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Kleinstädte nullachtfünfzehn? - Archäologie Schweiz

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<strong>Archäologie</strong> <strong>Schweiz</strong> AS<br />

<strong>Schweiz</strong>erische Arbeitsgemeinschaft für die<br />

<strong>Archäologie</strong> des Mittelalters und der Neuzeit SAM<br />

<strong>Schweiz</strong>erischer Burgenverein SBV<br />

(Herausgeber)<br />

Siedlungsbefunde und<br />

Fundkomplexe der Zeit<br />

zwischen 800 und 1350<br />

Archéologie Suisse AS<br />

Groupe de travail suisse pour l’archéologie<br />

du Moyen Age et de l’époque moderne SAM<br />

Association suisse Châteaux forts SBV<br />

(éditeurs)<br />

Habitat et mobilier<br />

archéologiques de la période<br />

entre 800 et 1350<br />

Akten des Kolloquiums<br />

zur Mittelalterarchäologie in der <strong>Schweiz</strong><br />

Actes du Colloque<br />

« Archéologie du Moyen Age en Suisse »<br />

Frauenfeld, 28.–29.10. 2010<br />

Verlag <strong>Archäologie</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Basel 2011


Umschlag:<br />

Couverture:<br />

Vornehm gewandeter Mann mit einem Falken auf der Faust, Messergriff aus Knochen. Höhe 6,8 cm. 1. Hälfte 14. Jh. Fundort Zürich, Rindermarkt 7. — Zeichnung<br />

Franz Wadsack, Moudon.<br />

Groteske Fratze, Pilzkachel mit grün glasiertem Reliefdekor. Fundort Altendorf SZ-St. Johann, Alt-Rapperswil. Fratzenhöhe 8,7 cm. Vor 1350. — Zeichnung Staatsarchiv<br />

Schwyz, C. Liechti.<br />

Manche de couteau en forme d’homme, noblement vêtu, avec un faucon dans la main, en os. Hauteur 6,8 cm. 1 e moitié du 14 e s. Provenance : Zurich, Rindermarkt<br />

7. — Dessin Franz Wadsack, Moudon.<br />

Visage monstrueux, catelle-champignon avec décor en relief et glaçure verte. Lieu de découverte Altendorf SZ-St. Johann, Vieux-Rapperswil. Hauteur du visage<br />

8,7 cm. Avant 1350. — Dessin Staatsarchiv Schwyz, C. Liechti.<br />

Wissenschaftliche Leitung / Direction scientifique: Steuerungsgruppe SPM VII (s. S. 5), im Auftrag der Wissenschaft lichen<br />

Kommission der <strong>Archäologie</strong> <strong>Schweiz</strong> / sur mandat de la Commission Scientifique d’Archéologie Suisse.<br />

Die Umsetzung dieser Internet-Publikation wurde unterstützt durch die <strong>Schweiz</strong>erische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften<br />

SAGW. / La réalisation de cette publication éléctronique a été largement soutenue par l’Académie des Sciences<br />

humaines et sociales ASSH.<br />

Die Publikation ist online gratis verfügbar unter www.archaeologie-schweiz > Publikationen > Online-Publikationen.<br />

La publication est mise à disposition en ligne gratuitement sur www.archeologie-suisse.ch > Publications > Publications en<br />

ligne.<br />

Bestelladresse für die gedruckte Version (print on demand): <strong>Archäologie</strong> <strong>Schweiz</strong>, Petersgraben 51, Postfach 116, CH-4003<br />

Basel, info@archaeologie-schweiz.ch<br />

Adresse de commande pour la version imprimée (print on demand) : Archéologie Suisse, Petersgraben 51, case postale 116,<br />

CH-4003 Bâle, info@archeologie-suisse.ch<br />

Redaktion:<br />

Korrektorat:<br />

Satzvorbereitung:<br />

Druckvorstufe:<br />

Urs Niffeler<br />

Reto Marti<br />

Marianne Grauwiler<br />

Isabelle D. Oster<br />

Copyright by <strong>Archäologie</strong> <strong>Schweiz</strong>, Basel 2011.<br />

ISBN 978-3-908006-57-2


Inhaltsverzeichnis – Table de matière – Indice<br />

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Siedlungsbefunde — Habitat<br />

Grubenhaus bis Wohnturm<br />

Reto Marti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

<strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>?<br />

Peter Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

Basel: Bauen bis zum Erdbeben —<br />

die Stadt als Baustelle<br />

Christoph Philipp Matt und Bernard Jaggi . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Ländliche Siedlungen in der Nordostschweiz:<br />

zur Entwicklung von Siedlungsanlagen, Bauformen<br />

und Bautechnik (800–1350)<br />

Renata Windler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

Städtische Siedlungen — Überblick zu Siedlungs -<br />

entwicklung und Siedlungs topografie: Zürich,<br />

Winterthur, Weesen<br />

Andreas Motschi und Werner Wild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

Städtischer Hausbau in der Nordostschweiz bis 1350<br />

(ohne Kanton Schaffhausen)<br />

Andreas Motschi und Werner Wild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

Holz im Steinbau<br />

Jürg Goll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

Schaan FL — 22 m 2 Hochmittelalter<br />

Ulrike Mayr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

Wohn- und Wirtschaftsbauten in der ländlichen<br />

Zentralschweiz und in der Stadt Zug<br />

Adriano Boschetti-Maradi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Bauten in Luzerner Städten<br />

