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Vorwort - Freiburger Münsterbauverein

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Arbeitsdokumentation 2012<br />

<strong>Vorwort</strong> Seite 3<br />

Lageplan der Baustellen 2012 Seite 4<br />

Pyramide des Westturmes Seite 5<br />

Überblick<br />

Untersuchungen<br />

Bauteilversuche und Materialprüfungen<br />

Stand der konservatorischen Maßnahmen<br />

Konservierung historischer Farbfassungen<br />

Sonstiges<br />

Langhaus Südseite Seite 20<br />

Joche 1 und 2<br />

Langhaus Nordseite Seite 22<br />

Abendsmahlkapelle<br />

Chor Südseite Seite 27<br />

Strebepfeileraufsatz 13/14<br />

Chor Nordseite Seite 35<br />

Strebepfeileraufsatz 9/10, (Bäckerlicht)<br />

Strebebogen 9/10<br />

Bauhistorische Untersuchungen, Strebebogen 9/10<br />

Baustellenzugang an der Alexanderkapelle<br />

Werkstattarbeiten Seite 52<br />

Steinwerkstatt<br />

Restaurierwerkstatt<br />

Sonstiges Seite 58<br />

Sicherheitsbefahrungen, Monitoring<br />

Michaelsempore<br />

Steinbrüche<br />

Verschiedenes<br />

Anhang Seite 75<br />

Kartierungen<br />

- 2 -


<strong>Vorwort</strong><br />

Yvonne Faller<br />

<strong>Vorwort</strong><br />

Nachdem das Jahr 2011 geprägt war durch den Abschluss der Sanierungsarbeiten<br />

am südlichen Langhaus, war das Jahr 2012 bestimmt durch die umfangreiche<br />

Vorbereitung für die große Chorsanierung.<br />

Der Chor des <strong>Freiburger</strong> Münsters, dabei vor allem das Strebesystem, besitzt<br />

eine große Vielfalt an hochgotischem Zierrat, der in vielen Teilen noch erhalten<br />

ist. Allerdings ist er seit einigen Jahren in seiner Substanz gefährdet. Durch fehlerhafte<br />

Konstruktionen der Pfeileraufsätze aus dem 19. Jh. konnte Wasser in<br />

die Konstruktion eindringen und die mittelalterliche Substanz schädigen. Um den<br />

weiteren Zerfall der mittelalterlichen Architektur aufzuhalten wurde eine grundlegende<br />

Sanierung beschlossen. Die Arbeit am Chor mit seinen 13 Strebepfeilern<br />

wird die Münsterbauhütte die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschäftigen.<br />

Bevor es jedoch an die eigentliche Sanierung geht, mussten zunächst Gerüste<br />

aufgebaut und die Baustelle eingerichtet werden. Dies sind komplexe Vorgänge,<br />

da der tägliche Marktbetrieb mit seinen Sicherheitsanforderungen eine kontinuierliche<br />

Arbeit am Gerüst erschwert.<br />

Erst wenn eine ausreichend sichere Arbeitsplattform geschaffen ist, kann mit<br />

den einzelnen Kartierungen begonnen werden: Baugeschichte, Steinvarietäten,<br />

Farbfassungen, Schäden, u.a. mehr.<br />

Einen Schwerpunkt in der Vorbereitung werden die bauhistorischen Untersuchungen<br />

der Strebepfeileraufsätze bilden. Sie sind zwischen 1757 und 1944 entstanden,<br />

teilweise mehrfach stilistisch erneuert und zeigen eine bislang unbekannte<br />

Vielfalt an neugotischer Formentwicklung.<br />

Ein wichtiger Durchbruch konnte bei der Sanierung der Turmpyramide erzielt<br />

werden. Nach jahrelangen Untersuchungen und Berechnungen wurde ein Konzept<br />

zur statischen Konsolidierung des Turmhelmes entwickelt, welches die Anforderungen<br />

der Statik, der Denkmalpfl ege und der Ästhetik erfüllt.<br />

In diesem Jahr konnte noch nicht mit der Umsetzung begonnen werden, dazu<br />

waren noch einige Vorarbeiten und Überprüfungen nötig.<br />

Mit zahlreichen Untersuchungen<br />

wurden die theoretischen<br />

Rechenmodelle der Bauingenieure<br />

verifi ziert. Dabei ging<br />

es vor allem um die Ermittlung<br />

der Materialkennwerte, sowohl<br />

der mittelalterlichen Bausubstanz<br />

als auch des neu einzubauenden<br />

Materials.<br />

Das Turmteam blickt deshalb<br />

voll Zuversicht auf das kommende<br />

Jahr, in dem dann zügig<br />

die äußerst diffi zile Arbeit<br />

an den Ecksteinen aufgenommen<br />

werden kann und der Abschluss<br />

der Turmsanierung am<br />

Horizont zu erahnen sein wird.<br />

- 3 -


Lageplan der Baustellen<br />

1<br />

Südansicht<br />

3<br />

2<br />

1. Pyramide des Westturms<br />

2. Langhaus Südseite, Joche 1 und 2<br />

3. Chor Südseite, Strebepfeileraufsatz 13/14<br />

4. Chor Nordseite, Strebepfeileraufsatz 9/10 (Bäckerlicht) und<br />

Strebebogen 9/10<br />

5. Chor Nordseite, Baustellenzugang an der Alexanderkapelle<br />

6. Langhaus Nordseite, Abendmahlskapelle<br />

1<br />

Nordansicht<br />

4<br />

5 6<br />

- 4 -


Pyramide des Westturmes<br />

Überblick<br />

Der vorliegende Arbeitsbericht befasst sich schwerpunktmäßig mit jenen Untersuchungsmaßnahmen,<br />

mit denen im Jahre 2012 die rechnerisch ermittelten<br />

statischen Schadensmechanismen am Turmhelm verifi ziert werden sollten. Wir<br />

wissen um die unterschiedlichen Rissbilder in der Ebene der Ringanker an den<br />

