaculi moeniolicircumdedit caemento, in quo circumcirca feoestrellae proexplosionibus atrati pulveris accommodatae etiam nunc apparont.— His partis, ne aurea sed nucina subinde überlaseiusmodi famulos occasione nocturnarum evagationum adSyrtimpericuli pi-ovitare posset, in portieu D. Archangeli Michaelisduplicem transitum binis portis fortiter praemuuivit, quassingulia diei crepusculis contra nefandos tunc exeuntium tumingredientium ausus^ et acumlitates puerorum strictim obsecvaripraecepit,3. Hieronymus L Piessendorfer 1542 bis 1561.Älterum proinde, qaod reparaverat, saceUum divi Michaelisfiüt. Postquam onim antiqiiissimnm istiid delubrum a. D.1199 in honorem divi Salvatoris constructum, ac deincepsannis 1219 nee non etiara 1491 identidem restauratum etideo quia in forma alicuiua castri cum rotundo ambitu reaediflcatumesset, in honorem St. Michaelis consecratum fuerat,id etiam modernus archimandrita siib annum 1544 aequesti'uctura extrinseca ac sanctificatione interna voluit restitutumin. Hoc autem ideo, quia, quantumvis nono huius reeon-Becrationis instrnmentum taceat, in reteri quodam sohediasmatelegimns, causam vesanae illi rebellium rusticorumdepraedationi datam, ob publicum videlicet sacrilegium, quonefandi praedones eo temeritatis venere, ut dicto s. Salvatoriset archangeli Michaelis sacello in pessimarum suarum coniurationumcapitolium, rapinarum gazophilaclum, aliorumqueBcelerum offioinam abuei fuerint. Quod cum anno 1525 contigisset,inde lapsu annonim fere 19, memorat» capellatanquam profanata venerationi esse desiit; quo factum utruentibua tecto et caemento pluviis pervium profanum magiSjscheinnug und in der innei'en Weihe iviederhergestellt werde- Diesaber deshalb, weil, wie sehr auch immer neuntens (?) (oder corovom Neuen?) die Urkunde jener Wioderweihe schweige, wir aufeinem gewissen alten Fetzen Papier lesen, da0 der Orund io jenerwahnsinnigen Plündertin^ der aufständischen Bauern gegeben sei,offenbar um jenes ÖfTenthchen EVevels willen, in dem die ruchlosenBäaber bis zu einem solchen Oj'ade d«r Unbesonnenheit gekommensind, daß sie das mit den Namen des heiligen Grlösei-s und desEritengels Michael benannte Heiligtam znm Kapitol ihrer aohlecfatestenYerschwdroogenj zur Werkstätte lär EirohensohatKräubereieaund andere Frevel gemi£branoht haben. Und als sich dies im Jahre1555 ereignet hatte, und nachdem von da ab uDgefUhr 16 Jahre verflossenwaren, kam die Kapelle wieder in die Erinnernag und hörtegleichsam auf, <strong>für</strong> die Verehrung entweiht zu sein; so kam es, daßsie mit eiustürzendäm Dache und Mauerwerk mehl ein ^fFentUclverTummelplatz <strong>für</strong> den Kegen als eine Behausung <strong>für</strong> Himmelsbewohnerwährend nageßilir 19 Jahren dagestanden hat. — Wghrendd^ obeagenannten Jahres 1644 wurde jene Burg mit nicht geringenMitteln desselben Abtes und des Kollegiums winler anfzabauen begonnenund bald darauf glücklich beeodet.4. FortnnatTroyer 1678 bis 1707. Die Burg des heiligen Uiobaelerneuerte er in) E^obmncko innerer und Sufierer Malerei.


361 Bernh. Hoffmann, Die St. Michaelskapelle beim Kloster Neustift in Tirol 362quam coelicolarttm domicilium annis fere 19 ita praestiterit.— Sflb praecitatum annum 1544 band exilibus eiusdem praepositiooUegiique impendiis castnim illud reaedificari coeptumpauloque post feliciter terminatum fuit.4. Fortunat Troyer 1678 bis 1707. Castrum St Michaelisin et extrorsum variis pictiirarum ornamentis innovavit.Aus der ersten Noriz geht hervor, daß Domenikus Kollerder Ansicht war, ddß die Miohaelskapelle zwischen 1177 bis1200, genauer zwisclien 1190 und 1109 als <strong>Sp</strong>italkircheerbaut worden sei. Atz und die Mitteilungen geben deswegenauch diese Zeit und diesen Zweck an.Die Vermutung Berthold Riehls, daß die Michaelskapellenicht mit der <strong>Sp</strong>italkirche identisch sei, wird durch die weiterenErwähnungen des Bnuwerks unter demselben Namenin demselben Buche widerlegt, Q-leichwohl hat Berthold Riehlrecht mit seiner Behauptung, daß die itichaelekapeile als<strong>Sp</strong>italkirohe ganz ungeeignet seij insofern ungeeignet, alsdurch das Programm zu einer <strong>Sp</strong>italkirche die jetzt MOTbandeneForm auf keinen Fall bedingt worden wäre. DieZugänglichkeit nur durch das Beinhaua, die unpraktischehohe Lage des Andaclitraumea und der unverhältnismäßiggroße Aufwand <strong>für</strong> die Gewinnung der' kleinen Nutzflächesprechen dagegen.Für Domenikus Koller lag aber keine Veranlassung vorzu prüfen, ob das Gebäude als <strong>Sp</strong>italkirche geeignet sei, daer ja seine Benutzung als solche vor Äugen hatte und dadiese Benutzung durch die später zugefügten Zugänge in Höhedes Hauptgeschosses äußerst betiuem war. Zu seiner Zeit wardas Gebäude eben weit mehr geeignet als im Jahre 1199.Dieses Jahr lag auch schon so weit, rd. 500 Jahre,hinter Domenikus Koller zurück, daß ihm das Gebäude alsuralt erscheint. Die Quelle, aus der er schöpft, ist znv Zeitunbekannt. Da es einem Laien schon kurze Zeit nach demBau schwer fällt zu unterscheiden, ob ein Gebäude vonGrund aus neu errichtet oder von Orund aus neu hergerichtetworden ist, so wÄre es nicht zu verwundern, wenn er dieerste Nachricht von baulicher Tätigkeit am Gebäude <strong>für</strong> dieErbauungsangabe gehalten hätte, wenn er Neubau und Umbauverwechselt hätte. Gerade hier in Neustift ist die Möglichkeit,daß ältere Notizen über den Rundbau verloren gegangensein können, besonders groß, da im Jahre 1100 die nochnicht 50 Jahre alten Stiftsgebäude durch eine Feuersbrunstverzehrt wurden. In der geretteten Stiftungsurkunde desKlosters aus dem Jahre 1142 wird die Michaelskapelle freilichnicht erwähnt, denn die dort genannte Kapelle „SauetVictor in Silva" wird an der Stelle der noch jetzt im Klosterbefindlichen epätgotisoben St. Victorskapelle vermutet. Dieskann aber darauf beruhen, (laß das Gebäude wahrscheinlichunvollendet und unbenutzt, Äur Ruine geworden, dalag unddaß Ruinen zur damaligen Zeit kein solch seltener und merkwürdigerAnblick waren, daß sie in einer Urkunde unbedingtbitten genannt werden Tnüasen.Alle Momente zusammen ^ die mangelhafte Eignung derKapelle <strong>für</strong> den genannten Sonderzweck, die <strong>für</strong> das Jahr1190 altertümliche Formgebung und das Versetzen der Bauzeitan den Anfang der wiederanknüpfenden Überlieferungunmittelbar nach dem Brande, ergeben eine sehr starkeWahrschdulicbkeit da<strong>für</strong>, daß es sich um die Neueinrichtungeines vorhandenen" Bauwerka handelt.Das was durch den neuen Zweck nicht bedingt ist,würde sich dadurch als Überrest aus der früheren Zeit desGebäudes kennzeichnen. Ebenso stehen alle die Teile, diesich als karolingische oder altchristliche Anklänge herausstelltenoder sonst besonders altertümlich wirkten, in demVerdacht, ebenfalls der Urzeit des Gebäudes anzugehören.Hierzu würde zu rechnen sein; daa ganze Untergeschoß, mitdem Durchgang in der Mitte, mit der Dekoration der Bogendurch Wechsel zwischen Granit und Mauerwerk, mit samtliehenGewölben und mit zwei Treppen nach dem Obergeschoß;im Obergeschoß der ZentraJraum mit dem Altäreund mit der Kuppel, der durch vier Langfenster, zwei Rundfensterund die kleine Mittelöffnuug beleuchtet wurde undwahrscheinlich mittels einer Tür inmitten der beiden Treppenzugänglich war, ferner der eechzehnseitige Umgang mit denKämpfern der Gewölbe, aber ohne diese, mit den seitlichenGewändepfosten der Fenster, vielleicht auch mit diesem oderjenem Teile der jetzt vorhandenen Fenstersäulen ausgestattet.Fast der ganze Kembau nitlSte also <strong>für</strong> die Urzeit in Anspruchgenommen werden.Je besser erhalten dieser unbenutzte Bau im Jahre 1190war, um so eher mußte sein Umbau <strong>für</strong> die Zwecke der<strong>Sp</strong>italkirche ins Auge gefaßt werden. Denn nur die Ettcksichtauf Ersparung der Baukosten macht es erklärlich, daBman sich mit den Unbequemlichkeiten der Benutzung abfand.Die Arbeiten der Jahre 1190 bis 1199 werden sichalso auf die zur Benutzung unumgäoglich nötigen "Wiederherstellungenbeschränkt haben. Herstellen der Dächer, Vollendendes einen Treppenaufganges, Abdecken des anderen,Putzen der Wände, Bemalen derselben, vielleicht auch Einbrechender Tür gegenüber dem Altar, Wiederaufstellen derMlttelsäulen der Fenster unter Ersatz verloren gegangenerStücke dürfte in diese Zeit fallen. Das Wölben des Umgangesmit Kreuzgewölben mag in der Zeit von 1319 bis 1327erfolgt sein, denn das Wort „construxit" in dem von Ätzangeführten Ausaug deutet auf erheblichere Tätigkeit. Inder Zeit von 1483 bis 1503, genauer 1491, wurde nun der„speciosus ambitua" hergestellt. Von den früheren AutorenWürde dieser Bauabschnitt rd. 20 Jahre früher angesetzt,zur Zeit der Erbauung der Ringmauern. Die Mitteilungenverstanden unter dem „ambitus" das ganze Sechzehneck;welche Gründe gegen diese Auffassung vorliegen, wurde aufS. 358 ausführlich gezeigt. Richtiger schätzte Atz die Erbauungdes Zinnenkranzes und des Treppenturmea <strong>für</strong> diese ZeitHier tritt ein Verdienst der Wiederherstellung von 1902klar zutage. Der Ersatz des Daches über dem sechzehneckigenUmgang durch eine mit Estrich abgedeckte Plattformmacht es augenfällig, daS diese Plattform unter ambitus zuverstehen ist. Daß diese Plattform hinter dem Zinnenkranzeauch als Umgang (ambitua) bezeichnet weiden kann, ist ohneweiteres klar. ^Ad caatri morem = in der Weise einer Burg,ad modum propugnaculi = nach Art eines Vorkampf- AuSenpostens,uti hodie speclantibus patet ^ wie man es heute(1003) noch sieht** Diese lateinischen Worte passen nurauf das Gebäude mit Zinnenkranz, nicht auf die äußere Erscheinungvor Errichtung der Zinnen.Außerordentlich treffend ist auch die Verwandlung deräußeren Erscheinung gekennzeichnet, die durch Errichtungdes Zinnenkranzes bewirkt wurde. Durch diesen wurde der23*


363 Bernh. Hoffmann, Die St. MichaelsVapelle beim Kloster Neustift in Tirol. 364Bau erst stattlicli (speeiosus), während vorher nicht vielSchmiici daran war (exilioribiia omamentis = mit magererenSchmuctstücken). Sinngemäß gehört der Treppenturra zurPlattform und ist also gleichzeitig, ebenso die Brustwehrenin den Fenstern hinter den Säulchen,Nach der übereinstimmenden Annahme von Atz und denMitteilungen gehörte auch das iVeskobild der Altarnische indiese Zeit. Etwas später, aber noch vor dem Jahre 1503,bei Lebzeiten von Lukas Härber, wurden dann die beidenYerbindungsgänge mit den Nachbargebäuden hergestellt. Nichtaufgeklärt ist noch, "weshalb an der Tür des abgebrochenen"Überganges die Zahl 1558, die Atz gelesen hat, eingemeißeltwurde.Eine flach abgedeckte Plattform, sei es daß sie mitEstrich, sei es daß sie mit anderem Deckmaterial auf <strong>Sp</strong>arrenhergestellt wurde, ist aber ein sehr empfindlicher Bauteil,der guter Pflege bedarf. Nicht zu verwundern ist daher,daß es nach der nächsten Notiz bei dem Rundbau übermäßigdurchgeregnet habe {pluvüs pervium), nachdem erim Bauernaufstand 1525 geplündert worden war imd nachdemsich sogar Räuber dort eingenistet hatten.^^)Bei der Wiederherstellung im Jahre 1544 (Atz nimmt1558 an) werden desvfegen vor allem die Dächer ausgebessert,bezw. über dem Umgang neu hergestellt und imAnschluB hieran die Umänderungen der Beleuchtung desInnenraumes vorgenommen worden sein. Yielleicht ist damalsauch jene Nebentreppe nach der einen Kammer des Untergeschossesangelegt worden. Es ist jedenfalls eher anzunehmen,daß diese durch geschickte Benutzung eines vorhandenenSchadens entstanden ist, als daß um ihretwillendie dicke Mauer ausgehöhlt worden wäre.Die letzte Notiz 1678 bis 1707 beschäftigt sich nur mitinnerer und äußerer Sehmuckmalerei.Die Schicksale des Rundbaues seit dem Jahre 1190 sind,wie man sieht, ausreichend verbürgt.Nur die mutmaßliche Bestimmung des Urbaues muß nochklargelegt werden. Da karolingiache Anklänge zu erkennenwaren, so muß zunächst geprüft werden, ob die Kulturzustandein damaliger Zeit die Entstehung eines derartigen Bauwerkesbegünstigten. Die Brennerstraße, die schon aus der Römerzeither lebhaftem Verkehr diente, war besetzt durch Burgenund feste Plätze, in denen mächtige Geschlechter teils denHandel beschützten, teils ihn ausbeuteten. Es wird voneinem Zuge Karls des Großen durch andere Täler Südliroleberichtet (vgl. Atz S. 40, 41), bei dem er unter beständigenKämpfen mit BurgheiTn bis nach Mal6 kam, 100 kra vonBrixen entfernt. Unter den Burgherrn werden auffallend vieleJuden-Tyrannen genannt; einer derselben ließ sich sogar KönigKEUTierus nennen. Kriegerischer Sinn und Selbstbewußtseinzeichnete also diese Kleinherrscher aus. Karls des Großenoder seiner Nachfolger Eroberungen müssen sich aber wohlnoch weiter erstreckt haben, da Kaiser Ludwig das Kind im27) Za dieser Zeit muß es im Kloster nicht behaglich gewesenseia. Aus der Erinnerqng an solche Zustände mag der innige Gebetsspruchdes Ferial breviers auf dem Verbiodongsbogen mit demNachbarhause angebracht sein: ^Ba pacem doinjne, in diebuS nostri8,quia Don est alius, qui pugnet pro nobis, oisi tu deue noster! zudeutsch Voll Marfm Luther: Verleih uüs Frieden gnädiglieh, HerrGott 20 unseren Zeiten; es ist ja dooh kein anderer nicht, der <strong>für</strong>uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleinaJahre 901 den Königliehen Meierhof Brixen dem BischofZacharias auf Säben zur Verlegung des Bistums geschenkthat (vgl. Atz S. 4G). Dieser Meierliof umfaßte ein Gebietvon mehreren Quadratmeilen. Man kann also vermuteujdaß auch in der Brixener Gegend ein Tyrann von größererMacht gesessen habe, der besiegt seinen Besitz dem Königlassen mußte. Nun ist der Urbau vorzüglich geeignet, alsGrabdenkmal und Gedächtniskapelle <strong>für</strong> einen Herrscher zudienen. Ein Yergleicli mit dem berühmtesten Grabmalgermanischer Frühzeit, dem des Theodorich in Eavenna, wirddies anschaulicher machen. Beides sind zweigeschossigePolygonalbauten mit rundem Hauptraum, Eavenna zehneckig,Neustift sochzehneckig. Die Abmessungen des Kuppelraumessind ähnlich, Ravenna rd. 9,40, Neustift rd. 8,80 m. BeiRavenna führten zwei stolze Freitreppen zur Höhe des Obergeschosses,in Neustift ebenfalls zwei Treppen, die desKlimas wegen ins Innere verlegt sind. Der Umgang ist inRavenna schmal, in Neustift schon zur Aufnahme der Treppenbreiter angelegt. In Bavenna öffneten sich die Umgangsseitenmit je zwei Bogen auf überaus zierlicher Säulenateilung,die infolgedessen auch den Unbilden der Zeiten nicht standhielt. In Neustift wurden unter Berücksichtigung des rauhenKlimas die Außenwände stark und massiv gemacht; je zweiBogen mit zwischengestellter Säule wollte man anscheinendaber doch nicht missen.Statt der kostbaren Ausstattung des Theodorichgrabesmußte sich der Neustifter Herrscher mit bescheidenem Baustoffbegnügen. Der gewaltige abdeckende Steinkoloß ausRavenna ist dnrch ein sehlichtes Kuppelgewölbe ersetzt.Im übrigen ist der Neustifter Bau mit guter Voraussichtangelegt. Denn der während des Baues vorhandeneMittelweg^*) im Untergeschoß hatte offenbar den Zweck, dasHerein schaffen eines ganz besonders schweren und wertvollenStückes, also des Prunksarkophages <strong>für</strong> den Herrscher zuermöglichen. Die Übernahme der beiden Treppen könnte zusklavisch und deshalb unwahrscheinlich erscheinen, wennda<strong>für</strong> keine Bedeutung vorläge. Diese ergibt sich aber beieiner Gedächtniskapelle ganz ungezwungen. Es könnte inder Absicht des Stifters gelegen haben, sein Andenken durchGedächtnisfeiern, sei ea an seinem Todestage, sei es ankirchlichen Festtagen besonders rege zu erhalten. Hierbeikönnte sich folgender Verlauf ergeben. Zuerst finde eineAndacht am Sarkophage stattj alsdann entwickele eich einfeierlicher Zug unter Benutzung beider Treppen nach oben.Hier begiebt sich ein Teil des Zuges in den Innenraum, woselbstein Hochamt abgehalten werde, während gleichzeitigSänger oder Posaunenbläser durch alle Öffnungen nach16 Seiten hin die Umwohnenden oder außen Lauschendenzur Teilnahme auffordern. Die völlige Abschließung und diedicken Mauern des Kuppelbaues verhindern eine Störung desHochamtes während dieser Zeit.Es fehlt die urkundliche Begründung <strong>für</strong> diese Annahme.Di© Eigenart des Grundrisses findet aber ihre völlige Erklärung.Das Bauprogramm ist gewissermaßen aus dersteinernen Urkunde abgelesen.Da ferner das Gebäude zu dem Zwecke, <strong>für</strong> welchenea nach der Schrift aus dem Jahre 1693 im Jahre 1199 ge-28) Der Mittelweg hat genau die von der Berliner Baupolizeiverlangte Breite <strong>für</strong> Darchfahrteu.


365 Heinrich Wagner, "Wiederherstellung des Domes in Worms. 366baut sein soll, aicht recht tauglich ist, so ist die Annahmeberechtigt, daß es sich im fraglichen Jahre nicht um einenNeubau, sondern um einen umbau gehandelt habe, und daßder Neubau spätestens im Anfang des 9. Jahrhunderts alsDenkmalskirche errichtet sei.Prof. Thiersch gelangt in gldcbem Sinne zu nochweiter gehenden Schlüssen, Wegen der Lage der Kapelleim Tal und nicht auf den benachbarten Höhen vermutet er,daß sie als Grabdenimal auf der Stätte einer entscheidendenSchlacht errichtet sei. Ein Siegeszeichen der Langobardenwill er in ihr erblicken. Er bezieht sich hierbei nicht nurauf altchristliche Grabeskirchen und das Grab des Theodorichin Ravenna, sondern auch auf das kürzlich wieder aufgefundenezinnengekrönte Siegesdenkmal Trajane an der unterenDonau, —und als <strong>für</strong> die Erhaltung dieses Baues, der die Möglichkeit80 weiter Ausblicke eröffnet, auf behördliche Anregunghin nach Aufnahme durch den Konservator etwasgeschehen sollte, da wurde diese Aufgabe einem Polier alsSachverständigen anvertraut. Die Yeränderungen, die der Baudabei erfuhr, die jetzt auch der Geschichte angehören, sind beider Beschreibung der einzelnen Bauteile vermerkt.Ob es wohl das letate Bauwerk ist, dem in guter AbeichtSchaden zugefügt wird? Beruh, Hoffmann.Wiederherstellung des Domes In Worms.Architekt: Dombaumeister Geheimer Oberbaurat Professor Karl Hofmann in Darmstadt.Vom Baurat Heinrich Wagner in Darmstadt.(Mit AbbiVdnngen aufAuf der vorjährigen 17. Wanderversaramlung des VerbandesDeutscher Architekten- und lugenieur-Yereine inMannheim hielt Geheimer Oberbaurat Professor Hofinann-Darmstadt einen Vortrag tiber die ihm anvertraute Wiederherstellungdes Wormser Domes. Aus den Ausführungen desRedners und den übrigen von ihm uns zur Verfügung gestelltenUnterlagen entnehmen wir das Folgende.Nachdem in der Basilika und in dem byzantinischenZentralbau die ersten christlichen Gotteshäuser in Anlehnungan die damals noch vorherrschenden griechisch-römischenBildungsformen entstanden waren und im Orient durch langeJahrhunderte diese Bauweise beibehalten wurde, vollzog sichim Abendlande, und rasclier als anderswo auf germanischemBoden, die Lbslösung des Kirchenbaustils von der antikenÜberlieferung. Dort erwuchs der romanische Stil. Die klassischeStätte desselben ist die obere Rheinebene mit den Domenin <strong>Sp</strong>eyer, Mainz und Worms, als Blüten edelster romanischerKunetübung. In Worms bestand schon früh eine denAposteln Petrus und Paulus geweihte Bischofskircho. Obia fränkischer Zeit ein Neubau stattgefunden hat, ist nichterwiesen. 892 schlug der Blitz in den Dom, so daß dieüifUuern fast zusammenstürzten. Die eigentliche ö^ehit^tedes Bauwerks, d^ jetzigen Domes, setzt ei^t ein mit BischofBurkard I. (lOOO bis 1025). Burk«rd hat, wie die Geschichtelehrt, Außerordentliches <strong>für</strong> Worms getan, außer dem Domhat er noch vier Kirchen erbaut und die Stadt mit umfangreichenund betürmten Befestigungen versehen, wodurch erder Schöpfer des mittelalterlichen Worms geworden ist. Schon1018 war der Dom beinahe fertig und wurde damals aufVeranlassung und in Gegenwart Kaiser Heinrichs ü. geweiht.Nach zwei Jahren, also 1020, stürzte der Chor des Domesplötzlich ein, wurde aber von Burkard alsbald aufs neueaufgebaut Die Grundmanern hiervon, sowie die unterenStockwerke der beiden westlichen Türme sind noch erhalten;sie wuiden im Jahre 1886 bei Gelegenheit von Aufgrabungenaufgedeckt. Der 4ilte Chor, der dem heiligen Laurentiusgeweiht war, und unter dessen Altar Burkard seine Kuhestflttefand, hatte Übrigens nicht die heutige polygonale Gestalt,Blatt 47 bis 49 im Atlas.)(AHe Rechte TArbelialtBn,)sondern bildete eine halbrunde Apsis mit viel geringererAusdehnung als der heutige Westchor. Bemerkenswert andiesen Bauteilen ist die Steinbearbeitung; sie zeigt den sogenanntenkonzentrischen Hieb, eine Bearbeitung, die sichnoch in Straßburg und in Limburg a. d. Haardt findet undsich als römische Überlieferung erweist. Burkards Nachfolgerhaben das Bauwerk fertig gestellt. Unter Bischof Eppo(1107 bis 1115) fand die zweite Einweihung unter KaiserHeinrich V. (1110) statt Schon nach 70 Jahren war indesdas Gebäude so baufällig, daß Bischof Konrad IL von Sternberg(1171 bis 1192) einen fast vollständigen Um- oder Neubauvornehmen mußte. Dieser unter Beibehaltung von BurkardsGrundplan vollzogene Umbau war 1181 vollendet, so daßin diesem Jahre eine neue Einweihung erfolgte. Das istder Dom, wie wir ihn beute sehen. Der Steinsarg Konradswurde 1886 im Westchor, wo die Leiche beigesetzt war,gefunden. Nach 1181 wurde übrigens noch weiter gebautund zwar bis ins 13. Jahrhundert, etwa bis zum Jahre 1234.Diesem iüngsteu Bauabschivitt gehört die Yierungskuppel undder Weetchor an. Damit kann dann die romanische Bautätigkeitals abgeschlossen gelten. In gotischer Zeit kamennoch eine Anzahl Anbauten dazu. Um 1429 geschah einneues UnglQck, als der Nordwestturm zusammenstürzte. DieUrsache des Zusammensturzes wird aus den nachfolgendenAusführungen erkennbar, 1472 wurde der Turm auf dem nochstehenden unteren Stockwerk wieder aufgebaut in gotischen Formen.1481 schlug der Blitz in den Dom und beschädigte denSfldwestturm, der nun auch einen gotischen Turmhelm erhielt.Wer die Baumeister der Domes gewesen sind, wissen wirnicht. Aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts wird ein BaumeisterNanno genannt Am südlichen Ostturm steht in<strong>Sp</strong>iegelschrift der NameHerike, auch vieUeioht ein Baumeister.1450 wird als Architekt einmal Jost Dotzinger genannt^1452 bis 1472 Werkmeister in Straßburg. In dem Zustand,in dem sich das Bauwerk bei Ausgang des Mittelalters befand,verblieb es fast zwei Jahrhunderte. £]in schrecklicheöEnde nahm die Herrlichkeit des Gotteshauses mit der französischenF&^hsverwQBtung im Jahre 1689. Kaoh der dem Bischof


367 Heinrich Wagner, Wiederherstellung des Domes in Worms. 368von dem französischen Befehlshaber gewordenen Znsichemngsollte der Dom erhalten bleiben. Im Vertrauen hieraufbrachten viele Bürger ihr Hab und Gut dort unter, so daßder Westchor und die Seitenschiffe bald fast bis oben angefülltwaren. Kurz darauf wui'de die Zuöichemng widerrufenund, ohne daß man Zeit zur Räumung des Ootteahausesgehabt hätte, TPenige Tage später mit der ganzen Stadt auchder Dom in Asche gelegt. Die Glut Tom Pombrand soll sostark gewesen sein, daß das geschmolzene Blei von denDächern 8trom\?eise hinab in die Sladt geflossen sei. DasGebäude wurde im Innern ganz ausgebrannt, das Dach zerstörtund das äußere und innere Steinwerk besonders imWestchor stark beschädigt.Eine rege Tätigkeit, den Dom wiederherzustellen, entwickeltesodann Bischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg(1694 bis 1732). Er errichtete den prachtvollen Hochaltarmit dett Seitenaltären und setzte das Innere, nanjentlich denWestchor, wieder instand, indem die Brandschäden amStein"vverk durch (heute wieder beseitigte) Vormauerungenund Verputz verdeckt wurden. Uuter Bischof Franz Georgvon Sohönborn wurden die Chorstühle gefertigt. 1810 wurdedie Taufkircbe des heiligen Johannes, die auch von Burkarderrichtet war, abgebrochen; viele Architekturteile hiervonsollen nach Frankreich gewandert sein. Wie die Säulen derZwerggalerien, die heute noch im Faulusmuseum aufbewahrtwerden und wie eine von Professor Ö. v. Seidl im Archivin <strong>Sp</strong>eyer gefundene Abbildung zeigen, war das Bauwerkvon zehneckiger Grundrißforra und hat mit dem Dom eineharmonisch abgestimmte Baugruppe abgegeben. Der Bauunternehmerßlattuer-Worms, der den Abbruch vollzog, hattenoch einen Grundriß des Bauwerks aufgenommen, der sichim Paulusmuseum befindet. Der Bestand dieser Taufkapelleist zweifellos auch Veranlassung zu der unregelmäßigenFensteranordnung im südlichen QuersehifF gewesen. Im Jahre1813 wurde der Krenzgang ein Raub der Klammen. SeineReste mit dem an die Taufkapelle anstoBenden Kapitelhauswurden im Jahre 1833 auf den Abbruch versteigert, trotzdemder bekannte Hessische Oberbaudirektor Moller <strong>für</strong> dieErhaltung dieses nach seinen Berichten zu den schönstendeutschen Kunstwerken gehörigen Bauwerks bei den weltliehenund kirchlichen Behörden neun Jahre lang eingetretenwar. Die achönea plastischen Werke und die Schlußsteineder Einwölbung zieren gegenwärtig die jetzige Taufkapelle.In den fünfziger und sechziger Jahren des vorigenJahrhunderts sind mehrfache Herstellungen an dem Bauwerknotwendig geworden, und zwar bestanden diese in dem Einziehenvon Ankern in den GewÖlbewiderlagem des HochschiffeSfin der Beseitigung der welschen Haube auf deröstUcben Vierung, die durch eine romanisierende Bedachungmit Hndeckung von englischen Schablonenschiefern undKupfergrateu im Geiste der damaligen Zeit ersetzt wurde.Aus dieser Zeit stammen auch Vorschläge, die auf eine Bereinigungdes Gebäudes, d. 1L auf eine Beseitigung der Anbautenaus gotischer Zeit hinausliefen und in einem Vorschlagegipfelten, da£ man die dann gewonnenen Maßwerke in einembesonderen, neben dem Dom zu erbauenden Kapellchen verwendensolle.Der Um stand, daß in den siebziger Jahren große Werk*Stücke aus den Einweihungen in der Westkuppel und desWestchores herunterfielen, gab Veranlassung, daß dieser Bauteil<strong>für</strong> den Verkehr abgesperrt werden mußte und man deshalbzur Einholung von Gutachten über die zu treffenden Maß*nahmen sich genötigt sah. Hier sind das gemeinschaftlichvom Hofbaudirektor v. Bgle in Stuttgart, Regierungsbau*meister Mayer in Schwartau, der damals den Dom in <strong>Sp</strong>eyeraufnahm, sowie Geheimen Oberbaurat Möller in Darrastadterstattete, auf äußerst gründlichen Untersuchungen beruhendeGutachten vom Jahre 1884, sowie die im Anschluß an die1886 erschienene Broschüre des Dompropstes Fehr in Wormsim Jahre 1888 erfolgte Begutachtung durch Professor FreiherrH. V. Schmidt in München zu ei*wähnen. Zu der Ausführungkonnte man sich damals noch nicht entschließen,erst 1892 mit Bewilligung entsprechender Mittel durch dieLandstände konnte der Aufgabe ernatlich näher getretenwerden. Es wurde von dem Hessischen Ministerium ein auszehn Herren bestehender Kunstrat, sowie eine besondereBauleitung <strong>für</strong> die Wiederherstellung des Domes eingesetzt.Die Mitglieder des damals zusammengetretenen Kunstratswaren: Ministerialrat Geheimerat Schlippe-Dannstadt, Vorsitzender,Geheimer Obercegiertingarat Persius-Berlin, ProfessorFreiherr V. Schmidt-München, Professor G. v. Seidl-München, Professor und Münsterbaumeisfer v. Beyer-Ulm,Oberst Freiherr v. Heyl-Dannstadt, Domkapitular Dr. Schneider-Mainz,Geheimer Oberbaurat v. Weltzien und GeheimerBaurat Professor Wagner-Darmstadt, Dompropst Fehr-Worras.In der Folge traten mehrfach Änderungen und Ergänzungenin der Zusammensetzung des Kunstrata ein.Zum Bauleiter wurde der Vortragende, damals nochStadtbaumeister von Worms, berufen. Der Kunstrat hattedie Aufgabe, die Vorsehläge der Dombauleitung und die Anträgederselben zu prüfen, hiemach das Bauprogramm festzustellen,die wiederhergestellten Arbeiten zu begutachtenund seine Anschauung der Regierung durch Niederlegung inProtokollen kundzugeben.Die Tätigkeit der neuen Dombauleitung setzte ein mitder Errichtung einer besonderen Bauhütte neben dem Dom,mit der Heranbildung und Schulung eines tüchtigen Stammesvon Arbeitern, mit der Einrüstung der westlichen Baugruppeim Äußern und Innern, mit der Ünterauchung des Untergrundesund der Fundamentverhältnisse des ganzen Bauwerks,mit der Ausftlhrung einer Entwässerung, mit der Bloßlegungder Brandschaden durch Beseitigung der Vormaueningen unddes Verputzes, sowie mit der Auswechslung des durch Brandzerstörten Steinwerks im nördlichen lüngsschiff. Die betreifendenArbeiten erstreckten sich bis in das Jahr 19<strong>05.</strong>Durch zahlreiche Aubohrungen des Erdreichs wurdefestgestellt, daß der featgelagerte rote Donneraberger Eies,der in der westlichen Wormser Vorstadt in einer Tiefe von8 bis 9 m überall anzutreffen ist, sich auch unter dem Domin fast wagerechter Lage vorfindet Über diesem Kies liegteine unter den Fundamenten der Osttürme nur 20 bis 00 cmstarke Lehmachiclit, die der Steigung des Dompbtzes entsprechendzunimmt und unter der Sohle der westlichenOhorfundamente bereits 4,40 m HOhe hat. Diesen Bodenverhältnissenhaben die Erbauer de^ Domes keine Rechnunggetragen; sie sind vielmehr mit durehschnittlich 3 m hohenFundamentmauern einfach der vorhandenen Steigung des Erdbodensgefolgt (Text-Abb. 1). Der Dom ist hiernach auf einer