Christoph Rösch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

Spurensuche zwischen 800 und 1350: Landsiedlungen<br />

der Kantone Bern, Freiburg und Solothurn<br />

Katharina König, in Zusammenarbeit mit Gabriele Graenert . . 161<br />

Solothurn, eine gewachsene Stadt von der Römerzeit<br />

bis ins Spätmittelalter<br />

Ylva Backman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

Die «gegründeten» Städte — Stadtgründungen<br />

und -erweiterungen in den Kantonen Bern, Freiburg<br />

und Solothurn<br />

Armand Baeriswyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181<br />

Architecture civile urbaine des cantons de Berne<br />

et Fribourg (1150–1350)<br />

Gilles Bourgarel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />

Les problématiques des aménagements portuaires<br />

dans l’arc lémanique<br />

Valentine Chaudet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213<br />

Villes et bourgs neufs de Suisse occidentale —<br />

obser vations archéologiques sur le processus<br />

d’édification aux 13 e et 14 e siècles<br />

Jacques Bujard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />

L’habitat dans la plaine du Rhône et en moyenne<br />

montagne au haut Moyen Âge<br />

Alessandra Antonini et Olivier Paccolat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Les fortifications de terre et de bois au Moyen Âge,<br />

origine et permanence en Suisse occidentale<br />

Jean Terrier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

Fundkomplexe — Mobilier archéologique<br />

Keramik der Nordwestschweiz —<br />

Typologie und Chronologie<br />

Reto Marti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269<br />

Fundobjekte «premium selection» von der Burgruine<br />

Alt Homberg, Wittnau AG<br />

Christoph Reding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

Artisanat et industrie du fer dans le nord-ouest de la<br />

Suisse du 9 e au 14 e siècle<br />

Ludwig Eschenlohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

Serientöpfe — Topfserien: Gefässformentwicklung<br />

in der Nordostschweiz<br />

Valentin Homberger und Kurt Zubler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />

Spezielles und regionale Besonderheiten der Gefäss -<br />

keramik im Gebiet der Stadt und des Kantons Zürich<br />

sowie in den Kantonen Schaffhausen und Thurgau<br />

Annamaria Matter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319<br />

Entwicklung und Besonderheiten des Kachelofens<br />

in der Nordostschweiz<br />

Albin Hasenfratz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />

Nichtkeramische Objekte aus der Nordostschweiz —<br />

eine Auswahl<br />

Werner Wild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333<br />

Recipienti dal Canton Ticino (800–1350): il punto<br />

della situazione<br />

Maria-Isabella Angelino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

3


Lavez, Holz und Keramik: Gefässe aus der Burg<br />

Marmels (Marmorera GR)<br />

Lotti Frascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />

Keramik- und Lavezgefässe der Zeit von 800 bis 1200<br />

aus Müstair GR-Kloster St. Johann<br />

Christian Terzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361<br />

(K)eine Fundvorlage — zum Fundmaterial des<br />

Zeitraums 800–1350 aus dem Kanton Luzern<br />

Fabian Küng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369<br />

Referenzkomplexe der Zentralschweiz<br />

Eva Roth Heege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375<br />

800–1350: Funde aus Landsiedlungen der Kantone<br />

Bern, Solothurn und Freiburg<br />

Gabriele Graenert, in Zusammenarbeit mit<br />

Katharina König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />

Solothurn: Exemplarische Stratigrafien und Funde<br />

1000–1350<br />

Ylva Backman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405<br />

Materielle Kultur im Kanton Bern 1150–1350 — die<br />

wichtigsten Fundstellen und das Fundspektrum aus der<br />

Gerechtigkeitsgasse in Bern (nach 1191 und bis 1300)<br />

Andreas Heege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417<br />

Céramique en milieu urbain dans le canton de<br />

Fribourg : 1150–1350<br />

Gilles Bourgarel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427<br />

La céramique médiévale en Suisse occidentale —<br />

état de la connaissance dans les cantons de Genève,<br />

Neuchâtel, Valais et Vaud<br />

Michelle Joguin Regelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449<br />

Synthesen — Synthèses<br />

Befunde aus städtischen und ländlichen Siedlungen<br />

(800–1350)<br />

Georges Descœudres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467<br />

Fundkomplexe der Zeit zwischen 800 und 1350<br />

Adriano Boschetti-Maradi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475<br />