Ecksteinen und an den angrenzenden Maßwerken. Aufklaffungen an den Fugen<br />

sowie Rotationsbewegungen der Bauteile innerhalb der Maßwerksfelder beeinträchtigen<br />

die konstruktive Verbindung der einzelnen Werkstücke. Die Ursachenforschung<br />

der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Einfl üsse von Wind und Temperatur<br />

der vergangenen Jahrhunderte dem Turm erheblichen Schaden zugefügt<br />

haben. Die am Turmhelm durchgeführten statisch-konstruktiven Berechnungen<br />

des Büros Barthel & Maus zeigten in ihrer Gesamtbewertung, dass Konsolidierungsmaßnahmen<br />

direkt am Konstruktionssystem durchgeführt werden müssen.<br />

Die in der Theorie entwickelten konstruktiven Szenarien wurden in einem maßstabsgetreuen,<br />

groß angelegten Versuchsaufbau am Karlsruher Institut für Technik<br />

überprüft. Weitere, zerstörungsfreie Untersuchungen sind direkt am Objekt<br />

zum Einsatz gekommen. Unser Dank gilt allen Partnern und Instituten, die uns<br />

bei dieser komplexen Aufgabenstellung der statischen Turmsanierung unterstützen<br />

und fördern.<br />

Neben den zahlreichen<br />

Untersuchungen, die im<br />

Weiteren beschrieben<br />

sind, konzentrierten sich<br />

die Arbeiten am Turmhelm<br />

auf die Konservierungsmaßnahmen<br />

in den untersten<br />

drei Schichten im<br />

Turmhelminneren. Stellen,<br />

die statische Schäden<br />

vermuten lassen, wurden<br />

zunächst ausgespart. (s.<br />

Bericht Luzius Kürten)<br />

(Abb.1).<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.1 Übersicht der ausgeführten<br />

Arbeiten im Jahre<br />

2012<br />

Daneben widmete sich<br />

das Steinaustauschteam,<br />

unter der Leitung von Till<br />

Borsdorf, in der Turmwerkstatt<br />

der Steinfertigung<br />

für die verschiedenen<br />

Prüf- und Untersuchungsreihen,<br />

nebst dem Herstellen<br />

von Fialen für die<br />

Turmgalerie. Der Steinaustausch<br />

am Turmhelm<br />

wurde zurückgestellt, bis<br />

alle Ergebnisse und Auswertungen<br />

aus den statisch-konstruktiven<br />

Untersuchungen<br />

vorliegen.<br />

- 5 -


Untersuchungen<br />

Zustandsbewertung Ringanker<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Um eine Zustandsbewertung für die im Turmhelm liegenden eisernen Ringanker<br />

vorzunehmen (ohne direkten Sichtkontakt auf die Eisen) bedarf es spezieller<br />

Untersuchungsverfahren. Mit den Ergebnissen aus der Bewertung erhoffte man<br />

sich auch Erkenntnisse über die Funktionstüchtigkeit der Ringankersystems. Im<br />

Februar 2007 und im April 2009 wurde mittels Röntgenverfahren an repräsentativen<br />

Stellen der Zustand der Ringanker untersucht. Die Ergebnisse sind schwierig<br />

zu lesen bzw. zu bewerten.<br />

Weitere schadfreie bzw. schadarme Prüfverfahren kamen 2012 an einer Probeachse<br />

in den Schichten 4/5 und 6/7 zum Einsatz. Mit den folgenden Messverfahren<br />

untersuchten Herr Dr. Illich und Herr Hübner von der GGU aus Karlsruhe die<br />

Steine sowie die verbauten Eisen im Ringankerbereich auf deren Zustand. Mit<br />

dem Bauradar, der Mikroseismik sowie der Eigenpotenzialmethode wurde der<br />

Bestand am Turm, aber auch an mehreren Nullproben (Ecksteine vor und nach<br />

Belastungsversuchen beim KIT) geprüft.<br />

Das Radarverfahren ist eine auf Refl exion von elektromagnetischen Wellen<br />

basierende Untersuchungsmethode. Es werden Laufzeitenmessungen vorgenommen<br />

und deren „Echos“ aufgezeichnet. In einem ersten Schritt wurden<br />

Probemessungen an den Ecksteinen für die Prüfreihen am KIT gemessen.<br />

Daraus erstellte sich ein „Musterkatalog zur Sensibilitätsanalyse“ für die<br />

Risslokalisierung und Bewertung des Zustandes an Steinen und Eisen. Mit<br />

diesen Vorabergebnissen können Fachleute die später am Turm gemachten<br />

Messungen besser bewerten und interpretieren.<br />

Fazit: Mit diesem Verfahren können Risse >0,5mm detektiert werden. Es<br />

zeichnen sich verschiedene Signalstörungen durch den Verbau von Vierungen,<br />

den Fugen und Eisenbauteilen ab. Nach Abschluss der Messungen<br />

können wir diese Methode als Instrument für das Monitoring von Maßnahmen<br />

sehen. Unbedingt in der Kombination mit Ultraschall zu verwenden.<br />

Das Verfahren kann auch bei der Feuchtedetektion am Bauwerk gut eingesetzt<br />

werden und ist zerstörungsfrei (Abb.2).<br />

Abb.2 Radarbild mit<br />

auffälligem Refl exionsbild,<br />

Aufnahme entlang dem<br />

Ankerstab<br />

- 6 -


Bei der Mikroseismik werden mit einem Impulshammer Schlagsignale<br />

am Eisen erzeugt und gemessen. Der Funktionszustand eines zusammenhängenden<br />