369 Heinrich Wagnor, Wiederherstollung des Domes in Worms. 370•^ -,; Ji'/xü^r-?i//i/////'ici^-l'''^/r '.Abb. 1. SUdansiclit des Domes mit Schnitt durch don UatergruDd,ganz Tinglcicliraäßigen, nach Westen sich keil<strong>für</strong>mig verstärkendenDiluvialbodenschicht gegründet. Sie besteht aus demsogenannten Löß oder Fluglehm ohne jeglichen Sandzusatz,aber mit starkem Kalkgehalt. Über die Eigenschaften diesesBaugnmdes war in früheren Gutachten bereits berichtet unddie hochgradige Empfindlichkeit in bezug auf Plastizitätnachgewiesen worden. Damit decken sich auch die bei HochundTief bauten der Stadt gesammelten Erfahrungen, welchelehren, daß der Lößboden seinen Eaumgehalt erheblich verkleinert,sobald er feucht oder auch nur aufgelockert und in eineandere Ijage gebracht wird. Aus dieser Untei'grundsbeschaffenheiterklären sich auch die frühereu Einstürze am westlichenBauteil, ebenso daß die Schäden des Baues von Ostennach Westen sich vergrößerten, und es erscheint darum unzweifelhaft,daß sämtliche Schäden in erster Linie auf denhöchst unzuverlässigen Baugrund, zurückzuführen sind, und// erst in zweiter Linie auf die mangelhafte Gründung. Dietechnische Ausführung der letzteren muß allerdings als hoclistsorglos tind ungenügend bezeichnet werden, wie die Untersuchungenergeben haben. Die oberen Mauern saßen fernerganz unregelmäßig auf. Die Belastung des Erdreichs unterder Fundamentsohle wurde zu 4,13 bis 7,30 kg/qcm, diePressung im Mauerwerk zu 7,14 bis 11,58 kg ermittelt,wobei hervorzuheben ist, daß der Berechnung nur normaleBelastunggverhältnisse mangels anderer sicherer Grundlageuntergelegt werden konnten, so daß in Wirklichkeit wohlungünstigere Verhältnisse als bestehend anzunehmen waren.Nach dem Abschluß dieser Untersuchuagen und Vorarbeitensah sich die Bauleitung veranlaßt, ihrer vorgesetzten Behördeim Mai 1895 einen Bericht zu unterbreiten, in dem die seitherigenErgebnisse mitgeteilt wurden. Der Bericht ist dadurchbesonders wertvoll, weil darin diejenigen Anschauungen überdas Vorgehen bei den Wiederherstellungsarbeiten bereitsvertreten sind, die sich damals zwar noch keine Geltungverschaffen konnten, die aber heute nach dem ganzen Gangder Wiederherstellung imd dorn hierbei festgestellten Baubefundallgemein als die von vornherein richtigen im vorliegendenFalle anerkannt sind.In dem genannten Bericht wird auf Grund der Vorarbeitendie nochmalige Prüfung des seitherigen Wiederherstellungsprogramms,das von der Möglichkeit derErhaliungdes Westchors in seinem damaligen Bestand ausging, gefordertund die Frage aufgeworfen: Soll der Westchor mit derVierungskuppel, als die schönste Baugruppe desDomes, nur auf eine verhältnismäßig kurze Dauer,d. h. auf Jahrzehnte, erhalten oder sollen diese Gebäudeteileauf Jahrhunderte in ihrem Bestand gesichertwerdenV In der Annahme, daß die Erfüllung derin der zweiten Frage liegenden Bedingung zu erstreben sei,wird als einfachstes und sicherstes Mittel, zum Ziel zugelangen, bezeichnet: Gänzliche Abtragung des Westchoresund der Vierungskuppel, Erneuerung derChorfundamente, Wiederaufbau der genannten Bauteilemit dem alten Steinwerk und teilweise Unterfangungder Fundamente,Zur Begründung dieser Annahme verweist die Bauleitungauf das bereits geschilderte Ergebais der Bodenuntersuchungenund schlägt demgemäß vor, eine Neugründung des Westchoresauf den 4,40 m tiefer liegenden festen Kies vorzunehmen.Was die im seitherigen Programm schon vorgesehene Aus-


371 Heinrich Wagner, Wiederherstellung dea Domes in Worms. 373wechsluii^ des durch Brand beschädigten Steinwerksim Innern des Chores anbelangt, so hatte die Bloßlegungder Brandschäden ergeben, daß der ganze innere Quadermantelmit den halbkreisförmig geschlossenen profilierten Bogen derBlendnischcn in einer Höhe von 5,30 m der Erneuerung bedurfte(vgl. Bl. 47), daß ferner die äußere und innere Quader-Verkleidung, die keine durchgehenden Binder besaß, nichtmehr im Verbandstanden, so daß esgeradezu als eineGefährdung desWestchorea undnamentlich auchder großen Bösehätte erselieinenmüssen, wenn manhier nach Ansbossierungder innerenSteine denbeiden "Werksteinverkleidungennoch eine dritteSteinverblendunghinzugefügt hätte,<strong>für</strong> deren gutesGelingen und sachgemäßeAusführungJ[Wiederherstelinngeinessicheren Verbandes)zudem eineGewähr hätte nichtübernommen werdenkönnen. DieBauleitung kamdeshalb zu derAnsicht, daß eineAuswechslungdes Steinwerksim Innern desWestchores nurim Falle einervollständigen^Ablegung desletzteren ausgeführtwerden dürfe. Das Chordaeh anlangend, dessenvollständige Sicherung gegen das Eindringen des Tagewassersebenfalls eine Programmforderung war, sprach derBericht die Überzeugung aus, daß ein Ausbessern nach demBefund nicht möglich und deshalb eine Emeuernug derSteinabdeckung und der Gewölbe Torzusehen sei, wobei durchVerwendung leichterer Baustoffe zugleich der Schub verringertwerden solle. Der Vorschlag ging dahin, unter Vermeidungkostspieliger Hilfskonstruktionen zur Abfangung derKuppel zunächst die oberen Lasten und schiebenden Bauteilezu beseitigen; demgemäß wurde auch die Ablegung dersehr beschädigten und nach Westen überhängendenVierungskuppel als eine Vorbedingung <strong>für</strong> dieWiederherstellung des Chores gefordert. Auch dieAusführung der Verankerungen konnte nach Änßicht derBauleitung nur im Falle der Abtragung des Chores und derVierungskuppel eine durchaus befriedigende und zweckentsprechendeLösung finden, indem hierdurch allein derenunsichtbare Lage im Innern des Mauerwerks, der Schutzgegen die Einwirkung der Feuchtigkeit durch luftdichteEinbettung, sowie die leichte und billige Verlegung erreichtwerden würde,Erneuerungen amSteinwerfc würdennur da, wo unbedingtnotwendig,vorzunehmen sein.Zu den weiter auszuführendenArbeitenwürde nochgehören, daß dieteils durch Verschiebungen,teilsdurch Pfuscharbeitherbeigeführteovale Form dergroßen Rose wiederkreisrund,welche Form durchdie sorgfältige Aufnahmeder einzelnenWerkstückeals die ursprünglichezweifellossich nachweisenließ, hergestelltwürde. Es würdeferner erreicht,daß die aufgehendenFormen allesenkrecht laufen,=^Abb. 2. Schichtonplaa der wiederhergestellten großen Rose des Westohors.die verschobenenBogen und GesimsgliederuDgenwieder eine geordneteflüssige Linienführungerhalten,alle Werksteinein die ursprünglichbeabsichtigte Lage wieder von neuem versetztwürden. Hierzu sei bemerkt, daß der am Dom vorhandeneWerkstein eine große Härte und Wetterfestigkeit aufwies,sodaß die Wiederverwendung der wenig beschÄdigten Stückevon vornherein ins Äuge gefaßt werden konnte.. Der Bericht zählt noch alle Einzeletudien, tJntersuchungenjMessungen und Aufnahmen, die der l^fiederlegung vorausgehenmüßten, auf imd lautet in seinen wesentUchen Schlußsätzenwörtlich: „Die vorgeschlagene Niederlegung wird aber zurechtfertigen sein, -wenn die Überzeugung Platz gegriffen hat,daß keine anderen Mittel und Wege vorhanden sind, umdem Chor und der Kuppel einen auf Jahrhunderte gesichertenBestand zu geben, und wenn ferner der plfuimäßige Nachweisgeliefert ist, daß der Wiederaufbau mit dem vorliandenen


373 Heinrich Wagner, Wiederherstellung des Domes in Worms* 374Steiiiwerk in der alten Form unter AVahrung aller statischenAnforderungen und einer nützlichen Verwendung der Baumittelausgeführt werden kann. Die Aufgabe, der großartigenSchöpfung des Mittelalters etwas Neues nnterznschioben, wird"— da alle Einzelheiten gegeben sind — an die Bauleitungüberhaupt nur im geringsten Umfange herantreten können.Wir sind nns deshalb wohl bewußt, daß im vorliegendenFalle wir auf einfreies Schaffen unbedingtverzichten,und unserer Pflicht,das VoHiandeneraöglichst 7A\ erhalten.Neues abervüUig im Sinne desAlten nachzubilden,mit großer Selbstbeherrschunggeroclitwerden müssen."Der Kunstratkonnte sich mitden in dem vorerwähntenBerichtenthaltenen Vorschlägender Bauleitungjedoch nochnicht befreunden,da in demselbenimmernoch die Meinungvorherrschte,daß der in vierTeilen auseinandergewieheneWestchor,wie ancJi dieim gleichen Maßebeschädigte wcstliciieViörungskuppeldurch andereMittel erhaltenwerden könnten.Es darf hierbei bemerktwerden, daßbis dahin noch keineAbtragungbei einemsolchen Bauwerkstattgefunden hatte, und daß esdeslialbwohl begreiflich erscheint,wenn der Kunstrat im Hinblick auf die Verantwortung, dieihm oblag, nur schwer seine Stimme <strong>für</strong> eine solch eingreifendeMaßnahme abgeben konnte. So entschied man sichnach mehrjährigen Verhandlungen schließlich zu einem vorsichtigenVorgelien durch Ausführung einer eisernen Verankerungder westlichen Vierungskuppel und zu einer probeweisenkeilförmigen Abtragung des ohnehin zu erneuerndenChordaches bis zur großen Rose. Bei diesem Vorgang stießman hinter dem Hanptgesims des Chordaches auf die Öffnungeines starken Holzankers. Dieser Fund gab Veranlassungnach weiteren Verankerungen zu forschen, was das überraschendeErgebnis zur Folge hatte, daß der Westchor mitvier starken, in den Ecken überblatteten Holzaukern (hinter<strong>Zeitschrift</strong> f, <strong>Bauwesen</strong>. Jahrg. LVIi.Abb- 3. Aiibicht von Oytcn, Aufimhiiiu voii! ."i. Aiigubt 1903.der Traufe, unter der Zwerggalerie, in der Gewölbehinternianei'ung(Text-Äbb. 4 u. 5), in der Chorwandung unterhalbder großen Rose) und die Vierungskuppel mit zwei Holzankern(unter- und oberhalb der Zwerggalerie) gebunden war.Nach diesem BeAind stellte die Dombauleitung im Jahre1901 neue Anträge, indem sie auf die Forderungen ihresBerichts von 1895 (Abtragung und Wiederaufbau des Westchorcsimd derVierungskuppel) imwesentlichen 2Urückgriff,diese aufGrund der neuestenErgebnisse nochgenauer kennzeichneteund noch denAntrag stellte, daß<strong>für</strong> die neu einzubringendenRingankerzur Versteifungder weltlichenBaugruppedie alten Ankerkanäleverwendetwerden sollten.Hierauf entschiedsich der Kunstratnun tatsächlich <strong>für</strong>die Abtragung derVierungskuppelnnddes"Westühores,sowie <strong>für</strong> eine Erneuerungder Fundameistierungdesletzteren. Der Antragder Bauleitungstützite sich aufeine sorgfältigoAufnahme des Bauwerks,bestehendaus einer zeichnerischenDarstellungdes abgewickeltenäußeren und innerenQuadermantelsim Jlaßstab 1:10und aus den rekonstruierten Schichtenplänen der ganzenwestlichen Baugruppe (vgl. Text-Abb. 2). Aus dem Vorfindender Änkerkanäle und der hieraus zu schließenden Verwendungvon Holzankern sowie der beschränkten Dauer desHolzes läßt sich nun auch der eingangs erwähnte Einsturzdes Nordwostturnis erklären (Einlegung der Anker 1234,Dauer des Eichenholzes 200 Jahre, Einsturz. 1429).Die Abtragung ging glatt von statten mit Hilfe derguten Einrüstungen (Text-Abb. 13 bis 15) und maschinellenEinrichtungen. Das alte Fundament des Westchores liatteein so vorzüglich gefertigtes, allerdings dtu'ch Risse geteiltesBruchsteingemäuer, daß der Ausbruch desselben unmöglicherschien und deshalb eine Unterfahrung des Cliorfnndatnentsin einer Höhe von 4 m erfolgen mußte. Das neue Fundament24


375 Heinrich Wagner, Wiederherstellung des Domes in Worms. 376(Text-Abb, 6 u, 7) besteht aus Siampfbeton, die Verbindungzwischen diesem und dem alten Fundamentwurde durch zahlreiche quergestellte eiserne Tragbaltenvemiittelt, zwischen denen durch seitliche Stampfungdes Betons eine innige Verbindung herbeigeführt wurde.Die durch beiderseitigen bergmännischen Einbau erfolgte5'undamentunterfahrung hat ein volles Jahr in Anspruchgenommen. Das Fundament besteht aus 7Ahlreichon Einzelpfeilern,die durch eine dübelgebäJkartige seitliche Verschalungin Stockverzahnung ausgeführt ist; diese hat eininniges Ineinandergreifen der Einzelpfeiler bewirkt.Der unter weitestgeliender Wiederverwendung der altenWerksteine bewirkte Wiederaufbau des Chores und der Kuppelhat über drei Jahre in Anspruch genommen; hierbei tonntenicht nur eine wirksame Verankerung der äußeren undinneren Quaderverkleidung in jeder Schicht ausgeführt,sondern es konnten auch aUe seitlich wirkenden Schubkräftedurch Einlegen von eisernen Entlastungsbalken über sämtlichenRosenfenstern aufgehoben werden. Auch wurde derganze Chor durch kräftige 26 cm breite U-Eisen ringförmig mitden Türmen unter Benutzung der alten Holzankerkanäle verankert(Abb. 2 Bl. 49 und Text-Abb. 11 u. 13). Ebenso erhieltdie Vierungstuppel zwei im Mauerwerk verlegte Ringanker(Abb. 3 Bl. 49 und Text-Abb, 8 bis 10} und über denPendentifs Betonbalken mit Eiseneinlagen (Abb. 4 Bl. 49), wodurchdie nach den früheren Beschlüssen ausgeführte, sichtbareKuppel Verankerung wieder in Wegfall kommen konnte.Sämtliche Chor- und Xuppelwände stehen nunmehr imLot; das Steinwerk der Chorwände ist um die Weite derbis zu 22 cm breiten <strong>Sp</strong>altungen zusammengeschoben worden.Nicht unerwähnt bleiben darf, daß der Aufbau mit Ausnahmeder in ZementiöÖTtel verlegten Verankerungen in gewöhnmlualuiai 1_Abb. 4.Grandriß in Höhe derLVI. Schicht.Abb. 4 u. 5.AUe Holzverankerung des•Westchoi-daohea.Abb. 5. Schnitt durch dieGeWölbehinteimaueruDg mit zwei öifnungender Holzankerkanäle.t--rÄ.mm_JAbb, 7. GruDdriß./ /" - eissme Tragbalken---J|iWii|Mpppppil|||^l|||(iiltt K^B» —...........^ Betonqttader•^^^^^m;^^^^mMMM^^^^mmim^nenes I Fand« FondamentMJ I I I . ^ I I . , ]Abb. 6. Schnitt c f.rmulutluJl I I a- -l_i_ J 1 L.Abb. 6 u. 7. Pundamentverstärkung am Westchor.«Itäs Fonilainentanfgebendön Mauwvrwk


377 Heinrich Wagner, Wiederherstellung des Domes in Worms. 378liebem Luftkalkmortel voUfugig zur Äusfühning kam, so daßein nachträgliches Äusfugen überflüssig wurde. Durch dieseMafinahme und den Umstand, daß alle neuen Werkstückebei der Langsamkeit der Ausführung vor ihrer Verwendung''iii'iiiiT .x__L j ; 1 L.lanAbb. S bis 10.Rioganker unter der Galerie der westlichenVierungskuppel.Abb. 11. Schnitt durchEntiastangseisen und Bingankerder Westchoi'waüd.Abb. 9.Stoß des ßinganters.Abb. 10. Schnittdurch den Ringaaker imKuppelmauerwerk.Abb. U u. 12. Verankeraug i'm Wastchor in Höheder Zwerggalerie.längere Zeit auf dem Orasboden lagerten und dort schoneine entsprechende Patina durch Moosbildung annahmen;, istder altertümliche Charakter des Bauwerks ganz erhalten gehlieben.Das Bohgestein wurde aus dem Leininger Tal desHaardtgebirges bezogen, von wo auch der ursprüngliche Steindes üombaues herrührt. Es ist dies ein außerordentlichwiderstandsfähiger, selbst oft mit starken Kieseln durchsetzterQuarzsandstein. Auch hierdurch und durch die gleiche Steiobearbeitungwurde die Gewähr <strong>für</strong> die Erhaltung des ursprünglichenAussehens des Bauwerks gegeben (Bl. 48). Am Tagevor Himmelfahrt 1906 wurde das alte Kreuz der Vierungskuppelaufgesetzt und die Fertigstellung dieses Bauteils durcheine kleine Feier der Bauhütte auf den Rüstungen begangen.Nach dem Dombrand von 1689 hatte man den Bauschuttin dem Gebäude liegen lassen und den Fußboden 55 cmüber den ursprünglichen Fußboden des Domes gelegt. DieserVorgang hat verschiedene Türeingänge ungünstig beeinflußtund war die Schuld, daß die Sockelglieder der Schiffspfeilervon der Stuhlung faßt verdeckt wurden. Nunmehr ist dieErhöhung beseitigt worden, und man ist gegenwärtig damitbeschäftigt, den Fußboden in großen Werksteinplatten inseiner ursprünglichen Höhenlage wiederherzustellen, wodurchdie Raumwirkung des Gebäudes mit seinen nun sichtbarenSocfcelgliederungen ganz wesentlich bereichert worden ist.Die Hauptaufgabe der Wiederherstellungsarbeiten ist hiermitabgeschlossen, und die westliche Baugruppe soll zur Benutzungim nächsten Jahre feierlich eingeweiht werden.Die Verglasung der Chorfenster des Westchoree bearbeitetProfessor Geiges in Freiburg, während <strong>für</strong> die übrigen Kirchenfenstervon Geiges und dem Atelier Professor Liunemann inFrankfurt a. M. unabhängig voneinander Vorschläge ausgearbeitetwerden sollen, die <strong>für</strong> etwaige Stiftungen vonKirchenfenstem als Grundlage dienen können.Die gesamten Herstellungen haben bis jetzt den Betragrund 525 000 ^ erfordert. Diese Summe setzt sichaus folgenden, in runder Summe angegebenen Einzelbeträgenzusammen, nämlich;<strong>für</strong> Vorarbeiten, Aufnahmen, Begutachtungen, Einrichtung und Unterhaltungdes Baubureaus und Werkplatzes,ferner <strong>für</strong> die laufende Unterhaltungdes Domes im Äußern in denJahren 1893 bis 1906 (darunter <strong>für</strong>Meßbildaufnahmen rd. 3100 Jf) rund 67000 J^<strong>für</strong> Eiurüstungen, Äbsprießungen und dergl. . 70000 ^<strong>für</strong> Auswechslungen des Steinwerks, Ausführungder Quaderverblendung der westlichen Abschlußwandin den Schiffen 86000 „<strong>für</strong> Ablegung der Vierungskuppel und desWestchorea 37 000 „<strong>für</strong> Wiederaufbau der Vierungskuppel und desWestchores 161000 „<strong>für</strong> Wiederherstellung der westlichen Türme . 65000 „<strong>für</strong> Verstärkung der Fundamente17000 ^<strong>für</strong> Verankerungen vor und nach der Ablegung 12000 ,,<strong>für</strong> Tieferlegung und Erneuerung des Fußbodensim westlichen Bauteil . , 15000 „<strong>für</strong> Entwässerungsanlage und Blitzableiteranlage öOOO ,24*zusammen 535000 JH


379 Heinrich Wagner, Wiederherstellung des Domes in Worms. 380Die noch bevorstclienden Wiedcrherstellungsarlieiten sindzum Teil Ausbesserungen an der östliclien Baugruppe undan den gotischen Wcrksteingliedorungen luid Maßwerken derSeitenkapellen, zum Teil botreffen sie die Herstellung derganzen Kirche in gebrauchsfähig-nn Zustand (Verputz, teilweiseBemalung der Schlußsteine imd Gewölberippen, TieferlcgungdesFulJbodons in den übrigen Teilen, Glasmalerei der Westchorlensterluid Kosen, A'"erglfisnng der übrigen Kircliciifenster — zunächstoime Olasmaleiei ~, Beleuchtungskörper usw.). In der'^4'^MfiiW'''-'^'''^'-'''^^'^'''^''''''^^'Abb. 13. Querschnitt- Abb. 11. Längonschaitt a h.Abb. 15.Grundriß.Abb. 13 bis 15. AbspricBuiig der westlichen Vieiungspfeiler und des Triumphbogens im Westohor.Hauptsache aber bestehendie Arbeiten in der Herstellungeines neuen Steindachesin der alten Technikauf der östlichenYicrungskuppel. Zweifellosdürften die Erbauerdes Domes hier früherein Steindach von jeherbeabsichtigt haben', dochist dieses nie zur Ausführunggekommen. DieTragfähigkeit der "Vierungskuppelist durchGeheimen Baurat I*rofessorLandsberg in Darmstadt,der auch die übrigenstatischen Berechpungenbei der Wiederherstellungaufgestellt hat, <strong>für</strong> einesolche Mehrbelastung erbracht.Hierdurch würden


381 Heinrich Wagner, Wiederherstellung des Domes in AVorms. ^82Abb. 16. Tainbourwand auf cter Nordostseito.Aufnahme vom 23. Juli 1903.Abb. 17. Nonlseite des Chordai^lies mit den Ollnungeudor Holzaakerkauäle. Aufnahme vüm 11. Juh 1903.dann sämtliche Türinc und Kuppeln des Domes eine y'Ieieharligemonumentale steinere Äusführungsweise erhalten. Alleübrigen Dächer sind schadhaft und bedürfen einer Erneuerung,die in rheinischem Schiefer in deutscher Eindeckung'mit Umänderung der derzeitigen Dnchgauben ins Auge gefaßtist. Ferner wordendie Osttürmcund Ostapsis eineWiederherstellungerfahren.Audi die TJmgebungdcsDomessoll besonders bearbeitetund einOrtsstatut von derStadt Worms insLeben gerufenwerden, das eineweitere Freilegnngoder eineungünstige UmgestaltungderNachbarbautenverhindern soll.Alle diese Herstellungen•werdenAbb. 18. Anschluß des Kuppcldachös an den {[[Q Aufwendungsüdwestlichen Turm mit der Öfiuung des i t j . jTT 1 1 1 1 noch bedeutenderAufnahme Holzaokerkanals. vom 23. Juli 1903. Mittel erfordern jdie bereits veranschlagt sind und über deren Aufbringung demnächstEntschließung erfolgen muß. Bei der Ausführung derd\u-ch Verlegung der Lichtleitungen im Innern vorzunehmendenAusgrabungen werden zweifellos, wie dies seither schon der Fallwar, weitere Aufschlüsse über die BaugGSchichte des Domeserhalten und eine Anzahl Bischofsgräber aufgedeckt werden.Über deren Befund und Hersteliungsweise zu berichten,darf einer spateren Besprechung vorbehalten bleiben.Möge es der Bauleitung gehngen, auch die fernerenArbeiten zu einem glückliehen Ende sowie die seitherigenüu führen. Zum Schlüsse aber möge hier die in dem letztenKunstratsprotokoll niedergelegte Anschauung des derzeitigenKunstrats folgen, woraus entnommen werden kann, wie dieserdie bis heute bewirkten Arbeiten beurteilt.In dem im Auftrag des Kuiistrats von Professor Gr. v.-Seidlverfaßten Bericht wird ausgeführt, daß in den Beschlüssen,die der ICunstrat <strong>für</strong> die Wiederherstellung des WormserDomes gefaßt hatte, alle Wünsche und Hoffnungen verkörpertgewesen seien, welche man <strong>für</strong> dieses ehrwürdige Bauwerkliogcn konnte, daß aber auch die besten Beschlüsse an sichnoch keine Gewiibr <strong>für</strong> den glücklichen Ausfall einer solchenSache bieten könnten und also erst ihren eigentlichen Werterhielten durch die wohldurchdachte liebevolle uud weiseHand des ausführenden Architekten. Diesem sei es zu danken,wenn das heute fertig stehende AVerk nach jeder Seite hinvollständig befriedige und erfreue und einen außerordentlichenEindruck hervorrufe. Mit einer wahren Meisterschaft imtechnischen Können habe sich die Ehrfurcht vor dem altenWerke und seinen einzelnen Teilen verbunden, so daß das


383 Julius Groeschel, Santa Maria della Roccelletta und andere calabrische Backsteinbauten. 384Ganze nicht den gefQrchteten Charakter einer Kopie erhaltenhabe, sondern das Oi^inal geblieben sei, das allen so teuerund unantastbar erschien.Det Dank <strong>für</strong> diesen wohltuenden Ausfall der Wiederheratellung,der dem Bauleiter Geheimen Oberbaurat Hofmanngebühre, müsse aber auch dem verdienstvollen Leiter desBetriebs Werkmeister Häusler und dem Bauführer Brandt,deren hingebender Eifer und Sorgfalt förmlich sichtbar Beian dem Bauwerke, ausgesprochen werden.Der Bericht stellt zum Schlüsse fest, daß die Wiederherstellungsarbeitenaußergewöhnlich gelungen und vorbildlichgenannt werden könnten, zu denen man die <strong>Sp</strong>enderdes Baukapitals, die Stadt Worms und die deutsche Baukunstfreudig beglückwünschen müsse. H. W.Santa Maria della Roccelletta und andere calabrische Backsteinbauten.Zunächst mögen einige Nachträge Raum finden zu denvon mir in den Jahrgängen 1903 S. 429 u. f. sowie 1905S. 625 u. f. dieser <strong>Zeitschrift</strong> gebrachten Mitteilungen überden Baubestand der Roccella. Der in der erstgenanntenVeröffentlichung S- 431 mitgeteilte Grundriß ist, wie ichdort auf S. 430 angegeben habe, unter Benutzung der dornFoderaroschen Grundrisse entnommenen Hauptmaße aufgetragen;demgemäß erscheinen dort die Vierungspfeiler annäherndquadratisch. Auf S. G38 der zweitgenannten YeröfFentlichuDghabe ich die Ansicht ausgesprochen, daß dieVierungspfeiler nicht quadratische, sondern rechteckige Formhatten, und habe deshalb bei wiederholtem Besuch der Ruinedieser Frage besondere Aufmerksamkeit zugewendet. DieReste des südlichen Vjerungspfeilers sind unter Schutt undManertrümmern begraben, so daß hier ohne vorherige ÄbränmungsarbeitenFestBtellungen nicht möglich sind. Vomnördlichen Vierungspfeiler dagegen ragt ein Stück des derVerkleidung beraubten Mauerkerns aus dem Schutte. Läßtdieser formlose Mauerkörper auch keine genauen MessungenzUj so lassen doch die in den Fluchtlinien des rekonstruiertenGrundrisses genommenen Maße vermuten, daß dieserPfeiler etwa 3,0 m in der Richtung der Kirchenhauptachseund etwa 1,50 m in der Achse des Querschiffes gemessenhat.Durch diese Feststellung wächst die Ähnlichkeit desGrundrisses der Roccella mit jenem der Kirche von SaintGuillem-du-Dösert, während ich als weiteres Vergleichsobjektauf Notre-Dame*des-Miracles zu Mauriac^), besonders aberauf die im Bulletin monumental 1902 S. 161 u. f. behandelteKirche zu Glaine-Montaigut (Puy-de-Döme) hinweisen möchte(Abb. 2); zur Altersbestimmung der Choraulage liegen anscheinendUrkunden nicht TOr. Der Querschnitt dieser Kirche(Abb, 1) gibt vielleicht einen Wink zur Erklärung des auffallenden,von mir schon auf S. Ö34 Jahrg. 1905 besprochenenVerhältnisses, in welchem die Breite des Mittelschiffes derCboranlage der Roccella zur Breite ihres Langhauses Meht;festgehalten muß werden, daß dieses Langhaus einschiffigund nicht gewölbt gewesen ist (vgl. meine Ausführungenauf S. 632 Jahrg. 1805).Wir entnehmen dem angeführten Werk, daß „l'ßglisede Ölaine, sous le vocable de Saint-Jean, döpendait d'unprieure d'hommes dont le titulaire ötait ä rentiere dispositiondu prieur de Sauviat."(Allo Hechte räiböhalUo.)Ich trage in Abb. 4 eine Ansicht der Innenseite dersüdlichen Langhausmauer nach, also der dem Kircheninnernzugekelirten Seite der in Abb. 2 meines ersten Aufsatzes dargestelltenLanghauswand. Mit Bezug auf Strzygowskis Behauptungvon der „regelrechteren Anwendung des Quaders"und der schon früher besprochenen y^Haokelsteine" (vergl.S. 631 Jahrg. 1905) zeigt sie, daß die verwendeten Hausteineauch hier in hoch st unregelmäßiger Weise vermauert sind.2)Die weiter beigefügte Abb. 5 zeigt einen Teil der nördlichenLanghauswand von außen gesehen und zwar die Stelle, wo•ehedem sich eine rundbogige Eingangstüre befunden hat.(Vergl. den Kirchengrundriß Abb. 4 S. 431, 1903.) SieAbb. 1. Quersohnitt.Abb. 2. Onindriß.Kirche in Glaine-Montaigut.belegt weiter die schon früher festgestellte Erscheinung, daßdas große Backstein!onnat nur am unteren Teil der Kirche ver-1) Les Eglises Eomanes de la Hante-Auvergne von Ad. de Chalvetde Booheffloateix, 'ßftris 1902.2) Die zu beiden Seiten der Fenster erscheiseaden hellen fleokösind Yerptttzte Gerüstlöcher.


385 Julius Groescbel, Santa Maria della Roccclletta und andere calabrische Backsteinbauten. 386Ablj. 3. S. Giovanni il Yectliio:Ansicht von Süd-West.•wendet ist, während weiter oben ein kleineres Format erscheint(S. 626 Jaiirg. 1905). Ebenda habe ich die Ausmaße der imMauerwerk der Kirche Santa Maria della Rocceiletta verwendetenZiegelsteine mitgeteilt.Die Vollständigkeit der Untersuchungen erfordert, daßsonstige in jener Gregend gelegene Ziegelbauten gerade hinsichtlichihres Backsteiiiraaterials in Vergleich gezogen werden.Es sind ihrer nur wenige. Daseinzige allgemein bekannte Bauwerkist La Cattolica zu gtilo.Das Ergebnis der dort von mirgemachten Beobachtungen habeich im Zetitralblatt der Bauverwaltung1905 S. 149 u. f.mitgeteilt.^}Ein weiterer, jedoch wenigbekannter Ziegelbau dort istSan Giovanni il Vecchio. Vonihm sagt Benedetto Croco ^):„ Presso Stilo e anche ilbattistero di San Giovanni ilvecchio. Si suppoue ch'essoappartenga al aecolo XII, perAbb. 4. Eüccclla; lunoDacsiobt der südlichcaUmfassungsmauer dos Laoghauses^H) Für diö von mir a. a. 0. angedeutete Möglichkeit, daß dioFassade der Cattolica wie dio Knppelaufbauten mit Ziegolverkleidungversehen oder daß diese doch beabsichtigt gewesen sei, Heß micheiae neuerliche Besiühtigung doi Kirche die nötigen Stützpunkte v^ßrmissen.Insbesondere ist hervorzuheben, daß dio Archivolteu der inder Fassade sichtbaren Bogen der Türe, des Dreipasses über derselbenund des im ftiebeldroieck ersichtlichen Fensters (vgl. Abb. 2meines aageg. Aufsatzes) nicht über die Mauerflucht vorspringen,was nach dem Vorbild der bei den Kuppeln angewandten Techüitder Fall sein müßte, damit die Bogousteine in der Fassadenflächeerscheinön. Es bleibt doshalb nur die Annahme, daß die Fassadenverputzt waren.4) Sonimario critico dolla storia deH' arte nel Napoletano.Napoli Nobilissima 1894, S. 71.l'analogia che mostra con le chiese ediflcate a Palermoverso qnest' epoca, eonie San Giovanni degli Eremiti, laKartorana, S. Cataldo. E edificato in m a 11 o u i, cheesteriormente son disposti in modo da forniare varii disegni;Teateriore delT abside, per esempio, e dccorato, di archi intrecciati,il solito motivo che l'architettura nornianna presedagli arabi. Neil' interno, quattro archi acuti sostengono iinacupola che passa dal quadrato all' ottagono, poi dall* ottagonoal cerchio, per mezzo di piccoli archi posti all' angoloehe fanno le veci di niodiglioni".Emile Bertaux^) bespricht gleichfalls „l'eglise rnlnee dumonastere basilien de Saint-Joan pres de Stilo" und erwähntweiter dabei ,,des arcatures entrecroisees sont dessinees parrarrangomcnt des briques". Die Kirche gehörte zu einemKloster, von dem Edouai'd Jordan*^) sagt: ,,ce monastere doitson nom et son origine ä St. Jean-Theriste ou le MoissonneurDu moins que le convent ait ete ou non constfuit aux Iraisdes sonverains de Calabre, il est certain, quo ce que subsisteaujourd'hui de l'eglise remonte ä la premiere moitie duXIP siecle. L'analogie comxjlöte avec les öglises bäties äPalerme vors eette epoque (S, Jean des Ermites, la Martorana,San Cataldo) suffit a le prouver. L'eglise est entierementbätie en briques. Extorieurement ces briques sont disposeesde maniere ä former divers dessin^; par exeniple Texterieurde l'abside ost döcor« d'arcs entrelaces". Diese Bogen erscheinenan der Hauptapsis und kommen auf unsrer Abb. 7rechts noch zum Vorschein, Die kleinen Apsiden des QuerschifFeszeigen sie nicht. Auf der gleichen Abb. 7 ist dassüdliche Qaerschiff mit seiner Apside ersichtlich. Abb. 6zeigt denselben QuerschifTflügel mehr von Westen gesehen,während Abb. 3 ein Gesamtbild zu geben versucht, soweitea Aufstellung und Apparat zuließen. „Aujourd'Iiui cetteöglise tombe en ruines et du convent il ne subsiste plusAbb. 5, Roocella: Tür in der iiördHcheriUmfas-suagswand des Laughauses.que quelques restes informes amßnagos tant bien que malpour loger quelques paysans." Die Kirche ist ersichtlichunter sixilianischera Einfluß entstanden. Sie ist einschiffig.Gegen die von Jordan versuchte Altersbestimmung dürftenichts zu erinnern sein. Die Kuppel erhebt sich über einerVierung von nur 3,40 m Breite und 3)07 ni Länge auf <strong>Sp</strong>itzbogenuad geht oberhalb eines zahnscbnittartigen Bandes ins5) L'art dans l'Italie Meridionale S. 124.6) Monuments byzantius da Calabre in den Melanges d'archeologieet d'histoire 1889 S. 331.