Abkürzungen – Abréviations – Abbreviazioni<br />

AAS Annuaire d’Archéologie Suisse<br />

ABBS Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-<br />

Stadt<br />

ADSO <strong>Archäologie</strong> und Denkmalpflege im Kanton Solothurn<br />

AF Archéologie Fribourgeoise<br />

AiZ <strong>Archäologie</strong> im Kanton Zürich<br />

AKBE <strong>Archäologie</strong> im Kanton Bern<br />

AM Archeologia Medievale<br />

ArchBE Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons<br />

Bern<br />

ArchBE <strong>Archäologie</strong> Bern — Archéologie bernoise<br />

as. archäologie schweiz — archéologie suisse — archeologia<br />

svizzera<br />

ASA Anzeiger für <strong>Schweiz</strong>erische Altertumskunde<br />

ASO <strong>Archäologie</strong> des Kantons Solothurn<br />

ASSPA Annuaire de la Société Suisse de Préhistoire et d’Ar -<br />

chéologie – Annuario della Società Svizzera di Preisto -<br />

ria e di Archeologia<br />

BSSI Bollettino Storico della Svizzera Italiana<br />

BZ Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde<br />

CAF Cahiers d’Archéologie Fribourgeoise, Fribourg<br />

CAR Cahiers d’Archéologie Romande, Lausanne<br />

ENr. Ereignisnummer<br />

FA Freiburger <strong>Archäologie</strong><br />

FHA Freiburger Hefte für <strong>Archäologie</strong><br />

FRB Fontes Rerum Bernensium<br />

HA helvetia archaeologica<br />

HLS Historisches Lexikon der <strong>Schweiz</strong><br />

HS Helvetia Sacra<br />

JbAB Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung<br />

Basel-Stadt<br />

JbADGDG Jahresbericht des Archäologischen Dienstes Graubün -<br />

den und der Denkmalpflege Graubünden<br />

JbAS Jahrbuch der <strong>Archäologie</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

JbHGL Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern<br />

(1983–2001); Historische Gesellschaft Luzern, Ar chä -<br />

o logie, Denkmalpflege, Geschichte (seit 2002)<br />

JbHVFL Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

JbSGUF Jahrbuch der <strong>Schweiz</strong>erischen Gesellschaft für Urund<br />

Frühgeschichte<br />

KA Kantonsarchäologie<br />

KdS Die Kunstdenkmäler der <strong>Schweiz</strong><br />

LAFL Landesarchäologie des Fürstentums Liechtenstein<br />

RHV Revue historique vaudoise<br />

SBKAM <strong>Schweiz</strong>er Beiträge zur Kulturgeschichte und <strong>Archäologie</strong><br />

des Mittelalters<br />

SCA Service Cantonal d’Archéologie<br />

ZA Zürcher <strong>Archäologie</strong><br />

ZD Zürcher Denkmalpflege, Stadt Zürich, Bericht<br />

ZAK Zeitschrift für <strong>Schweiz</strong>erische <strong>Archäologie</strong> und Kunst -<br />