Ankersystems lässt sich dadurch bewerten. Um die Laufzeiten<br />

aufzuzeichnen, mussten in Schicht 6/7 48 Hochfrequenzmikrophone (Geophone)<br />

am Ringanker angebracht werden. Jeweils links und rechts der acht<br />

Ecksteine erfolgte der Messlauf durch eine seismische Anregung direkt auf<br />

den historischen Eisenanker. Diese Prüfmethode erfordert einen direkten<br />

Zugang zum Ringanker.<br />

Fazit: Im Verhältnis zum Aufwand erreichten wir dadurch einen eher geringeren<br />

Erkenntnisgewinn. Dieses Verfahren kann uns im lokalen Einsatz<br />

weiterhelfen (Abb.3).<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.3 Abbildung eines Wellenbildes<br />

bei seismischer<br />

Anregung des Ringankers<br />

durch 48 Geophone<br />

Die Eigenpotenzialmethode zählt zu den elektrochemischen Verfahren mit<br />

der eine aktive Korrosionswahrscheinlichkeit interpretiert werden kann. Es<br />

ist eine zerstörungsfreie Prüfmethode.<br />

Fazit: Weiterführende Bewertungen sind nötig, um eine endgültige Aussage<br />

über aktive Korrosionsbildung zu treffen. Der Einsatz der Eigenpotenzialmethode<br />

wird ergänzend zum Radar gesehen (Abb.4).<br />

Abb.4 Auswertung nach<br />

der Anwendung der Eigenpotenzialmethode<br />

- 7 -


Die Schwierigkeiten dieser o.a. Untersuchungsmethoden liegen in der Interpretation<br />

des Datenmaterials. Die Ergebnisse sind vom Einsatzort, den verbauten<br />

Materialien und den vorliegenden Gegebenheiten (Bau, Lage usw.) abhängig.<br />

Die Prüfverfahren mussten in unserem Falle kombiniert eingesetzt und bewertet<br />

werden. Über den weiteren Einsatz dieser Untersuchungsmethoden an anderen<br />

vergleichbaren Stellen am Turmhelm wird noch diskutiert. Eine qualitative und<br />

quantitative Bewertung konnte mit den Verfahren nicht nach unserem Wunsch<br />

durchgeführt werden. Die Stellen, an denen sich Messauffälligkeiten zeigen,<br />

müssen mit gezieltem Einsatz nachgegangen werden.<br />

Der Zustand der Ringanker wird insgesamt als nicht auffällig schadhaft bewertet.<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Bauteilversuche und Materialprüfungen<br />

Stein (Abb.5,6)<br />

Die errechnete Turmhelmstatik ist am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit<br />

Ergebnissen aus den Bauteilversuchen (Belastungsversuche 2010), den Prüfungen<br />

an Verbundkörpern sowie den Materialprüfungen an Sandstein- und Mörtelproben<br />

überprüft worden.<br />

Mit den erfolgten Untersuchungen konnte das Bruchbild in den Ecksteinen nachgestellt<br />

und die im Versuchsaufbau ermittelten Bruchlasten am Rechenmodell<br />

überprüft werden. Sie ergaben Aufschluss über die Kräfte, die auf Ecksteine und<br />

Ringanker einwirken müssen, um das am Turmhelm vorgefundene Rissbild zu<br />

erzeugen.<br />

Weitere Belastungsversuche an Verbundkörpern dienten der Beobachtung der<br />

verschiedenen Fugenmaterialien aus Blei, Mörtel und Silikatkleber.<br />

Abb.5 u. 6 Bauteileversuch<br />

Belastungsprüfung an<br />

Ecksteinen<br />

- 8 -


Die technisch aufwendigsten Prüfreihen waren die Bauteilversuche an den Ecksteinen<br />

im Maßstab 1:1 unter „Realbedingungen“. Einfache Drucklastprüfungen<br />

an Ecksteinen fanden bereits im Jahre 2010 mit dem Ergebnis statt, dass die<br />

Bruchkraft zu hoch ist, um ursächlich für die Rissbildung verantwortlich zu sein.<br />

Bei den Prüfreihen im Jahr 2012 sind die Ecksteine zusätzlich mit einem eisernen<br />

Ring und zwei Zugankerstangen bestückt worden. Über die Zugankerstangen<br />

wurden die Zuglasten über die Ecksteine umgelenkt. Die Umlenkkraft sollte bei<br />

diesem Versuch im Eckstein nach unten geleitet werden. Diese Beanspruchung<br />

fand mit und ohne Auflasten statt. Die Aufl asten wurde mit einer zentrisch oder<br />

exzentrisch gesteuerten Druckpresse durchgeführt. In weiteren Ecksteinversuchen<br />

wurde die Biegebeanspruchung an den Ecken mit der Druckspannung auf<br />

die Außenseite nachgestellt. Bei dieser Versuchsreihe musste eine zusätzliche<br />