BS7 Julius (jroescliel, Santa Maria della Rocceüetta und andere calabrische Backsteinbauten. 388Ächtecli ül>G7'. Dieses kommt im Außei'en nicht zum Ausdruck,vielmehr sciieint die Zahl der Blendbogen dort zwölf zu sein.Keiner der genannten Verfasser gibt die Ausmaße der Ziege).Die von mir gemachten Messungen ergaben, daß die über-^viegende Mehrzald der Backsteine 43/2!^/5,5 cm mißt;Abb. 6. S. Giovanni i! Yecchio;Rüdseite des Quorschiflts.nur vereinzelt finden sich solche ron ?/28,5/9, 34/?/ll,?/39/10, 50/33/11, Wie meine Aufnahmen zeigen, sind dieZiegel am Qiiersehifl' zum Teil gelegt, teilweise aber gestellt,Ziegel zeigt, daß sie kein gangbares Material mehr waren,und wohl nur vorhandenen Vorräten oder älteren Bauwerkenentnommen worden sind.Um einen Überblick über die Entwicklung des Backstcinbaucsin Oalabrien zu bekommen, liegt die Krage nalie,•welche Zicgclmaße die Reste antiker Bauten dort zeigen.Vitruv berichtet, daiJ die Griechen sich zweier Artenvon Ziegeln bedienten; ex bis unum icEvraSto^ov^ altei'uniTErQüdwQov dicJdir. ÖIOQOV autom Graeci appellant palmum. . . Der palmns zeigt in seiner Länge im Laufe derJahrhunderte Schwanlcungen; als Grundkigc dient ihm dieBreite der Hand olmo Daumen, so daß er etwa 0,075 m mißt.Li den Überresten eines therinenartigen Gebäudes, die1S88 in dem Garten des Herrn Pietro Oiiva bei CarraineNnovo zn Reggio in Calabricn ans Tageslicht gekommen sind,landen sich Backsteine von 60/G0/9 cm GröBo. Einer dieserBacksteine zeigt einen reehteekigen Stempel mit dem Aufdruck(Dy^lS'OY^), weiter wird berichtet, daß bei „lavori disterro pel traceiato della nuova strada marina al porto apparveroin contjnuazione del fondo GiutTre altri avanzi di anticofabrlcato . , , Ne avanzava solo la parte della foiidazlonedelio spessore dt m 0,00; il tutto a gross! mattoni . . ,"**),endlieh finden wir auch im Elenco degli edifizi monumentaliin Italia, Roma 1902 S. 424, Eestc von ,,Terme Romane"erwähnt, die in Reggio di Calabria ausgegraben worden sind.Diese Reste zeigen zum Teil Backstcinrnanerwerk, Die Backsteinehaben die MaBe 50/34/12, 42/?/9, V/34/11, 41/33/10.Griechische Ziegelstempel sind mehrfach gefimden worden.Zeigen sonach auch die Ausmalle der gefundenengriechischen Hacksteine manche Verschiedenheiten, die sichnicht ausschließlich aus der Mangelliaftigkeit des Herstellungsverfahrenserklären lassen, so unterliegt es doch keinemZweifel, daß bei den antiken Bauten in Oalabrien sehr großeZiegel verwendet sind. Trotz der großen Schwankungen,welche die späteren Ziegel in den Ausmaßen aufweisen, dürftenunsere Erhcbnngen also den Nachweis erbringen, daß diegrößeren Ziegel allgemein die älteren sind, und daß dieAusmaße gegen Ende der byzantinischen Zeit verkleinertwnrden.Der Vollständigkeit wegen trage ich diese Ergebnissenach; sie fügen sich meinen früheren Ausführungen gut ein,ohne daß sie bedeutend und bestimmt genug wären, um alsBeweismomente in meitiem Streit mit Strzygowski herangezogen?,ü werden.Abb. 7. S. Giovanni il Veccliio;Südseite dos QuerschifTes nnd Chores,so daß man auf eine dekorative Aljyiclit schließen möchte,wären niclit zwischenhinein Feldsteine vermauert. Dies unddentl iehe Putzreste an manchen Stellen lassen annehmen,daß der Bau außen verputzt ge\ve.sen ht Die Mörtelfugensind 1 bis 3 cm stark.So beweisen diese Aufnahmen, daß die alten dickenZiegel in der Zeit der Erbauung der Kirche nicht mehr hergestelltwurden, wenn auch die Längen- und Breitenraaßenoch jenen nahe stehen, die wir am unteren Teil der Roccellagefunden haben. Die Minderzahl der verwendeten dickenNach dieser Richtung sind genaue Aufnahmen undzuverlässige Altersbestimmungen de« kleinasiatischenDenkmälermaterials von größter Bedeutung. Im Interesse derKliirung der schwebenden Fragen kann ich niu" wünschen, daßuns die Reisoorgebnisse Samuel Guyers, von denen Strzygowskijüngst in der Byzant. <strong>Zeitschrift</strong> IG. Bd. S. 377 berichtete,diese Grundlagen liefern, olme solche vermag auch die zuMeledsch gefundene „vollständig gewölbte Pfeilerkirche mitkreu/.förmigem Grundriß" nichts zu beweisen.Dr Julius7) Notizic degli scavi di anticliitä 1889 S. 98.8) Ebenda 1892 S. 486.Groeschel.


391 Otto Hammann, Der dsutsch-russische Übergangsbahnhof Skalmierzyce. 392zweigung von Gleisen mit preußischer <strong>Sp</strong>ur nur nach derSeite möglich, auf welcher die einzelne Schiene liegt (Text-Äbb. 2), "während die Abzweigung der Gleise russischer<strong>Sp</strong>ui'weite nur nach der anderen Seite ausführbar ist.— Bei einer <strong>Sp</strong>urerweiterung des russischen Gleises von10 mm wurde eine <strong>Sp</strong>urrinne vonrs4HKM« 46 ^jjj hergestellt, mn die jetztverwendeten Schienen SkalmierzycerProfils mit einer Kopfbreite^. •....-j--- - n : ,y • von nur 54 mm und einer ^uß-/• \l 12 j| 5^ breite von nur 90 inm nötigenfallsj^jjlj 3 später durch Schienen N,-Pr, 11mit einer Kopfbreite von 58 mmund einer Fußbreite von 100 mm ersetzen zu können (Text-Abb. 3). Bei Anwendung stärkerer Schienenprofile wachsendie Schwierigkeiten.Nach den Abmachungen mit der russischen Regierungund der Warschau-Wiener Eisenbahngesellaehaft sollte dasmit breiter, russischer <strong>Sp</strong>ur versehene Gleis der Warschau-Kalischer Bahn bis zum preußischen Grenzbahnhofe Skalmierzj'ce,das preußische Gleis dagegen bis über den russischenQrenzgüterbahnhof Szczypiorno hinaus nach Bahnhof Kaiischdurchgeführt werden. Die russischen Personen- uod Güterzügefahren bis Skalmierzyce, wo die Übergabe und Verzollungder von fiußland kommenden Güter erfolgt. Diepreußischen Personenzüge fahren, ohne in dem russischenGüterbahnhof Szczypiorno anzuhalten, bis Kaiisch durch; diepreußischen Güterzüge dagegen nur bis Szczypiorno, "WoÜbergabe und Verzollung der aus Deutsehland kommendenGüter erfolgt. Ausgenommen ist hierbei Ortsgut von undnach Kaiisch, das unmittelbar in deutschen Wagen an- undabgefahren werden kann. Der örenzbahnhof Skalmierzyceist daher <strong>für</strong> den preußischen Verkehr eine Zwischenstation,während er <strong>für</strong> den russischen Verkehr ein Endbahnhof ist.Da ferner die Hauptgleise der beiden Linien sich nur berühren,aber nicht schneiden, und die Verkehrsmittel voneiner Linie auf die andere nicht übergehen, so ist der neueBahnhof im ganzen als Berührungsbahohof zu bezeichnen.(Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die russischenGleise in einem stumpfen Ausziehgleise enden, das von dempreußischen Stammgleise <strong>für</strong> den östlichen Teil des Bahnhofesgeschnitten wird, und daß dieses preußische Stammgleisvon ausfahrenden Güterzügen benutzt wird.) Es erschiennach dem Vorstehenden zweckmäßig, eine westliche reinpreußische Anlage in Durchgangsform und eine östliche vorwiegendrussische, mit Gleisen preußischer <strong>Sp</strong>ur durchsetzteAnlage zu schaffen und auch bei letzterer die Durchgangsformjn Anwendung zu bringen. Ferner empfahl es sich,bei dem geringen Ortspersonenverkehr das Empfangsgebäudemit den Hauptbahnsteigen und dahinterliegendem Stationsdienst-und Abortgebäude zwischen die preußischen undrussischen Hauptgleise zu legen und von der am Südendemittels einer Brücke über die Gleise geführten Zufubratraßeaus durch eine Rampe zugänglich zu machen. Damit istgleichzeitig <strong>für</strong> Beamte und <strong>Sp</strong>editeure ein Zugang zu denebenfalls zTrischen den Gleisen- liegenden Zollschuppen undden Bureauräumen ermöglicht {s. Lageplan Abb, 1 Bl. 50).Die Zufuhrstraße mußte naturgemäß auf der östlichen Seitein der russischen, auf der westlichen in der preußischen Ladestraßeenden; letztere wird durch einen eisernen Fußgängersteg(Parallelträger) vou 38 m Stützweite mit dem Vorplatzevor dem Empfangsgebäude schienenfrei verbunden, um Beamtenund Beteiligten auf kurzem Wege ein gefahrlosesÜberschreiten der Gleise zu ermöglichen. Eine geeigneteLage <strong>für</strong> den Ortsgüterschuppen, <strong>für</strong> die Rampen, Überladebühnen,Obersturzgleise, Wasserturm, Drohscheibe usw. ließsich nunmehr leicht finden. Schwer war es dagegen, denGleisbedarf und die QrOßenverhältnisse der einzelnen Bauwerkezu bestimmen, da sieh der zu erwartende Verkehrkaum annähernd übersehen ließ. Daher mußte auf ErweiterangsFähigkeitim weitesten Maße Überall Bücksicht genommenwerden.Zunächst war geplant, die Züge zwischen Skalmierzyceund Kaiisch als Pendelzüge auf je einem preußischen undeinem russischen Gleise verkehren und preußischerseits durchin Ostrowo beheimatete schwere Tenderlokomotiven fahren zulassen. Es ist jedoch sowohl auf der preußischen (Westseite)wie auf der russischen (Ostseite) ein zweigleisiger Ausbauin der Anlage bereits voi^esehen, so daß sich auf jederSeite zwei Hauptpersonenzuggleise ergeben (s. Lageplan Abb. 1Bl. 50). Gleis II'^ dient indessen zunächst nur zur Einfahrtund 11^ nur zum Umsetzen der russischen Lokomotiven. Fernerist auf der Westseite je ein Hauptgleis <strong>für</strong> Güterzüge in derRichtung Ostrowo— Szczypiorno und Szczypiorno — Ostrowo,IIl^ und IV^, vorgesehen und dementeprechend zwei Güterzug-Hauptgleiseauf der Ostseite, IIP und IV^. Die nutzbarenLängen dieser Gleise sind mehr als ausreichend (650 m undmehr).Es kommen vier Verschiebegruppen in Frage:1. Eichtung Kreuzburg, 2. Richtung Jarotschin, 3. Bich-:tung Krotoschin, 4. Eichtung Ostrowo, Ortsgut. Von derletzten Gruppe war anzunehmen, daß sie sieh erst allmählichentwickeln und <strong>für</strong> die erste Zeit entbehrlich sein würde.Daher kamen <strong>für</strong> das Auf- und Zusammenstellen der Zügeauf der Westseite zunächst nur die Gleise 5"^, 6"^ und 8"^mit nutzbaren Längen von 548, 525 und 470 m zur Ausführung.Die Gleise 7^, 9"^ und lO"*^ sind <strong>für</strong> Erweiterungenvorgesehen. Gleis 11^ ist Lokomotivgleie, 12'"' istAufstellgleis mit 225 m nutzbarer Länge, 13^ und 20^ sindEreideladegleise mit zusammen 500 m nutzbarer Länge. Ihrenutzbare Länge wurde nach folgenden Gesichtspunkten bestimmt.Die auf dem alten Bahnhefe bestehenden Freiladegleisevon rd. 500 m nutzbarer Länge reichten gerade noch aus,um den Ladeverkehr zu bewältigen. Er wurde <strong>für</strong> den Tagbei stärksten Verkehrszeiten KU rund 100 Achsen ermittelt,wobei zu beachten ist, daß die Be- und Sntladezeit derDurchgangsgüter infolge der Grenzverhältnisse sich auf dieStunden von vormittags Ü Uhr bis nachmittags 2 tlhr beschränkt.Berücksichtigt man nun demgegenüber, daß spätereine Entlastung des neuen Bahnhofes eintreten muß;1. durch Einrichtung von Lagerplätzen und Lagerschuppenauf dem alten Bahnhofe, «uf dem die Wagen un«mittelbar laderecht gestellt werden können, und2. dadurch, daß die russischen <strong>Sp</strong>editeure in absehbarer,Zeit ihre Sendungen bis Szczypiorno und Kalisoh durchgehenlassen werden,so dürfte bei fast gleioher Ladelänge dem Bedarf <strong>für</strong> die,nächste Zeit Rechnung getragen werden kOnnen. Bei stäckerer


393 Otto Hammann, Der deutsch-russische Übergangsbahnhof Skalmierzyce. 394Entwicklung des Verkehrs kann die Ladesferaße leicht verbreitert,mit zwei Ladweiten versehen, und die nutzbareLadelänge ausreichend vergrößert "werden.Gleis 14^ dient als Fahrgleis ftlr die preußischen Güterwagenzn den ZoUschuppen, Gleis 15^ und 16^ als I^egleise<strong>für</strong> den Wareneingangs- bezw. WarenausgangszoUsohuppen.(LadelAnge <strong>für</strong> je sieben "^agen.) Gleis 17^ und21^ sind Ausziehgleise am nördlichen bezw, südlichen Endeder "Westseite. Gleis 18^ und 19^ sind Lade- und Aufstellgleise<strong>für</strong> den OrtsgQterschuppen und die dabei liegendeViehrainpe, 22^ dient zur Aufstellung von Personen- undGepäckwagen.Auf der Ostseite befinden sich noch von Gleisen mitpreußischer <strong>Sp</strong>ur: 23^ und 26^ als Fahrgleise zu den Überladebühnen,24^ und 25*^ als Ladegleise an den Überladebühnenund als Ausfahrgleise <strong>für</strong> die auf ihnen gebildetenZüge, 27« als Tiefladegleis an der Überschüttrampe, 28°als Aufstellgleis <strong>für</strong> preußische Wagen, 29*^ und 30° alsEampengleise und 12°, das zusammen mit 12° russischer<strong>Sp</strong>ur <strong>für</strong> den späteren Einlau einer ümstellvorrichtung — oderbesser ÜmsetzVorrichtung — vorgesehen ist.Für diese UmsetzvorrichtuDg ist bei Anwendung derbewährten Breidsprecherschen Anordnung eine Grube erforderlich,die zwischen zwei Stützmauern eine lichte Weite vonrd. 2,30 m und eine von der Anzahl der in einem Schubumzusetzenden Wagen abhängige Länge hat (Text-Abb. 5 u. 6).Im vorliegenden Falle sollen in einem Schub fünf Wagen umgesetztwerden. Die Grube muß daher auf jeder Seitezehn Achsen auföehmen können und soll dementsprechend ohnedie 1:12 geneigtea Rampen beiderseits eine Länge VOQs—TSvhmElM GMtAbb. 4. Schnitt A B.jB r^—7fi-i^Y z^- >Abb. 5. Sclioitt CD.T ^ T i !-ia,i9-—3B|3BlÄngenschnitt.11,54 m erhalten. Bis in die Mitte dieser Grube ist mitwechselndem, aus der Text-Abb. 6 ersichtlichem Gefälle vonder einen Seite das prenßl&ohe und von der anderen dasrassische Hauptgleis hinabgeführt. Auf jeder der beidenseitHohen Stützmauern liegt über einer eisernen, mit demHauerwerk verankerten Platte ein wagerechtes Schmalspurgleisvon 0j454t m <strong>Sp</strong>urweite zur Äufiiahmö und FOlirungyoQ kleinen niederen Wagen (Karren). Auf letztere setzeneich die Eisenbahnwagen mit Hilfe der an ihren Langträgernangebrachten Kragträger auf, sobald sie sich beim Yorwärtssohiebenauf den Hauptgleisen genügend gesenkt haben. Davor dem Beginn der Bewegung an jedem umzusetzendenWagen die entsprechend umgestalteten unteren Verbindungsstegeder Achshalter gelöst und umgelegt werden, so sinkennach dem Aufsetzen der Wagen auf die Karren beim Weiterschiebendie Achsen mit den Achsbuchsen zwischen denAohsgabeln heraus und rollen auf dem geneigten Hauptgleisegegen die örubenmitte ab. Werden darauf die Wagen weiterund über die Grubenmitte hinausgeschoben, so ergreifen siemit Hilfe der an den Ächshaltern rechtzeitig einzuhängendeneisernen Fänger die jeweilig letzte der dort aufgestelltenleeren Achsen der anderen <strong>Sp</strong>ur und führen sie so lange aufdem ansteigenden Gleise aufwärts, bis sich der konischeZapfen des Federbundes auf das Achslager aufsetzt und damitdie tragende Verbindung zwischen Obergestell der Wagenund Achsen wieder herstellt. Im weiteren Verlaufe der Bewegungheben sich dann die Wagen wieder von dem Karrenab, worauf nur noch das Abhängen der Fänger und die Ver-Bchraubung der Verbindungsstege an den Ächshaltern erforderlichist, um das Übergangsgut ohne Umladung trotz ab-Aveichender <strong>Sp</strong>urweiten an sein Endziel im Auslande befördernzu können. Während des ganzen Vorganges beim Umsetzenmüssen die Achsbuchsen auf den leeren Achsen in ihrer ursprünglichenLage, also senkrecht erhalten bleiben, um dasEinsteigen der Achsbuchsen zwischen die Achsgabeln unddas selbsttätige Aufsetzen der Wagen zu ermöglichen. ZurFührung der Achsbuchsen hatte man daher die in der Text-Abb. 5 gestrichelt eingetragenen Leitschienen eingebaut; manist jedoch neuerdingsnach Beseitigung der— i3|ia-Abb. 4 bis 6>Gleisanlage zur Umstellungvoa Wagen aus der preußischenin die russische <strong>Sp</strong>ur.1;400 <strong>für</strong> die LHngAn.1:100 ftir die Höhen,-ALeitschienen zur Verwendungvoc BQgelgewichten,die an denAchsbuchsen angehängtwopden, übergegangen, weil beistarker Abnutzung derRadreifen ein Klemmenzwischen Leitschieneund Achsbuchseeingetreten war.Wenn die Anlagezweckmäßig ausgenutztwerden soll, so mußSchub um Schub diegleiche Anzahl vonWagen mit versdiiedener<strong>Sp</strong>ur umgesetztwerden, damit die vonWagen der <strong>Sp</strong>ur a nach dem ersten Schub in der Grube hinterlassenenAchsen <strong>für</strong> Wagen der <strong>Sp</strong>ur b beim zweiten Schubvon der Gegenseite unmittelbar wieder verwendet werdenkönnen ^ und ein Räumen der Grube von leeren Achsen{etwa der <strong>Sp</strong>ur a) sowie ein Zuführen leerer Achsen (etwader <strong>Sp</strong>ur b) erspart wird. Da sich dies nicht immerdurohfOhren läßt, so ist man gezwungen, leere Achsen vorratigzu holten. Außerdem ist daä ~ Verkehrsgebiet dieser25*


395 Otto Hammann, Der deutsch-russische Übergangsbabnhof Skalmierzyce. 396umgebauten Wagen mit Rücksicht auf ihre verhältnismäßiggeringe Anzahl und ihre zweckmäßige Ausnutzung vorläufignoch auf die Nachbarbezirke und die Hauptverkehrspunktein der Nähe der russischen Grenze beschränkt. Die Änderungenan den Wagen sind indessen nur geringfügig; siebetreffen die Achsbuchsen, Tragfeder-Bunde und -Laschen,Achshalter und Langträger und verursachen nur 140 bis160 ^ Mehrkosten <strong>für</strong> den Wagen.Ton den Nebengleisen russischer <strong>Sp</strong>urweite auf der Ostseiteist: 7*^ Aufstell- und Verschiebegleis (440 m nutzbareLänge), 8^ Fahrgleis und 9^ Ladegleis der Überladebühne,10" Äufstellgleis (300 m nutzbare Länge), 11^ Hochladegleisan der Überschüttrampe, 13** Fahrgleis, 14*^ Freiladegleis mit320 m nutzbarer Länge.Der <strong>für</strong> das letztgenannte Gleis zu erwartende Verkehrläßt sich besonders schlecht übersehen, da man nicht nurmit einer Hebung des Skalraierzycer Verkehres aus den bisherigenQuellen, sondern auch mit der Zuleitung von Güternrechnen mußte, die seither auf den benachbarten Grenzbahnhöfenabgefertigt wurden. Femer kann selbst heute nochnicht mit Sicherheit angegeben werden, welcher Teilbetragder künftig in Sfcalmierzyce aus Eußland eingehenden Güteram Orte selbst zwecks Stapelung oder Verarbeitung entladenwerden wird. Auf ErweiterungsfHhigkeit war also auchhier besonders Rücksicht zu nehmen. Die Gleise 15*^ undund 16^ dienen als Bampengleise an der Vieh- und Gänserampej 19° und 20° als Ausziehgleis am nördlichen bezw.südlichen Ende, 17° als Fahrgleis zum ZoUechuppen und18° als ZoUschuppengleis <strong>für</strong> den Wareneingang. Die Gleise5° und 6° sind <strong>für</strong> Erweiterung vorgesehen. Überhaupt wurdebeim Grunderwerb auf eine Erweiterung sowohl nach Ostenwie nach Westen — also in die Breite — Bedacht genommen.Eine Längenausdehnung ist wenigstens nach Norden fast völligausgeschlossen, weil hier der Bahnhof unmittelbar auf die Grenzestößt, die an dieser Stelle mit dem neutralen Grenzwege zusammenfällt.Es sei hier noch erwähnt, daß der Grenzweg durchvoUwandige Blechträger überbrückt ist. Das Widerlager auf derpreußischen Seite und der Überbau <strong>für</strong> das Gleise mit preußischer<strong>Sp</strong>ur wurde von der preußischen Eisenbahnverwaltunghergestellt, während das Widerlager auf der russischen Seiteund die Brücke <strong>für</strong> die russische <strong>Sp</strong>ur von der Warschau-Wiener Eiaenbahngesellschaft erbaut wurden. Überhauptsind sämtliche Arbeiten, Gleise und Bauten einschließlichder Baustoffe auf preußischem Gebiete ohne Rücksicht aufihre Bestimmung von der preußischen Eisenbahnverwaltungund entsprechend auf russischem Gebiete von der Warschau-Wiener Eisenbahngesellechaft fertig gestellt bezw, geliefertworden. Jede Verwaltung unterhält, was sie erbaut hat,also nur die Anlagen auf eigenem Grund und Boden. ImSüden ist der eigentliche Bahnhof (abgesehen von den Ausziehgleisen)durch die Rampen und Brücken der Zufuhrstraßebegrenzt. Atif den zweigleisigen Auebau der Strecke Ostrowo —Skalmiei^yce ist beim Entwurf der Brücken am SüdendeBedacht genommen worden. Die <strong>für</strong> den Bahnhof erworbeneFläche beträgt 29,6 ha; dabei ist jedoch der Grund undBoden <strong>für</strong> die auf dem Propsteilande (s. Lageplan Abb. 1Bl. 50) errichteten Beamtenwohnhäuser nicht inbegriffen, wohlaber das Bau- und Dienstland am Nordende. Die Erdarbeiten•wurden Mitt? Juli 1905 begonnen und Mitte März 1906,abgesehen von Böschungsregulierungen und -besamung, beendet.Die zu bewegenden Massen betrugen insgesamt304 000 cbm, wovon auf dem Bahnhofe selbst rund 200 000 cbmzur Dammschüttung benötigt wurden, während der Rest inÄrbeitszügen auf die Strecke Ostrowo—Krotoschin gefahrenund zwecks Hebung der Gradiente zwischen km 73,4 undkm 76,3 verbaut wurde. Die auf dem Bahnhofe selbst benötigtenMassen wurden in drei weiteren Schächten (zweiRollbahnen mit Pferden, eine Rollbahn mit Lokomotiven)gefördert.Nachdem die Erdarbeiten so weit vorgeschritten und dieGleise <strong>für</strong> die Anfuhr der Baustoffe gelegt waren, konntemit dem Bau des Empfangsgebäudes und zwar anfangsNovember 1905 begonnen werden. Die Bauzeit des Bmpfangsgebäudesbetrug nur ein Jahr, obwohl ein vierwöchiger Streikder Maurer und Ziramerleute den Fortgang der Arbeiten inempfindlicher Weise störte. Dieser bedeutendste Hochbau desBahnhofes (s, Abb. 5 BL 50 und Text»-Abb. 1) hat bei einerLänge von 100,70 m eine Breite von 21. bezw. 22 m und istim Stile des märkischen Backsteinbaues gehalten (Ziegelrohbaumit dunkelroten und moosgrünen, hleiglasierten Terblendem);demgemäß sind die gotischen Formen sowohl imÄußeren wie im Inneren überall zur Anwendung gekommen.Der nordliche und südliche Giebel weisen eine etwas reichereAusführung auf. — Der besseren Beleuchtung wegen sinddie Wartesäle I./II. und III./IV. Klasse sowie der Zollsaalzweigeschossig (9 m). Die Mehrzahl der Reisenden wird dasGebäude und zwar zuerst den Zollsaal von dem durch diedeutsche Steuerbehörde gesperrten und überwachten russischenBahnsteige aus betreten. Dieser überaus geräumige Saal(836,81 qm) dient zur Untersuchung und, wenn erforderlich,zur TerzoUung des von den Reisenden mitgeführten Gepäcks.Er dürfte selbst den weitestgehenden Ansprüchen bei größtmöglicherVerkehrsentwicklung genügen und ist überdieserweiterungsfähig. Nur der innere Teil des Saales ist zweigeschossig,während die zwei 4 m breiten Seitengänge eingeschossigund im Anschlüsse an die Dächer der beiderseitigenBahnsteighallen mit Pappe eingedeckt sind. Dermittlere, 9 m hohe Teil ist durch ein doppeltes Hänge- und<strong>Sp</strong>rengewerk überspannt und trägt ein rot und grün gemustertesFalzziegeldach. Gestützt wird dieses Dach durchdie beiden Seitenwände, die ihrerseits wiedenim durch eineSäulenreihe aus Eisenbeton (Bauart Lolat) getragen werden.Der Fußboden ist aus vorwiegend gesundheitlichen Rücksichtenaus Doloment (Steinholzmasse) auf einer 2 cm starkenIsolierschicht und einer mit Zement vergossenen Ziegelflachschichthergestellt. Unmittelbar an den Zollsaal reihen sichder Raum <strong>für</strong> die Steuerkasee, der Gepäckaufbewahrungsundder üntersuchungsraum (s. Abb. 5 BL 50).Während der bisher beschriebene Teil des Gebäudesnur <strong>für</strong> die dienstlichen Verrichtungen der Steuerbehörde bestimmtist, dient der anstoßende Teil aasschiießlich den Obliegenheitender Eisenbahnverwaltung. — Zunächst gelangtman an ein Treppenhaus, das einereeits nach den im zweitenGeschosse gelegenen Übernachtungsräumen und der PiÖrtnerwohnung,anderseits nach dem Kohlenkeller und dem danebenbefindliehen Räume <strong>für</strong> Dampfheizung führt. Außerdemgewährt dieses Treppenhaus, wie aus der Abb. 5 BL50ersichtlich, auch einen Zugang zu den Aborten <strong>für</strong> Damen


397 Otto Hamniann, Der deutsch-russische Übergangsbahnhof Skalmierzyee. 398und zu dem reservierten Ziromer. Leteteres ist wiederamdem Fürstenzimmer mit angrenzendem Vorräume und Abortsowie dem 182,60 qm großen "Wartesaale I/IL Klasse benachbart.Das reservierte Zimmer, das Türstenzimmer und derWartesaal I./II. Klasse haben Stabfußboden und reiche Stuckdeckeerhalten, während im Wartesaal III./IV. Klasse beieinfacher Stuckdecke Dolomentfußböden wie im Zollsaale zurAnwendung gekommen ist. Der Wartesaal III./IV. Klassehat die gleiche Größe wie der Wartesaal I./II. Klasse undwie dieser seinen Haupteingang von dem 4 m breiten undrund 40 m langen Flure aus. Dieser Flur führt zu dem <strong>für</strong>den Reisenden wichtigsten Teile des Gebäudes, der Lichthallemit den Bäumen <strong>für</strong> Gepäckabfertigung und Fahrkartenausgabesowie einem Wechselschalter. Von dem Lichthofegelangt man achließlich an der Stationskasse und dem Pförtnerraumevorüber auf den Vorplatz. Von hier aus hdnnen derBahnhofsvorsteher und der Bahnhofswirt über die in denGebäudevorsprüngen eingebauten Treppen ssu ihren im zweitenGeschosse gelegenen Wohnungen gelangen, ohne vorher denBahnsteig oder irgend welche Diensträume betreten zu müssen.Für beide sind unter dem vorderen Teile des Gebäudes Pri-vatkellerund außerdem unter dem mittleren Teile <strong>für</strong> denBahnhofswirt Wirischaftskeller und Küche eingerichtet. Letzteresind <strong>für</strong> den Wirt sowohl von seinem Privatkeller als auchvon den die Wartesäle trennenden Büfetträumen zugänglich.Vom Büfett führt außerdem auch eine Treppe nach der imObergeecho^e gelegenen Mädchenkammer eowie nach demBoden, auf dem <strong>für</strong> den Wirt noch einige Verschlage hergestelltsind.Der Reisende, der das Gebäude vom Vorplatze aus betritt,hat, falls er von Rußland kommt, sein Gepäck bereitsan der Landstraße verzollt und wird sich wie der mit ^ugaus Rußland gekommene Heisende nach Erledigung des Fahrkartenkaufesund der Gepäckabfertigung vom Lichthofe ausdurch den Flur nach den außerhalb der <strong>Sp</strong>erre liegendenWartesälen oder nach dem preuBiächen Bahnsteige begeben.Ein Verkehr nach dem russischen Bahnsteige ist ausgeaohloßsen,da die Beförderung von Personen nach RußlandauBSchließlich von preußischen Zögen besorgt wird, währendder Hauptpersonenverkehr (Fernverkehr) von Rußland ausschließlichdureh russisch© Züge, der Ortepersonenverkehrvon Kaiisch teilweise auch durch preußische Züge bedient wird.Zur Erwärmung des Empfangsgebäudes nebst Zollsaalsdient eine Niederdnickdampfheizung, welche von Schott(Breslau) ausgeführt wurde. Zur Deckung des Gesamtbedarfsvon 200000 Wärmeeinheiten gelangten zwei freistehendegußeiserne Nationalgliederkessel von je HOOOO Wärmeeinheitenzur Aufstellung. Sie sind so gekuppelt, daß jederKessel ffir sieh allein in Betrieb genommen werden kann,und mit Membranregulatoren versehen, die den Betriebsdruckauf konstanter HOhe erhalten. Als sekundäre HeizSächengelangten im Empfangsgebäude überall Radiatoren zur Aufstellung,während im Zollsaale längs der Gebäudewand verkleideteBippenhdzflSchen angebracht sind. Jeder Heizkörperkann durch ein RegulierventU an- und abgestellt werden.Wegen der ausgedehnten Gehäudelänge war eine möglichst zentraleSohrverteilung erwünscht, die sich bei der günstigen Lagedes Keweliaumw sehr gut durckf^bren ließ. Die Entlßftungder ganzen Anlage wird von eüier Hauptstelle aus betrieben.Die Aborte, abgesehen von den vorstehend erwähntenund solchen <strong>für</strong> die beiden Privatwohnungen im Obergeschosse,sind außerhalb des Empfangsgebäudes in einem besonderenGebäude gegenüber dem Stationsdienstgebäude untergebracht.Es hat sich jedoch als notwendig herausgestellt, noch weitereBedürfnisanstalten aus Wellblech aufzuetellen und zwar jeeine an den Giebeln des Zollschuppens, eine in der Nähe desGüterschuppens und eine auf dem Vorplatze vor dem Empfangsgebäude.In dem nördlich vom Empfangegebäude gelegenen undin gleicherweise verblendeten 8tationsdienstgebäude(Test^Abb. 7) sind außer dem Stationedienstiaum und dem Zimmer<strong>für</strong> den Vorsteher zwei Aufenthaltsräume <strong>für</strong> das Zugpersonal,ein solcher <strong>für</strong> das Lokomotivpersonal,einer <strong>für</strong> Arbeitersowie eine Packkammer <strong>für</strong>19,2+ MA. Arbeiter. F. Vorstöher.L. LokamotivffllirM'. Z. Zogbeamte.a.-D.--B. StatiouadieöBtradm. P.Post.Abb. 7. Station sdieostgebände.1:600.die Post untergebracht; sobaldjedoch das im Lageplane vorgesehenePostgebäude gebautund die Packkammer verlegtist, werden die Stationsdieneträumeentsprechend erweitertwerden. Hinter dem Stationsdienstgebäudeist <strong>für</strong> ^e Aufatme der im Frühjahr undHerbst wiederkehrenden Sachsengänger der Bau eines gi-ößerenSchuppens geplant.In einem Abstände von 75 m folgen weiter nÖrdHchder geräumige Warenausgangssohuppen (66,63mlang und18,21 m breit) und in Verbindung mit ihm das Bureaugebäude(44,64 m lang) mit insgesamt 14 teils größeren, teils kleinerenBureauräumen, von welchen sich zwei im Gebrauche derEisenbahn (Deklarationsbureau und Lademeisterzimmer), dieübrigen mit Ausnahme eines Zimmers <strong>für</strong> die Bestatter imGebrauche der Zollverwaltung befinden. Hieran reiht sichder 66,63 m lange und 22^40 m breite Wareneingangsschuppen,der wieder Warenausgangsschuppen in weitestemMaße erweiteningsföhig ist Wie aus Abb. 4 B], 60 ersichtlich,findet die Be- und Entladung der Wagen Im Innerender doppelt verschließbaren Schuppen statt, um sowohl dieWaren als auch die Beamten gegen schädliche Einflüsse derWitterung zu schützen. Im übrigen bieten die mit Oberlichtund Pappdach versehenen Schuppen baulich nichts Bemerkenswertes.Dagegen dürften einige Bemerkungen überdie Behandlung und Verzollung der Burchgangsgaier unddie daraus folgende Inanspruchnahme der Zollschuppen amPlatze sein.1. WarenauBgang.a) Roh- und Massengut, das in geschlossenen Wagenladungenunter Zollverschluß in Skalmierzyoe ankommt, wirdnach Übermittlung der erforderlichen Papiere an die Zollbeamtennur in die Kähe der Zollschuppen gestellt, damitsich die Steuerbeamten von der UnverBehrtheit des ZollverschluBsesüberzeugen künuen. Die Schlösser werden alsdannabgenommen und der darauf folgende Ausgang der Wagennach Rußland seitens der Zollbeamten überwacht. Handeltes sieh um Freigut, so werden ebenfalls die Auafuhrscheinedem Zollamte vor Ausgang der Sendung fibergeben, damitdie Steuerbehörde in der Lage ist, auch den Ausgang dieserGüter 9u überwachen. Die <strong>für</strong> das russiaebe ^ollttmt VOR