geschichte<br />

ZAM Zeitschrift für <strong>Archäologie</strong> des Mittelalters<br />

4


<strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>?<br />

Mittelalterliche <strong>Kleinstädte</strong> in der Nordwestschweiz<br />

Peter Frey<br />

Einleitung<br />

Die ältere Forschung betrachtete die mittelalterliche Kleinstadt<br />

vorwiegend als wehrhaften Stützpunkt der Stadtherren<br />

oder als Miniaturausgabe einer Mittelstadt. Heute ist klar,<br />

dass sie von beidem etwas hat. Darüber hinaus besteht der<br />

berechtigte Verdacht, dass sich hinter dem Begriff in baulicher<br />

und wirtschaftlicher Hinsicht weit unterschiedlichere<br />

Gebilde verbergen, als dies der heute noch dürftige Stand<br />

der Forschung erahnen lässt.<br />

Zwei exemplarische Beispiele für das Phänomen der Kleinstadt<br />

sind Laufen im Kanton Baselland und Meienberg im<br />

südlichen Kanton Aargau. Sie unterscheiden sich grundsätzlich<br />

vom Baustoff der Häuser und von der baulichen Grundstruktur<br />

her.<br />

Laufen<br />

Die Befunde aus Laufen sind publiziert. Die Ausgrabungen<br />

auf dem Rathausplatz wurden unter der örtlichen Leitung<br />

von Jakob Obrecht durchgeführt und von Jochem Pfrommer<br />

ausgewertet. Erfasst wurden 6 Holzhäuser aus der Gründungs<br />

zeit der Stadt, beziehungsweise deren Überreste, be -<br />

stehend aus verkohlten Schwellbalken, Wandsubstruktionen<br />

und Böden.<br />

Die Häuser wurden im Zuge der Stadtgründung im letzten<br />

Drittel des 13. Jh. erbaut (Periode I). Bald nach der Mitte<br />

des 14. Jh. brannten sie ab und wurden durch — hier nicht<br />

mehr zu beschreibende — Neubauten ersetzt.<br />

Die Häuser 1 bis 6 bildeten eine geschlossene Zeile mit einheitlicher<br />

Gassenfront (Abb. 1). Die Häuserbreite — sofern<br />

erfasst — beträgt jeweils 5.4 m, 5.7 m und 6.4 m. Charakteris -<br />

tisch sind gemeinsame Längswände. Die Ausgräber und Be -<br />

arbeiter gehen mit guten Gründen von zwei Geschossen aus.<br />

Die Wände bestanden aus Fachwerk oder Bohlen. Zumindest<br />

das Erdgeschoss war durch Binnenwände in mehrere<br />

Räume unterteilt. Für die Häuser 3 und 5 sind breite Korridore<br />

nachgewiesen, denen sich in ersterem beidseitig und in<br />

letzterem einseitig Räume anschlossen. Mit Ausnahme von<br />

Haus 5 gab es durchwegs zur Gasse hin gelegene Räume mit<br />

Holzböden. Sie können als Werkstätten oder Verkaufslokale<br />

gedient haben. Die gefangenen, fensterlosen Räume im mittleren<br />

Teil der Häuser sind wohl eher als Vorratskeller, Magazine<br />

oder Kleintierställe zu deuten. Wie die Zonen im hinteren<br />

Hausteil wiesen sie Böden aus Lehm oder Erde auf. In<br />

Haus 6 fanden sich hier Feuerstellen, die vermutlich der Ausübung<br />

handwerklicher Tätigkeiten gedient hatten.<br />

Haus 1 Haus 2 Haus 3 Haus 4 Haus 5 Haus 6<br />

A<br />

A<br />

A<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

C<br />

A A<br />

A<br />

A<br />

A<br />

B B B<br />

A C<br />

B<br />

A<br />

A<br />

A<br />

B<br />

C<br />

Periode I, Wände<br />

Periode I, Holzboden<br />

Lehm- & Erdboden<br />

Korridor<br />

C<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

Feuerstelle<br />

0 5m<br />

Abb. 1.<br />

Laufen BL, Rathausplatz. Baualterplan.<br />

P. Frey, <strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>? Mittelalterliche <strong>Kleinstädte</strong> in der Nordwestschweiz<br />

23


88<br />

460<br />

671'200<br />

671'150<br />

671'100<br />

671'050<br />

671'000<br />

670'950<br />

670'900<br />

228'000<br />

SINS-MEIENBERG, Parz.83/84 Sin.005.1<br />

Katasterplan mit archäolog. Befunden & Höhenkurven (2m)<br />

M=1:500 27.8.2010 T.Frey<br />

© Kantonsarchäologie Aargau<br />

62<br />

90<br />

801<br />

6726<br />

3432<br />

NC 694<br />

450<br />

803<br />

227'950<br />

3152<br />

750<br />

802<br />

89<br />

64<br />

450<br />

65<br />

92<br />

6727<br />

93<br />

3171<br />

86<br />

87<br />

763a<br />

751<br />

6484<br />

94<br />

70<br />

764<br />

95<br />

460<br />

85<br />

102<br />

13<br />

NC 160c<br />

227'900<br />

765<br />

2546<br />

6728<br />

470<br />

6483<br />

3027<br />

104<br />

752<br />

73<br />

753<br />

NC 160b<br />

762<br />

97<br />

101<br />

3732<br />

759<br />

98<br />

6482<br />

2990<br />

3028<br />

460<br />

84<br />

6729<br />

756<br />

77<br />

227'850<br />

83<br />

105<br />

757<br />

638<br />

81<br />

75<br />

74<br />

470<br />

78<br />

76<br />

460<br />

227'800<br />

636<br />

635<br />

0 25m<br />

Abb. 2.<br />

Sins AG, Meienberg. Übersichtsplan.<br />

Da die Struktur der Bauten zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweist<br />