Stahlkonstruktion die Aufgabe für die Nachbarsteine übernehmen. Wenn die Prüfungen<br />

mit einer Aufl ast vorgesehen waren, dann wurde bei den lastabhängigen<br />

durchgeführten Prüfungsreihen mit einer vertikalen Lasteinleitung von 500 kN gerechnet.<br />

Die visuell festgestellten Schädigungen an den Seitenfl ächen der Ecksteinprüfkörper<br />

sind dokumentiert worden. Zu jedem Versuch sind Kraftverformungskurven<br />

erstellt worden. Daraus lässt sich deutlich entnehmen, bei welcher<br />

Krafteinwirkung es zu Abplatzungen am Anker oder zum Öffnen der Mörtelfugen<br />

kam. Die Kurve endet mit dem totalen Versagen des Versuchsaufbaus. Jeder<br />

Prüfserie wurden drei Einzelversuche zugrunde gelegt. Diese mechanischen Untersuchungen<br />

dienten zur Beurteilung der Belastbarkeit und zur Erfassung belastungsabhängiger<br />

Schadensbilder (Rissbildungen, Abplatzungen) an den Ecksteinen.<br />

Die Versuchsergebnisse wurden ausgewertet und mit den rechne-risch<br />

ermittelten Werten aus dem Berechnungsmodell abgeglichen. Die wichtigsten<br />

Beanspruchungsszenarien an den Ecksteinen sind damit versuchstechnisch geprüft.<br />

Die von den Statikern im Vorfeld erwarteten Ergebnisse haben sich mit denen der<br />

Prüfreihen gedeckt (Abb.7).<br />

Prüfungen an kleinformatigen Sandsteinproben dienten zur Bestimmung der<br />

Druckfestigkeit, des Elastizitätsmoduls, der Zugfestigkeit sowie des thermischen<br />

Ausdehnungskoeffi zienten. Sie waren notwendig, um die richtigen Bezugsgrößen<br />

in die statische Berechnung einzupfl egen.<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.7 Gerissener Eckstein<br />

mit Zuganker nach der Belastungsprüfung<br />

- 9 -


Fugenmaterialien (Abb. 8)<br />

Das Ziel dieser Versuchsreihe war es, das Tragverhalten verschiedener Fugenausbildungen<br />

(Verformung) zu ermitteln. Diese Versuchsreihe ermöglichte es<br />

uns, die unterschiedlichsten angedachten Maßnahmen miteinander zu vergleichen.<br />

Für jede Einbausituation am Turmhelm können wir durch diese Prüfergebnisse<br />

die richtige Maßnahme fi nden.<br />

Dafür sind aus 88 quaderförmigen Sandsteinen (40 x 20 x 30 cm) 44 Verbundkörper<br />

hergestellt worden. In elf Prüfreihen à vier Prüfkörper sind die Belastungsversuche<br />

mit einer Universalbaustoffpresse durchgeführt worden. Die vertikalen<br />

Beanspruchungshöhen der 11 unterschiedlich aufgebauten Prüfkörper wurde mit<br />

einer Aufl ast gemessen und mit den Versuchsbeobachtungen dokumentiert.<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.8 Verbundkörper<br />

werden unter Aufl ast geprüft<br />

und die Verformung der<br />

Fugen gemessen<br />

Mörtel<br />

Die weiteren Prüfungen an Mörtelprismen (Versetzmörtel) umfassten im Wesentlichen<br />

die Entwicklung der Druckfestigkeiten und des Elastizitätsmoduls über einen<br />

Zeitraum von 7, 28 und 90 Tagen.<br />

Prüfungen an kleinformatigen Sandsteinproben dienten zur Bestimmung der<br />

Druckfestigkeit, des Elastizitätsmoduls, der Zugfestigkeit sowie des thermischen<br />

Ausdehnungskoeffi zienten.<br />

Blei<br />

Fragestellungen zur Volumenvergrößerung (Kristallisation) von korrodiertem<br />

Blei und die Ermittlung der mineralogischen Zusammensetzung zählten ebenso<br />

zum Untersuchungsprogramm. Die mechanische Untersuchung an Bleiproben<br />

aus historischem sowie industriell hergestelltem Blei gaben Aufschluss über das<br />

Spannungs- und Verformungsverhalten.<br />

- 10 -


Bleibefunde am historischen Ankerring zeigten an der Oberfläche einen rindenartigen<br />

braunen Habitus, möglicherweise ein Korrosionsprodukt (Abb.9). Um<br />

diesen Verdacht zu prüfen, wurde das KIT mit der Untersuchung der Bleiprobe<br />

beauftragt. In einem ersten Schritt wurde der Mineralienbestand ermittelt. Unter<br />

dem Rasterelektronenmikroskop sind die Übergänge zwischen dem intakten Blei<br />

und der korrodierten Randzone deutlich zu erkennen. Die äußere Zone ist porös<br />

und schließt an das fast porenfreie Gefüge des Bleis an. Der überwiegende Teil<br />

der Kruste besteht aus dem Mineral Lithargit. Ein weiterer Bestandteil der Kruste<br />

ist ein karbonatisiertes Bleioxid. Zwischen der „Kruste“ und dem gesunden Blei<br />

besteht eine direkte Anbindung. Unsere gezielte Fragestellung zur Volumenvergrößerung<br />

(Kristallisation) von Korrosionsprodukten aus Blei konnte mit dieser<br />

Untersuchung nicht nachgewiesen werden. Es ist jedoch bekannt, dass jegliche<br />