399 Otto Hammann, Der doiitsch-russische Übergangsbahnhof Skalinierzyce, 400tler Güterabfertigung inzwischen ausgefertigten "Wagenlistenwerden zusammen mit den Zolldokumenten bei Ankunft desZuges in Szezypiorno den russischen Zollbehörden durch dendeutschen Deklarationsbeamten überreichtb) Stückgut unter Zollverschluß geht meist zusammenmit den nicht zollpflichtigen Stückgütern ein und wird zunächstan dem Ortsgüterschuppen entladen. Die <strong>für</strong> Rußlandbestimmten Sendungen -werden dann mittels besonderen Ümladewagensnach dem Steuerschuppen verbracht» wo zunächstVorführung durch den DeMaranten und alsdann die Verladungnach Rußland unter steueramtlicher Aufsicht erfolgt.Waren die Zollgüter <strong>für</strong> am Orte ansässige Empfänger bestimmt,so kann die Erledigung der Verzollung auf zweierleiArt geschehen:o) Die Empfänger nehmen das Gut auf dem Ortagüterschuppenzusammen mit dem Zollbegleitschein in Empfangund führen es persönlich dem an der Landstraße befindlichenZollamt vor. Für pünktliche Erledigung der Zollpapierehaben in solchen Fällen die Empfänger entsprechende Sicherheitzu leisten.ß) Alle anderen <strong>für</strong> die Empfänger am Orte bestimmtenZollgüter werden im ümladewagen nach dem Warenausgangs-Bchuppen überführt. Hier steht es den <strong>Sp</strong>editeuren frei, dieSendung ohne weiteres nach Rußland aufzuliefern, oder dendeutschen Zoll zu entrichten und das Gut unmittelbar inEmpfang zu nehmen, oder aber vor weiterer Aufgabe der Sendungden Inhalt zwecks Abgabe der „<strong>Sp</strong>ezifikation" <strong>für</strong> dasrussische Zollamt zu prüfen. Für den letzteren Zweck ist einTeil des Ausgangsschuppens durch ein Drahtgitter abgegi'enzt.Hier können die Sachen unter Aufsicht der Steuerbehördeausgepackt, verwegen oder wieder verpackt werden. —KommtStückgut in ganzen Wagenladungen an, so wird der Wagen inden Warenausgangssehuppen gestellt und dann behandelt wieStückgut, das in Einzelsendungen unter Zollverschluß eingeht.2. Wareoeingang.a) Roh- und Massengut in geschlossenen Wagenladungenwird nach äußerer Besichtigung und Anlegung der preußischenZoUschlööser entweder im die Nähe des Zollschuppens oderan die einzelnen Umladebühnen und sonstigen Umladevorrichtungengestellt, wo die Verzollung vorgenommen wird.b) Sonstige Wagenladungen und Stückgutsendungen werdensämtlich Äur Entladung und Verzollung in den Zolleingangsschuppengestellt und hier von russischer auf preußischeAchse uhigeladen. — Die Stückgüter werden sodann erforderlichenfallszur weiteren Behandhmg (Zuladung, Umladungoder Aushändigung an die Empfänger) nach dem Ortsgüterschuppen(Abb. 2 Bl. 50) überführt.Dieser Ortsgüterschuppen bietet baulich nichts Bemerkenswertes.Er hat bei einer Länge von 31,68 m und einer Tiefevon 12,18 m eine Grundfläche von 385,90 qm und ermöglichtan vier Toren das gleichzeitige Be- und Entladen von vierEisenbahnwagen. Die Abmessungen waren nur <strong>für</strong> die Anfangszeitals ausreichend erachtet, und gleich die Möglichkeiteiner Erweiterung von 385,90 bis auf nötigenfalls rund1400 qm ins Äuge gefaßt worden. Der Tagesverkehr (Eingangund Ausgang) war <strong>für</strong> die erstö Zeit auf ungeföhr 25 t veranschlagt.Nach den Grundsätzen und Beetimmungen <strong>für</strong> dasEntwerfen und den Bau von Güterschuppen der preußischen^taatseisenbahnen empüehlt es sich, <strong>für</strong> je 1 t des täglich zubearbeitenden gewöhnlichen Stückgutes und einschliefilieh desPlatzes <strong>für</strong> Gänge, Karrbahnen, Wagen, Lademeisterbudenund dergl. 10 bis 20 qm Schuppenfläche vorzusehen. Gewähltwurden im vorliegenden Falle 15,40 qm <strong>für</strong> 1 t, wobeiman annehmen durfte, auch einer Verkehrssteigerung in derAnfangszeit Rechnung getragen zu haben. Es hat sich jedochbald herausgestellt, daß Ein^ und Ausgang zusammen aneinzelnen verkehrsatarken Tagen die Zahl 50 (t) überschritten.Man sah sich daher gezwungen, sofort eine Erweiterung um150 qm vorzunehmen, so daß sich nach ihrer Vollendungbei einem Tagesverkehr von rd. 50 t etwa 10 qm <strong>für</strong> dieTonne ergeben, die nach den bisherigen Erfahrungen als ausreichenderachtet werden können.Das Abfertigungsbureau ist in einem massiven durchzwei Türen mit dem ÖDtersohuppen in Verbindung stehendenAnbau untergebracht worden. Es gewährt 14 Beamten Platzund enthält außerdem einen Haum <strong>für</strong> das Publikum undeinen Aufenthaltsraura <strong>für</strong> Arbeiter (s. Abb. 2 Bl. 50).Von Hochbauten sind auf dem eigentlichen Bahnhofenur noch zu erwähnen, einIntze-Wasserturra, einPumpenhausund drei StellwerJce, die jedoch baulich nichts Außergewöhnlichesaufweisen.Nach dem Vertrage mit der Warschau-Wiener Eisenbahngesellschaftwerden alle aus Deutschland kommenden undmit der Bahn über die Grenze gehenden Güter auf preußischerAchse befördert. Daher kommt in Skalmierzyce ein Überladennur bei Gütern in Frage, die aus Rußland auf derOstseite des Bahnhofes eintreffen. Auf dieser Seite mußtenalso auch die <strong>für</strong> das Überladen von russischer auf preußischeAchse erforderlichen Anlagen geschaffen werden. Nächst dembereits beschriebenen Zollschuppen sind zwei überdachteÜberladebühnen von 150 und 200 m u. h. zu erwähnen.Beim Überladen von Kleie und ähnlichen Stoffen, die vomWinde fortgefegt werden oder infolge Regens Gewichtsveränderungenerleiden können, ergaben sich Mißstände. DieVerwaltung sah sich daher veranlaßt, <strong>für</strong> einen Teil derBülmenlänge das benachbarte preußische Ladegleis mit eineman das Bühnendach anschliefienden Bretterverschläge obenund an der Außenseite zu verkleiden. — Dem Überladen vonMassenartikeln wie Getreide, Kartoffeln und Petroleum dienteine sogenannte Überschüttrarape von 270 m nutzbarerLadelänge (s. Abb. 7 Bl. 50). Das russißche Gleis liegt1,80 m über dem um 90 cm gesenkten preußischen.Es war zu erwarten, daß sich nach Eröffnung des neuenÜbergangsbahnhofes alsbald eine lebhafte Einfuhr von russischemHolze (Stämmen) entwickeln würde. Man hat sichin dieser Annahme nicht getäuscht und nimmt nunmehr aufdem <strong>für</strong> Holzentladung vorgesehenen geräumigen Platze (s.Lageplan Abb. 1 Bl, 50) den Bau einer längeren Holzladerampein Angriff. Femcsr mußte eine Eampe <strong>für</strong> dasÜberladen von Pferden und Gänsen (Abb. 8 u. 9 Bl. 50)geschaffen werden. Für letztere war außerdem eine Tränkeanzulegen, damit den in Stockwerkwagen zusammengepferchtund erschöpft ankommenden Tieren eine Gelegenheit zur Erholunggegeben werden kann. Die Trilnke ist ein 8 m breites,15 m langes und 20 bis 30 cm tiefes Becken, in das durcheine besondere Zuleitung frisches Wasser einfließt, währenddie Abwässer durch eine Tonrohrleitong in den Babngrab^u


401 Otto Hammann, Der deutsch-russische Übergangsbahnhof Skalmierzyce, 402gefClhrt -vrerden. Ein Überlauf hält den Wasserstand auf derrichtigen Höhe. Wie aus der Abb. 8 Bl. 50 ersichtlich, sindauf der Rampe Buchten <strong>für</strong> die Gänse und seitlich von derRampe <strong>für</strong> die Pferde hergestellt. Die nutzbare Ladelängebeträgtauf der russischen Seite rund 80 m, auf der preußischen90 m. Im Anschluß hieran möge noch die Yiehrampe(Abb. 10 BI, 50) in der Nähe des Ortsgüterschuppens erwähntwerden; sie dient jedoch nur dem Be- und Untladenvon und in Fahrzeuge mit preußischer <strong>Sp</strong>ur, ist mit Viehbuchtenversehen und hat eine Ladelänge von insgesamt 43 m.Bezüglich der Lokomotiven und ihrer Unterbringungsei kura folgendes bemerkt. Außer zwei Verschiebelokomotivenmit preußischer <strong>Sp</strong>ur, die in einem Schuppen auf demalten Bahnhofe untergebracht werden konnten, sollten Lokomotivenin Skalmierzyce überhaupt nicht beheimatet werden.Das Verschiebegeschäft auf der russischen Seite, soweit esnicht von den russischen Zugmaschinen während des Aufenthaltserledigt werden kann, wird zurzeit noch von einerrussischen, je nach Bedarf anzufordernden und nach Stundenleistungzu vergütenden Lokomotive besorgt. Die Beseitigungdieses unbequemen und unwirtschaftlichen Yerfahrens durchBeschaffung einer breitspurigen Lokomotive dürfte jedoch nureine Frage der Zeit sein. Da anzunehmen war, daß Skalmierzycein der Zukunft als Zugbildungsstation eine erhöhteBedeutung gewinnen würde, so ist, wie aus dem Lageplaneersichtlich, in der Nordwestecke des Bahnhofes <strong>für</strong> denspäteren Bau eines Lokomotivschuppens der nötige Platz vorgesehenworden. Hier sind daher auch bereits eine Drehscheibe,eine Bekohlungsanlage und ein Wasserkran zur Ausführunggekommen. Ferner ist je ein Wasserkran zwischenGleis 10 und II» und 1^ und II"^ in der Nähe des Empfangflgebäudesaufgestellt worden.Auf unerwartete Schwierigkeiten stieß die Versorgungdes Bahnhofes mit Trinkwasser und <strong>Sp</strong>eisewasaer <strong>für</strong>die Lokomotiven, da in dem eraten nördlich des Wasserturmesgelegenen Bohrloche ausreichend wasserführende EiesoderSandschiehten nicht gefunden wurden, obwohl die Bohrlöcherbiß auf 135 m unter Erdoberfläche niedergetriebenworden waren. Nur von 94 bis 98,50 m unter Erdoberßächewurde reiner Sand mit Wasser angetroffen. DasWasser stieg jedoch selbst nach Einbauen eines Filters nurbis 35 m unter ErdoberQäche, so daß von einer Ausbeutungdieser Schicht abgesehen wurde. Von 112,5 bis 135 m tratengraue Kreideschichten nait weichen Toneinlagen nebst harten,kalkigen Bfinken auf, und weiteres Bohren erschien aussichtslos.Ein zu Bäte gezogener Quellensucher BertholdEnders hatte nach mehrfachen Gängen mit der Haselruteeine Stelle 40 bis 60 m von. dem ersten Bohrloche entferntals mit starken Wasseradern durchsetzt bezeichnet und dieTiefe, in welcher Wasser vorhanden sein sollte, auf 17 bis24 m angegeben. Da in der letzten. Zeit über Quellensuohenviel geschrieben und gestritten worden ist, soll dasErgebnis der Probebohnmg genau mitgeteilt werden. Von0 bis 5 m harter, sandiger I^ehm,5 bis 19 m harter, gpftuer Geschiebemergel,19 bis 25,50 m Sohllefsand mit Wasser,25,50 bis 26 m blauer Ton mit Steinen,26 bxB 28,50 m blaue harte Lette, sehr zäh,28,50 bia 39,50 m harter, grauer Geschiebemergel,39,50 bis 40,25 m Schlviffaand, sehr schlammig,40,25 bis 41,50 m harter, grauer Geschiebemergel,41,50 bis 44,50 m schliefiger Sand mit Wasser,44,50 bis 49 m weißer Sand mit Wasser,49 bis 50 m Flammenton.Der Wasserspiegel befand sich im Ruhezustand vor der Piltersetzung6 m unter Erdoberfläche, — Der Quellensucher hattealso eine brauchbare Stelle bezeichnet; seine Angaben überTiefe und Reichhaltigkeit der wa^erfOhrenden Sohichten erwiesensich jedoch nicht als durchaus zuverlässig. Bei demdarauf vorgenommenen dreitägigen Probepumpen stellte sichheraus, daß bei einem bleibenden Wasserstande von 10 bis12 m unter Erdoberfläche tSglich 72 cbm Wasser nachdrangen.Nun wurde eine Bohrung von 600 mm Rohren bis zu einerTiefe von 50 m niedergebracht und in diese ein Schützrohrvon 400 mm mit bis zutage stehendem Aufsatzrohr eingesetzt.Das Schlitzrohr mußte genau zentriert und mit Kies von bestimmterKorngröße umfüllt werden, worauf von oben einkupfernes Filter eingebaut und mit einer Bajonetteverschraubungabgedichtet wurde. Das Kupferülter ist bequem herausnehmbarund kann bei eintretender Verschlammung gereinigtwerden. Das Wasser stieg nach der Filtersetzung im Bohrlochebis 4 m unter Erdoberfläche an. Nach Herstellungeines zwei Stein starken Brunnenschachtes von 5 m 1. W.und 12 m Tiefe {Abb. C BL 50) wurden dann zur Nutzbarmachungder geringwertigen Sandschieht zwischen 19 und25,50 m ähnlich dem großen Hohre drei kleinere niedei^ebi'achtund ausgebaut. Das Wasser wird durch eine in besonderemMaschinen hause aufgestellte dreipferdige, stehende Gasmaschinemit Hilfe einer Differential-Saug- und Druckpumpe in denBottich des Wasserturmes gepumpt und von hier durch Bohrleitungden einzelnen Verwendungsstellen zugeftlhri £mpfangsgebäude,Stationsdienstgebäude und Qänserampe sindebenfalls an diese Leitung angeschlossen.Auch die Entwässerung des Bahnhofes bereitete großeSchwierigkeiten. Im südlichen Teile und in der Nfthe derZoUschuppen besteht der Untergrund aus fettem Lehm, sodaß eine Oberflächenentwässerung mit Hilfe eines Netzes vonRigolen n5tig wurde. Die Keller des Abfertigungs- und desEmpfangögebäudes, die Krangruben, die russische und preußischeZentesimalwage mußten durch seitliche Rohrleitungenan eine fast die ganze Länge des Bahnhofes durchziehendemittlere Rohrleitung angeschlossen werden. Die Arbeitenwaren kostspielig und zeitraubend, weil fast sämtliche Leitungenim Triebsande verlegt werden mußten.Bei der Wahl der Beleuchtungsart entschloß sich dieVerwaltung, die Gleisanlagen, soweit dies erforderlich schien,mit Keroslampen (Petroleumglühlicht) zu beleuchten. 17 Lampenerschienen ausreichend. Bei der Beleuchtung der Zufuhrstraßen,Bahnsteige und InnenrSume gab man dagegen einerLuftgaaank^e (Benoidgas) deu Vorzug. Eine derartige Benoidgasanlagebat den Vorteil, daß zu ihrer Herstellung wederumfangreiche BauUohkeiten noch teure Maschinen erforderlichwerden. Sie liefert außerdem ein den Augen sehr an^genehmes Licht und steht an Helligkeit sowie Wirtschaft^llohkeit im Betriebe der Kohlengasbeleuchtung nicht, nach.Die beiden einfachen Gaserzeuger konnten in dem Wassei^türm Aufstellung finden, und der Terhältnismäßig kleine Raumgenügte sogar, um einem etwa sp&ter erforderlich werdenden


403 Otto Harn mann, Der deutsch-russische Übergangsbahnhof Skalmierzyce. 404dritten Öaeerzeuger ausreichend Platz zu gewähren. Jederdieser Gaserzeuger liefert in der Stunde bis zu 30 cbm Gas,so daß bei zwei Apparaten und 60 cbm Gas ungefähr550 Flammen mit einer Lichtstärke von je 50 H-Kerzen gespeistwerden können. Da nicht nur sämtliche Innenräumedes Empfangsgebäudes, des Güterbodens, der Zollböden undder Bureauräume, sondern auch die Bahnsteige, Überladebühnen,Zufuhr- und Ladestraßen mit Benoidgas erleuchtetwerden, so war ein unterirdisches Rohrnetz von ungefähr3000 m erforderlich. Das Gas wird auf kaltem Wege selbsttätigdurch die Gaserzeuger aus „Hexan", einem Petroleumdestillate,hergestellt. Zur Bedienung genügt ein ausgebildeterArbeiter, der täglich etwa zwei Stunden mit dem Aufwindender erforderlichen Triebgewichte und dem Einpumpen desHexans beschäftigt ist.Der in fünf •Weichenstellbezirte geteilte Bahnhofhat in drei Bezirken von der Firma Hein, Lehmann u. Eo,gelieferte und aufgestellte, mechanische Stellwerke erhalten,die in den StellwerktOrmen Snt, SP und SR untergebrachtsind. Ein Verriegelimgswerk Skz befindet sich in Verbindungmit dem Stationsblockwerk in dem Stationsdienstraum.In den Bezirken IV und V, die im mittleren Teile des Bahnhofesliegen, werden die Weichen von Hand gestellt. — DieSicherungsanUtgen ftlr die Ein- und Ausfahrten der Züge vonund nach Kalisch liegen im Steilwerk Snt, während die StellwerkeSP und SR die Sicherungsanlagen <strong>für</strong> die Ein- undAusfahrten von und nach Ostrowo umfassen. Das ersteStellwerk, Snt, enthält zwei Doppelhebel <strong>für</strong> Einfahr- undzwei Doppelhebel <strong>für</strong> Ausfahrsignale sowie 34 Weichenstellhebelteils <strong>für</strong> Weichen preußischer, teils <strong>für</strong> solche russischer<strong>Sp</strong>ur. Das zweite Stellwerk, SP, hat je einen Doppelhebel<strong>für</strong> Einfahr - und Ausfahrsignaie und 27 Weichenstell- undVerriegelungshebel. Im dritten, SK, sind 15 Weiehenhebelzu bedienen und außerdem durch einen einfachen Signalhebeldas tmter Zustimmung von SP befindliehe Ausfahrsignal 5.Im Stationsverriegelungswerk schließlich befinden sich dreieinfache Verriegelungshebel zur Verriegelung von spitztiefahrenenWeichen, Sohutzweichen und Gleissperren, dienicht in Stellwerke einbezogen sind.Das Vorsignal <strong>für</strong> das dreiarmige Einfahrsignal in derRichtung von Üstrowo mußte infolge der fast unmittelbarenNähe des Bahnhofes Sliwniki über das Ein^rsignal derRichtung von Skalmierzyce hinaus bis in den Bahnhof SUwnikivorgeschoben werden. Für die Einfahrten von russischerSeite ist auf die Aufstellung von Vorsignalen vor den beidenzweiarmigen Einfahrsignalen wegen der unmittelbaren Näheder ruBsiaohen Grenze verzichtet worden, um ihre Aufstellungauf russischem Gebiete und die daraus leicht entstehendenGrenzschwierigkeiten zu vermeiden.Streckenblockung ist nicht vorhanden. Außer der bereitserwähnten Blockzustimmung <strong>für</strong> das Signal J von demStellwerk SB zum Ausschluß feindlicher Fahrten, die vonSP axia gegeben werden könnten, liegen nur die Einfahrsignftlebezw. die betreffenden FahrstraJSenschieber unter Blockverschluß,und zwar seitens der Station. Zur Verhütungeiner vorzeitigen Freigabe der Fahrstraßen erfolgt ihre Festlegung<strong>für</strong> die Einfahrten durch Wechselstrom-Blockfelder,die von der Station wieder frei gegeben werden; das vorzeitigeUmstellen spitzbefahrener Weichen unter ausfahrendenZügen wird durch Zeitverschlüsse verhindert. —Die Station ist mit den Stellwerken, den anderen Dienststellendes Bahnhofes und den Haltestellen der StreckeSkalmierzyce —Ostrowo, die Güterabfertigung mit dem Zollachuppensowie mit Szczypiomo und Kalisch durch Fernsprecherverbunden. Außerdem hat die Station mit Ostrowodurch Zugmelde- und Bezirksleitung, mit Szczypiorno undKalisch nur durch eine Zugmeldeleitung Verbindung. AmStationsdienötgebäude und den Stellwerken SP und SR sindLäutewerke aufgestellt.Für den Betrieb auf der Strecke Skalmierzyce—Kalischist eine besondere Dienstanweisung <strong>für</strong> das Zugmeldeverfahren.und eine besondere Signalordnung vereinbart. Da von denbeiden Verbindungagleisen zwischen Skalmierzyce und Kalischjedes <strong>für</strong> sich als eingleisige Strecke zu betrachten ist, kommtdas Anbiete- und Ännahmeverfahren zur Anwendung. VorAnnahme eines Zuges aus der Richtung Kalisch hat jedochJ'__:Abb. 8. Vierfamilienhaus<strong>für</strong> Uüterbeamte._i',.i I i 'KW6>[


405 Wolpert, Der Taltibergang der Westerwaldquerbahn bei Westerburg. 406(B. Lageplan Abb. 1 ßl. 50) vier z-weigeschossige Häuser mitje vier "Wohnungen <strong>für</strong> Unterbeamte erbaut (Text-Abb. 8).Jede dieser "Wohnungen hat rund 45 q^m Nutzfläche sowieeine bewohnbare und heizbare Bodenkammer. Dazu gehörtje ein Stall und 10 a Dienstland; Fachtland steht außerdemreichlich zur Verfügung. Weiter wurden auf dem sogenanntenPropsteilande südwestlich des Bahnhofes siebeneingeschossige Häuser mit je zwei Wohnungen von 45 qmaufgeführt (Text-Abb. 9). Zu jeder Wohnung gehört nocheine bewohnbare und heizbare Bodenkammer von 15,30 qm,ein Stall mit Abort (Text-Abb. 10), sowie 10 a Dienstland.Auch hier steht Pachtland reichlich zur Verfügung. Die Häuschenmachen einen freundlichen, villenartigen Eindruck. Mansollte jedoch mit Bücksicht auf die Besiedelung der Ostmarküber das bestehende Höchstmaß der nutzbaren Fläche von45 qm beim Bau weiterer Häuser hinausgehen, damit auchdie Heranziehung von Familien mit einer größeren Anzahlvon Kindern möglich wird. Für mittlere Beamte ist ebenfallsauf dem Propsteilande ein dreigeschossiges Haus <strong>für</strong>sechs Familien, erbaut worden (Text-Abb. 11). Zu JederWohnung gehört wiederum eine bewohnbare Bodenkammerund ein Stall mit ansehlieJ3endem Öarten. Dio Aborte sindwie bei den oben erwähnten Yierfamilienhäusern im Gebäudeinnernuntergebracht. Der Bau weiterer Häuser ist geplant,und da auch <strong>für</strong> einen Teil der ständigen Arbeiter Unterkunftgeschaffen werden muß, werden im ganzen noch50 Wohnungen <strong>für</strong> ünterbeamte und Arbeiter und 11 <strong>für</strong>mittlere Beamte erforderlich.Die Kosten des Bahnhofsbaues mit sämtlichen Wohnhäusernbetrugen rund 2 000 000 J^. Die Bauzeit von Beginnder Erdarbeiten bis zur Fertigstellung sämtlicher Baulichkeitenwährte 1^2 Jahre. Die Entwürfe aller Bauteneinschließlich des Empfangsgebäudes und der übrigen Hochbautensind vom Eegierungs- und Baurat Blunok an derKöniglichen Eisenbahndirektion Posen ausgearbeitet worden;in seinen Händen lag auch die Oberleitung des Baues, währenddie örtliche Bauleitung von einer der BetriebsinspektionOstrowo angegliederten Bauabteilung wahrgenommen wurde.Der Talübergang der Westerwaldquerbahn bei Westerburg,Bie neu erbaute Westerwaldquerbahn, welche in Herbornan der Haupteisenbahnstrecke Gießen—Köln beginnt, Überden hohen Westerwald führt und vorläufig in Westerburgan der Oberwesterwaldbahnstrecke Limburg—Altenkirchenendigt, ist eine normalspurige eingleisige staatliche Nebeneisenbahnund dank ihrer <strong>für</strong> eine Gebirgsstrecke mäßigenSteigungen (höchstens 1:50) und Krümmungen (schärfstensmit 300 m Halbmesser) zur Beförderung ziemlich schwererZüge geeignetBei Westerburg, kurz vor der Einmündung in denBahnhof, hat die neue Bahn in einem Gefälle von 1:400das über 200 m breite Tal des Hölzbaches, eines Seitenflüßchensdes Schafbaches, rund 33 m über Talsohle zuüberschreiten. Wenn auch in der malerisch schönen, fastromantischen Umgebung, die zu einem Teile durch die Lichtbildaufnahmeauf Bl. 51 mit wiedergegeben ist, zweifellosein steinernes Bauwerk mit einet Reihe weiter und schlankerBogenstellungen den Yorzug vor einer Eiseukonstruktionverdient hätte, so mußten doch solche künstlerischen Empfindungenzurücktreten, da die Höhe der <strong>für</strong> die ganze neueBahn bewilligten Mittel die Anwendung äußerster <strong>Sp</strong>arsamkeitin allen Teilen der Ausführung gebot. Aus diesemGrunde und zugleioh im Hinblick darauf, daß die Taltibereohreitungbei Westerburg in gerader Linie verläuft, fiel<strong>für</strong> das erforderliche Bauwerk die Wahl auf einen eisernenParalleltrÄger nach öerbersoher Art mit eingeschalteten Gelenkenund auf eiaernen Pendelpfeilera.Die Anordnung mit ihren Hauptabmessungen ist inAbb. 1 und 2 Bl. 52 dargesteUt. Die Fahrbahn befindetsich oben. Die EndauHager und die Odenkpunkte der Haupttrfigersind behufs Erzielung der nötigen Standfestigkeit desÜberbaues höherliegead angeordnet, als mne gerade Duroh-Zoümäatn f. BwnUMtn. ittag.LTIt.Yom ßegierungs- und Baurat Wolpert in Frankfurt a. M.(Mit AbbüdttDgen auf Blatt 51 bis 55 im Atlaa.)(Allo Bachte roibelialten.)führung des Untergurtes es ergeben hätte. Des besserenBindruckes wegen wurde die Höhe der zwischen den Gelenkeneingebauten Träger gleich groß derjenigen der Kragträgerangenommen; dabei wurde die Stützweite der ersterenauf das Siebenfache, die der letzteren auf das Neunfache,die Länge der Auskragungen auf das Binundeinhalbfache derTrägerhöhe festgesetzt, nachdem durch Berechnung nachgewiesenwar, daß hiermit nicht nur die günstigsten Bean^spruchungen der KonstruktionsgUeder erreicht werden, sondernauch genügende Sicherbeit gegen das Abheben der Trägerendenvon den Auflagern beim Eintreten der hier<strong>für</strong> gefährlichstenLaatenstellung gewährleistet ist Ein Abheben derTrägerenden wäre nämüoh erst dann zu be<strong>für</strong>chten, wennder Überbau der ersten oder der letzten Öffnung frei vonVerkehrslaet bliebe und gleichzeitig der Überbau der zweitenbeziehungsweise der vorletzten Öffnung mit r\md dem doppelt80 großen Zuggewicht belastet würde, als es der Brückenberechnungnach den neuesten preuBischen Torsohriften zugrundegelegt werden soll. Unter MitberückBichtigung derOrtlichen Verhältnisse, wie Gestaltung der Talhänge, Lagedes Baches und der KreisstraBe, ergab sich danach alszweckmäßigste Einteilung der Öffnungen bei einer Trägerhöhevon 4,8 m eine mittlere Öffnung von 9 x 4,8 == 43,2 m,daran anschließend je ^ne <strong>für</strong> die mit Gelenken auszurüstendenÜberbaugruppen bestimmte Öffnung von (lYzH-?-f 1YJ)X4,8«»48 m, weiter je eine Endöffhung von9x4,8 — 43,2 m, zusammen also eine Brückenlänge von3 X 43,2 + 2x48-= 225,6 m.Die eisernen Pendelpfeiler wurden, um dem leicht auesehendenÜberbau schlanke Stützen anzupassen, aus Stäuderftgebildet, die nur im YerhAltnis 1:6 gegen die LotrechtesehrSg gestellt sind. Infolgedessen maßten diese Pfeiler m26


407 Wolpert, Der Talübergang der Westerwaldquerbahn bei Westerburg, 408ihrem Fuße kräftig in den ausreichend schweren Mauersoclfelnverankert werden, damit das Bauwerk Sturmangriffenheftigster Art Widerstand zu leisten vermag. Einem Umkippenoder Abheben des Überbaues von den Pendelpfeilernwird durch die an geeigneten Stellen angebrachten Federblechevorgebeugt. Die Gestaltung der eisernen Pfeiler mitihren Einzelheiten, insbesondere auch ihren Kopf- und Fußgelenken,geht aus den Abbildungen auf Bl. 53 hervor.Die Ausbildung der 3,3 m voneinander entferntenHauptträger, des Querverbandes, der Querträger, der Schwellenlängsträger,der beiderseitigen Fußsteige, welche je 1 mBreite neben dem Normalprofil des lichten Raumes der Bahnbesitzen, so daß also der Abstand von Geländer zu GeländerG m beträgt, ist ersichtlich aus den Abb. 3 bis 4b BI. 52.Die Abbildungen auf Bl. 54 zeigen sowohl (in Abb, 1) die ursprünglichbeabsichtigte, aber nicht ausgeführte, als auch(in Abb. 2) die tatsächlich ausgeführte Gelenkanoi"dnung derHauptträger einschließlich des Gelenkes im "Windverband, derin der Ebene des Obergurtes sich befindet und beim <strong>Sp</strong>ielender Hauptträgergelenke eine kleine Längsverschiebung seineseigenen Gelenkpunktes, der auf die benachbarten tieferliegenden Knotenpiuikte abgestützt ist, erdulden muß, wiedie nachstehend beschriebene Konstruktion es mit sich bringt.In der Gestaltung der Hauptträgergelenke wurde vonden bisher üblichen Konstruktionsarten, deren Sicherheitin dem gefahrvollsten Punkte von der "Widerstandskraft undDauerhaftigkeit eines Drehzapfens allein abhängig ist, Abstandgenommen und in Anlehnung an eine amerikanischeAusbildung die Aufhängung der in den Gelenken ruhendenTrägerabteilungen mittels biegsamer Stahlhängebänder, dieden Gelenkstellen eine besonders leichte Beweglichkeit verleihen,gewählt, jedoch von der amerikanischen Bi^uweiseinsofern abweichend, als die Hängebändev nicht lotrecht,sondern schräg angeordnet wurden (vergl, Abb. 1 Bl. 54), dahierdurch in Verbindung mit geeigneten Stützpunkten dasBestreben in das Konstruktionssystem gelegt wird, dieeinzelnen Trägerabteilungen infolge des Gewichtes der eingehängtenTräger Und mehr noch der auf diese kommendenYerkehrslast gegeneinander zu drängen, so daß ohne weiteresein Zusammenhalten des ganzen auf Pendelpfeilem ruhendenEisenüberbaues bis zu einem hohen Grade gewährleistetwird. Hauptsächlich ermöglicht aber die gewählte Konsiruktioneartdie äußerst wünschenswerte besondere Sicherung,daß bei etwaiger Zerstörung des einen, eine hervorragendwichtige KoUe spielenden Gliedes der Konstruktion, hieralso des Hängebändes, ein anderes Glied in Wirksamkeit tritt.An den in Red© stehenden Gelenkstellen wird zunächstdie lotrechte Auflagerkraft durch das schräg geneigte Hängebandund durch das entsprechend schräg stützende Gleitauflagervon den eingehängten Trägern auf die Kragträger übergeleitet.Bie lotrechte Auflagerkraft zerlegt sieh hierbei in*zwei öohräg gerichtete Komponenten; die eine ist die <strong>Sp</strong>annkraftdes Hängebandee, die andere der Auflagerdniok desLagers. Tritt aus irgend einer Yeranlassung ein Bruch desHängebandes ein, so stützt sich der eingehängte Träger miteiner vorstehenden Giißnaso der oberen Auflagplatte gegenden nntenen Teil des Auflagers, welcher an dem Auslegerdes EragtrÄgera befestigt ist, und ein Herabfallen des eingehängtenTrägers bleibt auch in dem angenommenen Falleausgeschlossen. Für die Beanspruchung des Hängebandeswurden 1<strong>460</strong> kg/qcm zugelassen und die Herstellung inStahl vorgeschrieben.Nach „Hütte" I, 19. Auflage (S. 359 und 474) ist Flvißstahlmit einer Zugfestigkeit von 3x1<strong>460</strong> = 4380 kg/qcmein normales Handelsfabrikat, so daß einer Ausführung derGelenkanordnung in gedachter Weise, da die erforderlicheSicherheit gewahrt werden konnte, Bedenken nicht entgegenstanden.Nach Vergebung der gesamten Eisenkonstruktion stelltees sich jedoch heraus, daß die Anfertigung der acht Hängebänderaus Stahl von obiger Festigkeit bei dem verhältnismäßiggeringen Gesamtgewicht nur unter Zubilligung sehrlanger Lieferungsfristen möglich war; außerdem übernahmkeine der befragten Firmen die Gewähr <strong>für</strong> die vorgeschriebeneFestigkeit des zu liefernden Stahles. Deshalb mußte, umkeine Verzögerung des Baues eintreten zu lassen, die Höchstbeanspruchungder Hängebänder auf 1000 kg/qcm ermäßigt,der ßandquerschnitt also von 3 >< 24 auf 4,f> x 24 qcm verstärktwerden. Durch diese Verstärkung der Hängebänderwurde freilich deren Biegsamkeit bei der Drehung dereinzelnen Trägerabteilungen um die Gelenkpunkte außerordentlichbeeinträchtigt. Verursacht nämlich die Verkehrslasteine Durchbiegung des eingehängten Trägers, so wälztsich die ebene obere Auflagerplatte auf der gewölbten unterenum einen gewissen, allerdings nur sehr kleinen Winkel.Dieser Bewegung folgend, muß eine ebenfalls sehr kleineVerdrehung der nach der ursprünglichen Anordnung als eingespanntzu betrachtenden Enden des Hängebandes gegeneinanderum denselben Winkel, also eine entsprechende Verbiegungdes Bandes eintreten. Infolge der gleichzeitigenstarken Zugbeanspruchung des Bandes muß seine gesamteVerbiegung sich auf äußerst kurze Sirecken an den Endenbeschränken, wodurch eine wesentliche Überschreitung derberechneten <strong>Sp</strong>annungen im Hängebande hervorgerufen wird.Um die Verbiegung des Hängebandes zu verringern,wurde dasselbe in Abänderung der ursprünglich gewolltenBauweise an seinem unteren Ende mit einem Gelenkzapfenangeschlossen. Die in dem Zapfen auftretende Reibung läßtzwar in dem Hängebande immerhin noch ein Biegungsmomentzur Erscheinung kommen, dasselbe kann jedoch,wie aus der angestellten Berechnung hervorgeht, durch einemäßige Verstärkung des Bandes mittels aufgenieteter Winkeleisenleicht aufgenommen werden. Gleiphzeitig wurde beidieser Abänderung auch der die beiden Teile des Auflagersan der Gelenkstellö verbindende Schraubenbolzen, der eineLostrennung der beiden Lagerteile voneinander verhindernsollte, durch ein starkes Gelenkfedei'paar ersetzt, um einemAbheben der oberen Lagerplatte von der unteren beim Auftretenungünsliger Bremskräfte aus Anlaß von Verechiebebewegnngenauf der unmittelbar am Bahnhofe Westerburggelegenen Brücke kräftiger entgegenzuwirken.Zur weiteren Sicherheit wurde zwischen den zu beidenSeiten des Gelenkes liegenden Obergurtknotenpunkten einZugstangenpaar ans Winkeleisen angeordnet, das auf dereinen Seite fest, auf der anderen mit je einem Bolzen inpassendem Langloch so angeschlossen ist, daß die durch dieEinwirkung der Verkehrslast bedingten Verschiebungen derbeiden Knotenpunkte zu einander in dem erforderlichen Maße