und herausragende Funde fehlen, dürften ihre Bewohner<br />

wohl vom Handwerk und von der Landwirtschaft gelebt<br />

haben.<br />

Meienberg<br />

Das im südlichen Aargau gelegene Meienberg wurde um<br />

1240 durch die Habsburger zur Stadt erhoben und bereits<br />

1386, zu Beginn des Sempacherkrieges, durch die Eidgenossen<br />

besetzt und wenige Wochen später unter dramatischen<br />

Umständen zerstört. Seither besteht hier nur noch ein Kleindorf.<br />

Die Siedlung nahm eine spornartige Geländezunge zwischen<br />

zwei tief eingeschnittenen Bachläufen ein (Abb. 2). Durch<br />

einen steil abfallenden Hang war das 1.8 ha grosse Gesamtareal<br />

in eine Ober- und in eine Unterstadt gegliedert. Die<br />

2005 im Bereich der Oberstadt vorgenommenen Grabungen<br />

und die Bauuntersuchung im sogenannten Amtshaus von<br />

1987 werden zurzeit ausgewertet. Erfasst wurden ein rund<br />

80 m langes Teilstück der Stadtmauer und 7 Häuser.<br />

Im Zuge der Stadtgründung um 1240 wurde die präurbane<br />

Siedlung geschleift und die Hügelkuppe im Bereich der<br />

Oberstadt eingeebnet. Dabei wurde gegen die Mitte hin Erdreich<br />

abgetragen. Schon während der Baugrundplanierung<br />

erfolgte der Bau der Stadtmauer und der Häuser 1 und 2,<br />

die mit jener im Verband stehen.<br />

In der 2. Hälfte des 13. und im frühen bis mittleren 14. Jh.<br />

folgte der Bau der Häuser 3, 4, 5, 6, 10 und 11 sowie die<br />

Erweiterung von Haus 1 nach Osten (Abb. 3). Diese Ge -<br />

bäude waren — abgesehen von Haus 6 — an die Stadtmauer<br />

angebaut worden. Letzteres lag vermutlich in einer<br />

im Zentrum der Oberstadt errichteten Häuserzeile. Von<br />

ihm ist nur der kleine gemauerte Keller erhalten geblieben.<br />

Das gleiche gilt für das ebenfalls aus Holz gebaute Haus 5.<br />

Eine vollständige Unterkellerung wiesen die Häuser 3 und 4<br />

sowie der ostseitige Anbau von Haus 1 auf. Der Zugang<br />

zum Keller von Haus 6 erfolgte von aussen über eine<br />

Rampe und durch eine Türe mit hölzernem Türgericht. Das<br />

Untergeschoss von Haus 3 war durch einen altanartigen<br />

Vorbau (Kellerhals) und über eine innen anschliessende<br />

Holztreppe zu erreichen. Der Keller von Haus 4 war mit<br />

einer ebenerdig gelegenen Türe versehen, an die im Keller<br />

eine stei nerne Treppe anschloss. Da die Kellermauern von<br />

Haus 5 keine Türöffnung aufwiesen, bestand wohl nur eine<br />

Falltüre in der Decke. Ohne Keller verblieben die Häuser 1,<br />

2, 10 und 11.<br />

24 P. Frey, <strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>? Mittelalterliche <strong>Kleinstädte</strong> in der Nordwestschweiz


Erbaut:<br />

Abb. 3.<br />

Haus<br />

10<br />

Haus<br />

2<br />

Keller<br />

um 1240/50<br />

Haus 11<br />

Haus 3<br />

Keller<br />

1250 bis 1385<br />

0 10m<br />

Haus 4<br />

Keller<br />

Haus 5<br />

Sins AG, Meienberg. Baualterplan.<br />

Keller<br />

Haus 6<br />

Haus 1<br />

Von den Häusern der Stadt Meienberg sind — mit Aus -<br />

nahme von Haus 11 — nur die Grund- und Kellermauern<br />

erhalten. Wegen der Dicke der Grundmauern, die zwischen<br />

0.8 m und 1.2 m variiert, ist von zwei- bis dreigeschossigen<br />

Gebäuden auszugehen. Die Erschliessung der Obergeschosse<br />

erfolgte zumindest bei den Häusern 3 und 4 über einen<br />

Hocheingang. Haus 3 verfügte über ein altanähnliches Treppenpodest,<br />

wie es im Aargau von den Häusern 1 und 2<br />

der Burg Freudenau und vom Palas der Burg Klingnau her<br />

bekannt ist.<br />

Aus der überdurchschnittlichen Grösse der Häuser 1 und 2<br />

ist wohl auf finanziell potente Hausbesitzer zu schliessen.<br />

Möglicherweise waren sie von den habsburgischen Stadtherren<br />

mit grossen Grundstücken ausgestattet worden und<br />

hatten als Gegenleistung auf ihrer Parzelle die Stadtmauer zu<br />

Keller<br />

errichten. Für dieses Vorgehen sprechen eine Baunaht an der<br />

Südwestecke von Haus 1 und Unterschiede in der Baustruktur<br />

und Mauerdicke der Stadtmauer. Nach dem Bau des entsprechenden<br />

Abschnitts und ihrer Häuser — so möchte man<br />

meinen — teilten die Besitzer der Häuser 1 und 2 ihre<br />

Grund stücke auf und gaben Parzellen an Zuzüger ab.<br />

Ein besonders repräsentatives Gebäude war Haus 11, von<br />

dem aufgehendes Mauerwerk in einem frühneuzeitlichen<br />

Wohnbau erhalten blieb. Es bestand aus einem an die Stadtmauer<br />

angebauten Turmhaus und einem später hinzugekom -<br />

menen Erweiterungsbau (Südosttrakt). Das mindestens dreigeschossige<br />

Turmhaus wies im Erdgeschoss einen von Osten<br />

her erschlossenen Lagerraum oder eine Stallung auf. Im ersten<br />

Obergeschoss, das vermutlich über einen Hocheingang<br />

erschlossen wurde, gab es eine Stube mit Hinterladerofen.<br />

Davon erhalten blieb in der südöstlichen Fassadenmauer die<br />

Einfeuerungsöffnung samt Konsolen eines kleinen Schutzdachs.<br />

Im 14. Jh. wurde der dreigeschossige Südosttrakt<br />

angebaut. Im ersten Obergeschoss, in das man über einen<br />

Hocheingang in der Nordostwand gelangte, lagen die<br />

Küche und repräsentative Wohnräume. Das Bauvolumen<br />

und die architektonischen Gestaltungselemente — wie Kielbogenportal,<br />

bossierte Ecksteine, Fenster mit Sitznischen —<br />

weisen Haus 11 als Adelssitz aus. Urkundlich bezeugt sind<br />

in Meienberg Burglehen der Herren von Hünenberg und<br />

Baldegg. Zudem wohnten hier seit 1251 die Gessler, eine im<br />

habsburgischen Dienstadel aufsteigende Familie, die 1359<br />

durch Pfandschaft in den Besitz der Stadt gelangte.<br />

In den kleineren Steinbauten 3, 4 und 10 sowie in den Holzhäusern<br />

5 und 6 wohnten vermutlich Handwerker, Kleinhändler<br />

und Ackerleute. Durch Produktionsabfälle belegt<br />

sind Kochenschnitzer, Paternosterer und Schmiede. Im Holzhaus<br />

5 wohnte und arbeitete vermutlich ein Gürtler (Gürtelschmied).<br />

Neben Altmetall, Stangenbarren und zahlreichen<br />

Gürtelschnallen aus Eisen und Bronze wurden in seinem<br />

Keller im Brandschutt von 1386 ein Aquamanile in der<br />

Gestalt eines musizierenden Kentauren und zwei Keramikbecher<br />

gefunden. Offenbar legte der Hausherr Wert auf verfeinerte<br />

Tischsitten.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass 4 von 8 Häusern<br />

in der Oberstadt wohlhabenden Familien gehörten. In<br />

Haus 5 wohnte eine Handwerkerfamilie und in Haus 11<br />

eine Adelsfamilie.<br />

Peter Frey<br />

Kantonsarchäologie Aargau<br />

Industriestrasse 3<br />

5200 Brugg<br />

peter.frey@ag.ch<br />

P. Frey, <strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>? Mittelalterliche <strong>Kleinstädte</strong> in der Nordwestschweiz<br />

