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Der Nationale Integrationsplan: eine Agenda auf dem Prüfstand

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gen und will sich unbedingt verwirklichen mit eigenen<br />

Förderprogrammen und Richtlinien. Wenn man dann<br />

als Träger mit <strong>eine</strong>m Konzept kommt, das etwa an individueller<br />

Besonderheit ansetzt, dann passen da Förderrichtlinien<br />

nicht oder dort fehlt der passende Rechtstitel.<br />

Und schon war’s das mit <strong>dem</strong> Konzept.<br />

Kravchik: Die Politik muss sich überlegen, wie die Menschen<br />

in Deutschland gleichen Zugang zu Ressourcen<br />

bekommen. Das Zuwanderungsgesetz ist nichts anderes<br />

als <strong>eine</strong> Hierarchisierung von Migrantengruppen, das<br />

z. B. den Zugang zum Arbeitsmarkt unterschiedlich kanalisiert.<br />

Solange sich die Migranten hier nur geduldet<br />

fühlen, werden sie sich nicht integrieren. Zu<strong>dem</strong> sch<strong>eine</strong>n<br />

mir viele Integrationskonzepte noch geprägt vom<br />

veralteten Gedanken der Assimilation: Die Migranten<br />

müssen sich an die Mehrheitskultur anpassen. In Kanada<br />

beispielsweise wird kulturelle Differenz in vielen Bereichen<br />

– Politik, Medien, Bildung – gefördert.<br />

DREIZEHN: Was wären für Sie die nötigsten Korrekturen,<br />

um Bildungschancen von Migranten zu verbessern<br />

?<br />

Thieme: Ein Professor von der Uni Köln vom Institut<br />

Lehrerbildung meinte: „Bevor sich in Deutschland im<br />

Bildungssystem etwas ändert, muss sich grundsätzlich<br />

die Lehrerbildung ändern.“ Die Konzepte der Lehrerbildung<br />

stammen noch aus Achtzehnhundert-irgendwas.<br />

<strong>Der</strong> Anspruch des Lehrers ist der, dass sich die Schüler<br />

an der Schule orientieren müssen. Es müsste genau umgekehrt<br />

l<strong>auf</strong>en und die Schulen müssten schauen: Wo<br />

befi nden sich die Schüler, um sie dort abzuholen, wo sie<br />

sind.<br />

Aba: Ich kenne viele Familien, die in Kreuzberg oder<br />

Neukölln gewohnt haben, bis ihre Kinder eingeschult<br />

wurden. Dann hieß es: „Auf diese Schule geht mein<br />

Kind nicht, weil hier zu viele Migranten hingehen.“ Sie<br />

zogen in bessere Viertel. Doch die Flucht vor <strong>dem</strong> vermeintlichen<br />

Problem war k<strong>eine</strong> Lösung, denn auch in<br />

den anderen Vierteln gehen Migrantenkinder zur Schule,<br />

nur nicht so viele. Die Politik und andere verstecken<br />

sich teilweise hinter der Migranten-Schablone.<br />

Thieme: Es gibt viele Migrations-Jugendliche, die fast<br />

perfekt Deutsch lernen und andere, aus der dritten Generation,<br />

die sprechen ihre Muttersprache und Deutsch<br />

nur rudimentär. Doch dies ist kein Integrations-, sondern<br />

tatsächlich ein soziales Problem. Wir erleben das<br />

verstärkt auch bei einheimischen Jugendlichen aus<br />

Hartz-IV-sozialisierten Familien. Die brauchen teilweise<br />

schon ein Wörterbuch, um das normale deutsche Voka-<br />

Die Interviewpartner:<br />

Fotos: Edith Neubert-Mai/Marcus Vogt<br />

Im Fokus dreizehn Heft 2 2008 | 47<br />

<strong>Der</strong> Tunesier Hamza Chourabi lebt seit<br />

1991 in Deutschland. Er studierte<br />

Kulturwissenschaft und ist seit acht<br />

Jahren im sozialen Bereich tätig. Seit<br />

2005 betreut er <strong>eine</strong> Fachstelle für<br />

Integration und Migration bei der AWO<br />

in Berlin.<br />

E-Mail: hamza.chourabi@awoberlin.de<br />

Vera Kravchik, in St. Petersburg (Russland)<br />

geboren, arbeitet seit 2006 im Jugendmigrationsdienst<br />

des Diakonischen Werkes<br />

in Berlin Neukölln. Die diplomierte<br />

So zi al pä dagogin sammelte davor langjährige<br />

Er fahrungen in der Jugendsozialarbeit<br />

in St. Petersburg und Berlin.<br />

E-Mail: Kravchik@diakonisches-werkberlin.de<br />

Susanne Lange arbeitet seit 1999 für den<br />

SOS Kinderdorf e.V.. Seit 2002 ist sie<br />

Bereichsleiterin für den Bereich Gastronomie<br />

sowie seit 2006 zuständig für die<br />

Schulsozialarbeit im SOS-Berufsausbildungszentrum.<br />

E-Mail: susanne.lange@sos-kinderdorf.de<br />

<strong>Der</strong> aus der Türkei stammende Hasan<br />

Aba ist seit 2005 sozialpädagogischer<br />

Mitarbeiter beim Jugendmigrationsdienstes<br />

Promigra. S<strong>eine</strong> Schwerpunkte<br />

sind sozialpädagogische Beratung und<br />

Betreuung der Neuzuwanderer unter<br />

27 Jahren im Bereich Integration. Er ist<br />

Diversity-Berater und -Trainer.<br />

E-Mail: jmd.mitte@cjd-berlin.de<br />

Thomas Thieme ist seit 1999 Leiter des<br />

Interkulturellen Beratungs- und Begegnungszentrums<br />

Fürstenwalde der Caritas.<br />

Zu den dortigen Fachdiensten gehören<br />

auch ein Jugendmigrationsdienst, <strong>eine</strong><br />

Kompetenzagentur und weitere Angebote.<br />

E-Mail:<br />

t.thieme@caritas-fuerstenwalde.de<br />

bular zu verstehen, was über die r<strong>eine</strong> Alltagssprache<br />

hinausgeht.<br />

Lange: Ich kannte viele einheimische Jugendliche aus<br />

<strong>dem</strong> Berliner Ostteil, die hatten k<strong>eine</strong> Chance <strong>auf</strong> ein<br />

Abitur. Die haben sich gefragt: „Warum die und wir<br />

nicht?“ Kinder aus besseren Schichten haben bereits im<br />

Alter von zehn Jahren <strong>eine</strong>n ganz anderen Horizont,<br />

da sie von den Eltern gefördert werden oder Dinge wie

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