409 Wolpert, Der Talübergang der Westerwaldquerbahn bei Westerburg. 410gerade noch möglich bleiben. Im Falle eines Bruches sowohldes Hängebandes als auch der oben erwähnten Gußuase "würdensich die Bolzen an die Wandung der Langlöcher anlehnen,und das Zugstangenpaar wtlrde im Yerein mit denAuflagerflächen der Lagerplatten, die sich nur wenig gegeneinanderverschoben haben können, den Auflagerdruck deseingehängten Trägers aufnehmen. Außerdem aber sind dieseZugstangen imstande, die auf die eingehängten Träger wirkendenBremskräfte auf die benachbarten Kragträger weiterzuleiten,indem die an einem Ende der Zugstangen angeordnetenLanglöcher so bemessen wurden, daß sie bei Eintritt dervollen Durchbiegung der Träger infolge der Verkehrslast siehan die Bolzen anlegen.Es soll nicht verschwiegen werden, daß dieser Gelenkaiiordnungeine gewisse UnVollkommenheit anhaftet, indembei Verwendung von Hängebändern zur Einfügung der inden Gelenken ruhenden Träger es ausgeschlossen ist, dieHauptträgergelenkpunkte in die Ebene des Wind Verbandes,also in die Ebene des Obergurts zu legen, in welcher sichzweckmäßigerweise der Windverband befindet. Neuerdingawird denn auch anläßlich der Aufstellung des Entwurfes <strong>für</strong>ein ähnliches, jedoch wesentlich kürzeres Bauwerk der NeubaustreckeUsingen^—Weilmünster im Tauuus eine Gelenkanordnungausgearbeitet, bei welcher die Auflagerung derzwischen den Gelenken eingebauten Träger auf den Ki'agträgernin der Ebene des Obergurts nach Art der einfachenKipplager mit übergreifenden Rändern der oberen Lagerplatteund mit geeigneter Federplatten Verankerung gebildetwerden soll, die weitere Sicherung der Gelenkstelleu aberdurch eine Auffangvorrichtung mittels Drehzapfens erzieltwird, der nur im Notfalle in Wirksamkeit tritt. Sollte dieneue Lösung in Überzeugend einfacher Weise gelingen, sodürfte eine besondere Abhandlung darüber seineraeit zurVeröffentlichung gebracht werden.Das feste Auflager am unteren Ende des WesterburgerTalüberganges ist ein solches einfaches Kipplager mit kräftigeram Hauptträger befestigten Federplatten Verankerung, diesämtliche auf der ganzen Brücke zur Erscheinung kommendenwagerechten beziehungsweise in der Bahnneigung 1:400wirkenden Längskräfte, insbesondere die Bremskräfte, in derzerrenden wie in der stauchenden Richtung aufzunehmenvermag.Das bewegliche Lager am oberen Ende des Talübergangeaist ein gewöhnlichoa Rollenlager mit darüber angeordnetemDrehzapfen; die Größe der Rollenbeweglichkeit richtetsich nach der Längen Änderung des gesamten eisernen Überbauesinfolge der Wärmeachwankungen zwischen —25° und+ 45 '^ Celsius sowie zu einem geringfügigen Teile infolgeder Durchbiegungen bei Belastung und beträgt im ganzenvon äußerster zu äußerster Ijage rund 200 Millimeter. AufBl. 55 sind in den Abb. 1 bis 7 die beiden Lageranordnungennebst der Verankerung des Hauptträgers am festenAuflager abgebildet.Die Zusammenfassung der Längsverschiebungen derBrücke an einen einzigen Punkt macht die besondere Anordnungeines Schienenausznges daselbst notwendig, der sichauch die vorgeschriebene Entgleisungsschutzvorrichtung anzupassenhat. Nach einem Vorschlage der örtlichen verwaltungssaitigenBauleitung wurde zur Verwendung der Zimgen vonFederweichen gegriffen, umsomehr, als solche Zungen stetsvorrätig sind, eine Auswechslung also jederzeit leicht stattefinden kann. Das dauernde Anliegen der federnden Zungenan den Mutterschienen in jeder Lage der letzteren, die denLängsbewegungen des eisernen Überbaues genau folgen, wirderreicht durch gut zu schmierende Führungen, deren maßgebendeKante parallel laufen muß zur Berührungsliniezwischen Zunge und Mutterschiene, in welcher Linie diesebeiden Sehienenteile aneinander vorbeiacbleifen. Aus denAbb. 8 bis 12 Bl. 55 sind Anoi-dnung und Einzelheiten desSchienenauazugs zu ersehen.Mit der Aufstellung des Entwurfes nebst statischer Berechnung<strong>für</strong> die Eisenkonstruktion des Westerburger Talübergangeseinschließlich der wichtigeren Einzelglieder war dieIngenieurfirma Bruno Schulz in Berlin-Haiensee (Eur<strong>für</strong>etendamm125) betraut worden; die Arbeit wurde von ihr nachnäheren Weisungen seitens des diese Abhandlung schreibendenNeubaudezernenten der Kömglichen Preußischen EisenbahndirektionT'raukfurt a. M. zur vollen Zufriedenheit erledigt.Nachdem die zu dem Bauwerk gehörenden ErdaushubundMaurerarbeiten, erstere (bis zu gutem, kiesigen, zumTeil felsigen Untergrund) im Umfange von rd. 1800 cbm,letztere im Umfange von rd. 3700 cbm, durch die BauunternehmerAdam und Georg Buschung von Niederselters indurchaus sachgemäßer Weise fertiggestellt, auch die Verankerungensorgflltig eingemauert waren, begann die TillmannsscheEisenbau - Aktiengesellschaft in Düsseldorf undßemscheid, welcher im September 1905 auf Grund eineröffentlichen Ausschreibung die Ausführung der aus rd. 570 tFlußeisen und rd. 30 t Flußstahlformguß bestehenden Eisenkonstruktionübertragen worden war, vom festen Endauflageraus, das dem Bahnhof Westerburg zunächst gelegen ist, dieAufStellungsarbeiten im April 1900 und vollendete sie, ohnedaß in der ganzen Bauzeit trotz der erheblichen Schwierigkeiten,die ein solches Bauwerk bereitet, ein nennenswerterUnfall sich ereignete, im Dezember 1906, wobei seitens derEisenfirma die allgemeine Leitung Oberingenieur König unddie Leitung auf der Baustelle Obermonteur Lauer inne hatte.Die FlußstahlformgußfcÖrper der Hauptträgergelenke mit denzugehörigen Drehzapfen lieferte die Gutehoffnungshütte inSterkrade.Das beste Zeugnis <strong>für</strong> die Güte der Aueführung derEisenkonstruktion liegt in den Ergebnissen der im Mai <strong>1907</strong> vorgenommenenBelastungsproben, denen ein Lastenzug zugrundegelegt war, wie er bestmöglich dem vom Herrn Minister deröffentlichen Arbeiten in Berlin <strong>für</strong> die Brückenberechnungvorgeschriebenen entsprach. Die dabei gemessenen Durchbiegungenund Stabspannungen blieben ausnahmslos unter denrechnungsmäßigen Zahlen.Bei ruhender Belastung jeweils in ungflnatigeter Last-Stellung oder bei langsamer Durchfahrt des Lastenzuges fandsich, vom festen Endauflager aus gezählt, in der L Öffnungeine größte el^tische Durchbiegung von 2IY2 mm nach untenund von 3 mm nach oben, in der II. Öffnung eine von25 mm nach unten, in der III. Öffnung eine von 25 mmnach unten, in der IV. Öffnung eine von 23 mm nach unten,in der V. Öffnung eine von 21 mm nach unten und von2Y2 mm nach oben. Die <strong>Sp</strong>annung des Untergurts sowohlals auch diejenige einer Hauptdiagonale in der I. Öffnung26*


411 Zimmermann, Die Anwendung von Grundwassersenkungen zu Neubauten 412betrug je 420tg/


413 und Wiederherstellungsarbeiten im Bezirk der Wasserbauinspektlon Fürstenwalde. 414Tiefe abzusenken. Die 'WasserfÖrdenLiigsaiilage -wurde nunmehrdurch eine Lokomobile der Bauverwaltung von etwa13 PS und einen Kreisel von etwa 70 1/Sek. Leistung versfÄrkt(Maschine III im Lageplan, Abb. 4 Bl. 56 u. 57), undnunmehr gelang die erstrebte Absenkung des Wasserstandes,so daß die Beseitigung des schlechten Botona imd das Einstampfender neuen Fundamente erfolgen konnte.Das günstige Ergebnis dieser Grundwassersenkung gabAnlaß, dasselbe Verfahren anzuwenden, um die Karamersohleder Schleuse ebenfalls in Stampfbeton im Trockenen ausführenzu können. Da sich nirgends gezeigt hatte, daßSand durch die Filter getreten und mitgepumpt wordenwäre, wurde es <strong>für</strong> unbedenklich gehalten, die Brunnen <strong>für</strong>diese weiteren Senkungaarbeiten unmittelbar in die Kammersohlezu stellen, da so infolge der umgebenden <strong>Sp</strong>undwändeauf geringeren Wasserandrang zu rechnen war. Die Brunnen•wurden vor dem Einstampfen der Sohle mit hölzernen Kästenumgeben, um das spätere Herausziehen der Filter zu ermöglichen.Diese Holzkästen wurden nachher durch Schüttbeton'geschlossen. Für die Erweiterung der GrundwassersenkungsanlageWürden sechs weitere Brunnen (16 bis 21 InAbb. 4 Bl. 56 vt. 57) von Möbus als ausreichend erachtet, undzu ihrem Abpumpen wurde eine weitere Maschine mit Kreiselvon etwa 1401/Sek, Leistung — IV in Abb. 4 Bl. 56 u. 57 —eingebaut Auch diese Anlage mußte nachträglich verstärktwerden, indem außerhalb der die Baugrube umfassenden<strong>Sp</strong>undwände noch zwei Reihen von Brunnen abgeteuft unddurch je eine Lokomobile mit Kreisel von je etwa 70 1/Sek,—• V und VI in Abb. 4 Bl 56 u. 57 — abgepumpt wurden.Nachdem diese ergänzende Anlage m Betrieb genommen war,wurde auch hier voller Erfolg erzielt.Im ganzen waren <strong>für</strong> den Bau der Kammersohle bis zu29 Brunnen und fünf Lokomobilen und Kreisel im Betriebe.Besonders hervorzuheben ist noch, daß die <strong>Sp</strong>undwände derartigabstaffelnd auf die Qrundwasserstände wirkten, daß,während die Kammersohle im Trockenen betoniert werdenkonnte, in den seitliehen Baugruben, in welchen die Kammermauemaufgeführt wurden und welche durch die innerenLängsspundwände von der Kammersohle getrennt waren,noch durch eine weitere Maschine das durchtretende Wasseroffen abgepumpt werden mußte.Im ganzen war die Pumpenanlage vom 16. August biszum 15. November im Betrieb. Die Gesamtkostea betrugenrd. <strong>460</strong>00 Ji, d.h. rd. 1500 J6 je Moöat oder 500 ^je Tag.Naturgemäß hafteten dieser Anlage, welche eilig geschaffenund später, dem neuen Bedürfnis entsprechend, erweitertwar, verschiedene Mängel an, sowohl in technischerwie auch in wirtschaftlicher Beziehung.Wie schon eingangs hervorgehoben, ist bei Grundwassersenkungender größte Wert auf Betriebssicherheit der Anlagezu legen. Und hierin erwiesen sich die verwendeten üblichenBaulokomobileu nicht als genügend zuTerlflssig. Abgesehenvon den in regelmäßigen Abständen erforderlichen Abschmierpaueen,welche trotz ihrer Dauer von durchschnittlich nur10 Minuten stets ein nicht unbedeutendes Ansteigen desOrundwassers »ut Folge hatten und zu besonderen Vorsichtsmaßregelnbei der Bauausführung zwangen^ kamen audivielfach erheblichere Beachfidigungen vor, welche längereStockungen im Baubetriebe zur Folge hatten. In wirtschaftlicherBeziehung zeigten sich die Maschinen sehr unvollkommen,da sie durchschnittlich 3 kg Kohlen je PS-Stundebrauchten, und außerdem wurde der Betrieb dadurch sehrteuer, daß bei der geringen Stärke der verf%baren Maschinendauernd eine große Anzahl im Betriebe sein mußte, was beidem unausgesetzten Tag- und Nachtbetriebe eine große ZahlMaschinisten und Heizer und somit hohe Personalkosten erforderte.Über den Betrieb selbst, * die gefSi-derten Wassermengen,den Kohlenverbrauch und den Stand des Qmndwasserawurden genaue Aufzeichnungen gemacht, derenwichtigste in Abb 1 bis 3 Bl. 56 u. 57 dargestellt sind.It. GrnvdwassersenkuBg zwecks Wiederherstellung der alteuSehlense bei Kersdorf 1905/6.Sehr bald konnte die Bauverwaltung die 1902 bei derersten Grundwassersenkung gemachten Erfahrungen verwerten.An mehreren der in den Jahren 1889 bis 1890 in Betriebgenommenen Schleusen der <strong>Sp</strong>ree-Oder-Wasserstraße, insbesondereau der alten Schleuse Kersdorf und an den dreialten Schleusen Fürstenberg zeigten sich nämlich allmählichzunehmende Versackungen, Kissebildungea in den Kammermauernund sandfahrende Quellen in den Fundamenten.Diese Erscheinungen erreichten 1905 ein solches Maß, daßeine gründliche Wiederherstellung der Bauwerke mit Rücksichtauf die Betriebssicherheit der Wasserstraße durchaus gebotenerschien. Diese Zerstörungserscheinungen hatten ihren Grundvermutlich in den starken Quellen des Baugrundes, die auchden Beton der zweiten Schleuse Kersdorf zeretört hatten,sowie in dem Umstände, daß Durcbquelhmgen vom OberzumUnterwasser bei der zu ihrer Verhütung nicht ganzausreichenden Bauweise vermutlich noch stattfanden, so daßdie beim Bau in der Anlage schon vorhandenen Schäden imLäufe der Jahre an Umfang ständig zunahmen. Die nötigenAusbesserungsarbeiten glaubte man auch hier am besten ausführenzu können, indem man das Grundwasser so weit absenkte,daß eine Entfernung der schlechten Fundamente undihr Ersatz im Trockenen möglich wurde. Die geplanten Ausführungenentsprachen also im Grundgedanken den obengeschilderten <strong>für</strong> Wiederherstellung des Oberhauptfundamentesder zweiten Schleuse bei Kersdorf im Jahre 1902; die Umständeunterschieden sich aber von den damaligen in mehrfacherBeziehung. 1902 war die Baugrube gegen das Oberwassernoch durch einen Damm gewachsener Erde abgeschlossen,1905 mußte erst ein Fangedamm geschüttet werden. 1902war der Umfang der Zerstörung des Fundamentes ungeföhrbekannt, 1905 sollte dieser erst festgestellt werden. 1902handelte es sich um Erneuerung eines noch unbelastetenFundamentes, während 1905 die Aufgabe darin bestand,die ganze Schleuse als solche zu erhalten, also stark belasteteund versackte Fundamente nach Maßgabe der Schadhaftigkeitschrittweise abzubrechen und zu ersetzen. Die Anlagenzur Absenkung des Grundwasseis mußten demzufolgeweit umftösender vorgesehen werden, da mit einer Aus*dehnung der Sohädeil auf die ganze I^nge der Schleuse zurechnen war, und da es außerdem nicht möglich war, durchAnordnung der Brunnen innerhalb der <strong>Sp</strong>undw&nde die zufordernde Wasaermenge zu vearmgem.


415 Zimmermann, Die Anwendung von Grundwassersenkungen zu Neubauten 416Nach längeren Vorarbeiten beschloß die Bau Verwaltung,die erforderliehen Wasserförderungsanlagen im Eigenbetriebeauszuführen, da die in Frage kommenden Unternehmer zu hoheForderungen stellten. Die Waaserfassungsanlage — Brunnen undRohrleitungen — TÄ^urde nach dem Plan der Bau Verwaltung vondem Unternehmer Beyer-Charlottenburg zu Einheitssätzen hergestelltund vorgehalten; sie ist in Abb. 10 u. 13 Bl. 56 u. Stdavgestellt. Bezüglich der Örundrißanordnung der Brunnenist zu bemerken, daß zwischen den Oberhäuptern beiderSchleusen ein besonderer Kranz von Brunnen (1 bis 11 inAbb. 13 Bl. 56 u. 57) angeordnet wurde, weil an dieser Stellezugleich mit den Arbeiten zur AViederh erst eilung der altenSchleuse das Fundament <strong>für</strong> das Haupt des zwischen beidenSchleusen zu errichtenden <strong>Sp</strong>arbeclcens gebaut werden sollte,somit hier eine besonders gleichmäßige Absenkung des Grundwasserserstrebt werden mußte. Die Brunnen entsprachenden 1902 verwendeten. Da die Maschinenanlage, die nachstehenddes näheren beschrieben werden wird, nach Maßgäbeder örtlichen Verhältnisse nach dem Unterhaupte zuaufgestellt werden mußte, somit beträchtliche Längen derSaugleitungen erforderlich wurden, wurden diese, um dieReibungswiderstände möglichst zu verringern, 250bis 300 mmweit gewählt und auf 35 bis 40 m beiderseits längs der Xammerdoppelt vej"legt und durch Hosenstücke den Kreiseln angeschlossen.Dieser Zweck wäre auch durch Vergrößerung des Rohrleitun gsquerschnitts zu erreichen gewesen; jedoch waren Rohreüber 300 mm 1. W. bei Beyer nicht vorrätig, und ihre Beschaffunghätte zu unliebsamen Verzögenmgen geführt. Auchist die Verwendung stärkerer Rohre auf der Baustelle wegenihres großen Gewichtes und der damit verbundenen schwierigenHandhabung nicht empfehlenswert.Bei dem Entwurf der Maschinenanlage wurde von vornhereindie gröJSte Leistung der Wasserföiderung von 1902,nämlich 500 1/Sek., zugrunde gelegt. Femer wurde aufvöllige Betriebssicherheit und tunliohste Einschränkung derKosten besonders Bedacht genommen. Gelöst wurde dieAufgabe, indem im Gegensatz zu 1902 nur eine Maschinevon solcher Stärke gewählt wurde, daß sie zur Förderungder größten zu erwartenden Wasaermenge ausreichte. DieseMaschine, welche mit Daueischmiervorrichtung versehenwurde, trieb mittels Riemen Übertragung die beiden Kreiselvon 350 mm 1. W, Rohranschluß und je 250 1/Sek. Leistungbei 380 Umdrehungen und 6 m Hubhöhe an, während einezweite, gleich starke Lokomobile unter gebänktera Feuerzur Aushilfe bereit stand und jederzeit den Betrieb übernehmenkonnte. Zu diesem Zweck war die Triebwelle indrei Teile zerlegt, deren mittelster die Rierascheiben zumAntrieb der Kreisel trug, während die beiden äußerenRiemscheiben erhielten, welche von den Lokomobilen angetrieben wurden. Zur Verbindung der Riemscheiben dienteeine radiale Reibungskupplung (Hermann-Kupplung, D, R.-P.),welche das Einschalten der neuen und Abschalten der altenMaschine während des Betriebes ermöglichte. Ein dritterKreisel, sowie Ersatztreibriemen wurden übrigens bereit gehalten.Im Übrigen waren die Lokomobilen mit einer Vorrichtungzur Einstellung auf bestimmte Umdrehungszahlen versehen,Bo daß die Umläufe der Kreisel der jeweilig zu überwindendenFörderhöhe angepaßt werden konnten.Schien somit dem Grundsatz der Betriebssicherheit inder denkbar besten Weise genügt, so erwies sich auch dieAnlage als wirtschaftlich, da zur Bedienung der Förderungaanlage<strong>für</strong> jede Schicht nur ein Maschinist und ein Heizererforderlich war, und die völlig neuen, Heißdampf-Verbundmaschinenauch nach längerem Betriebe, wie festgestelltwurde, nur 1,1 kg Kohlen je PS-Stunde brauchten. Auchwaren <strong>für</strong> Maschinen und Kreisel je Tag nur 80,70 ^ Vorhaltungskostenzu zahlen, wälirend die Vorhaltungskosten1902 täglich etwa 120 ^ betrugen.Da sekundlich 500 1 Wasser einschließlich der Rohrwiderständeetwa G m zu heben waren, so waren zu leisten3000 mkg = ^-~ ^ 40 PS,I öbei einem öesamtwirkungsgrad von etwa 0,0 waren erforderlichMaschinen von rd. 70 effektiven Pferdestärken. Beschafftwurden zwei WolfFsehe Heißdampf-Verbundlokomobilenvon je ö6 bis 85 PSe dauernder Leistung, je nach demFüllungsgrad. Wolff, Magdeburg-Buckau, lieferte auch diebeiden Kreisel von 350 mm im Lichten weitem Rohranschlußund die Druckleitung von demselben Querschnitt Die mitDauerschmierung versehenen Maschinen wai-en 6V3 Monat inununterbrochenem Tag- und Nachtbetrieb und haben sichtadellos bewährt. Abgesehen von zwei kleinen Stönmgen,die zu plötzlichem Maechinenwechsel Anlaß gaben, wurde derBetrieb so geregelt, daß alle 14 Tage eine Maschine außerDienst, die andere in Dienst gestellt wurde. Sodann wurdesofort der Kessel abgeblasen, gewaschen, neu gefüllt undwieder unter Dampf gesetzt.Der Überschuß an Leistungsfähigkeit der Kessel wurdedazu benutzt, noch zwei Pulsometer anzuschließen, dereneiner das nötige <strong>Sp</strong>eisewasser herbeischaffte, während derandere aus einem Pumpensumpf das Wasser abpumpte, welchesvom Unterwasser her durch den die Schleuse abschließendenDammbalken Verschluß eintrat.Beide Pulsometer waren an eine von Lokomobile zuLokomobile durchgehende Dampfleitung angeschlossen, sodaß sie von der jeweilig im Betriebe befindlichen Maschineden Dampf erhielten. Die Maschinen waren in festenSchuppen aufgestellt, um sie vor den Einflüssen der Witterungzu schützen. Ebenso waren die Riemen und sämtlicheRiementriebe eingedeckt. Kreisel und (Jetriebe standenauf kräftigen Böcken, welche in der Kammersohle verankertwaren, die Lokomobilen selbst auf dem Mauerwerk desUnterhauptes (vgL hierzu Abb. 10 Bl. 56 u. 57).Die außergewöhnlich hohen Wasserstände der <strong>Sp</strong>ree imWinter 1905/06 — dauernd rd. 1 m über M.-W. bewirkten,daß trotz der starken Kreisel und zahlreichenBrunnen der Grundwasseretaud am Oberhaupt, wo die Zerstörungendes Fundamentes am erheblichsten waren, nicht soweit absank, daß die Ünteikante der Fundamente freigelegtwerden konnte. Ein Versuch, dieses Ziel dadurch zu erreichen,daß die Brunnen vor dem Oberhaupt allein besonderskräftig abgepumpt wurden, indem die längs derKammermauer stehenden Brunnen durch Blindüansche abgeschaltetwurden, mißlang, auch nachdem die Wasserfasaungsanlagevor dem Oberhaupt durch vier Weitere Brunnen verstärktworden war (I bis IV in Abb. 13 Bl. 56 u. 57). Manentschloß sich daher, vor dem Obwhaupt in etwa 5 m Eht-


417 uud Wiederherstellungsarbeiteii im Bezirk der Wasserbauinspektion Kftrstenwalde. 418fernung eine weitere Staffel, bestehend aüs fünf Brunnen(V bis IX in Abb. 13 Bl. 56 u. 57) abzuteufen und durcheinen besonderen Kreisel von 120 1/Sek. Leistung mit einerverfügbaren, der Bauverwaltung gehörigen Maschine von18 bis 25 PS abzupumpen. Biese Maßregel hatte binnen•weniger Stunden den gewünschten Erfolg, indem das Wasseram Oberhaupt bis auf — 2,50 a. P. fiöl.Die "Wiederherstellungsarbeiten bestanden in einer schrittweiseausgeführten, vollständigenNeubetoniening derEammersohlein Form eines umgekehrten Gewölbes (vgl. A 2Bl. 56 ü. 57), wobei die Kreisel- und Riemengerüste abgefangenwurden, sowie in einem Unterfahrenund Neüherstellen desFundaraentee des Oberhauptes,wobei die früher übliche, cntöohiedenbedenkliche schrägeAnsteiguug des alten Fundamentesei-hebiieh abgeflachtwurde, fernerin demEinbringeneines Tonsehlagkernes, der bigunter Unterkante Fundamentherabreicht, in Falze des Mauerwerkeseingreift, und auf 20mvor dem Oberhaupt sich erstreckt,so daß schädliche Auswaschungendes neuen Fundamentes<strong>für</strong> die Zukunft als ausgeschiosseubetrachtet werdenkönnen (Abb. 11 Bl. 5G u. 57),BranE•f3|13-1,39-a,ao-3j053 1•t-SiZS^-9fS0^yu-S,BB -j,8a -5,7«-1]B9-2|BäJ:?IIPBesondere Erwähnung verdient noch, daß bei Brunnen 6zwischen dem 7 Yg m über der im Trockenen aasgeschachtetenSohle stehenden Oberwasser und der Baugrube selbst nurein etwa 2V2 m breiter Kastenfangedamm stand. Trotzdem gingdie Gründung des <strong>Sp</strong>arbeckenhauptes ohne Unfall von statten.Der erste Verlauf der Wasserabsenkung ist aus deruntenstehenden Tabelle ersichtlich.III. Orundv^Hssersenknn^ 190^/7 In Fttrstenberg:, Obcrschlense.Sofort nach der Ende September 1906 erfolgten Betriebseröffnungder drei neuen. Schleusen Füretenberg wurde an!Oben II--3i0fi|j-\Ihauptvi: KI,BrnTineD HJI den beiden Lltn^wSiideu,7 B'^^^mm^jE^-'-^A'-*,«Bemerkung. Dio gestrichelt ßezeichiiotenBrunnen liejjen auf dor Seite dos Schleuse 11 moi&tergeWtes,die mit voller Linio gezeichnelen aufdsr tjparbockenseite.-B,13 -Müll _eja-B.41U||.6,5(jm.— } WüSGanstEUld vom 9 Jinuaf <strong>1907</strong>—.----^BS \ " ' VI. " "st'ssssss \ " " 9. Februar "Wasserstands Verhältnisse iu den BeobachtiingsbrunneD an der alten Schleuse bei Fürsteoberg.UnterhWJpt-VOFür die gesamte Grundwassersenkung einschließlich allerNebenkosten wurden bei CVa^onatigem Betriebe rd. 60000^= rd. 300 .^ je Tag, mithin nur ^5 von dem Preis, der 1902hatte gezahlt werden müssen, verausgabt. Dabei ist nochhervorzuheben, daß in diesen GOOOO M etwa 18000 Ji enthaltenwaren, welche <strong>für</strong> die einen Wert voa 40000 Jidarstellende Maachinenanlage als Abschlagszahlung geleistetworden waren. Diese Maschinen anläge wurde ebenso wieder Brunnen- und Kohrleitungspark nach dem günstigen Ergebnisin Kersdorf nunmehr angekauft, um die weiterenGrundwassersenkungen an den alten Schleusen bei Fürstonbergebenfalls im Eigenbetriebe der Bauverwaitnng ausführenzu können.die Wiederherstellungsarbeiten der alten Oberschleuse Fürstenbergherangetreten. Da die letzte Kersdorfer Anlage sich imallgemeinen durchaus bewährt hatte, so wurde sie mit wenigenAbweichungen in Fürstenberg wieder angewendet Die Anordnunggeht aus Abb. 7 bis 9 Bl. 56 u. 57 hervor. Hervorgehobensei, daß die Maschinen hier in die Mitte der Schleusegerückt wurden, um die "Wasserförderung mehr im SchwerpunJrtder Brunnenanlage angreifen zu lassen und eo an Längeund Beibnngswiderßtand der Saugrohrleitungen zu sparen.Hierdurch wurden die in Kersdorf noch angewandten Verdopplungender Leitung entbehrlich. Diese Anordnung lieBsich hier leicht ausiühren, da die Druckleitungen in den inder Karamermauer ausgesparten Freilaufkanal von großemZeit der BeobachtudgMonatTagStunde12Stand des Grundwassers im BeobacbtuDgäbrunnen3456789Bemerkungen1902IX.»n


419 Zimmermann, Die Anwendung von Grundwassersenkungen zu Neubauten usw. 420Querschnitt verlegt wurden, also auch der Nachteil einerlangen Druckleitung mit großen Reibungswiderständen vermiedenwerden konnte. Ferner mußte hier erst recht daraufBedacht genommen werden, die vordere Brunnenstaffel, welchesich in Kersdorf nachträglich als notwendig herausstellte, vonvorne herein einzurichten, da in Fürstenberg bei der dortherrachenden gröBeren Stauhöhe von 4,10 m die oberstenBrunnen der Hauptförderungsanlage erst unter dem Schutzeder Wirkung der ersten Staffel bis zu der gehörigen Tiefeabgeteuft werden konnten. Diese vordere Staffel wurde nachInbetriebnahme der Hauptbrunnenreihen noch tiefer gelegt,um ihre Wirkung zu verstärken. Schwierigkeiten entstandenin Fürstenberg nur insofern, als der um Weihnachten herumherrschende außerordentlich starke Frost bei der bereits verlegtenRohrleitung mehrfache "Undichtigkeiten hervorgerufenhatte, welche schwer aufzufinden waren und die Aufnahmedes vollen Betriebes verzfigertcn. Nachdem diese behobenwaren, wurde hier sofort der volle Erfolg erzielt, indem dasGrundwasser fast durchweg bis zu 50 cm unter ünterkanteFundament = rd. 6 m unter den normalen Grundwasserstandfiel. Bei dem dort anstehenden viel feinkörnigeren Sandwie in Kersdorf war auch die zu fördernde Wassermengeviel geringer, so daß bald der Betrieb der vorderen Staffeleingestellt werden konnte. Über die Kosten der FürstenbergerArbeiten liegt noch kein Abschluß vor.Die Leitung der beiden Kersdorfer Grundwassersenkungenund die Einrichtung der Fürstenberger Anlage ebenso wiedie A\isarbeitung der erforderlichen Pläae war unter der Oberleitungdes Regierungs- und Baurates öröhe in Fürstenwaldedem Unterzeichneten übertragen.IT. Schlaßfolgeran^en aus den bei den Grundwassersehkang-enim Baukreise FUrstenwalde gemachten ErfAhmugen.1. In sandigem und kiesigem Boden ist die Absenkungdes Grundwassers ein Mittel zur sicheren Ausführung tieferGründungen, das unter Anwendung genügend starker Wasserförderungsmaschinenunbedingt erfolgreich erscheint. Ob eswirtschaftlich ist, dieses - Mittel anzuwenden, muß von Fallzu Fall durch Vergleich mit anderen Gründungsweisen untersuchtwerden.2. Unter Verwendung guter Filterbrunnen ist die Grundwassersenkungauch in unmittelbarer Nähe bestehender Bautengefahrlos. Auch nach dem G72Öion8tigeQ Betriebe 1905/6in Kersdorf erwiesen eich die herausgezogenen Filter alsgänzlich unversehrt.3. Die Böhrenbrunnen von den in Abb. 5 Bl. 56 u. 57 dargestelltenAbmessungen haben sich bewährt. Es erscheint imallgemeinen nicht empfehlenswert, Brunnen größeren Querschnittszu verwenden und sie da<strong>für</strong> in größeren Abständenanzuordnen, da der Grundwasserstand zwischen den einzelnenBrunnen sich in Kurven einstellen wird, deren Scheitelerhebungvon dem Widerstand, den das dem Bronnen zuströmendeWasser in dem Untergrund findet, abhängt. Dabei Gründungen eine möglichst gleichmäßige Senkung desGrundwassers erstrebt wird, wird man ohnehin gezwungensein, die Brunnen in nicht zu großen Abständen, etwa alle5 bis 9 m, anzuordnen, und nach den gemachten Erfahrungengenügen dann die Brunnen von 104 mm Saugrohrweite, auchbei 80 starkem Wasserandrang, wie er in Kersdorf hen^chte.Zu beachten ist, daß die Oberkante der 5 m langen Filtermindestens auf die Höhe zu legen ist, bis zu welcher dasGrundwasser abgesenkt werden soll, damit immer genügenderWasserzufluß gesichert ist. Unterkante Saugrohr legt manzweckmäßig 3 m über Unterkante Filter.4. Je größer das Korn des Bodens ist, auf um so größerenWasserandrang ist zu rechnen. Bei dem groben Sand unddem Geschiebe von Kersdorf waren <strong>für</strong> ein Gebiet von etwa1600 qm, auf dem das Wasser um 5 m abgesenkt war,etwa 500 1/Sek. zu fördern, in FÜrstenberg, wo der Baugrundfeinere Sande aufwies, nur etwa 200 1/Sek. bei sonstgleichem Umfange und gleicher Tiefe der Absenkung. Dieslehrt auch eine theoretische Erwägung. Denn vorausgesetzt— was ja in der Wirklichkeit nie zutreffen wird, aberdoch geeignet ist, den Vorgang zu veranschaulichen —, daßder Baugrund stets aus kugelförmigen Körnern von gleichemDurchmesser bestände, so wird zwar, wie eine einfacheRechnung zeigt, die Summe der Zwischenräume zwischenden einzelnen Körnern, z. B. in 1 cbm Boden, stets dieselbesein, gleichviel, welchen Durchmesser die einzelnen, einandergleichen Körner haben;, es wird aber die Summe der Oberflächender Körner in dem gleichen Verhältnis wachsen, wieihr Durchmesser abnimmt, und damit wird auch die Reibungdes durch den Boden strömenden Wassers zunehmen, mithindie Wassermenge abnehmen.5. Die Grenze der mittels eines einfachen Brunnenkranzeszu erzielenden Absenkung des Grundwassers scheintzwischen 5 und 6 m zu liegen, während die Grenze derSaugwirkung einer Kreiselpumpe etwa hei 8 m liegt. Erfordertder Bau eine tiefere Absenkung als 6m, so is diesedadurch zu erreichen, daß man mehrere Brunnenreihenstaffeiförmig anordnet. Das Maß des Abstandes dieser Staffelnwird sich nach der BodenbeschafFenheit zu richten haben;je feiner das Korn, um so näher können die Staffeln einandergerückt werden.0. Die Rohrleitungen werden zweckmäßig als Muflfenleitungenmit Gummiringdiehtung verlegt, damit der Vorteilder Beweglichkeit erreicht wird. Die Saugleitung erhältSteigung etwa 1:500 nach den Kreiseln, um die durchgeringfügige Undichtigkeiten der Leitung eintretende Luftmit dem Wasser ohne weiteres abführen zu können. Anderenfallswürde sich die Luft an dem höchsten Punkt der Leitungsammeln, und so eine Querschnittsverengung und dadurchVerminderung der Leistung herbeiführen. An geeignetenStellen der SaugleituDg sind Luftleeremesser anzubringen, umdie Dichtigkeit der Rohrleitung dauernd prüfen und zugleichdie manometrische B'örderhöhe bestimmen zu können. Beilängeren Saugleitungon empfiehlt es sich, an mehreren StellenFlanschenverbindungen anzuordnen, um etwa vorhandene Undichtigkeitenleichter auffinden und beseitigen zu können,nachdem durch Einsetzen von Blindflanschen die Grundwasserfassungsanlagein einzelne Abschnitte zerlegt ist. Da es femereintreten kann, daß an zunächst nicht bekannten Stellen besondersstarker Wasserandrang stattflndet, mithin dann diebenachbarten Brunnen besonders stark abgepumpt werdenmüssen, so ist es ratsam, an mehreren Stellen der Saugleitungvorläufig blind geschlossene Flanschenstutzen anzuordnen.Diese gestatten dann leicht den Anschluß einesKreisels mit besonderer Lokomobile^ die zweckmäßig auch