25


Katalog<br />

Laufen BL, Rathausplatz<br />

LK 1087, 604 660/252 380. Höhe 350 m.<br />

Ausgrabung: 1988/89.<br />

Städtische Siedlung.<br />

Bibliografie: J. Pfrommer/D. Gutscher, Laufen Rathausplatz. Bern<br />

1999.<br />

Haus 1: Holzhaus der Periode I, Bauphase 1, um 1270/80. Haus 1<br />

hat eine gemeinsame Längswand mit Haus 2. Seine Länge ist unbekannt,<br />

die Breite beträgt mindesten 4.5 m. Das Hausinnere wird<br />

durch eine quer verlaufende Binnenwand unterteilt. Beidseits der<br />

Binnenwand deuten quer verlaufende Bodenbalken auf Holzböden<br />

hin.<br />

Haus 2: Holzhaus der Periode I, Bauphase 1, um 1270/80. Haus 2<br />

hat gemeinsame Längswände mit den Häusern 1 und 3. Seine Länge<br />

ist unbekannt, die Breite beträgt 5.7 m. Das Hausinnere wird<br />

durch eine längs verlaufende Binnenwand halbiert. Der Abschnitt<br />

nördlich der Längswand ist durch eine quer verlaufende Binnenwand<br />

in zwei Räume unterteilt. Jener südlich der Längswand weist<br />

einen Holzboden auf, die übrigen haben Lehm und Erdböden.<br />

Haus 3: Holzhaus der Periode I, Bauphase 1, um 1270/80. Haus 3<br />

hat gemeinsame Längswände mit den Häusern 2 und 4. Seine Länge<br />

ist unbekannt, die Breite beträgt 6.4 m. Das Hausinnere wird<br />

durch zwei Längswände in einen Korridor und beidseits anschliessende<br />

Räume unterteilt. Die Zonen beidseits des Korridors sind<br />

durch je eine Querwand in zwei Räume gegliedert. Der nordwestliche<br />

ist mit einem Holzboden, die übrigen mit Lehm- und Erdböden<br />

versehen.<br />

Haus 4: Holzhaus der Periode I, Bauphase 1, um 1270/80 und<br />

Bauphase 2, um 1300. Haus 4 hat gemeinsame Längswände mit<br />

den Häusern 3 und 5. Seine Länge ist unbekannt, die Breite beträgt<br />

5.7 m. Das Hausinnere wird durch Längs- und Querwände anfänglich<br />

in 7 und nach dem Einbau einer zusätzlichen Querwand in 8<br />

Räume unterteilt. Die zur Gasse hin orientierten Räume weisen<br />

Holz-, die übrigen Lehm- und Erdböden auf. Der schmale langrechteckige<br />

Raum in der nordöstlichen Ecke könnte als Korridor<br />

gedient haben.<br />

Haus 5: Holzhaus der Periode I, Bauphase 1, um 1270/80. Haus 5<br />

hat gemeinsame Längswände mit den Häusern 4 und 6. Seine Länge<br />

ist unbekannt, die Breite beträgt 5.4 m. Das Hausinnere ist<br />

durch Längs- und Querwände in einen L-förmigen Korridor und<br />

zwei nördlich anschliessende Räume aufgeteilt, die beide Lehmund<br />

Erdböden aufweisen. Möglicherweise handelt es sich bei<br />

Haus 5 um eine Stallscheune oder um einen Magazinbau.<br />

Haus 6: Holzhaus der Periode I, Bauphase 1, um 1270/80 und<br />

Bauphase 3, um 1330/40. Haus 6 hat eine gemeinsame Längswand<br />

mit Haus 5. Seine Länge ist unbekannt, die Breite beträgt<br />

mindestens 6 m. Das Hausinnere ist anfänglich durch Längs- und<br />

Querwände in einen Korridor und 6 westlich, nördlich und östlich<br />

anschliessende Räume aufgeteilt. Um 1330/40 werden neue Querund<br />

Längswände eingefügt; zum Teil ersetzen sie Binnenwände der<br />

Bauphase 1. Das Haus ist nun mit Aufgabe des Korridors neu in 8<br />

Räume aufgegliedert. Die zur Gasse orientierten Räume weisen<br />

Holz-, die übrigen Lehm- und Erdböden auf. Feuerstellen der Bauphase<br />

3 weisen auf handwerkliche Arbeiten hin.<br />

Sins AG, Meienberg<br />

LK 1130, 671 000/227 850. Höhe 471 m.<br />

Ausgrabungen: 1987; 2005.<br />

Stadtwüstung, um 1240 bis 1386, historische Quellen.<br />

Bibliografie: J.J. Siegrist, Spätmittelalterliche Herrschaft im südlichen<br />

Freiamt. Argovia 84, 1972, 118–198; W. Merz, Die mittelalterlichen<br />

Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau. Aarau 1906.<br />

Stadtmauer: Sie stammt aus der Gründungszeit der Stadt um<br />

1240/50 und steht im Verband mit den Häusern 1 und 2. Ihr Fundament<br />

