DFR - BGE 64 II 44 - servat.unibe.ch
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Vel'si<strong>ch</strong>E'l'ungsvE'rtrag. XO 11.<br />
die damalig~ Einvernahme ni<strong>ch</strong>t auf alle Punkte hätte<br />
el 'Strecken kÖnnen, die nun Gegenstand seiner Aussagen<br />
im Strafver:(ahren bilden. War die Beweisführung im<br />
Zivilprozesse· unvollständig, so kann ni<strong>ch</strong>t die Revision<br />
des bundesgeri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Urteils zur Ergänzung des Prozesstoffes<br />
verlangt werden. Sollte es aber ni<strong>ch</strong>t am ßeweisverfahren<br />
gefehlt, sondern Zellweger unri<strong>ch</strong>tig ausgesagt<br />
haben, so ist der Revisionskläger darauf angewiesen,<br />
au<strong>ch</strong> gegen i1m eine Strafuntersu<strong>ch</strong>ung zu veranlassen,<br />
um si<strong>ch</strong> alsdann auf Art. 192 Ziff. 3 BZP berufen zu können<br />
(sofern ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on das gegen die Kindsmutter hängige<br />
Verfahren eine genügende Grundlage für die angestrebte<br />
Revision abgibt).<br />
2. - Die Voraussetzungen zur Anrufung von Art. 192<br />
Ziff. 3 BZP liegen zur Zeit no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vor. Diese Bestimmung<br />
verlangt den Na<strong>ch</strong>weis einer der erwähnten strafbaren<br />
Handlungen « auf dem Wege des Strafprozesses»<br />
und setzt damit den Abs<strong>ch</strong>luss eines Strafverfahrens<br />
voraus.<br />
Demna<strong>ch</strong> erkennt das Bunde8geri<strong>ch</strong>t :<br />
Das Revisionsgesu<strong>ch</strong> wird als verfrüht zurückgewiesen.<br />
~V. VERSICHERUNGSVERTRAG<br />
CONTRAT D'ASSURANCE<br />
ll. Orteil der <strong>II</strong>. Zivüabteilung vom a1. Januar 1938<br />
i. S. Assicuratrice ltallana gegen Berts<strong>ch</strong>i.<br />
U n f all ver sie her u n g. Verhältnis der Auss<strong>ch</strong>Iussklausel<br />
der «offenbaren Trunkenheit» zu derjenigen der grobfahrlässigen<br />
Verursa<strong>ch</strong>ung (Art. 33 VVG).<br />
A. - Der Spenglermeister Emil ßerts<strong>ch</strong>i hatte bei der<br />
A.ssicuratrice Italiana eine Einzelunfallversi<strong>ch</strong>erung mit<br />
einer Leistung von Fr. 10,000.- im Todesfalle abge-<br />
s<strong>ch</strong>lossen. Die Allgemeinen Beflingungen der Police enthalten<br />
foldende Auss<strong>ch</strong>lussklauselll : « Ausges<strong>ch</strong>lossen von<br />
der Versi<strong>ch</strong>erung sind alle Unfälle, wel<strong>ch</strong>e der Versi<strong>ch</strong>erte<br />
erleidet ... im Zustande offenbarer Trunkenheit... Au!:!<br />
ges<strong>ch</strong>lossen sind Unfälle dur<strong>ch</strong> eigene grobe Fahrlä""igkeit...<br />
)).<br />
Am 25. November 1935 transportierte Berts<strong>ch</strong>i in einer<br />
querüber auf dem Soziussitz seines Motorrads mit Stricken<br />
festgebundenen, 60 cm langen Ble<strong>ch</strong>kiste Ofenbodenplatten<br />
von Dällikon na<strong>ch</strong> Dielsdorf. Bei der zweiten<br />
Fahrt mit einer Ladung von 38 kg geriet er beim Dorfeingang<br />
Dielsdorf bei einer Fahrges<strong>ch</strong>windigkeit von ca.<br />
30 km plötzli<strong>ch</strong> links über die Strasse, stiess an eine Telefonstange<br />
und erlitt einen tödli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ädelbru<strong>ch</strong>. Die<br />
geri<strong>ch</strong>tsmedizinis<strong>ch</strong>e Sektion der Lei<strong>ch</strong>e ergab eine Alkoholkonzentration,<br />
na<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>er der Verunfallte si<strong>ch</strong> in<br />
einem Zustande befunden haben musste, der am besten<br />
mit dem Ausdruck « Angetrunkenheit bis lei<strong>ch</strong>ter Raus<strong>ch</strong> »<br />