421 £. Giese und Blum, Beiträge zu den Eisenbabu-Empfangsgebäudeu Nordamerikas. 422von vornherein bereit gehalten wird, und deren Stärke nuretwa auf 25 PS zu bemessen ist, damit leichte Beweglichkeitgewahrt wird.7. Wo elektrische Kraft zur Verfügung steht, dürftesich die Anwendung vieler kleinerer Kreisel empfehlen.Man kann dann mit geringeren Leitungsquerechnittea auskommen.Wo aber nur auf Dampfkraft gerechnet werdenkann, empfiehlt sich, tunlichsto Zentralisation mit Ersatzmaechine,um an Kosten zu sparen und die notwendigeBetriebesicherheit zu erzielen.8, Bei den immerhin hohen Kosten des Betriebes einerGrundwassersenkungsanlage ist die Bauausführung selbst gutvorzubereiten und mit (unliebster Beschleunigung, möglichstim Tag- und Nachtbetriebe durchzuführen.Y. Schlußbemerkung'eii.Kurz sei noch hingewiesen auf die mögliche Wirtschaftlichkeitvon Grundwassersenkungen. Es dürfte keinen Bedenkenunterliegen, bei Gründung z. B. einer Schleuse durchGrundwassersenkung, wenn die Bodenverhältnisse diese anwendbarerscheinen lassen, die jetzt üblichen umfassenden<strong>Sp</strong>undwände, vielleicht mit Ausnahme starker, genügend langeroberer Querspundwände, welche ein Durchtreten des Wassersvom Oberwasser zum Unterwasser verhüten, ganz fortzulassen.Hierdurch können bei einer Schleuse <strong>für</strong> 600 t-Schiffeetwa 250 m <strong>Sp</strong>undwand, die rund 40000 Jk erfordernwürde, erspart werden, ebenso durch Erleichterung desErdaushubs und der Betonierung, sowie durch Fortfall derWasserhaltung während des Baues mit Sicherheit weitere40000 Ji. Nach den Erfahrungen in Kersdorf wird esaber auch bei starkem Wasserandrang möglich sein, <strong>für</strong>diese Summe auf acht Monate das Grundwasser um 5 mabzusenken, und dieses Maß wird bei 3 m Drempeltiefe, wiesie die Binnenwasserschlcusen im allgemeinen aufweisen,und 2 m starken Fundamenten völlig genügen. WeitereErsparnisse werden sich dadiu-ch erzielen lassen, daß beiAnwendung der Grundwassersenkung die Stärke der Fundamenteunter Verwendung von Eisenbeton weit geringerwerden kann, als sie bei Gründung durch Betonschflttungerforderlich ist. Als Hauptvorteil dieser Gründungaweisebleibt dann noch übrig, daß die Stand Sicherheit des Bauwerkesbei Ausführung in Stampfbeton eine weit größere wird,da die gesamten Bauausführungen unter den Augen desBauleitenden stattfinden, etwaige Schäden also sofort bemerktund beseitigt werden können.Vielleicht bietet sich bei den bevorstehenden zahlreichenBauten der Wasserbauverwaltung Gelegenheit, auf diesemGebiete weitere Erfahrungen zu sammeln, wobei bei derErweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals unter Umständendie Anwendung mehrfach gestaffelter Grundwassersenkungenin Frage kommen könnte.Berlin, im April <strong>1907</strong>.Zimmermann, Wasserbauinepektor.Beiträge zu den Eisenbahn-Empfangsgebäuden Nordameriicas,Von den ßegierungsbauraeistern E. Giese und !Dr.=3>tt9' Blum in Berlin.II. Empfau^gebttvde in Kopfform.Kopfbahnhöfe sind in Amerika weit zahlreicher als inDeutschland, da die Zahl der großen Städte über die kleinerenmehr überwiegt und außerdem das gesamte Bahnnetz, weiles sich im Besitz der verschiedensten Eisenbahngesellschaftonbefindet, sehr zersplittert ist. Die große Zahl der Kopfbahnhöfedeutet nicht gerade auf eine besonders günstige Ausgestaltungder Zugverbindung <strong>für</strong> den durchgehenden Peraonenverkehrhin, und tatsächlich muß man in Nordamerika dieReisen verhältnismäßig häufiger unterbrechen als in Deutschland.Für den Betrieb sind die Kopfbahnhöfe in Amerikainsofern nicht so erschwerend wie etwa die Bahnhöfe Frankfurta. M., Kassel und Zürich, weil die nordamerikanischenBahnen sich keine Mühe damit geben, aus Bücksicht aufeinige wenige Keisende (unter großen Betriebsschwierigkeiten)Züge oder auch nur Kurswagen Über diejenigen Punkte ihresNetzes hinaus verkehren zu lassen, an denen der größereTeil ihres Verkehrs endigt. Die einzige größere Kopfstationmit durchgehenden Zügen dürfte der Bahnhof Broadstreet-Station in Philadelphia sein, in dem eine unmittelbare Durchführungvon Zügen zwischen Pittsburg, Neuyork und BaltimoreBtettfindet. — Daß die Amerikaner dem durchgehenden Verkehrüber große Kopfbahnhöfe hinaus kein besonderes Entgegenkommenzeigen, darf wohl als eine weise BeschränkungZdtsebrift f. <strong>Bauwesen</strong>. Jahis- LVU.(Mit Abbildungen auf Blatt 30 bis 33 im Atlas.)(Schluß.)(Alle Rechte TOcbehiüten.)bezeichnet werden, an der wir uns ein Beispiel nehmenkönnten, die wir uns nicht nur den Betrieb auf der freienStrecke durch Überlastung der Züge, sondern vor allen Dingenin den Übergangsstationen durch zu viele Kurswagen und zuzahlreiche auf weite Strecken hindnrehgeführte Personenzügeunnötig erschweren und verteuern.Bei der Besprechung der Kopfbahnhöfe empfiehlt essich, zunächst die eingeschossigen Anlagen zu besprechen,wobei auch Gebäude aus älterer Zeit und solche <strong>für</strong> verhältnismäßiggeringen Verkehr zu erörtern sind, um dannauf die gewaltigen neuen zweigeschossigen Anlagen einzugehen.A. Eingeschossige Anlagen.Als Beispiel <strong>für</strong> ein kleineres Empfangsgebäude in Kopfformist in Abb. 10 Bl. 31 das der Philadelphia- und Reading-Bahn in Harriabnrg dargestellt. Der Bau ist als reiner Kopfbauangeordnet und zeigt eine fast vollkommen© Symmetriezu beiden Seiten der Längsachse, die die Querachse an Längebedeutend übertrifft, so daß zwar verhältnismäßig lange "Wegezu den Bahnsteigen, aber eine geschickte Tiefengliederung<strong>für</strong> daß Gebäude entsteht. Von einer überdachten Vorfehrtführt ein Durchgang zu der Wartehalle, die die ganze Breitedes Gebäudes einnimmt und die Fahrkartenausgabe undsonstigen Schalter enthält. Dem Durchgang gegenüber liegt27


423 E. Gieso und Blum, Beiträge zu den Eisenbahn-Empfangsgebäuden Nordamerikas. 424der Zugang zu dem Querbahnsteig. Von der Wai-telialle sinddie zu beiden Seiten des vorderen Durchgangs liegendenWarteräume <strong>für</strong> Raucher und Frauen mit den Aborten, fernerdie QepäckabfertiguDg und die Bahnhofswirtschaft zugänglich.Auch das in Abb. 11 Bl. 31 dargestellte Erapfangsgebäudeder Baltimore- und Ohio-Bahn in Pittsbnrg, das schonälter ist und binnen kurzem umgebaut werden soll, zeigt reineKopflage. Dureh eine kleine Eingangshalle betritt man denallgemeinen "Wartesaal, au den sieh ein besonderer Warteraum<strong>für</strong> Männer und ein solcher <strong>für</strong> Frauen anschlieBt.Die Fahrkartenausgabe ist nicht ungeschickt so gelegt, daßsie von den beiden genannten Räumen und von der allgemeinen"Wartehalle zugänglich ist. Von dem Querbahnsteigist ein großer Teil durch ein Gitter abgesperrt, um dieräumlich sehr beschränkte Gepäckabfertigung zu entlasten.An dem Gebäude vorbei führt unmittelbar ein Ausgang zurStraUe, in den in wenig geschickter Weise einige kleinereBäume <strong>für</strong> die Expreßgesellsehaften, zum Verkauf von Zeitungenimd Pullmanfahrkarten eingebaut sind.Eins der größten als reiner Kopfbau ausgebildeten Empfangsgobäudeist das in Abb, 8 Bl. 31 dargestellte North-Union-Depot in Boston. Es zeigt eine ziemlich reiche Grundrißgliederungund ist durch eine Droschkenvorfalirt, die dieganze Tiefe des Gebäudes einnimmt, in einen kleineren,hauptsächlich <strong>für</strong> die ankommenden, und einen größeren <strong>für</strong>die abfahrenden Reisenden bestimmten Teil gegliedert. DerGebäudeteil <strong>für</strong> die ankommenden Reisenden entliält einenvon dem Kopfbahnsteig zur Straße unmittelbar durchführendenAusgang und einen Warteraum. Zu beiden Seiten desletzteren liegen neben Diensträumen ein Lunchzimmer unddie Bahnhofswirtschaft. Der <strong>für</strong> die abfahrenden Reisendenbestimmte Teil enthält einen Eingang, der zwar von derStraße unmittelbar zu dem Kopfbahnsteig durchführt, aberinsofern nicht günstig angelegt ist, als von ihm die Fahrkartenschalternicht zugänglich sind. Dies muß um so mehrauffallen, als die Fahrkartenausgabe unmittelbar neben diesemEingang liegt. Der Eingang kann daher in ähnlicher Weisewie bei dem vorigen Gebäude nur von den Reisenden benutztwerden, die im Besitze von Fahrkarten sind; allerdingskauft man in Amerika die Fahrkarten vielfach in der Stadt,und es besteht hier ein lebhafter Vorortverkehr, Die großeWartehalle steht in unmittelbarer Verbindung mit dem Kopfbahnsteigund durch Windfänge auch mit der Straße, siedient damit gleichzeitig als Durchgangs- und Eingangshalle,was auch deshalb notwendig ist, weil die Fahrkartenschaltervon ihr zugänglich sind. An der ganzen Gmndrißgestaltungmuß es besonders als auffallend bezeichnet werden, daß dieBahnhofswirtschaftsräume von den <strong>für</strong> die abfahrendenReisenden*bestimmten Gebäudeteilen vollständig losgelöst sind.Die Ein- und Ausgänge sind wie bei vielen amerikanischenEmpfangsgebäuden nicht als große Tore ausgebildet,sondern bestehen aus einer Flucht von kleinen Türen, diemit Windfängen verbunden sind und zur heißen Jahreszeitin geöffnetem Zustande festgestellt werden, so daß stets einfrischer Luftzug durch das Gebäude weht. So führen hierzur Eingangshalle fünf Durchgänge mit je fünf Türen, alsoim ganzen 25 Türen, die eine zweckmäßige Verteilung derReisenden gewährleisten. Die gleiche Türzahl findet sich in derWand zwischen dem Empfangsgebäude und dem Kopf bahn steig.Im Gegensatz zu diesen reinen Kopf bauten gehört dasEmpfangsgebäude in Portland, wie Abb. 9 Bl. 31 zeigt,schon zu den Gebäuden, die z. T. in Seitenlagen angeordnetsind. Das Gebäude ist in Winkelform ausgeführt, und zwar istdie große Eingangs- und Wartehalle, in die die Fahrkartenausgabeeingebaut ist, Über Eck gelegt. In den dadurch entstehendenstumpfen Ecken befinden sich das Damen- unddas Rauchzimmer, von denen aus die Aborte <strong>für</strong> Frauen undMänner zugänglich sind. An die Eingangshalle schließt sichnach der einen Seite zu der Lunchraum mit den Wirtschaftsräumenan, während auf der anderen Seite ein Quergangzwischen den Diensträumen hindurch zu dem Gepäckraumführt, dessen Gepäcktisch nur so lang ist, wie dies die Breitedes Ganges gestattet — eine unzweckmäßige Anlage, die andie des Empfangsgebäudes in New-Haven (Abb. 11 Bl. 30) erinnert.Neben den Diensträumen sind Zollabfertigungen <strong>für</strong>die Vereinigten Staaten und Kanada gelegen.Die Seitenlage des Empfaßgsgebäudes <strong>für</strong> eine Kopfßtationtritt sehr deutlich in die Erscheinung bei dem inAbb.3 B1.31 dargestelltenEmpfangsgebäude an der Harrison-StraßeinChikago. Das Gebäude ist in versetzter Seitenlageparallel zu den Gleisen angeordnet, während vor Kopfderselben eine große Droschkenunterfahrt liegt, die in diesemUmfang nicht nötig ist; denn wenn irgendwo in Nordamerika,so spielt besonders in Chikago der Droschkenverkehr einesehr geringe Rolle, weil die Straßen in einem derart ungenügendenZustand sind, daß sich ein lebhafter Droschkenverkehrnicht entwickeln kann. Das Empfangsgebäude istein mehrstöckiger Bau, von dem nur das untere Stockwerkden Zwecken des allgemeinen Verkehrs dient, während dieoberen Räume zu Geschäftsräumen der Bisenbahnverwaltungbenutzt werden. Den Hauptraum bildet hier die große Wartehalle,die von der Straße her durch die Querseite zugänglichist, während die Ausgänge nach dem Kopfbahnsteig und derDroschkenunferfahrt etwa in der Mitte der bahnseitigen Längswandliegen. In den vorderen Teil der Wartehalle ist eingroßer Raum <strong>für</strong> Fahrkarten, Handgepäck und Verkaufsständeeingebaut. An die Wartehalle schließen sich zu beiden Seiteneines zur Gepäckabfertigung führenden Durchganges dasDamenzimmer, die Aborte und der Lunchraum an. Vor demDurchgang führt eine zweiteilige Treppe zu einem in demzweiten Stockwerk Hegenden <strong>Sp</strong>eisesaal. Die Bahnsteigsperreteilt bei dieser Anlage nicht nur von dem Kopfsteig, sondernauch von dem an dem Gebäude entlang führenden Längsbahnsteigeinen Teil ab, so daß ein Zugang zu eifiem ersthinter dem Gebäude beginnenden Bahnsteig gewonnen wird,der vermutlich erst nachträglich angeoi'dnet worden ist, daman nicht annehmen kann, daß man gleich bei der erstenAnlage mit einem solchen Notbehelf begonnen hat.Der ebenfalls in Chikago liegende und in Abb. 5 Bl, 31 dargestellteBahnhof an der Dearborn-Straße steht in lobhaftemGegensatz zu dem vorhergehenden. Seine Gnindrißgeataltungist hufeisenförmig und jeigt eine reiche, wenn auchnicht sehr glückliche Gliederimg. Das Gebäude enthält zweiEingangshallen, von denen jedoch nur die seitlich links gelegeneals solche angesprochen werden kaoa, weil nur von ihr ausdie Fahrkartenausgabe unmittelbar zugänglich ist Die in derMitte des Gebäudes liegende Eingangshalle kann dagegen alsEingang nur von denjenigen Keisenden benutzt werden, die


425 E. Giese und Blum, Beiträge zu den Eisenbahn-Empfangsgebäuden Nordamerikas. 426bereits im Besitze von Fahrkarten sind. Da diese Eingangshalledurch einen wirkungsvollen Turm besonders betont ist,80 •werdon die abfahrenden Reisenden leicht irre geführt, unddie Grundrißgcstaltung ist daher nicht als zweckmäßig zubezeichnen. Auf der linken Seite schließen sich an die Eingangshallezunächst flas Damcnzinimer und dann, durch besondereFlure zugänglich, die Gepäckhalle an. Auf der entgegengesetztenSeite liegen ein großer Lunchraum, das Rauchzimmerund ein großer Raum zur Abfertigung der PostnndExpreßgiitcr. Die äußersten Gleise sind mit Rücksichtauf das Gebäude und die Bahnsteigsperre verkürzt. DasAußei'e dos Gebäudes, das in Ziegelreinbau ausgefülirt ist,zeigt ansprechende Formen, und der Zweck wird durcliden erwälintcn liohen Uhi-turm wirkungsvoll zur Geltunggebracht.Von den Kopfbahnhofen, bei denen Gleise und Bahnsteigein gleicher Höhe liegen, dürfte wohl der <strong>für</strong> die BundeshauptstadtWashington geplante und jetzt in Ausführungbegriffene Bahnhof in seiner Grundrißgliederung und architektonisctienAusstattung der reichste werden. Der Bahnhof,der von drei Eisenbahngesellschaften benutzt werden soll, istim Zusammenliang mit einem großzügigen Bebauungsplan derStadt von einem bundesstaatlich eingesetzten Ausschuß entworfenworden und nimmt in seiner Durchbildung auf diebesondere Bedeutung der Bundesrosidenz und das liier anzutreffendehöfische Theben weitgehende Rücksicht. Allerdingszeigt das Gebäude nach Abb. 12 El. 32 als wichtigsten Kaumdie demokratische allgemeine Wartehalle, an welche sich dieüblichen Räume wie Damenzimmor mit Aborten <strong>für</strong> Frauen,Rauchzimmer mit Aborten <strong>für</strong> Männer und ein kleiner Lunchraumangliedern. Die Wartehallo ist aber dadurch etwasabgeschlossener, daß von der seitlich gelegenen Drosohken-Yorfahrt aus eine besondere Durchgangshalle zu ihr führt, inder die Fahrkartenausgabe und die Gepäoliabfertigung untergebrachtsind, so daß die Warieballe selbst ruhiger wird.Auf der der Durchgangshalle gegenüberliegenden Seite derWartehalle liegt der aristokratische <strong>Sp</strong>eisesaal und hinterdiesem mit einer besonderen Wagenvorfahrt das Empfangszimmerdes Präsidenten mit ITebenräumen <strong>für</strong> sein Gefolge.Die Architektur des Gebäudes soll in antiken Formen unterstrenger Änlehnimg an die Bauten der römischen Kaiserxeitausgeführt werden. In der ganzen Anordnung zeigt sich sorecht, welche Liebe der freie Amerikaner den ihm so wider-.strebenden raonarehischen Einrichtungen, besonders den Äußerlichkeitenhöfischen Lebens entgegenbringt.B. Zweigeschossige Anlagen.Zweigeschossige Kopf bahnhöfe finden sich in Nordamerikanicht so häufig wie bei uns, weil die schienenfreien Kreuzungenzwischen Bahn und Straße noch wenig ausgeführt sind unddaher Anlagen, bei denen die Bahn in einer anderen Höhewie die Straße liegt, nicht so häufig vorkommen. Die verhältnismäi^iggeringe Anzahl von zweigeschossigen Anlagenhat es mit sich gebracht, daß die Amerikaner erst bei denneueston Bauten und nach dem Studium europäischer Anlagenes verstanden haben, den Höhenuntersclded zu einer zweckmäßigenGliederung des Gebäudes auszunutzen. Die zweigeschossigenGebäude aus älterer Zeit sind daher trotz derTi-eppenanlagen eher als eingeschossige anzusprechen.Bei dem Bahnhof der Pittsburg- und Lake-Erie-Bahn in Pittsburg liegoii z.B. die Gleise tiefer als die übersie hinweggeführte Straße. Von dem vielstöckigen Empfangsgebäudodient aber nur das untere in Abb. 4 BL 31 dargestellte,in Gloishöhe liegende Geschoß dem öffentlichen Verkehr,wälu-end die übrigen Stockwerke zu Geschäftsräumen derEisenbahnverwaltung ausgenutzt sind. Von der Straße führtder Zugang zum Gebäude auf einer Brücke über denDroschkenstand hinweg zu einem kleinen Vorflur mit zweiAufzügen und von da auf einer breiten Treppe unmittelbarin die Wartehalle hinab. An diese gliedern sich auf dereinen Seite Fahrkartenausgabe, Lunch- und Damenzimmer,auf der andern die Gepäckabfertigung an. Der großen TreppeAbi, 9. Einpfatigsgebäüde der Pittsburg- und Lake-Erie-Bahn io Pittsburg.gegenüber liegen die Zugänge zu dem Querbahnsteig; derBahnhof ist jedoch kein ausgesprochener Kopfbahnhof, sonderneine vereinigte Durchgangs- und Kopfstation, da außer denKopfgleisen ein durchgehendes Gleispaar vorhanden ist, Dieäußere Architektur des .Gebäudes nach Text-Abb. 9 ist ruhigund einfach; die innere Ausstattung und besonders die Einrichtungen<strong>für</strong> Lüftung, Heizung, Wasserversorgung usw. gehörenzu dem Besten, was wir in Amerika gesehen haben.Auch bei dem großen Endbahnhof der Pennsylvania-Eisenbahn in Jersey City^) (Nouyork gegenüber) liegen Gleiseund Straße in verschiedenen Höhen, da die Bahn als Hochbahnauf eisernem Unterbau durch die Stadt geführt ist. DieAbfertigungsräume sind aber ausschließlich in dem in Gleishöheliegenden Stockwerk untergebracht. Das in Straßcnhölieliegende Geschoß dient nur dem Gepäck-, Expreß- uiüi Postverkehr.Die Reisenden, die von Ncuyork mit der Fähre ankommen,gehen von dem oberen Stockwerk der Fähre unmittelbarauf den Kopfbahnsteig über, so daß ihnen gar nichtü) Vgl. Organ <strong>für</strong> dio Fortschritte im Eisenbahnwesen 1904, S. 19-


427 E. Giese und Blum, Beiträge zu den Eisenbahn-Empfangsgebäuden Nordamerikas. 428zum Be"wußtsein kommt, daß sie sich in einem über derStraße gelegenen Stockwerk befinden, Für die Ton Jersey Citykommenden Weisenden führt eine Treppe zu den Äbl'ertigungsränmenund der Wartehalle hinanf. In ähnlicher Weise wirdder neue Bahnhof der Lakawannabahn in Weehawken gegenüberNeiiyork ausgeführt, bei dem die Reisenden ebenfallsvon dem oberen Stockwerk der Fähren unmittelbar auf denim ersten Geschoß liegenden Kopf bahnsteig gelangen.Daß die Möglichkeit einer zweigeschossigen Anlage nichtausgenutzt wurde, fällt besonders bei dem in Abb. 4 Bl. 33dargestellten Bahnhof der Pennaylvaniabahn in Pittaburgauf. Auch dieser Bahnhof ist wie der der Pittsbnrg- und Lake-Erie-Eisenbahn in derselben Stadt kein eigentlicher Kopfbahnhofjwenn hier auch weitaus die meisten Züge endigen,<strong>für</strong> die acht Kopfgleise angeordnet siad. Da aber PittsburgTrennungsstation <strong>für</strong> die Linien Neuyork—Chikago \inä Neuyork— St. Louia der Pennsylraniabahn ist, so gehen zu beidenSeiten des Empfangsgebäudes zwei Linien vorbei, von denendie eine als Hoch- die andere als Tiefbahn durch die sehrhügelige Stadt fülirt. Da der Bahnhofsvorplatz etwa eineGeschoßhöhe tiefer als die Gleise liegt, wäre eine zweigeschossigeLösung sehr leicht ausführbar gewesen. Siehätte den Vorteil geboten, daß die Bahnsteige 1 und 7der beiden durchgehenden Linien mittels Bahnsteigtunnelnungezwungen ohne verlorene Steigung hätten schienenfreizugänglich gemacht werden können, während man jetzt, umvom Querbahnsteig zu den Bahnsteigen 1 und 7 zu gelangen,zwei Hauptgleise in Schienenhöhe überschreiten muß. Beieiner zweigeschossigen Anlage hätten die eigentlichen Abfertigungsräume(Eingangshalle mit Fahrkartenausgabe undGepäckabfertigung) in dem unteren Geschoß untergebrachtwerden können, während das obere, in Gleishöhe liegendeStockwerk in diesem Falle die Warteräume mit den sonstigenNebenanlagen hätte aufnehmen können. Es hätte dadurcheine <strong>für</strong> die Reisenden bequemere Anlage geschaffen werdenkönnen, die den verhältnismäßig kleinen zur Verfügungstehenden Raum weit günstiger ausgenutzt hätte. Hier istdagegen das Empfangsgebäude in den dem öffentlichen Verkehrdienenden Räumen nur eingeschossig ausgeführt, und dieWarteballe mit allen wichtigen Nebenräumen liegt in Gleishöhe,Die unter den Gleisen liegenden Räume werden zurLagerung von Gepäck und zum Teil auch zur Abfertigungdes Gepäcks und der Postgüter ausgenutzt. Die ganze Anordnungist daher, da man zuerst auf einer Rampe zu derWartehalle hinaufsteigen und dann womöglich zur Abfertigungdes Gepäcks zu den Kellerräumen wieder hinuntergehen muß,wenig zweckmäßig. Dagegen ist zu loben, daß die unterenGepäckräume mit den Bahnsteigen dnrch Tunnel und Aufzügeechienenfrei in Verbindung stehen.Zweckmäßiger ist der in Abb. 6 und 7 Bl. 31 dargestellteBahnhof der Chikago- und Nordwestbahn in Chikagoangelegt. Es zeigt sich hier die im Laufe der Zeit erlangtebessere Beherrschung derartiger zweigeschossiger Anbgen,wenn mjn die älteren Anlagen <strong>für</strong> den Fernverkehr mit denneueren Anlagen <strong>für</strong> den Vorortverkehr vergleicht. Der Bahnhofliegt an der Fünften Avenue, die hier von Süden nachNorden ziemlich stark iMt, so daß die Wartehalle <strong>für</strong> denVorortverkehr noch in Straßenhöhe liegt, während sich diesean der Wartehalle <strong>für</strong> den Fernverkehr schon beinahe bisauf die mittlere Höhe zwischen dem oberen und dem unterenStockwerk gesenkt hat. Der Gebäudeteil <strong>für</strong> den Fernverkehrzeigt zwei übereinander liegende Wartehallen, von denen dieobere von der Fünften Avenue durch einige zu ihr hinaufführende,in einen Windfang eingebaute Stufen zugänglichist. Diese obere Wartehalle wird fast gar nicht benutzt; siedient fast nur als Zugang zu dem Damen- und <strong>Sp</strong>eisezimmerund der Wartehalle <strong>für</strong> den Vorortverkehr, mit dem sie durcheine übei'dachte Brücke verbunden ist. In den unterenWarteraum ist die Fahrkartenausgabe eingebaut, auch ist hier<strong>für</strong> Gelegenheit zur Einnahme des Lunch gesorgt; an denWarteraum schheßen sich das Rauchzimmer und die Gepäckabfertigungan. Durch die Längswaud führen mehrere Treppenzu dem Querbahnsteig, der außerdem durch einen seitlichenEingang von der Kinzie-Straße unmittelbar zugänglich ist unddurch eine jetzt nicht benutzte und abgeapeiTte Brücke mitder oberen Wartehalle in Verbindung steht. Weit folgenchtigerals diese verzettelte ältere Anlage ist das danebenliegendeneuere Empfangsgebäude <strong>für</strong> den Vorortverkehr ausgeführt.Hier liegt in Straßenhölie eine Wartehalle mit den Fahrkartenschaltern,von der aus zu jedem der vier Zungenbahnsteigeeine Treppe hinunterführt. Allerdings muß dabei bemerktwerden, daß, wie immer so auch hier, Anbgen <strong>für</strong> denVorortverkehr sich weit einfacher gestalten lassen, als solche<strong>für</strong> den Fernverkehr.Unter den zweigeschossigen Anlagen ist auch der inAbb. 2 Bl. 31 dargestellteBahnhof der Baltimore- und Ohio-Bahn in Baltimore zu nennen; Allerdings ist dieser Bahnhofin seinem Hauptteil als ein Kopfbahnhof zu bezeichnen,bei dem Bahnsteig, Empfangsgebäude und Straße in gleicherHöhe liegen. Dieser Teil des Bahnhofs zeigt insofern einengroßen Mangel, als die Bahusteiggleise wie bei dem Endbahnhofder Hlinois-Zentralbahn in New-Orleans am bahnseitigenEnde der Bahnsteighalle von einer Querstraße inSchienenhöhe geschnitten werden. So fehlerhaft diese Anordnungist, so verdient die Anlage eines durchgehendenGleispaares Beachtung. An dem Kopfbabnbof führt nämlichdie zweigleisige Hauptbahn der Baltimore- und Ohio-Bahnvon Philadelphia nach dem Süden vorüber, die in einem mitelektrischen Lokomotiven betriebenen Tunnel unter der StadtBaltimore hindurchführt. Die aus dem Tunnel austretendenGleise liegen etwa 5 m tiefer als die Kopfgleise und sindvon dem Kopfbahnateig durch eine Brücke mit Treppe verbunden,die einen Inselbahnsteig zugänglich macht. Für denGepäckverkehr sind drei Aufzüge vorhanden, von denen zwei,die <strong>für</strong> die wichtigere und verkehrsreichere Richtung nachNorden bestimmt sind, unter geschickter Ausnutzung desvorhandenen Geländes zu einem besonderen Gepäckbahnsteigführen. Es ist dies einer der sehr wenigen Fälle, in denenin Amerika besondere Gepäckbahnsteige angelegt sind.Das Streben nach einer zweckmäßigeren Gestaltung derEmpfangsgebäude und nach einer geschickten Ausnutzungvon zwei Stockwerken kann man am besten an dem aller^dings nicht ganz passenden Beispiel des großen Endbahnhofesin St. Louis verfolgen, der aber eine wenig befriedendeLösung zeigt. In St. Louis liegen Gleise, Straße undEmpfangsgebäude zwar in gleicber Höhe, aber trotzdem istdas Empfangsgebäude zweigeschossig ausgebildet. In demunteren Geschoß sind in Verbindung mit der Eingangs- und