ist in die Grube gemauert. Im West- und Südwestabschnitt<br />

besteht die Baugrubenverfüllung aus Bollensteinen und Lehm und<br />

im Südostabschnitt aus Brandschutt und Lehm. Das zweischalige<br />

Mauerwerk mit Gusskern hat im Fundamentbereich eine Dicke<br />

von 1.16–1.8 m. Im Bereich von Haus 11, wo sich die Stadtmauer<br />

bis zu einer Höhe von 6.7 m erhalten hat, misst das aufgehende<br />

Mauerwerk an der Basis 1.15 m und verjüngt sich mit starkem<br />

Anzug nach oben auf 0.9 m Dicke. Da keine Konstruktionselemente<br />

eines Wehrgangs erhalten geblieben sind, wird die Mauer noch<br />

mindestens 2 m höher hinauf gereicht haben. Es ist folglich von<br />

einer Gesamthöhe von rund 9–10 m auszugehen.<br />

Unterschiede in der Fundamentstärke und in der Struktur des Mauerwerks<br />

sowie eine Baufuge an der Südwestecke von Haus 1 lassen<br />

auf einen etappierten Bauablauf schliessen.<br />

Haus 1: Steinhaus aus der Gründungszeit der Stadt um 1240/50<br />

mit Erweiterungsbau aus der 2. Hälfte des 13. oder aus dem frühen<br />

bis mittleren 14. Jh. Das Haus steht im Verband mit der Stadtmauer.<br />

Gegliedert ist das L-förmige Gebäude in den rechteckigen<br />

Haupttrakt von 14.3 m Länge und 10 m Breite und in den westlichen<br />

Seitenflügel von 7.5 m Länge und 6.5 m Breite. Die Mauerstärke<br />

beträgt 0.9–1.2 m.<br />

Der Erweiterungsbau ist an der Ostseite des Haupttrakts und der<br />

Stadtmauer angebaut, vollständig unterkellert und hat eine Länge<br />

von 7 m bei einer Breite von 4 m. Seine Nord- und Ostwand bestehen<br />

aus einhäuptig aufgeführten Sockelmauern, darüber ist eine<br />

Holzkonstruktion zu vermuten. Der Zugang zum Keller erfolgt von<br />

Norden her durch einen Kellerhals.<br />

Nach dem Brand von 1386 wurde das Haus wieder aufgebaut und<br />

der Haupttrakt bei dieser Gelegenheit vollständig unterkellert.<br />

Nach Ausweis der Benutzungsspuren und weniger Funde blieb es<br />

bis ins 16. Jh. bewohnt. Danach folgte sein Abbruch zugunsten<br />

eines Neubaus.<br />

Haus 2: Steinhaus aus der Gründungszeit der Stadt um 1240/50.<br />

Es steht im Verband mit der Stadtmauer. Der im Grundriss rechteckige<br />

Steinbau hat eine Länge von 12.2 m und eine Breite von 7 m.<br />

Die Mauerstärke beträgt 1 m.<br />

Nach dem Brand von 1386 wurde das Haus wieder aufgebaut und<br />

bei dieser Gelegenheit vollständig unterkellert. Da sich im Keller —<br />

verfüllt mit Bauschutt — keine Benutzungsspuren feststellen liessen<br />

und auch keine Funde angetroffen wurden, muss das Gebäude<br />

schon bald nach seiner Wiederherstellung wieder aufgegeben worden<br />

sein.<br />

Haus 3: Steinhaus aus der 2. Hälfte des 13. oder aus dem frühen<br />

bis mittleren 14. Jh., an die Stadtmauer und an die Südmauer von<br />

Haus 2 angebaut. Der im Grundriss trapezförmiger Bau hat eine<br />

mittlere Länge von 7.7 m und eine mittlere Breite von 7.2 m und ist<br />

vollständig unterkellert. Der nordostseitige Zugang liegt unter dem<br />

altanartigen Treppenpodest des Hocheingangs, dessen östliche<br />

Zungenmauer im Verband mit Haus 4 steht.<br />

Haus 3 wurde nach dem Brand von 1386 wieder aufgebaut. Da sich<br />

im Keller — verfüllt mit Bauschutt — keine Benutzungsspuren feststellen<br />

liessen und auch keine Funde angetroffen wurden, muss das<br />

Haus schon bald nach seiner Wiederherstellung wieder aufgegeben<br />

worden sein.<br />

Haus 4: Steinhaus aus der 2. Hälfte des 13. oder aus dem frühen<br />

bis mittleren 14. Jh., an die Stadtmauer und an die Südostmauer<br />

von Haus 3 angebaut. Der im Grundriss trapezförmige Bau hat<br />

eine mittlere Länge von 7.6 m und eine mittlere Breite von 7.2 m<br />

26 P. Frey, <strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>? Mittelalterliche <strong>Kleinstädte</strong> in der Nordwestschweiz