Volumenzunahme eines Stoffes auch einen erhöhten Druck ausübt.<br />

Bei der Umwandlung von Blei zu Bleioxid kommt es zu einer Zunahme der Kristallisationsdrücke.<br />

Um die Auswirkungen auf das Bauwerk zu überprüfen, wären<br />

aufwändigste Experimente notwendig.<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.9 Bleiprobe mit brauner<br />

„Kruste“<br />

- 11 -


Stand der konservatorischen Maßnahmen<br />

Die Sanierung des Turmhelmes ist eine Aufgabe welche die Mitwirkung vieler<br />

Beteiligter erfordert. Dies sind der <strong>Münsterbauverein</strong> vertreten durch die Münsterbaumeisterin<br />

Yvonne Faller und dem Projektleiter Thomas Laubscher; Dr.<br />

Dagmar Zimdars vom RP Freiburg Referat 26 Denkmalpfl ege; Landesamt für<br />

Denkmalpfl ege vertreten durch Otto Wölbert ; den Ingenieuren vom Büro Barthel<br />

& Maus vertreten durch Prof. Rainer Barthel und Joram Tutsch, Professor Fritz<br />

Wenzel und Guido Kremp; den Mitarbeitern am Turm Frau Eberhardt, Frau Sommer,<br />

Frau Faerseth, Frau Uhlmann, Herrn Borsdorf, Herrn Himmelsbach, Herrn<br />

Prußait, und Herrn Walz. Ferner möchte ich auch dem Schöpfer danken, dass er<br />

uns das Leben gab und uns an diesem Münsterturm wirken lässt.<br />

Die Konservierung sprich das bewahren des originalen Erscheinungsbildes wurde<br />

2012 in folgenden Maßwerkebenen vorangebracht:<br />

Zur besseren Übersicht ist der Arbeitstand von 2011 und 2012 tabellarisch gegenübergestellt.<br />

Luzius Kürten<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Zusammenfassend wurde hauptsächlich in den Maßwerkebenen 1 bis 5 gearbeitet.<br />

Wie auch im letzten Jahr wurden Steine, an denen statische Maßnahmen<br />

erfolgen, von der Restaurierung ausgeklammert.<br />

Insgesamt arbeiteten 3 Mitarbeiter nahezu über das ganze Jahr 2012 in der Restaurierung<br />

und Konservierung am Turmhelm.<br />

2008 begleiteten noch 7 Mitarbeiter das Restaurierungsteam. Dies verdeutlicht<br />

die aktuelle Situation am Turm. Das Jahr 2012 wurde benötigt für abschließende<br />

Untersuchungen und das festlegen der einzelnen Arbeitsschritte in den jeweiligen<br />

Schichten unter Anwesenheit aller Beteiligten.<br />

Ab dem Frühjahr 2013 fi ndet der partielle Steinaustausch und begleitend die Restaurierung<br />

in den einzelnen Schichten statt (siehe Artikel Münsterbaumeisterin<br />

Yvonne Faller und Projektleiter Thomas Laubscher).<br />

Folgende restauratorischen Maßnahmen kamen 2012 zur Anwendung:<br />

• Reinigung mittels warmen Wasser unter leichtem Druck (Abb.10)<br />

• Reduzieren von Krusten mittels einem Microstrahlgerät und dem Strahlgut<br />

RotoSoft - Glaspudermehl ultrafein<br />

• Einbringen von Bindemittel am Stein und an den Kittungsmassen mit Kieselsäureester<br />

300 mittels Spritzen oder Pipetten (Abb.11)<br />

• Verfüllen von Schalen, Rissen und Hohlstellen mittels Injektionen (Abb.12)<br />

• Sichern von Bruchstücken mit Hilfe von Silikatkleber und je nach Anforderung<br />

kombiniert mit einer Vernadelung (Titangewindestäbe) unterschiedlicher<br />

Durchmesser (Abb.13)<br />

-- 12 13 --


• Kitten kleinerer Fehlstellen mit einer Kieselsol gebundenen und farblich angepassten<br />

Kittungsmasse (Abb.14)<br />

• Antragen größerer Fehlstellen mit einem handelsüblichen Restauriermörtel.<br />

• Kartieren vor Ort, sämtliche Maßnahmen werden eingezeichnet.<br />

Luzius Kürten<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.10 Silke Rumpf bei der<br />

Nassreinigung in der Maßwerkebene<br />

eins Innen<br />

Abb.11 Einbringen von<br />

Bindemittel<br />

- 13 -


Luzius Kürten<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.12 Verfüllen von Schalen,<br />

Rissen und Hohlstellen<br />

Abb.13 Sichern von einem<br />

Bruchstück. Solange der<br />

Silikatkleber (Spritzeninhalt)<br />

seine Festigkeit nicht erreicht<br />

hat, wird das Bruchstück<br />

mit Heißkleber und<br />

Holzstäbchen gehalten<br />

- 14 -


Luzius Kürten<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.14 Anbringen der Kittungsmasse<br />

an den Stein<br />

- 15 -


Konservierung historischer Farbfassungen<br />

Im Jahr 2012 wurde die Konservierung der bläulich-roten Kalkschlämme fortgesetzt.<br />

Sie ist in sich stabil, aber größtenteils von einer verschwärzten ungleichmäßig<br />

dicken und sehr harten, spannungsreichen Gipskruste belegt (Abb.15). Diese<br />

hat teilweise die darunterliegende Mörtel- und Fassungsschichten, mitunter<br />

sogar auch die oberen Schichten des Steins mit abgehoben.<br />

Johanna Quatmann<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Sandende Bereiche im Stein und Mörtel wurden mit wässriger Kieselsäuredispersion<br />