429 E. Giese und Blum, Beiträge zu den Eisenbahn-Erupfangsgebäudea Nordamerikas. 430Wartehalle die gesamten Abfertigungsräumeenthalteii, währendin dem oberen Geschoß ein besonders großer Wartesaal angelegtist; die weiteren Stockwerte sind zu Geschäftsräumenausgenutzt. Da in St. Louis, diesem gewaltigen Knotenpunkt,abgesehen von einem „Überland" - Luxuszug, der Verkehrsämtlicher einmündenden Linien endigt, so sind die Übergangsreisendenvielfach zu längerem Aufenthalt gezwungen.Ihnen -wollte man <strong>für</strong> die Wartezeit einen ruhigen, angenehmenAufenthalt sichern und legte daher <strong>für</strong> sie denbesonderen Wartesaal in dem oberen Geschoß an, der geradezuverschwenderisch ausgestattet und mit einer vornehmen Gastwirtschaftverbunden wurde. Leider aber haben sich dieErwartungen, die an diese Gmndrißanordnung geknüpftwurden, nicht erfüllt. Wie uns der Erbauer, der deutscheArchitekt Link, mitteilte und -wie wir uns auch selbst überzeugenkonnten, wird der obere Wartesaal fast gar nicht benutzt.Er liegt abseits, den meisten Eeisenden ist von seinemVorhandensein gar nichts bekannt, und alle Hinweise durchAufschriften haben seine Benutzung nicht steigern können.Man hat daher nachträglich einen großen Lichtschacht zwischendem oberen Wartesaal und der unteren Wartehalle eingebaut,um die Reisenden auf ihn besonders aufmerksam zu machen,aber auch dies hat nichts genutzt. Allerdings ist hier einerecht schwierige Frage zu lösen, denn da Gleise und Straßein gleicher Höhe liegen, ist es schwer, die Eeisenden zu veranlassen,zu diesem Waiiesaal die Treppen hinauf und nachhervon ihm zum Bahnsteig wieder hinunterzugehen, besondersda die Amerikaner gegen das Treppensteigen eine große Abneigunghaben. Herr Link sagte uns, daß er, wenn er denBahnhof noch einmal zu bauen hätte, einen besonders ruhiggelegenen Wartesaal in dem unteren in Gleishöhe liegendenGeschoß anordnen und in dem oberen Stockwerk nur Räumeunterbringen würde, zu denen die Reisenden hinaufzugehenunbedingt gezwungen wären, also vor allem den Lunchraum,<strong>Sp</strong>eisesaal, einen Teil der Waschräume usw. Als besondersfehlerhaft muß in St. Louis auch die Anlage <strong>für</strong> die Abfertigungdes Reisegepäcks bezeichnet werden. Die Gepäckabfertigungliegt langgestreckt neben dem westlichen Bahnsteiggleiß,also im rechten Winkel zu dem Empfangsgebäudeund ist sehr schmal gehalten. Obwohl alle Gepäckstücke,die an diesem wichtigen Knotenpunkt einige Tage lagernmüssen, zu einem zweiten Stockwerk der Gepäckhalle hinaufbefördertwerden, reicht der schmale Raum <strong>für</strong> die Lagerungder Gepäckstücke nicht aus, und zur Zeit unserer Anwesenheitwaren daher die drei äußersten Bahnstei^leise mit ihrenBahnsteigen vollständig zur Lagerung von Gepäck in Anspruchgenommen, das hier allerdings durch die Bahnsteighalle gegenWittenmgseinflOsse geschützt lagerte, aber gegen Diebstahlkaum genügend gesichert war. Die mangelhafte Gepäckanlageist aus Anlaß des Weltausstellungsverkehra umgebaut worden,wobei gleichzeitig auch die sehr fehlerhaften Gleisanlageneinigermaßen verbessert "worden sind.Die in St Louis nicht geglückte Durchbildung einerzweigeschossigen Anlage ist bei anderen Kopfbahnhöfen, beidenen dl© Gleise aber nicht in gleicher Höhe mit der Straßeliegen, gelungen. Dies sind die Bahnhöfe Broad-Street-Statjon der Pennsylvaniabahn in Philadelphia, der Endpunktder Philadelphia- und Reading-Bahn in derselben Stadt (vgl.Abb. 7 Bl. 29 u. 30 Jahrg. 1905 d. Zeitsehr.), der Endbahnhofder Chikago-Eock-Island- und Pacitic-Bahn an der LaSalle-Straße in Chikago und der jetzt in der Ausführung begriffeneEndbahnhof der Wabashlinie in Pittsburg. Die beidenin Philadelphia gelegenen Endbahnhöfe, die etwa zur gleichenZeit entstanden sind, haben olfenbar in ihrer Gestaltung gegenseitigaufeinander eingewirkt. Bei dem Bahnhof an der LaSalle-Straße in Chikago ist eine Anlehnung an die beiden genanntenBahnhöfe nicht zu verkennen, und der Bahnhof derWabashlinie in Pittsburg ist eine bewußte Nachbildung derdrei anderen, bei der man außerdem mit Erfolg die inSt. Louis gemachten schlechten Erfahrungen berücksichtigthat. Die sämtlichen vier Bahnhöfe zeigen eine folgerichtigdiuTL'hgeführte zweigeschossige Anlage. Sie stimmen alledarin überein j daß sie räumlich durch die Sfraßenanlagenbeschränkt -waren. Die unteren Geschosse der vier Bahnhöfezeigen einen vorderen kleineren, aber wichtigeren Teil, der<strong>für</strong> die Abfertigung der Reisenden bestimmt ist, während dergrößere hintere die ausgedehnten Lagerräume <strong>für</strong> das Reisegepäckund <strong>für</strong> die Abfertigung der Expreßgüter enthält unddemgemäß zum großen Teil an die Expreßgesellsehalten vermietetist. Der vordere Teil des Erapfangsgebfiudes, in dem,wie gesagt, sämtliche zur Abfertigung der Reisenden dienendenRäume liegen, besteht bei allen vier Stationen aus einergroßen Eingangshalle, die von der vorn vorbeiführendenStraße zugänglich ist. In diese Eingangshalle sind die Schalter<strong>für</strong> die Eisenbahn- und die Pullmanfahrkarten, ferner Verkaufsstände<strong>für</strong> Blumen, Zeitungen usw. und Schalter zurAuskunfterteilung eingebaut. Eine kleine Gepäckabfertigung ,schließt sich unmittelbar an. Yon der unteren Eingangshalle,die beständig ein hastiges, lärmendes Getriebe zeigt,führen eine Treppe und trotz der geringen Höhe mehrereAufzüge zu dem oberen Stockwerk. Dieses enthält über derunteren Eingangshalle den Wartesaal mit Nebenräumen undüber den Gepäckräumen den Kopfbahnsteig und die Bahnsteighalle.Der Wartesaal ist möglichst so gelegt, daß ervon den Eeisenden nicht als Durchgang benutzt zu werdenbraucht, sondern einen ruhigen Aufenthalt bietet. Er istvornehm und bequem ausgestattet und enthält Fernsprechzellenund Yerkaufsstände <strong>für</strong> Blumen und Zeitungen. Anden allgemeinen Wartesaal schließen sich ein besondererWartesaal <strong>für</strong> Frauen und die Aborte an. Die vier Empfangsgebäudesind außerdem in Verbindung mit dem Wartesaal mitvornehmen <strong>Sp</strong>eisewirtschaften ausgerüstet. Sie erfüllen demnachdie eingangs erwähnten beiden Forderungen, die die Amerikanerjetzt an ihre Empfangsgebäude stellen, daß sie demReisenden einen ruhigen Aufenthalt gewähren und dem bessergestellten eine vornehme Abgeschlossenheit ermöglichen. Außerdemstimmen die Gebäude darin überein« daß die zahlreichenoberen Geschosse zu Bureauzwecken ausgenutzt sind. MitAusnahme des Bahnhofes der Wabashlinie ist <strong>für</strong> besondereAusgangstreppen gesorgt, die von dem Kopfbahnsteig unmittelbarzur Straße führen. Indem wir bezüglich des Bahnhofesder Pennsylvaniabahn an der Broad^ Straße in Philadelphiaauf den Aufsatz Zeitsehr. f. <strong>Bauwesen</strong> 1905 S. 295verweisen, bemerken wir zu den drei anderen Bahnhöfen nochfolgendes:Indem in Abb. 7 u. 8 B1.32 dargestellten Empßingsgebfiudeder Philadelphia^ und Beading-Bahn in Philadelphiasind die Räume des Erdgeschosses noch nicht vollständig zum


431 E. Giese und Blum, Beiträge zu den Eisenbahn-Empfangsgebäuden Nordamerikas. 432Zwecke des allgemeinen Verkehrs ausgenutzt und daher zum Teilals Läden vermietet, zum Teil zu Bureauzwecken verwendet.Im unteren Teil befindet sich nur eine verhältnismäBig kleineund niedrige Eingangshalle mit der Fahrkartenausgabe, hinterder eine Treppe als Ausgang unmittelbar vom Kopfbahnateigzur Straße führt. Die Aufzüge und die Treppen zu demoberen Stockwerk liegen derart in einer Ecke, daß in demoberen Geschoß der "Weg durch den "Wartesaal möglichst kurzwird, Man hätte durch eine geringfügige Änderung derTreppe wohl noch einen zweckmäßigeren und unmittelbarerenZugang zu dem Kopfbahnsteig finden können. Der obenliegende "Wartesaal ist ruhig und geschmackvoll ausgestattetund zeichnet sich vor allem durch eine schöne, reich kassettierteDocke aus. Er ist außerdem mit einem Balkon verbunden,80 daß die Beisenden auch in frischer Luft warten können.In halber Höhe des Wartesaales und in Höhe des drittenStockwerkes des Gesamtgebäudea läuft wie beim Personenbahnhofin Älbany ein balkonartig vorgekragter Umgang anden vier Wänden herum, von dem die Bureauräume zugänglichsind. Die Aborte <strong>für</strong> Männer liegen ebenso wie bei derBroadstreet-Station ziemlieh versteckt.Der 1903 in Betrieb genommene Bahnhof an der La Salle-Straße in Chikago enthält nach Abb, 1 Bl, 32 im Erdgeschoßneben der großen Eingangshalle und der Fahrkarten au sgaboauch den <strong>Sp</strong>eisesaal mit den Wirtschaftsränmen. Die Eingangshallemacht einen gedrückten Eindruck. Die Fahrkartenausgabeist im Vergleich zu europäischen und auch amerikanischenAnlagen sehr tief, aber infolgedessen in zweiLängshälften geteilt; in dem vorderen, der Eingangshallezu gelegenen Teil befinden sich die Schalter, während in demhinteren, nach dem Ausgang zu gelegenen Teil die Bureauräume<strong>für</strong> den Vorstand und <strong>für</strong> Rechnungsbeamte und außerdem<strong>für</strong> jeden Fahrkartenausgeber ein Geldschrank untergebrachtsind. Au der Rückseite der Eingangshalle befindetsich der Zugang zu der großen Gepäckhalle mit einem rechtklein gehaltenen Gepäckschalter. Die Gepäckhalle nimmt mitder Droschkenvorfahrt den Raum unter dem Kopfbahnsteigund der GleishaUe ein und ist in mehrere Räume geteilt,die durch engmaschige Gitter gegeneinander abgeschlossenund zur Abfertigung kleinerer Gepäckstücke, zur Lagerungnicht abgeholten Gepäcks und zu Postzwecken benutzt werden.Von der Gepäckhalle führen im ganzen sieben Aufzüge nachden Bahnsteigen, die die großen Abmessungen von 1,50 mBreite auf 6 m Länge haben. Das Kellergeschoß unter derEingangs- und Gepäckhalle ist vollständig ausgebaut undnimmt, wie sehr oft in Amerika, alle jenen Maschinen ein*richtungen <strong>für</strong> Lüftung, Heizung, Wasserversorgung usw. auf,die <strong>für</strong> den Betrieb des Riesengebäudes von 14 Stockwerkennotwendig sind.Die Eingangshalle steht nach Abb* 2 Bl. 32 durch zweigro^e Aufzöge und die Treppen mit dem Kopfbahnsteig inunmittelbarer Verbindung. Die von der Eingangshalle zu demoberen Stockwerk führende Treppe ist in gescbiölrtörer Weiseals bei den beiden Bahnhöfen in Philadelphia denirt angelegt,daß die Reisenden entweder unmittelbar zum Kopfbahnsteig,oder zu dem durch die Anlage der Treppe vollständig abgesondertliegenden Wartesaal gelangen können. Im Gegensatzzu der unteren, nur als Dui-chgang bestimmten und entsprechendeinfach gehaltenen Eingangshalle hat der Wartesaal eine kostbarearchitektonische Ausstattung erhalten. Er ist ganz in weißemMarmor in antiken Formen ausgeführt, die Mitte der Deckewird von einem großen Oberlicht mit gelber Verglasung eingenommen,um das äch den PfeilersteUungen entsprechendkleine Kuppeln herumziehen, die ebenfalls gelbe Farbentönezeigen. Die Beleuchtung ist hauptsächlich als Deckenbeleuchtungmit elektrischen Glühlampen ausgeführt, die die Anlagedes Oberlichtes und der Kuppel wirkungsvoll betonen. Anden Wartesaal schließen eich die Warteräume <strong>für</strong> Damen mitden Aborten, ein Lunohraum imd das Rauchzimmer ,mit denAborten <strong>für</strong> Männer an. In der einen Ecke des Gebäudesliegt ein besonderer Warteraum <strong>für</strong> die Heisenden, die zu deran dem EmpfaDgsgebäude vor Oberführenden Schleifenhoohbahnübergehen wollen. Von dem Kopfbahnsteig führen zwei unmittelbareAusgänge zu den beiden Seitenstraßen. Neben demeinen ist auf dem Kopfbahnsteig ein Raum <strong>für</strong> den Stationsvorstehereingebaut. Auch liegt hier ein Gepäckaufzug von5,r)0x5j50 m Größe*Dem weit ausgedehnten Netz der Wabash-Eisenbahnist es in den letzten Jahren gelungen, auch in die ihrbisher von den anderen Eisen bahn gesellschaften verwehrteMitto des Industriegebietes von Pennsylvanien ^ in dieStadt Pittsburg — einzudringen. Infolge der sehr gebirgigenLage von Pittsburg durchschneidet die Bahn in einem langenTunnel die auf steilen Höhen liegende südliche Vorstadt vonPittsburg, überschreitet die Pennsylvania- und die PittsburgundLake-Erie-Bahn, kreuzt dann auf einer langen Brücke,der weitestgespannten Äuslegerbrücke in den VereinigtenStaaten,den Monongahela-Strom und durchzieht mehrere Iläuserblöeke,um in einem 10,50 m über der Straße liegenden Kopfbahnhofzu endigen. Der Bahnhof ist nicht so groß wie die dreivorher beschriebenen, da die Bahnsteighalle nur sechs Gleisemit drei Inselbahnsteigen enthält. Für das Empfangsgebäude,mit dessen Ausführung im Jahre 1904 begonnen wurde, standnur ein kleinerimregelmäßigbegrenzterBauplatz zur Verfügung,der wie bei dem Endbahnhof an der Broadstraße in Philadelphiadurch eine unterführte Querstraße von den unter derBahnhalle gelegenen Gepäckräuraen getrennt ist. Man betrittdas in Abb. 11 Bl, 32 dargestellte untere Geschoß, das demder Broadstreet-Station bezüglich der architektonischen Wirkungdurch seine größere Höhe Überlegen ist, durch eine rundeVorhalle, die in dem kuppelgefcrönten, das ganze Gebäudebeherrschenden Ecktnrm liegt, vgl. Text-Abb. 10, An diegroße im wesentlichen rechteckig gestaltete Wartehalle istan der südlichen Wand die Fahrkartenausgabe und die Gepäckabfertigungangegliedert. Die freibleibende westliche Eckedes Gebäudes ist zu einem <strong>Sp</strong>eisesaal mit Anrichteraum ausgenutztjauch sind hier die Aufzüge untergebracht, die zuden in den oberen Geschossen liegenden Diensträumen führen.Vor dem <strong>Sp</strong>eisesaal liegt, frei in die Halle vorgebaut, dieHaupttreppe zu dem oberen Geschoß, in deren Mitte sich zweiAufzüge <strong>für</strong> die Heisenden befinden.Die Unterbringung der Gepäcträume erinnert sehr an dieBroadstreet-Station; wie dort liegt in dem Erdgeschofi desGebäudes nur eine auch von der Straße zugängliche Gepäckabfertigung<strong>für</strong> die wenigen Reisenden, die ihr Gepäck selbstmitbringen, während die großen Qepäokräume unter der GleishaUeangeordnet sind. Sie ^nd unter voller Ausnutzung derzur Verfügung stehenden Höhe zweigeschossig ausgeführt


433 E. Giose und Blum, Beiträge zu den Eisenbahn-Empfang'sgobJuidoii Nordamerikas. 434"Wenn der Packwagen am Prellbock steht, wird das Gepäckunmittelbar bis zum zweiten Geschoß, also bis zur Gleishallogehoben. Wenn der Packwagen dagegen an dem bahnseitigonEnde der Bahnsteiglialle steht, so wird das Gepäck nur biszum Zwischengeschoß beiordert und von dort nach vorn gefahren,wo zwei Aufzüge <strong>für</strong> die weitere Hebung des Gepäckszur Gleishalle zur Verfügung stehen. Der eine liahnstcig istdemgemäß nicht unmittelbar mit der Qepäekhalle verbunden,das Gepäck muß vielmehr, um zu ihm zu gelangen, überzwei Gleise hinübergefahren werden.üiirch die große Freitreppe oder die beldon Auf/.ügogelangt man zu der aus Abb. 10 Bl. 32 ersichtlichen oberen,der Fall, doch wird dort ein ruliiger Teil des Wartesaalsabgeteilt, während dies in Pittsburg kaum möglich seinwird, wenn man anch durch zweckentsprochende Aufstellungder Bänke da<strong>für</strong> sorgt, daß der nordöstliche Teil des Wartesaalesvon dem Strom der ab- nnd zugehenden Reisendenfrei bleibt. Außerdem fehlen iu Pittsburg besondere Atisgangstreppen,die von dem Kopfbahnsteig ohne Berührungdes Gebäudes unmittelbar zur Straße herabführen; doch solleine derartige Treppe noch angelegt w^erden, wenn es gelingt,die an der westlichen Seite einspringende Ecke zu mäßigemPreis zu erwerben. Es sei noch bemerkt, daß zwischendem im Erdgeschoß gelegenen <strong>Sp</strong>eisesaal und dem Damen-Abb. 10. EnipEaagsgöbäude der Wabash-Balm in Pittsburg.in Bahnsteighöhe liegenden Wartehalle, die durch einen Windfangmit vier Türen mit dem Kopfbahnsteig verbunden ist.Von der Wartehalle sind der sehr unregelraJiBig gestalteteWarteraum <strong>für</strong> Prauen und die Aborte unmittelbar zngänglioh.Wenn das Gebäude hinsichtlioh der architektonischen Durehgestaitunginfolge der größeren Hohe des Untergeschossesauch wirkungsvoller ist, so sind in dem Grundriß der Broadstreet-Stationgegenüber doch gewisse Nachteile zu bemerken.In dem unteren Geschoß entstehen in der Eingangshallezwischen Eingangstüren, Fahrkartenschaltern und HaupttreppenUmwege nnd Krenznngcn von Verkehrsströmungen. Daß der<strong>Sp</strong>eisesaal nach unten gelegt ist, kann nicht als glücklichbezeichnet werden, darf aber mit Rücksicht auf die geringeGesamtgnmdfläche nicht zu scharf getadelt werden. Fernerdient der obere Wartesaal infolge der gegenseitigen Lage derHaupttreppen und der Zugänge zu dem Kopfbahnsteig alsDurchgang. Dies ist zwar auch in der Broadstreet-StationZimmer in einem Zwischengeschoß ein Luncliraum untergebrachtist, und daß man beabsichtigt, die Bahnsteigsperrean das untere Ende der Haupttreppe zu legen, um unliebsameGäste von dem oberen Wartesaal fern zu haiton.In Abb. 9 BL 32 ist noch ein Grundriß der sieben oberenStockwerke des Gebäudes dargestellt, der die Ausnutzungdes teuren Geländes zu Bureauräumen zeigt. Diese Eäumedienen nicht nur Zwecken der Bahnverwaltung, sondernwerden auch an Geschäftsleute vermietet.Zu den zweigeschossigen Anlagen ist in gewissem Sinneauch der Sud-Union-Bahnhof in Boston(Text-Abb. 11) zurechnen, auf den hier, obwohl er früher schon beschriebenist (vgl. Zentralbl. der Bauverwaltiuig Jahrgang lÖOO S. 50,190Ü S. 517), im Zusammenhang kurz eingegangen werdensoll, weil er als Vorläufer des im folgenden näher besprochenenUmbauentwnrfs <strong>für</strong> das Grand ('entral-Depot in Neuyorkzu bezeichnen ist. Die Gleisanlagen des Süd-Union-


435 E. Giese und Blum, Beiträge xu den Eisenbahn-Empfangsgcbäuden Nordamerikas. 436Bahnhofes sind derart zweigeschossig ausgeführt, daß in demin StralJcnhÖlio liegenden Stockwerk die Kopfgleise <strong>für</strong> denFernverkehr nnd in einem daninter befindlichen Geschoß dieSohleifengleise <strong>für</strong> den Vorortverkehr untergebracht sind.Da hier aber Straße, Äbfertignngsräume und Kopfbahnsteigin gleicher Höhe liegen, zeigt die Anlage in ihrer Kaumgliederungnicht die zweckmäßige Anordnung wie die vorhererwähnten Kopfbahnhöfo. Von dem Kopfbahnsteig führt einunmittelbarer Ausgang nach einer Station der Hochbahn. Zudem unteren Stockwerk gehen von außen Kampen und von demKopfbahnsteig Treppen zu den zwei Außen- und dem einenInselbahnsteig des Vorortverkehrs hinunter, so daß also einTeil der Nahreisendon den Kopfbahnsteig imd das Empfangsge^bäudenicht zu berühren braucht. Übrigens waren ImHerbst 1!)03 die im unteren Geschoß liegenden Schleifengloisenoch nicht im 13etrieb, auch fehlte noch die innereAusstattung dieses Teils, weil vorläufig die oben liegendenKopfgleise des Fernverkehrs dem Vorortverkehr auch nochgewachsen sind,und weil mansich scheute, dasuntere, seinniedrigeKellergeschoßin Betriebzu nehmen,solangenocli die Vorortzügemit Dampflokomotivenbetrieben"Werden.Unseres Wissensist das untereGeschoß auchjetzt noch nicht<strong>für</strong> den Betrieberöffnet. -— Esist schwer, ein Urteil darüber abzugeben, ob der so frühzeitigeBau des Vorortbahnhofs Lob verdient wegen dergroßzügigen Kücksichtnahme auf die Verkehrssteigenuig odervom wirtschaftliclien Standpiinkt als zu weit gehend bezeichnetwerden muß."Wie gesagt, ist der Süd-Union-Bahnhot in Bo.ston alsein Vorläufer zu der Jetzt in Angriff genommenen Ncuanlagedes Grand Central-Depots in Nenyork zu bezeichnen.Dieser Bahnhof, bisher die einzige in Kcuyork selbst gelegenePersonenstation, nimmt den Vcrkchi* der Nenyork Zentralundder Neuyork — Ncw-Haven und Harkfort-Kiscnbahn auf.Die beiden Bahnen sind von Norden her mittels einer viergleiöigen,nach Dichtungen und zwar links betriebenen,größtenteils im Tunnel unter der Park- (Vierten) Avenueliegenden Strecke in den gewaltigen Kopfbahnhof eingeführt.Der dem Verkehrsziiwachs entsprechend in den letzten -Jahrzehntenmehrfach erweiterte Bahnhof hat große Mängel, dienicht nur den Eisenbahnbetrieb, sondern auch den Straßenverkehrsehr erschweren. Der Bahnhof iinterbi'ioht nämlichauf ein großes Stück die von Norden nacii Süden durchführendePark-Avenue vollständig, so daß sie nicht alsAder <strong>für</strong> den Durchgangsverkehr in Betracht kommt, dersich infolgedessen den benachbarten Lexington- und Madison-Avenuen zuwenden muß. Ferner sind viele Querstraßen durchden Bahnhof vollständig unterbrochen, andere nur <strong>für</strong> Fußgängerüberführt. Der Bahnhof selbst ist trotz seiner Ausdehnungdem großen Verkehr nicht mehr gewachsen, dennes mußte allmählich das ganze verfügbare Gelände mit reinenVerkehrsanlagen (Bahnsteigen und Bahnsteiggleisen) belogtwerden, so daß <strong>für</strong> die Betrieb so inrlchtiin gen kein Platz mehrverfügbar geblieben ist. Der Abstollbahnhof liegt dahermehrere Kilometer außerhalb, nördlich des Harlem-Flussesbei Mott-Haven, so daß zahlreiche kostspielige Leerfahrtenund durch diese eine Überlastung der Strecke eintritt.Der Umbauentwurf geht, um die Straßen sämtlich durchffiln-enzu können, von dem Grundsatz aus, Bahn und Straßein verschiedene Höhen zu legen und den verfügbaren Raumin zwei Gleisgeschossen auszunutzen, um auf diese Art nebenhinreichend großen Vorkehreanlagen noch genügend Kaum<strong>für</strong> Betriebsanlagen (Abstell gl ei so] zu gewinnen. Demnachliegt unter den Straßen, die nur wonig gehoben werden,zunächst ein alsKopfbahnhofausgebildetesStockwerk <strong>für</strong>den Fernverkehrund darunternoch ein besonderesGeschoß<strong>für</strong> den Vorortverkehr,dessenBahnsteiggleise,abgesehen vonden drei mittleren, in rechtgescliickterWeise, aber mitÄbb. ll.^^Süd-UniiJii-Bahiibof in Boston.sehr scharfemHalbmesser{/-/^ 42 ra) untereinander schleifen form ig verbunden sind.Das Empfangsgebäude nimmt nach Abb. 1 Bl. 33 einenviereckigen, zwischen der 42. und 45. Straße gelegenen Kaumein und ist, da außerdem noch zu beiden Seiten des Gebäudeszwei IjängsstraiJen angelegt sind, von allen Seitenzugänglich. Das in Straßenhöhe liegende Geschoß, das alsogar keine Gleise enthält, ticsteht aus drei Teilen. Der südlicheTeil enthält die große Eingangshalle mit der in ihrerMitte liegenden Fahrkartenausgabe; sie setzt sich fort in eineWandelhalle, an deren einer Seite die den amerikanischenVerhältnissen entsprechend klein gehaltene Gepäckabfertigungliegt, während die andere Seite zu einer unmittelbar zurStraßen- und Droschkenvorfahrt führenden Ansgangshallo ausgebildetist. Von der Mitte der 'Wandelhallo führen aweisehr große Personenaufzüge nach den beiden Querbahnsteigender unteren Stockwerke; außerdem stehen diese durch Treppen,die nach Vorort- und Fernverkehr getrennt sind, mit Eingangs-und Wandelhalle in Verbindung. An die Wandelhalleschließt sich nach Norden zu eine große Gepäckhalle an, diein ihrer Mitte durch eine Öffnung unterbrochen ist, so daßvon hier aus dem mittleren Stockwerk, al.so den Anlagen<strong>für</strong> den Fernverkehr, Tageshcht zugeführt wird. Die Gepäckräumesind nach Ankunft und Abfahrt getrennt und


437 E. Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes. 438stehen mit einem Teil der Bahnsteige durch Aufzüge inVerbindung.Das mittlere Geschoß enthält, nach Abb, 2 Bl. 33 —unten der Eingangshalle liegend — die mit Bänken ausgestatteteallgemeine Wai-tehalle. An diese sind beiderseitsbesondere Warteräume <strong>für</strong> Frauen und Raucher mit denAborten und Waschräumen <strong>für</strong> Frauen und <strong>für</strong> Männer angebaut.Ferner ist ton hier der Lunchraum und die<strong>Sp</strong>eise Wirtschaft zugäoglich- Der Wartehalle nach Norden auvorgelagert liegt unter der Wandelhalle, jedoch in weit größererBreitenausdehnung als diese, der Kopfbahusteig <strong>für</strong> denFernverkehr, von dem aus, durch die Bahnsteigsperre getrennt,die neun Zungensteige ausgehen. Zu diesem Geschoßführt von der Madison-Avenue eine im Zuge der 43. Straßeliegende Droschkenstraße herab, die in einen unterirdischen,westlieh roh dem Empfangsgebäude gelegenen Droschken standausmündet.Zwischen dem mittleren und dem untersten, die Aulagen<strong>für</strong> den Vorortverkehr enthaltenden Stockwerk, liegtunter dem Kopfbalinstoig <strong>für</strong> den Fernverkehr der Querbahnsteigtür den Vorortverkehr. Da dessen Gleise aber nichtstuiüpf endigen, mußte dieser nämlich, um sehienenfreieZugänge zu erhaltWi, in Form einer Brücke über den Olcisenangeordnet werden. Von dieser Brücke gehen zwei Reihenvon Treppen herab, von denen die südlichere zu den Abfahrsteigen,die nördlichere zu den Ankunftbahnsteigenführt. Jedes Yorortgleis hat nämlich beiderseits Bahnsteigkanten,so daB, wie Abb. 3 Bl. 33 zeigt, die Bahnsteige nachAnkunft und Abfahrt streng getrennt sind. Zu erwähnenist noch, daß von dem hochliegenden Quersteig des Yorortbahnsteigesunmittelbare Ausgänge nach der Straße und nachder in der 42. Straße liegenden Haltestelle der neuen Tiefbahnführen. Auch ist hier auf die Möglichkeit einerunmittelbaren Yerbinduog zwischen den Yorortgleisen undden Gleisen der Tiefbahn Rücksicht genommen.Schlußbemerfcuugen.Die vorstehenden Betrachtungen dürften die Richtigkeitder in der Einleitung enthaltenen Bemerkungen dargetanhaben. Wenn nämlich auch in Amerika in neuerer Zeit in derAnlage der Brapfangsgebäude Yerbesserungen ausgeführt sind,80 zeigen doch auch die besten Ausführungen noch, daß dieAmerikaner den verschiedenartigen Ansprüchen der einzelnenKlassen von Reisenden nicht so Rechnung tragen, wie mandies in Europa gewohnt ist und daß sie den berechtigtenAnsprüchen an Sicherheit und BecLuemlichkeit nicht so nachkommenwie die deutschen Eisenbahnen.Aber die neusten Ausführungen, insbesondere die erwähntenvier groBen zweigeschossigen Kopfbahnhöfe und derEntwurf <strong>für</strong> den Umbau des Grand Central-Depots in Neuyorksind Beweise da<strong>für</strong>, daß man jetzt in Amerika wenigstensbei den größeren Ausführungen der Behaglichkeit derReisenden durch geschickte Ranmgruppieruug und Anlagegetrennter Eingangs- und Wartehallen und der Sicherheitdurch schienenfreie Zugänge zu den Bahnsteigen, auch beiDurchgangsbahnhöfen, die nötige Beachtung schenkt.Die nachstehende Abhandlung verfolgt den Zweck, dasbisherige zeichnerische oder rechnerische Verfahren ^urUntersuchung eingespannter elastischer Bogen übersichtlichund einfach zu gestalten, die überaus langwierige und zeitraubendeArbeit auf ein Mindestmaß zu beschränken, anderseitsaber aueli den Einfluß sämtlichex KrMte, der Momente,Achskräfte und Querkräfte je nach Bedarf auf das genauestezu berücksichtigen, Die entwickelten Formeln gelten <strong>für</strong>jeden elastischen Baustoff: Eisen, Stein, Beton, Eisenbeton-Ais statisch unbestimmte Größen werden die durch dieBogenwirkung allein hervorgerufenen Kräfte i/g, H und G(vgl. Abb. 2) eingeführt und durch die Wahl des Achsensystemazu ihrer Beatimmung drei Gleichungen mit je einerUnbekannten (Gl. 8 bis 10, S. 443) aufgestellt. Die hier<strong>für</strong> benutztenFormeln und Verfahren beruhen i. w. auf Vorträgen undeiner ungedrukten Abhandlung des Herrn Oberbaurat Professor^t.=^3"fl' Engeßer und sind mit seiner Zustimmung veröffentlicht.Hierauf folgt die Auswertung der Integrale, Konstruktionund Festlegung der Form der Einflußlinien <strong>für</strong> die statischunbestimmten Größen im einzelnen infolge- der Momente 2R,der Achskräfte 9'i und dei Querträfte D des frei aufliegendenTrägers bei senkrechter Belastung und bei wagerechter Belastung,die sowohl in Bogenaehse (Erddruofc) wie in Fahrbahnh6he(Bremskraft) angreifen kann; verschiedene Ver-ZoilMbrlft f. BauTWHL Jahrg. <strong>L<strong>VII</strong></strong>.Die Untersuchung des elastischen Gewölbes.Yom Diplomingenieur E. Elwitz in Düsseldorf.(Alle fteahte yorlwbalten.)fahren zur Bestimmung der Kantenpressungen bei feststehenderund beweglicher Belastung; die Konstruktion der Stützliniedes elastischen Bogens, bei der sich der Überraschend einfacheSatz ergibt, daß die Momentenlinie des frei aufliegendenTrägers diejenige Linie ist, bei der Bogenroittellinie undStützlinie zusammenfalieu. Endlich werden noch die Einflufiliniender Durchbiegung, der Einfluß rechtwinklig zurBogenebene wirkender Belastung (Windkräfte), der Einflußelastischer Widerlager und elastischen Baugrundes sowie diehierbei zu verwendenden Verfahren behandelt, zum Schlußder unsymmetrische Bogen.Der Behandlung des Bogene liegen nicht die Formelndes geraden Balkens, sonderu die genaueren eines Stabesvon verhältnismäßig kleinem Halbmesser zugrunde,VorauSBetzung <strong>für</strong> die nachstehenden Entwicklungensind die Q-eltung des Hookeschen Gesetzes:


439 E, Elwitü, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes. 4401. Änderung der berührenden Winkel in zwei feststehendenPunkten des Bogens (z. B. in den Äuflagepunkten0 und 1) A(qf>i —y«),2. Änderung der wagerechten Verschiebungen A{XI—XQ)J3. Änderung der senkrechten Verschiebungen A(//i —?/o),drei Gleichungen, aus denen die drei statisch unbestimmtenOrößen des eingespannten Bogens bestimmt werden können.Als solche -werden hier die durch die Bogenwirkung alleinhervorgerufenen, im Achsenursprung (vgl. Abb. 2) wirkendenKräfte MQ, H und G gewähltDie Formänderungen A{cp^ — ^{^i ^^Q), ^iVi —Po)werden hervorgerufen durch die Momente M, durch dieAchsfcräfte N und die Querkräfte Q. Dem Einfluß dieserKräfte auf die Formänderung entsprechend ergeben sich diestatisch unbestimmten Größen, auf deren Bestimmung alleshinausläuft. Der gemeinsame Einfluß der Kräfte M und Nsowie derjenige der Kräfte Q wird zuerst getrennt behandeltund dann später vereint.Die Fonuäaderun^en dnrch die Momente M und die Achskrttfte N.Für einen gebogenen Stab von verhältnismäßig kleinemHalbmesser ergeben sich ii'ir die FormaiideHingen die folgen-Beachtet man, daßi j^ds/-^Mds r^ Mas . ,setzt man ferner <strong>für</strong>dx^==ds co^tf und <strong>für</strong> dy = ds sing»,so lassen sich die Gleichungen (Ij bis (3) umformen in(la) A'.A(y, ~y„)=/'jl^.(i+ji^) *+/^&,(2 a) K j A {X, - ;(;„) + 2/i • A (^i - r/i„))(3a) _^{A(?A-yo)-^i-A(9>i-yo)}=f^ {l^Wr ( f+ f)V'\f-^ t'" * + f) *•Diese drei Gleichungen gelten <strong>für</strong> jedes beliebige rechtwinkligeAchsensystem a!, jry, auch <strong>für</strong> ein solches, dessen«/-Achse in die Symmetrieachse des Bogens verlegt wirdDie X- Achse möge in eine vorläufig noch unbekannte Höhe koberhalb der Kämpf er wageteehten gelegt Averden, Durch dieVerlegung des Achsensystems in die Symmetrieachse desBogens und in die Höhe A soll erreicht wei*den, daß diedrei Gleichungen (la) bis (3 a), in denen in den Momenten Mund in den Achskräften N die drei statisch unbestimmtenGrößen Jlfjj, H und 0 gleichzeitig nebeneinander eingeschlossensind, in drei solche umgewandelt werden, vondenen jede nur eine einzige statisch unbestimmte Größe(Unbekannte) enthält.Für Kreisbogen ist sin gl-|—==0, da sin qf)=(vgl.Abb. 2).Aber auch <strong>für</strong> jeden irgendwie geformten, wennAbb. 1.den Ausdrücke, deren Herleitung in jedem Lehrbuch überFestigkeitslehre nachgelesen werden kann (Abb. 1):r^ Mnur symmetrischen Bogen ist j'-^—(sing)H—1= 0) dads { ic\jedem positiven Element —— [ sinCD + —) auf der rechtenF-r \ t}Seite des Bogens ein gleich großes negatives der linkenSeite oder umgekehrt gegenübersteht infolge des Yorzeichenwechselsvon x und der Sinusfunktion.Hierin bedeuten+«'Yr'-+-c^j A=iV-f —; _=/—— dJ^\•r^ Y^ r ^ r J r4-v^fAn Steile Y kann bei Bogenbrilcken überall mit mehr alshinreichender Genauigkeit das Trägheitsmoment J des Quer-MSchnitts gesetzt werden. Femer ist bei Bogenbrüeken --r{M Nsehr viel kleiner als JV" und auch (~f=r^+^^r-1 sehr viel\Fr^ Frkleiner gegenüber M Ist die Krümmung und der Querschnittdes Bogens annähernd gegeben, so kann die GrößeJ'Mund der Einfluß der Nebenglieder von iV und ^r sofort überschlagenwerden.*-SiAbb. 2.Ferner ist <strong>für</strong> Kreisbogen cosgo^^^—=-+cos y^ odercos gp— — = 008 yo ^ Konet.