und ist vollständig unterkellert. Der Zugang erfolgte durch eine<br />

Türe an der Nordseite, der im Keller eine gemauerte Treppe folgte,<br />

die der südöstlichen Kellerwand vorgeblendet war.<br />

Haus 4 wurde nach dem Brand von 1386 wieder aufgebaut. Da sich<br />

im Keller — verfüllt mit Bauschutt — keine Benutzungsspuren feststellen<br />

liessen und auch keine Funde angetroffen wurden, muss das<br />

Haus schon bald nach seiner Wiederherstellung wieder aufgegeben<br />

worden sein.<br />

Haus 5: Holzhaus aus der 2. Hälfte des 13. oder dem frühen bis<br />

mittleren 14. Jh. Erhalten geblieben ist nur der gemauerte, an die<br />

Stadt mauer angebaute Kellerraum von 3.7 m Länge und 2.1 m Breite.<br />

Die Dicke der einhäuptig aufgeführten Mauern beträgt im Mittel<br />

0.5 m.<br />

Haus 5 wurde nach dem Brand von 1386 nicht mehr aufgebaut. Im<br />

Keller blieb unter Bauschutt eine ungestörte Brandschuttschicht<br />

erhalten. Darin lag ein ungewöhnlich reichhaltiges Fundgut des<br />

14. Jh. Es setzt sich im Wesentlichen aus Alteisen, Eisenbarren,<br />

Schmiedeschlacken und zahlreichen Gürtelschnallen zusammen.<br />

Aufgrund der Funde ist Haus 5 als Wohnhaus und Werkstatt eines<br />

Schmieds oder Gürtlers zu identifizieren.<br />

Haus 6: Holzhaus aus der 2. Hälfte des 13. oder dem frühen bis<br />

mittleren 14. Jh. Von Haus 6 blieb nur der kleine gemauerte Keller<br />

von 3.6 m Länge und 2.5 m Breite erhalten. Die Dicke der einhäuptigen,<br />

oben auch zweihäuptigen Mauern beträgt 0.5 bis 0.6 m. Der<br />

Eingang erfolgte von Südwesten her über eine Rampe und durch<br />

eine Türe mit hölzernem Türgericht.<br />

Das Haus 6 wurde nach dem Brand von 1386 nicht mehr aufgebaut.<br />

Im Keller blieb eine intakte Brandschuttschicht mit wenigen<br />

Funden des 14. Jh. erhalten. Darüber folgten Schuttschichten, mit<br />

denen der Keller in Etappen vom späten 14. bis zum frühen 16. Jh.<br />

verfüllt worden war.<br />

Haus 10: Steinhaus aus der 2. Hälfte des 13. oder dem frühen bis<br />

mittleren 14. Jh., an die Stadtmauer und an die Nordmauer von<br />

Haus 2 angebaut. Der im Grundriss rechteckige Bau hatte eine<br />

Breite von 7.4 m, die Länge ist unbekannt.<br />

Das Haus 10 wurde nach dem Brand von 1386 nicht mehr aufgebaut.<br />

Beim Bau einer Jauchegrube im mittleren 20. Jh. wurde es bis<br />

auf einen kleinen Fundamentrest zerstört.<br />

Haus 11: Steinhaus mit einem Kernbau aus der 2. Hälfte 13. und<br />

einem südöstlichen Erweiterungsbau der 1. Hälfte oder Mitte des<br />

14. Jh. Der im Grundriss annähernd quadratische, an die Stadtmauer<br />

angebaute Kernbau hat Seitenlängen von 11.0–11.7 m. Die<br />

Mauerstärke beträgt an der Basis 1.2 m, ab erstem Obergeschoss<br />

1.1 m. Die drei Geschosse waren — von unten nach oben — 3.8 m,<br />

3.55 m und mindestens 2.7 m hoch. Das Erdgeschoss wies in der<br />

Südostmauer einen ebenerdigen Eingang auf. Das 1. Obergeschoss<br />

wurde vermutlich über einen Hocheingang erschlossen. Es wies in<br />

der Südostmauer ein Schlitzfenster und die Einfeuerungsöffnung<br />

eines Hinterladerofens auf. Im Innern befand sich in der Südwestwand<br />

eine Lichtnische.<br />

Der südöstliche Erweiterungsbau aus dem 14. Jh. war dem Kernbau<br />

angebaut. Der im Grundriss rechteckige Trakt hat eine Länge von<br />

11 m und eine Breite von 9.3 m. Die Mauer war an der Basis 1.2 m<br />

stark, ab 1. Obergeschoss 0.9–1.1 m. Im 1. Obergeschoss weist die<br />

Südwestmauer ein Schlitzfenster, ein Schüttstein und ein Sitznischenfenster<br />

auf; in der Nordwestmauer war der zugemauerte<br />

Hocheingang mit kielbogenförmigem Gewände erhalten.<br />

Das Haus 11 ging 1386 in Flammen auf und blieb bis zum Wiederaufbau<br />

1575 eine Ruine.<br />

P. Frey, <strong>Kleinstädte</strong> <strong>nullachtfünfzehn</strong>? Mittelalterliche <strong>Kleinstädte</strong> in der Nordwestschweiz<br />

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