(Syton X30 Suspension bzw. Ludox PX30, 5% in 2 Teilen destilliertem Wasser<br />

und 1 Teil Ethanol) gefestigt. Die Hohlstellen unter der Gipskruste wurden mit<br />

Syton X30 Suspension und Füllstoffen hinterspritzt und dadurch wieder an den<br />

Untergrund gebunden. Die Füllstoffe entsprechen denen der Steinkonservierung<br />

am Turm.<br />

Abb.15 Vorzustand<br />

- 16 -


Die Gipskruste wird in einem ersten Schritt mit einem Ultraschallmeißel gedünnt.<br />

Darauf folgt die abrasive Dünnung der Kruste durch Mikrosandstrahlen (Edelkorund,<br />

Partikelgröße 26,2 - 29,2 μ oder 0,0226 – 0,0292 mm). In der Regel reicht<br />

ein Druck von 1–2 bar, in manchen Bereichen ist die Kruste so hart, dass mit bis<br />

zu 3 bar Druck gearbeitet werden muss. In guten erhaltenen Fassungsbereichen<br />

können verbliebene dünne Beläge auf der bläulich-roten Farbschicht mit Hohlglaskügelchen<br />

(Scotchlite 22, Größe ca. 29 μm oder 0,029 mm) im Mikrosandstrahlverfahren<br />

abgenommen werden.<br />

Johanna Quatmann<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Es sind neun Belegstellen angelegt, durch die die einzelnen Arbeitsschritte nachvollziehbar<br />

werden. Sie werden beschreibend und fotografi sch dokumentiert<br />

(Abb.15,16).<br />

Die Konservierung der Fassung ist nahezu abgeschlossen. Es müssen lediglich<br />

die z.Z. noch vom Zimmermann verschalten Bereiche konserviert werden.<br />

Schätzungsweise werden die restlichen Arbeiten ca. 100 Stunden in Anspruch<br />

nehmen.<br />

Abb.16 Endzustand<br />

- 17 -


Sonstiges<br />

Fangnetzeinhausung am Gerüst (Abb.17)<br />

Sicherheitstechnische Normen und Regelungen ändern sich mit den Jahren.<br />

Davon betroffen war unsere Sicherheitsplattform für das Baugerüst; der Fangboden.<br />

Die Forderung bestand darin, die Auskragung von 6,00 m auf 8,00 m zu<br />

erweitern. Eine Nachrüstung war vom Aufwand und aus Kostengründen nicht<br />

möglich, deshalb wurde nach einer Alternative gesucht, um abstürzende Teile<br />

abzufangen. Ein zweischaliges System aus Fall- und Staubnetzen sichert den<br />

Arbeitsbereich. Der Fangboden behält dabei sekundär seine Funktion. Industriekletterer<br />

spannten über eine Höhe von 9 m (in Schicht 6 und 7) 1620 m² Fangund<br />

Staubnetze.<br />

Ein dauerhaft gespanntes und grobmaschiges Fallnetz als Außenhaut und ein<br />

nach innen gehängtes feinmaschiges beweglichen Staubnetz sorgen ab dem<br />

Sommer 2012 für eine hohe Sicherheit auf der Turmbaustelle. Bei dieser zweischichtigen<br />

Konstruktion sind die Windkräfte zu beachten. Das Fallnetz besitzt<br />

eine Winddurchlässigkeit von über 80%, das Staubnetz muss aufgrund seiner<br />

geringen Winddurchlässigkeit bei Windstärken von Beaufort 6 (bis 49,8 km/h)<br />

hochgerollt werden.<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.17 Montage der<br />

Netzeinhausung, Fang- und<br />

Staubnetz<br />

- 18 -


Verbesserungen an den Arbeitsplätzen<br />

Raumluftmessungen in der Turmwerkstatt haben gezeigt, dass die Staubentwicklung<br />

an den einzelnen Arbeitsplätzen unterschätzt wurde, obwohl hier ohne<br />

Pressluftmeißel gearbeitet wird.<br />

Außerdem haben sich die BG - Regelungen für A-Staubgrenzwerte in den letzten<br />

Jahren geändert.<br />

Deshalb wurden die Arbeitsplätze zunächst temporär ausgelagert.<br />

Erste Gespräche mit Herstellern von Absauganlagen zeigten, dass die Umsetzung<br />

der neuen Vorschrift noch nicht in vollem Umfang stattgefunden hat. Einige<br />

zusätzliche technische Anforderungen für die Anlagebauer waren die Rückluftzuführung,<br />

ein leistungsfähiger Antrieb für die neue Filterklasse und vielem mehr.<br />

Nach zehnmonatiger Planungsphase konnten wir im November die Anlage in<br />

Betrieb nehmen (Abb.18).<br />

Eine weitere Auflage für die Absauganlage im öffentlichen Raum ist ein maximal<br />

geforderter Geräuschpegel von 65dB. Filteranlage, Ventilator, Luftrückführung,<br />

Kompressoren- und Absauganlage dürfen gemeinsam diesen Wert nicht überschreiten.<br />