ums<strong>ch</strong>rieben werde. Die Hinterbliebenen erhoben gegen<br />
die Versi<strong>ch</strong>erung Klage auf Zahlung von Fr. 10,000.<br />
nebst Zins zu 5 % seit 1. Dezember 1935. Sie bestritten,<br />
dass der Unfall auf grobe Fahrlässigkeit, nämli<strong>ch</strong> Fahren<br />
in angetrunkenem Zustande, zurückzuführen sei; die Ursa<strong>ch</strong>e<br />
desselben liege in einem plötzli<strong>ch</strong>en seitli<strong>ch</strong>en Verruts<strong>ch</strong>en<br />
der plattengefüllten Ble<strong>ch</strong>kiste auf dem Motorrad<br />
und der daherigen Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tsstörung, die der Fahrer<br />
ni<strong>ch</strong>t habe parieren können. Die Beklagte hielt an ihrem<br />
Standpunkte fest, wona<strong>ch</strong> der Unfall dur<strong>ch</strong> die Angetrunkenheit<br />
Berts<strong>ch</strong>is verursa<strong>ch</strong>t worden sei ; wenn, was<br />
ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er sei, die Kiste si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>oben habe, so hätte<br />
ein nü<strong>ch</strong>terner Fahrer die Herrs<strong>ch</strong>aft über das Fahrzeug<br />
ni<strong>ch</strong>t verloren.<br />
B. - In Bestätigung des Urteils des Bezirksgeri<strong>ch</strong>ts<br />
Dielsdorf hat das Obergeri<strong>ch</strong>t des Standes Züri<strong>ch</strong> die<br />
Klage im vollen Betrage gutgeheissen ....<br />
l\t1it der vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte<br />
Abweisung derselben, eventuell Rückweisung an die Vorinstanz.<br />
~.-.
46 Versi<strong>ch</strong>erungsvertrag. N0 ll.<br />
Das Bundesgeri<strong>ch</strong>t zieht in Erwägung :<br />
Das Verhältnis der Auss<strong>ch</strong>lussIdausel der offenbaren<br />
Trunkenheit· zu der der groben Fahrlässigkeit ist, entgegen<br />
der Auffassung der Vorinstanz, ni<strong>ch</strong>t das der lex specialis<br />
zur lex generalis in dem Sinne, dass die erstere den Tatbestand<br />
der Trunkenheit s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin aus allen denkbaren<br />
Fällen grobfahrlässigen Verhaltens heraushebe und abs<strong>ch</strong>liessend<br />
dahin regle, dass überhaupt nur offenbare<br />
Trunkenheit, eine sol<strong>ch</strong>e geringeren Grades dagegen<br />
grundsätzli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t als Auss<strong>ch</strong>lussgrund in Frage käme.<br />
Der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en bei den Klause1n liegt vielmehr<br />
darin, dass die der offenbaren Trunkenheit einen a b s 0 -<br />
I u t e n Auss<strong>ch</strong>lussgrund bildet ganz ohne . Rücksi<strong>ch</strong>t<br />
darauf, ob dieser Zustand für den Eintritt des Unfalls<br />
kausal war oder ni<strong>ch</strong>t, während die zweite einen Kausalzusammenhang<br />
erfordert. Wer im Zustande offenbarer<br />
Trunkenheit einen Unfall erleidet, hat daraus keinen Anspru<strong>ch</strong><br />
aus der Versi<strong>ch</strong>erung, selbst wenn die Trunkenheit<br />
mit dem Unfall ni<strong>ch</strong>ts zu tun hat. ":.Dieser Sinn der Klausel<br />
geht klar aus deren spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Fassung hervor, wona<strong>ch</strong><br />
ausges<strong>ch</strong>lossen sind (( Unfälle, wel<strong>ch</strong>e der Versi<strong>ch</strong>erte<br />
e r lei d e t .,. im Z u s t an d e offenbarer Trunkenheit<br />
», ni<strong>ch</strong>t etwa « infolge » dieser.<br />
Im Gegensatz dazu sind na<strong>ch</strong> der zweiten Klausel ausges<strong>ch</strong>lossen<br />
(( Unf"alle dur c h eigene grobe Fahrlässigkeit».<br />
Diese muss also für den Unfall kau s a I gewesen<br />
sein. Eine lei<strong>ch</strong>te (und daher ni<strong>ch</strong>t unter die erste Klausel<br />
fallende) Trunkenheit kann mithin im Rahmen der zweiten<br />