441 E. Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes* 442Für anders geformte Bogen kann man <strong>für</strong> die Pi-axis genaugenug den Ausdruck <strong>für</strong> einen Ersatz-Kreisbogen benutzen,da die mit lcos(p — ^\ BU vervielfachenden Glieder in Gleichung(3 a) entweder den Nebengliedern des Äusdmclts Moder der Achskraft JSf angehören, also nur eine Ungenauigkeitin den weniger einflußreichen Gliedern begangen wird.Will man sich mit diesem etwas angenäherten Verfah-rennicht begnügen, eo ist einfach in den Elementen mitcosqo ——} der Querschnitteflächenwert J^, der ja doch inl^ds= / — ~--ds=^^^l—t-sinö))rfs = 0i8t, setztt^J J QJ J QJ F-r\r ^ J manendlichy\ 1 _ cos qppcos (p — -'# IrjF F'yy = —k\ a^i=~; so ergeben sieh <strong>für</strong> J/(j, // nnd G diefolgenden drei Gleichungenden meisten Fällen von Querschnitt zu Querschnitt wechselnwird, mitco8qf>o zu vervielfachen und mit einem anderencos gp. r{ic]M,=ßhJ^ dsZeichen zu versehen: F* = F-COS>XXr-*^F*=^F-COStjpQrZur Ermittlung der Werte — genügt es, das Achsensystemnach Formel (4 c) anzunehmen. Solange der Mittelpunktdes Krümmungskreises sich unterhalb der x-Achse befindet,wird F* positiv, wenn er sich oberhalb derselben befindet,negativ.Setzt man in den Gleichungen (la) bis {3a) för Mund TV die entsprechenden Werte ein(2 c) H= ^-E{Al-k{A


443 E. Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes. 444besonderen Jällen zu ungenau sein, so wäre zuerst der Wert^AQ ff}••" ii*^ rfs zu ermitteln, wobei <strong>für</strong> die Auswertungy, / -f • J"Yon a die a?-Ächae vorläufig durch den Schwerpunkt derdsElemefltargeWichte — gelegt werden kann. Setzt man fernery^y^ — ^1 wobei y^ auf ein Achseiisystem mit dem Ursprungim linken Bogenanfang bezogen ist, so erhält man gejiau(4a) k^f- J1 ^~J./Für den reinen oder den Ersatzkreisbogen bekommt mangleichfalls ganz genau mit Rücksicht darauf, daßcosqpo ="(4 b)r(vgl. Abb 2)k.IV''Toder endlich mit Vernachlässigung des zweiten Gliedes inobenstehender Bedingung <strong>für</strong> die Höhe k(4c)J/*' ds (ISDieser Wert dürfte in den meisten Fällen genau genug sein.Die FormUiiderun^eu durch die (^uerkräfte Q*In den Gleichungen (1) bis (3) sind die statisch unbestimmtenGrößen if«, H und G unter der Yoraussetzungabgeleitet, daß der Einfluß derQuerkräfto Q auf die Formänderungverschwinde. MitBerücksichtigimg dieses Ein-I /flusses gehen die GleichungenlyJ]^"::::^::Jd^ (i) bis (3) in (ö) bis (?) über.Durch die Querkräfte Qwerden Schubspannungen t hervorgerufen.Diesen SchubspannungenAbb. 4.T entsprechen Kantendrehungeny = ^i wenn S dasSehubelastizitätamaß bedeutet. Es ist nach Abb, 4/S d:y = ds • Y • cos(p ^ ydx,/\dx——ds'y'aincp^— ydy.Eine Winteiänderung findet nicht sfatt, folglich wird(5) A(qr^i-^o) = 0Ans Gleichung (5) folgt zunächst J/jj^O.(6)A{y^-y^)"^fydx.Ferner wirdTQSetzt man ftlr y = -^ und <strong>für</strong> T — -r^—,setzt man fernerOl • ofg = ff, worin a^ einen Beiwert bedeutet, der der mittlerenSchiebung entspricht ynd Cfg ans S~a^-E zu entnehmenist, so wirdr^ Qsin(pds^(Ga)(7a)In die vorstehenden beiden Gleichungen ist nun folgenderWert <strong>für</strong> Q cinünsetzenQ = G • cos qp — 7J' sin 91 -f Coder ^= 0 • cos g) — f/- sin 9 + SS • cos q?O entspricht der Quorkraft des frei aufliegenden Bogenträgersund S? derjenigen des entsprechenden wagerechtengeraden Trägers. Beachtet man, daß der Symmetrie wegen/^ sin flp • cos flP , ^ . - , , , ^^ .- — ds~0 Wim, so erliält man aus den Gleice-1


445 E. Elwitz, Bie üntersuchuiig^ des elastischen Gewölbes. 446und in besonderen Fällen zuschlagsmäßig berücksichtigtwerden. Der Einfluß der Zählerglieder auf die statisch unbestimmtenGrößen M^^, H und G und seine Ermittlungsoll nachstehend näher erörtert werden, i)Die ElnflnßUnien fUr Jlf,, JEf und G bei sentarechtei Belastung.A. Infofge der Momente SR-Die Gleichungen (8) bis (10) vereinfachen sich, da nurdie Momente 552 berücksichtigt werden sollen, zu(8a){9 a)(10a)'h1-R-&Die Gleichungen (8)bis (10) sind so geordnet,daß im Zähler derEinfluß von 5m, 9?undOin einzelnen Ausdrückenzusammengefaßt klar hervortrittj im Nenner dagegender Einfluß von-3 r^M, Nxmd Q. Das ersteGlied des Zählers stelltden Einfluß der Auflagerveränderungendar.Die vorstehenden drei-1 Gleichungen gelten abgesehenvon dem Ersatzvon Y durch J genau<strong>für</strong> alle, auch kleine, wenn nur symmetrischeBogen. Die Höhe k des Ächsenanfangsüber der Kämpierwagereohten istzweckmäßig rechnerisch nach einer derFormeln (4) je nach Bedarf zu ermitteln. Das Ächseusystemsteht dann ein <strong>für</strong> allemal <strong>für</strong> jede BelastungBweise (Eigengewicht,gleichmäßig verteilte Verkehrslast oder solche inEinzellasten, wagerechte oder senkrechte Belastung) fest.Die Nenner 0 der drei Gleichungen <strong>für</strong> M^^ fiund Osind unveränderliche Größen und gleichfalls rechnerisch vonvorn herein zu bestimmen. Zu beachten ist dabei, daß imNenner 0^ der öleichung (8) das zweite Gliedl^^ gegenüber-dem ersten -= sehr klein ist und im allgemeinen vernachlässigtwerden kann, daß im Nenner 0^ der Gleichung (9)das zweite und dritte Glied gleichsfalle sehr kleine Größengegenüber dem ersten sind, so daß auch hier nur das ersteberücksichtigt KU werden braucht, endlich daß auch imNenner Og der Gleichung (10) das zweite Glied unbedenklichvernachläasigt -w^erden kann, Ist die Form des Bogensund sein Querschnitt annl^hemd bekannt, so kann derEinfluß der Nebenglieder in den Nennern schnell überschlagenDas Moment SG? <strong>für</strong> die Kraft P=^ 1 beträgt (vgl. Abb. 5)»_p (^-^) tlvon 0 bis a undvon a bis l."Wirken auf einen geraden Balken (vgl. Abb. 5), hier dieProjektion des Bogens auf die Wagerechte, Kräfte Q, undverzeichnet mau mit diesen Kräften und einem Polabatand 0gleich dem Nenner in einer der drei Gleichungen (8) bis (10)das zugehörige Seiieck, so bestehen folgende Beziehungen:Die Höhe %, unter der Einzellast P^ 1 im Abstände a vomlinken Auflager setzt sich zusammen aus Xj -f- %. Es istnun x^^^yaund z^ ^^-j-{l — a), mithin wird s. nach demEinsetzen der Werte ftlr p und qNimmt man mm die neben 9}2 unter dem Integralzeichenin den Gleichungen (8a) bis (10a) stehenden Ausdrückeals Kräfte p und die Nenner 0 nach einander alsPolabstand an, so -werden die Eintlußlinien <strong>für</strong> MQ^ H\mA (?,hervorgerufen durch die Momente 9Ä, dargestellt durch derartigverzeichnete Seilecke. Hiemach ergeben sich die UinflixiBlinien<strong>für</strong> Jfo, H und O durch HK nach Abb. 6. Fürdie einzelnen Einüußlinien v^äre insbesondere zu erwähnen;Einflußlinie <strong>für</strong> M^ durch 9R;das aweite Glied im Zähler wie im Nenner kann unbedenklich,namentlich bei der zeichnerischen Ermittlung der Eiuflußlinie,Temachlfissigt "werden. Da sämtliche Kräfte Qpositiv sind, so hat die EinflußUnie nur ein Vorzeichen (—),Sie besitzt eine parabelähnliche Form. Wären sämtlicheKräfte ^ gleich groß und auf gleich große A ^ bezogen,dann wäre die Form der Einflußlinie mathematisch genau1) Die oben mitgeteilten Formeln ußd Verfahren beruhen aufVorträgen und einer ungedruckten Abhandlung des Herrn Oberbauratfrofesaor lJC. = 3ng. Engeßer und sind mit seiner Zustimmung ver-ÖSentUcht.


447 E. Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes. 448i IN.S-:ft'!*-.!L• : : ^ -\v^v ^ _ , : ^-if/^'/ /" ^•4'X /y,€^ ,.^y''^w:Xyu14-ink—4iIIift'!ä'rMÜ.."'pAbb. 6.4'-ieineParabel. Sie nähert sich aber in den praktischen Fällender Parabel, da im allgemeinen die Kräfte q infolge desnach dem Auflager wachsenden Trägheitsmomentes nach dorthinabnehmen, anderseits aber auch ihr Abstand A ^ infolgeder steiler werdenden Berührenden an den Bogen nachdorthin abnimmt. Die Einflußlinie ist symmetrisch.Einflußlinie <strong>für</strong> H durch 3J2:o-(y-^^AAs-0,i/'^'^+ZK^'^-fr^^/ds\das zweite GUied in (f^) ebenso das zweite und dritte Glied in 0^können unbedingt im allgemeinen vernachlässigt werden. DasYorzeichen der Kräfte ^ ist (—) voin linken Kämpfer bis zurX-Achse* (+) oberhaJb der a^-Achse, dann wieder (—) biszum rechten Kämpfer. Diesem Vorzeichenwechsel entsprechendfangen die Kräfte p im Krafteck in der Mitte an und sindvon unten nach oben, dann Ton oben nach unten und nunwieder von unten nach oben bis zur Mitte aufzutragen. DasKrafteck bildet einen geschlossenen Linienzug. Aus diesemÖnmde kommt das Seileck im Kämpfer mit einer wagerechtenBerührenden heraus, hat seioe Wendepunkte dort,wo die ^^Achse den Bogen schneidet und die größte Hohe


449 E, Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes, 450im Scheitel in Bogenmitte, Hier erreicht die Binftußlitiieihre größte Höhe. Die EinflußlinJe ist symmetiisoh. Siehat nur ein Vorzeichen (+).Einflußlinie <strong>für</strong> Q durch Wt:die linke Hälfte der Kräfte q hat das (—)-, die rechte das(-|_)-Vorzeichen. Aufzutragen sind die positiven Kräfte vonunten nach oben und hieran anschließend die negativen,links gelegenen Kräfte Von oben nach unten. Sie bilden imKrafteck einen geschlossenen Linienzug. Wegen der umgekehrtenSymmetrie der Krftfte wird das Seileck umgekehrtsymmetrisch und hat eine positive linke und eine negativerechte Hälfte.Alle drei Nenner 0 Bind in verjüngtem Maßstab aufzutragen.Dieser Verjüngung entspricht eine Vergrößerungder EinÜußhÖhen. Kleiner aufgetragenen Kräften Q im Krafteckentsprechen kleinere Höhen im Seileck. Endlich werden durcheinen kleineren Längenmaßstab auch die Einflüßhöhen entsprechendkleiner. Beträgt z. B. der Maßstab von 0=1 :Ö,der von q = \\h und der Längennaaßstab l;c, so berechnetsich der Maßstab <strong>für</strong> die Höhen der Einflußlinie zuB. Infolge der Ach^kHine %,Es sollen nachstehend die durch die Achskräfte 9J alleinhervorgerufenen statisch unbestimmten Größen Üij,, H und Gbestimmt werden. Dementsprechend vereinfachen sich dieG-leichungen (8) bis (10) zu(8 b}{9 b}(lOb)H0 = 0.5Rcfo,1 /'^S'J.cosgPoBinflußlinie <strong>für</strong> i/^ durch 91. (Abb. 7.)Für jp ^ 1 im Querschnitt a ist ^ = + y von 0 bis aund SS " — y von a bis /.duSetzt man <strong>für</strong> Si = 9S - sin ö) und <strong>für</strong> ds — -r-^-^ sin (pfkdi 's ein, so bekommt man1 1 Va -*o'-' 0"-^ -k'-^ yy-jUja-Vk)— i-k^IJa) Yfl -f- 6 (ya + k) ^ l-?/ä.I^ds= ya d.h. gleich der Bogenhöhe y'a im Querschoitta und die Einflußlinie von l'iilds wird dargestellt0--'durch die Bogenform. Für ein unveränderliches F und roder ein mittleres F^ und r^ entspricht also die Einflußlinievon MQ durch '^ genau der Bogenform. Bei einemLängenmaßstab von l:a sind die Höhen der Einflußlinieaim Maßstab 1: zu messen. Da der Einfluß von0^'F^-r„,!Ji auf M(, gegenüber dem von 90? auf MQ verhältnismäßigklein ist, so genügt es vollkommen, mit einem mittleren F^und rm zu arbeiten. Für genaueres Arbeiten stelle man sicheine verzerrte Bogenform in der Weise her, daß unter Beibehaltungder Längen A J^ <strong>für</strong> die Bogenelemente A s derenHöllen A?/ in Ay • ~j^~~ umgeändert werden, vrobei F^und Tm <strong>für</strong> den Scheitelquerschnitt oder irgend einen anderenbestimmten Querschnitt zu nehmen sind. Die so verzeichneteBogenform stellt dann die genaue, durch 9? hervorgerufeneEinfliißlinie von M^ dar. Das Vorzeichen ist (—}.Einflußlinie <strong>für</strong> H durch 3J. (Abb. 7).Auch hier wird die Einflußlinie durch die Bogenlinieoder genauer durch ihre abgeänderte Form wie vorhin dargestellt.Bei einem Längenmaßstab von 1:« ist der Höhenmaßstab1:—^;——-. Der Abänderungsausdruck vonAyist gleich^„-(cos^^^F- oos^oDas Vorzeichen der Einflußlinieist (-).Im allgemeinen kann <strong>für</strong> M^ und li infolge der Achakräfte0i sogar ein und dieselbe Einflußlinie (Bogenform) mit«[itsprechend umgerechnetem Höhenmaßstab benutzt werden.(8c)Der Einfluß der Achskräfte ^ auf G ist gleich NullC. Infolge dar QuerkHlfte CDie Gleichungen (8), (9) und (10) vereinfachen eich zu3fo«Oi^ 1 /"^ coaqp , 1 M coB*flp ,(IOC) (?-ör/ö^i*=(^ysB-^^--|&.0 0 _Der Einfluß der Querkräfte auf MQ ist gleich Null.


451 E. Elwitz, Die Uutorsuchung des elastischen Gewölbes. 452Die Einflußlinie <strong>für</strong> // durch Q. (Abb. 8.)Setzt man <strong>für</strong> 33 — -j-y von 0 bis a und<strong>für</strong> 33 = — y Ton a bis l,80 erhält man1 ib /*" sin (T) • cos re , a /"^sin qp-cosm , |i~)'^^H^^—^_..—.1 j--4(-H)Abb. 8.Wegen des Vorzeichenwechsels der sin-Funktion undder Symmetrie heben sich die oberhalb der «/«-Höhe gelegenen7/-Achse Timgekehrt symmetrisch. Da die Elementarwertecos^of)—--=^ • A s bereite aus der Ermittlung des Nenners 0« bekauntsind, so wird die Bestimmung der Einflußhöheneinfach;"~-— kommt in den Höhenmaßstab.Die durch SOJund O erzeugten * Einflußlinien fflr Ö haben eine ähnlicheForm, nur mit entgegengesetztem Vorzeichen.Der Bestimmung der Einflußlinien' <strong>für</strong> JI/Q, II und Ginfolge O steht nichts im Wege, sofern noch der Wert abekannt ist.Es ist ö==Ci-ffg.Bekanntlich istS 1 m • ,„ u • A ^ffg *= ^=,-= TT • '^—T- z. B. <strong>für</strong> m = 3 wird a^ =—.Der Wert o^ ist bestimmt, wenn die durch die QuerkraftQ liervorgerufene mittlere Schiebung ytn feststeht.Diemittlere Schiebung y^ eines jeden Qnerschnitts läßt sich mitHilfe des Satzes Ton der virtuellen Arbeit ermitteln.Q'Stdie durch Q erzeugte Schubspannung T = U'JEs ist, wo « dieBreite, J das Trägheitsmoment und St das statische Momentder oberhalb der geschobenen Schicht im Abstände v vonk -Z» HElemente/" «»ny-cosy^^ ^^^^ ^^^ ^^^ gleichen GrundeJ'^kann man vereinfacht schreiben:H=a-0.1 b-\-a1 /^ sin()p'COSIjP ^.Die Einflußlinie ist symmetrisch und hat das Vorzeichen(_)^ also das entgegengesetzte wie die Einflußlinie durch93E. Die Ermittlung der Höhen erfolgt sehr einfach in derWeise, daß man jedesmal zu der vorhergehenden Höhe denWert des nächsten Elements hinzuzählt,Höhen maßstab zu bringen.1O^aDie Einflußlinie <strong>für</strong> (? durch Q. (Abb. 8.)Für D und S3 die oben stehenden Werte in1 f^ COSÖJe= -^—- / D-—^rfs eingesetzt, gibtist in den0\ {h /^cos^m , a p^coa^(f ]Abb. 9.der neutralen Achse befindlichen Querschnittsfläche (in Abb. 9schraffiert) in bezug auf letztere bedeuten. Setzt man in+«'den Ausdruck <strong>für</strong> die Arbeit y• Q^ 1 y-T-u-dv <strong>für</strong> Tden—e"O • Stoben stehenden Äugdruck -• ein, so erhält man alluJgemein als mittlere Schiebungund hieraus'+1'Q pSt^-dvS-J'J uQFa^SWeil cos^^) immer positiv is*; und wegen der Symmetriekann man auch schreiben^ COB^ CP \Z. B. wird <strong>für</strong> den Rechteck Querschnitt (Abb. 9)undwobei a iminer kleiner als — gedacht ist_15Für a = h^=-- wird C »= 0. Die Einflußlinie hat einennegativen Unken und einen positiven rechten Zweig mit derBelaetungsscheide in der Bogenmitte und ist in bezug auf die~r2-Ä6-2-32-15"°5"'3 5 5mithin a^ C(, -ft» = — =« ^ ffif 7^ = B.^ ^ 8 6 le


453 E. Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes. 454Für andere Querschnitte als das Rechteck läßt sich ofjstets näherungsweise nach Formel (11), mit hinreichenderGenauigkeit ermitteln, -vrie z. B. <strong>für</strong> den /-Querschnitt beiYernacbläÄsigüng des Steges (Abb, lO).2-F •n-m4^-h-n§)•d. h. — ist gleich dem Verhältnis von gesamter Querschnittsflächezur Stegfläche,Hat man auf diese "Weise sämtliche Einflußljnien ermittelt,so sind die "Wirkungen von SD?, SR und O durchalgebraisches Zusammenziehen der dreiEinflußhöhen zu vereinen. So erhältman die Einflußlinien <strong>für</strong> J/^, H und O,die durch die Gesamt Wirkung von SR,9J und O bei senkrechter Belastunghervorgerufen werden. Die vorherigecc-a; h Zerlegung der Einflußlinien liefert denVorteil, schon an dem Höhenmaßstab^der durch 'ift und O veranlaßten Einflußlinien(Bogenform) sehen zu können,welche und wie weit Vernachlässigungenstattfinden können.Die Einflußlinien fllr Jf^, J? und G bei einer in der Oewtflbeachsewagrerecht angreifenden Belastung T—1.(Wagerechte Seitenkraft des Erddrucks.)A. infolge der Monifiitte ^,Es gelten die Gleichungen (Sa), (9a)und (10 a).Das Moment M <strong>für</strong> T=l beträgt (vgl.Abb. It)Fschiedenen Ausdrücken, je nachdem es sich um Jfß, Hoder Q handelt. Die Ermittlung der Einflußlinien <strong>für</strong> il/"o,H und O ist in allen drei Fällen die gleiche und geschiehtwie folgt aus den drei Integralen:Erstes Integral:— y ^l~'^'^^^"0~lJ0 0^'^"Faßt man -y-, f ^'Q als Verzerrungsmaßstab auf, so0bekommt man als Einflußlinie des ersten Integrfds dieBogenlinie. Der Wert —- / ^-ß ^^^ entweder rechne-0risch oder schneller zeichnerisch unter Benutzung jener Seilecke{Abb. 5) erhalten werden, die zur Ermittlung der Einflußlinienvon MQ, H und Q infolge 3K bei senkrechterBelastung dienten. Es ist (vgl. Abb, 5) p-^-^^^-q. Mithinwird -rrZo-^gleich dem Stück a, das auf der linkenKämpferlotrechten von der Berührenden an das Seileck imrechten Kämpferptmkte, d. h. von der letzten Seileckseite abgeschnittenwird.Dieses Stück a ißt noch mit y und demschon früher bestimmten Höhenmaßstab zuvervielfachen,um den Terzerrungsmaßstab YTi 1^'^ zu erhalten. Da dasi. I. l. l. 1.SD?- -^ ^-T-^ von 0 bis I;, undSD?=?^ ^^T^ri-T-[x~^rj) von ^ bis ;.Unter Benutzung vorstehender Werte <strong>für</strong> 3)J erhält manSeileck bereits vorhanden ist, so ist die Auswertung desersten Integrals eine sehr einfache.Zweites Integral: — /'?•?'In diesem Integral ist0die Bogenhöhe % gar nicht enthalten. Die Einflußljnie <strong>für</strong>das zweite Integral wird daher eine wagerechte Gerade.Die Auswertung ist rechnerisch oder besser zeichnerisch vorzunehmen.Zu diesem Zwecke ist mit den gleichen Kräften ^,die nun nicht in senkrechter, sondern in wagerechter Richtungin ihren Bogenelementen angreifen müssen, das entsprechendeSeileck zu zeichnen (Abb. 13). Dann istAbb. U.Q und 0 haben die gleiche Bedeutung wie <strong>für</strong> die Ermit'lungder Einflußlinien von M^^ H und G bei senkrechterBelastung infolge 3)J und bestimmen sich nach ver-ZeitsohHft f. Baqvwm. itiag.Wil.0 0Der Abschnitt 6, der von der obersten Seiieckseite aufder Kämpferwagerechten herausgeschnitten wird, ist dasausgewertete Integral 6.T r^Drittes Integral: yy j{^~''i)'(l*vorstehende Seileck benutzt werden.29Hierftlr kann dasDeshalb ist es zweck-


455 E. Elwitz, Die Untersuchung des elastischen Gewölbes. 456B. Infülge der AchskrKfte ^.Für die durch 91 hervorgerufenenKräfte MQ, H und Qgelten die Gleichungen (Sb)»(9b), (10b).Die Aohskraft Sk J9t (vgl.Abb. 11)9? = — sin 71 + T*- coB y^^T%von 0 bis ^x ^ndin (p von ^x bis /.sinNach dem Einsetzen dieser Werte in (8b) bis (10b) erhältman die Einfiußlinie <strong>für</strong> M^, durch 9?.0Abb. 13.mäßiger, das zweite Integral nicht zu rechnen, sondern, wievorstehend angegeben, zeichnerisch 2U ermitteln. Es wirdsich ferner bei der ßestiinnning des zweiten Integrals empfehlenmit Rücksicht auf die Auswertung des dritten, wonur die Kräfte 5 der einen Bogenhälfte zur Wirkung kommen,das Seileck auch nur mit den Kräften Q der einen Bogenhälftezu zeichnen und dann die abzugreifenden Stücke zurerdoppeln.Dann ist es auch zweckmäßig, den Maßstab von 0und der Kräfte Q so zu wählen, daß die Einfiußlinie desersten und dritten Integrals den gleichen Höhenmaßstab be-T r^sitzen. Das dritte Integral — 1 {% — I^)-Q ist der Abschnitt c%{vgl. Abb. 13) auf der durch den Angriffspunkt der Kraft Tgehenden "Wagerechten zwischen der Seileoklinie und derBerührenden an das Seileck im Kämpferpunkte, Die Einflußlinie<strong>für</strong> das dritte Integral wird also unmittelbar durchvorstehende Konstruktion gegeben, sowie man noch die jetztwagerecht liegenden Höhen c in senkrechter Richtung in denzugehörigen Bogenelementen aufträgt.Werden die Höhen der drei Integral-Einflußlinien algebraischzusammengezogen, so erhält man die Einfiußlinie <strong>für</strong>die in wagerechter Richtung in der GewÖlbeaehse angreifendenKraft T^ 1 infolge W,Wechselt T beim Überschreiten des Seheiteis sein Vorzeichen,so genügt die Bestimmung der einen Hälfte derEinfiußlinie. Wechselt es sein Vorzeichen nicht, so ist aufder linken Hälfte der Einfiußlinie zu den Höhen der rechtenHälfte noch das Stück2d-=^2-y^ {^—xj'Q hinzuzuzählen, was aus der Unver-*änderlichkeit der beiden ersten Integrale und dem Vorzeichenwechseldes Moments T (tj—%) beim dritten Integraloberhalb der Angriffsrichtung von T folgt. Das Stock dkann zeichnerisch, wie in Abb. 13 angegeben, unter Verwendungdes bereits vorhandenen Seilecks nach dem vorhinerläuterten Verfahren erhalten werden.Es ist /U^ =0,0-/ Jf-rAbb. 14.0folglich wird„ T rdxFür ein mittleres Fm undr^ wird die Einfiußlinie durcheine gerade von 0 bis / unter45** ansteigende Linie dargestellt(Abb. 14). Das Vorzeichenist (—). Ganz genauerhält man die Einflußlinie,wenn man sich eine nach dera^-Richtung hin verzerrteBogenliniein der Weise herstellt,daß man unter Festhaltungder Bogenhöhen y oder iy dieLängenelemente /\,x in A^ umändert und dies©r-Fan Stelle £\ x aufträgt. Die dieser Bogenform entsprechendenLängen 20 oder ^ stellen dann die genauen Binflußhöhen dar.— ~ kommt in den Höhenmaßstab.Einfiußlinie <strong>für</strong> J? durch 9?.n^.y'^^^äs.Diese Einflußlinie wird genau so hergestellt wie die vorige,wenn man noch <strong>für</strong> die Ermittlung der genauen Einflußhöhenan Stelle A ^ setzt A ^ •yr-i^cos 91 • AF^cos ^^o • FDer Wertist in den Höhenmaßstab zu bringen. Das Vorzeichenist (—). Wechselt die Kraft T beim Überschreiten desSeheiteis ihr Vorzeichen, so genügt die Bestimmung dereinen Hälfte der Einfiußlinie.Der Einfluß von 3? auf G ist gleich Null.


457 E. Elwitz, Die üntersuchuag des elastischen Gewölbes.458C. Infolge der Querkrälte.Ea gelten die Gleichungeu (Sc) bis 10c).Setzt man in diese Gleichungen <strong>für</strong> D==S8-cosy diefolgenden Werte einO,=-T-rG0sq) — T-sin


459 E. Elwitz, Die Untersuchung des ©lastischen Gewölbes, <strong>460</strong>ist ein unveränderlicher Wert, und seine Einflußlinie wirddurch eine wagerechte Gerade dargestellt. Die Ermittlungvon a= I ^'q geschieht nach dem In Abb. 12 mitgeteilten"Verfahren.äZweites Integral. Die Einflußlinie des zweiten Integrals-1 t^.q.^2 — j r^Q = 2h ist wieder eine Wagerechte.0 0Der Wert h ist wie Abb. 13 gezeigt zu ermitteln, ermitteln.T (^Drittes Integral. —/ {t — rj)-Q. Zur AuswertungLA,'dieses Integrals kann die in Abb. 13 oder Abb. 17 angegebeneKonstruktion benutzt werden. Solange die Kraft Tauf der rechten Bogenhälfte angreift, wird das dritte Integralals Abschnitt c (Abb. 17) auf der Angriffswagerechten derKraft T durch die Berührenden an das Seileck im Kämpferpunktund in demjenigen Punkt ausgeschnitten > der auf dergleichen Wagerechten liegt wie die Angriffspunkte der Kraft Tan dem Bogen, Wechselt T jeneeit des Scheitels sein Yorzeichen,so genügt die Bestimmung der einen Hälfte derEinflußlinie, wechselt es sein Vorzeichen nicht, so ist zudem symmetrischen Höhenwert der rechten Bogenhälfte nochdas Stück 2^ = 2/(/—»^)-g hinzuzuzählen, e und d habengleiches "Vorzeichen, Der Wert d wird als Abschnitt auf derWagerechten der Kraft T herausgeschnitten von der Berührendenan das Seileck im Scheitel des ßogens und vonder Berührenden in demjenigen Punkte des Seilecks, der aufder gleichen Wagerechten liegt wie der Angriffspunkt derKraft T an dem Bogen. Die algebraische Zusammenziehungder drei Integral-Einflußhöhen ergibt die Höhen <strong>für</strong> dieEinflußlinien von i/^, H oder (? infolge Wl,B, u. C. Infolge der Actiskiüfte 9J und der Querkräfte £L-Die Jeststellung dieser EinflußUnien erfolgt genau sowie bei einer in der Bogenachse angreifenden Kraft T= 1.Eine kleine Vereinfachung findet dabei noch bei derErmittlung der Einflußlinien von Ö durch Cl statt. Dastatt der Veränderlichen % die Unveränderliche t tritt, so wirddie Einflußlinie des ersten Integrals eine wagerechte Gerade.Die in Höhe der Fahrbahn wirkenden Bremskräftewerden sich nach einem von dem elastischen Verhalten derAufmauerung und von der Art der Aufraauerung (z. B. Bogenpfeilermit Fahrbahn) abhängigen Verhältnis auf den Bogenoder die einzelnen Bogenpfeiler verteilen, nach dessen Feststellung(annähernde Ermittlung oder Abschätzung je nachder Art der Aufmauernng) die vorstehend besprochenenEinflußlinien benutzt werden können.Zur Bestimmung der Verteilung einer an beliebigerStelle der Fahrbahn in Höhe der letzteren wirkendenKraft 2"-^ 1 auf die einzelnen Pfeiler (Abb. 17 a) kann z, B.das folgende sehr einfache Verfahren benutzt werden.Es bedeute d die Durchbiegung des unten eingespanntgedachten Pfeileratabes infolge einer am freien Ende wirkendenwagerechten Kraft X= 1, a die Zusammendrückungoder Dehnung der oberen "Pfeilerverbindung infolge einer""• ^^- -^^T'^-'- -^Abb. 17 a.Druck- und Zugkraft Jt=l. Die Durchbiegung 6 ist inder Hauptsache abhängig von der Ijänge / und dem Trägheitsmomente/"des Pfeilers, femer von dem Elastizitätsmaß Ü/,die Zusamraendrückung oder Dehnung et außer von demElastizitätsmas E noch von der Verbindungslänge X des oberenStabes und der Querachnittfläche F.Es ist ö = EJ3 F-EBestehen beide Stäbe aus Stoffen von dem gleichen Elastizitätsmaß,so iUUt der Einfluß des letzteren vollständig ans denfolgenden Gleichungen heraus. Bei Stoffen von verecliiedenenElastizitätsmaßen ist nur das Verhältnis n derselben in Rechnungzu setzen.Die Werte a und 6 infolge ^ =^ 1 können <strong>für</strong> die verschiedenenStäbe von vorn herein leicht bestimmt und alsZahlengrößen ohne weiteres in die folgenden Gleichungeneingesetzt werden.Die Kraft 7^=^ 1 verteilt sich nun auf die einzelnenPfeiler nach Xy, X^, X^, X^, X^, X^, (vgl. Abb. 17a).AUdann berechnen sich die Werte Xj, A^g, JC3, X^^^ X^,X^ aus folgenden Gleichungen;^*^ \x,-d,-[-{X,^X,).a,=^X,.d,{o)X,-d,+{Xi + X, + X,)a,={X,+X,-\-X,)a,-\.X,-d,d,^X,-Ö,-\-{X,-\-X,)a,'" (S:(d) X,-\-X,-^X,-^X,-{-X^-\-X,^T.Da die d und & Zahlengrößen sind, gestaltet sich die Auflösungder Gleichungen sehr einfach. Man schafft zunächstin den Gleichungen (a) und (b) von oben und unten gleichzeitiganfangend eine Unbekannte nach der anderen herausund erhält dann aus den Gleichungen (c) und (d) eineGleichung mit nur einer Unbekannten.Ist der Stab lg nicht vorhanden, sondern statt seinervolle Ausmauerung, so ist ^3 gleich Null zu setzen.Genau gilt diese Verteilung der Kraft T auf die einzelnenPfeiler nur, wenn letztere gelenkartig mit der Fahr^^bahn verbunden sind. Doch kann das Verfahren auch beivorhandener Verspannung als annähernd richtig gelten.(Schluß folgt.)Buchdruckerei des WaiaönhAtikeA in Halle a. d. S.

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