Erste Messungen ergaben darunterliegende Werte an. Weitere Raumluftmessungen<br />

zur Prüfung der installierten Absauganlage stehen im Frühjahr<br />

2013 an.<br />

Zusätzlich wurde mit einem neuen Mannschaftscontainer einen neuen Aufenthaltsbereich<br />

geschaffen, der außerhalb des Werkstattbetriebes liegt (Abb.19).<br />

Thomas Laubscher<br />

Pyramide des Westturmes<br />

Abb.18 Absauganlage in<br />

der Turmwerkstatt ist in<br />

Betrieb<br />

Abb.19 Sichtlich begeistert<br />

vom neuen Raumangebot<br />

- 19 -


Langhaus Südseite<br />

Christian Leuschner<br />

Langhaus Südseite<br />

Joche 1 und 2<br />

Im Mai wurden die Sockelbereiche der südlichen Strebepfeiler 0/1 und1/2 noch<br />

einmal eingerüstet (Abb.20). Dieser Abschnitt war durch das vorherige Arbeitsgerüst<br />

nicht zu bearbeiten: der Steinaustausch war erschwert durch störende<br />

Gerüstteile und die Lichtverhältnisse ließen eine exakte Farbanpassung von<br />

Kittmassen und Steinrestauriermörteln nicht zu.<br />

Abb.20 Abschlussarbeiten<br />

im unteren Pfeilerbereich<br />

Es musste insgesamt nur wenig<br />

Steinmaterial ausgetauscht werden:<br />

am Strebepfeiler 1/2 ein Eckquader<br />

(Abb.21) und am Pfeiler<br />

0/1 ein Sockelgesims (Abb.22).<br />

Die großfl ächigen Steinschäden<br />

wurden nach dem Ausarbeiten der<br />

schadhaften Partien mit Steinrestauriermörtel<br />

der Fa. Remmers<br />

geschlossen. Die Farbauswahl<br />

der Restauriermörtelmischungen<br />

erfolgten nach Abgleich mit den<br />

in der eigenen Werkstatt hergestellten<br />

Musterplättchen vor Ort.<br />

Durch exakte Farbrezeptur mit<br />

den Standardfarben untereinander<br />

konnte jeder gewünschte Farbton<br />

genau gemischt werden. Leichte<br />

Farbschwankungen können jedoch<br />

durch unterschiedliche Temperaturverhältnisse<br />

beim Antragen<br />

entstehen. Mit den selbstentwickelten<br />

Kittmassen auf Basis von<br />

Abb.21 Austausch eines<br />

Ecksteins am Strebepfeiler<br />

1/2 Süd<br />

-- 20 14 --


Christian Leuschner<br />

Langhaus Südseite<br />

Abb.22 Steinersatz im<br />

Pfeilersockel<br />

Abb.23 Verfugarbeiten<br />

Abb.24 Nachfestigung der<br />

Kittungen mit Kieselsäureester<br />

Ludox HSA wurden kleine Risse geschlossen und Anböschungen vorgenommen<br />

(Abb.23). Anschließend wurden die Wandfl ächen nachgefugt. Nach aushärten<br />

des Fugmörtels konnten die Nachfestigungen mit KSE 300 ausgeführt werden<br />

(Abb.24).<br />

Im Juli konnte das Gerüst wieder abgebaut und die Sanierung dieser beiden<br />

westlichen Joche damit abgeschlossen werden.<br />

- 21 -


Langhaus Nordseite<br />

Uwe Zäh<br />

Langhaus Nordseite<br />

Abendmahlskapelle<br />

Eine sich nach und nach, und ohne<br />

Fremdeinwirkung lösende Vierung<br />

in der Wandaußenfl äche der Abendmahlskapelle<br />

im Joch 6 des südlichen<br />

Seitenschiffes, war Anlass die Standsicherheit<br />

dieser Kapelle genauer zu<br />

überprüfen (Abb.25).<br />

Die gesamte Wandfl äche wölbt sich<br />

bei einer Länge von 6,29m um 7cm<br />

und neigt sich bei einer Höhe von<br />

3,25m oben bis zu 3cm nach außen.<br />

Das abschließende Gesims, auf<br />

dem bis 1990 eine Maßwerkbrüstung<br />

stand, ist bis zu 14cm gegenüber dem<br />

oberen Wandanschluss nach außen<br />

verschoben (Abb.26).<br />

Abb.25 Gelöste Vierung<br />

Abb.26 Verformung der<br />

Wandfl äche<br />

- 22 -


Der Kapelleninnenraum ist zweiteilig (Abb.27). Der östliche Teil schließt bündig<br />

mit dem Treppenaufgang, der zur Seitenschiffgalerie führt, ab und ist nur vom<br />

äußeren Kapellendach über eine Luke zugänglich. Die Überdachung dieses Vorraums<br />

besteht aus einer in Stahlträgern gefasste Betondecke. Diese Träger liegen<br />

längs auf der freistehenden, ohne Einbinder gemauerten Trennwand. Die<br />

Decke bindet kraftschlüssig an die Sandsteine der Wandinnenfl äche und trägt<br />

somit zur Stabilisierung der Kapelle bei (Abb.28). Der westliche Teil ist die eigentliche,<br />

vom Münsterinneren sichtbare Kapelle. Ihr Gewölbe ist nicht in die Außenwandfl<br />