Klausel den Auss<strong>ch</strong>luss zur Folge haben, wenn na<strong>ch</strong>gewiesen<br />
ist, dass sie in Verbindung mit einem grobfahrlässigen<br />
Handeln des Versi<strong>ch</strong>erten für den Unfall kausal<br />
gewesen ist. Es ist also erforderli<strong>ch</strong> einmal, dass der<br />
Lei<strong>ch</strong>tbetrunkene eine Handlung unternommen habe, die<br />
in Ansehung seines Zustandes si<strong>ch</strong> als grobfahrlässigqualifiziert,<br />
und sodann dass bei dieser Handlung i n f 0 I g e<br />
der Angetrunkenheit der Unfall passiert sei.<br />
Motorradfahren in angetrunkenem Zustande ist zweifel-<br />
Versi<strong>ch</strong>erungsvertrag. N° Il. 47<br />
los eine grobe Fahrlässigkeit. Wenn dabei der Fahrer z.B.<br />
infolge Platzens eines Pneus verunfallt, so ist zwar das<br />
(grobfahrlässige) Fahren für den Unfall kausal, ni<strong>ch</strong>t aber<br />
die Angetrunkenheit (deretwegen das Fahren grobfahrlässig<br />
war), weshalb die Auss<strong>ch</strong>lussklausel ni<strong>ch</strong>t zutrifft.<br />
Im vorliegenden Falle ist das grobfahrlässige Handeln<br />
gegeben; . die Prüfung reduziert si<strong>ch</strong> somit auf die Frage,<br />
ob Berts<strong>ch</strong>i die Herrs<strong>ch</strong>aft über das Motorrad i n f 0 I g e<br />
sei n e r A n g e t run k e n h e i t verloren hat oder<br />
aus einer andern Ursa<strong>ch</strong>e. Dies ist ni<strong>ch</strong>t Re<strong>ch</strong>ts-, sondern<br />
Tatfrage, also Sa<strong>ch</strong>e der kantonalri<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>en Feststellung.<br />
Es ist am Versi<strong>ch</strong>erer, den Kausalzusammenhang<br />
zu beweisen, ni<strong>ch</strong>t am Versi<strong>ch</strong>erungsnehmer oder Anspru<strong>ch</strong>sbere<strong>ch</strong>tigten,<br />
dessen Fehlen darzutun. Die Vorinstanz<br />
stellt ni<strong>ch</strong>t klipp und klar fest, dass das Verruts<strong>ch</strong>en<br />
der Ble<strong>ch</strong>kiste die Ursa<strong>ch</strong>e der Linkss<strong>ch</strong>wenkung des Motorrades<br />
gewesen sei und ni<strong>ch</strong>t der lei<strong>ch</strong>te Raus<strong>ch</strong> des<br />
Fahrers; wohl aber, dass dies mit grosser Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />
anzunehmen und ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>lossen sei, dass<br />
au<strong>ch</strong> ein völlig nü<strong>ch</strong>terner Fahrer dieser Situation erlegen<br />
wäre. Diese Beweiswürdigung, bei der si<strong>ch</strong> die Vorinstanz<br />
u. a. auf einen sa<strong>ch</strong>verständigen Zeugen stützt, kann etwas<br />
kühn ers<strong>ch</strong>einen, bedeutet aber keine Überspannung der<br />
der Beklagten obliegenden Beweislast, indem von dieser<br />
ein unmögli<strong>ch</strong>er Beweis verlangt worden wäre. Dass auf<br />
dem verunfallten Motorrad die Ble<strong>ch</strong>kiste si<strong>ch</strong> gelockert<br />
und vers<strong>ch</strong>oben hatte, ist festgestellt und die Fahrri<strong>ch</strong>tungsänderung<br />
vom sa<strong>ch</strong>verständigen Zeugen als die mögli<strong>ch</strong>e<br />
Folge davon erklärt worden; es lag im Ermessen der<br />
Vorinstanz, diese These anzunehmen. Damit ist ein<br />
Kausalzusammenhang zwis<strong>ch</strong>en der Angetrunkenheit des<br />
Berts<strong>ch</strong>i und dem Unfall für das Bundesgeri<strong>ch</strong>t verbmdli<strong>ch</strong><br />
verneint, sodass die Auss<strong>ch</strong>lussklausel ni<strong>ch</strong>t Platz greift.<br />
Demna<strong>ch</strong> erkennt das Bundesgeri<strong>ch</strong>t :<br />
Die Berufung wird abgewiesen·und das Urteil des Obergeri<strong>ch</strong>ts<br />
des Standes Züri<strong>ch</strong> vom 25. Mai 1937 bestätigt.