äche eingebunden und unbelastet von deren Wölbungsbewegungen. Die<br />

Mauersteine der Kapellenwand sind bei einer Höhe von bis zu 1,10m teilweise<br />

nur 8cm stark und haben einen sehr ungünstigen Fugenschnitt. Manchmal liegen<br />

sie nur lose im Mauerverbund oder haften lediglich mit einem an der Innenwand<br />

aufgetragenen Wurfputz an den umliegenden Steinen. Zwei Wasserspeier leiten<br />

das Wasser vom Kapellendach ab und sind mit einem inzwischen rostzerfressenen,<br />

undichten Eisenrohr ausgekleidet. Sie werden bei Regen ständig von innen<br />

durchfeuchtet und zeigen dadurch bedingte Schädigungen in Form von Zermürbung<br />

und starkem Bewuchs.<br />

Uwe Zäh<br />

Langhaus Nordseite<br />

Abb.25 Bauzeitenkartierung<br />

Abb.26 Betondecke mit<br />

Stahlträgern<br />

- 23 -


Die durch die Verformung aufgetretenen Spannungen an den Fugen führten<br />

horizontal zu Abplatzungen an den Steinfl anken (Abb.29). Das wasserableitende<br />

Profi l am Kapellengesims war über die gesamte Länge funktionsuntüchtig<br />

(Abb.30).<br />

Uwe Zäh<br />

Langhaus Nordseite<br />

Abb.29 Abplatzungen<br />

durch Verformungsdrücke<br />

Abb.30 Abgewitterte Tropfkante<br />

- 24 -


Die verwitterte Tropfkante wurde 1990 im Zuge einer provisorischen Dachabdichtung<br />

mit Walzblei umkleidet. Die Wasserableitung über das Profi l konnte mit<br />

dieser Maßnahme allerdings nicht wiederhergestellt werden. Das Wasser fand<br />

weiterhin den Weg über die Wandfl äche und beschleunigte die Verwitterung der<br />

Steine durch Absanden oder Auswaschen der Maueroberfl ächen. Ebenso waren<br />

die Fugen zurückgewittert, bzw. der Mörtel kaum mehr vorhanden (Abb.31).<br />

Zwei von vier Maßwerkbrüstungsteilen wurden 1990 während der Kapellensanierungsarbeiten<br />

in der Münsterbauhütte kopiert. Dennoch wurden sie nicht wieder<br />

versetzt.<br />

Uwe Zäh<br />

Langhaus Nordseite<br />

Abb.31 Krusten unterhalb<br />

des wasserableitenden<br />

Profi les<br />

Die alten Brüstungsteile und<br />

die dazugehörigen Abdeckungen<br />

waren mit den Maßwerken<br />

in einem Stück gearbeitet.<br />

Die schadhaften Abdeckungen<br />

wurden damals abgesägt. In<br />

Abstimmung mit dem Landesamt<br />

für Denkmalpfl ege wurde<br />

beschlossen die äußere Form<br />

der Kapelle wieder herzustellen,<br />

die nicht mehr vorhandenen<br />

Maßwerkabdeckungen<br />

neu zu schlagen und mit verändertem<br />

Fugenschnitt gemeinsam<br />

mit den eingelagerten<br />

Brüstungsteilen neu zu versetzen.<br />

Die zur Stabilisierung<br />

notwendigen Kupferklammern<br />

wurden wie die Vertikalfugen<br />

der Abdeckungen fl üssig verbleit<br />

(Abb.32).<br />

Die starke Verformung des<br />

Gesimsprofi ls als Aufstand<br />

für die Brüstung sollte an die<br />

Krümmung des oberen Wandanschlusses<br />

angeglichen werden.<br />

Dafür wurden die neu<br />

Abb.32 Bleiverguß an den<br />

neu versetzten Brüstungen<br />

- 25 -


geschlagenen Gesimsstücke zum Einen radial verzogen,<br />

um sich der Bauchung der Wand anzugleichen,<br />

und zum Anderen nach Osten hin verbreitert, um eine<br />

Absenkung von 2cm über die Gesamtlänge auszugleichen<br />

(Abb.33). Für die kraftschlüssigen Verbindungen<br />

sorgen rückseitige Ausklinkungen an den Gesimssteinen,<br />

für die stoffschlüssigen die zusätzliche Verklebung<br />

mit Steinsilikatkleber System Busch (Abb.34).<br />

Um die anschließende Konservierung der Wand durchführen<br />

zu können, wurde sämtlicher Schutt aus dem<br />

Kapellenvorraum ausgeräumt. Nach einer Farb- und<br />

Mörtelbefundung durch die Restauratorin J. Quatmann<br />

wurden die Oberflächen abgesaugt und wo nötig vorsichtig<br />

mit Pinseln abgebürstet. Der Untergrund wurde<br />

für die Vorfestigung durch leichtes Abspühlen mit Wasser<br />

(Handsprühpumpe) vorbereitet. Im Flutverfahren<br />

konnten so direkt nach dem Abtrocknen ca. 8l Kieselsäureester<br />

KSE300 auf die etwa 20m² große Fläche<br />

eingebracht werden. Die Reaktionszeit des Steinfestigers<br />

wurde mit der Vorfertigung von Vierungen und<br />

Passstücken überbrückt. Eine komplette Neuverfugung<br />

im Inneren des östlichen Kapellenvorraumes<br />

soll das labile Mauerwerk zusätzlich Verfestigen und<br />

als großfl ächiger Rissmonitor für eventuelle weitere<br />

Verschiebungen dienen. Die Außenfl ächen konnten<br />

aufgrund der Witterung nur noch teilweise verfugt werden.<br />

Die abschließenden Maßnahmen wie Einkleben<br />

der Vierungen, Verkitten, Hinterfüllen und Nachfestigen<br />

können erst nach der Frostperiode abgeschlossen<br />

werden.<br />

Uwe Zäh<br />

Langhaus Nordseite<br />

Abb.33 Verziehung der<br />

Brüstungsabdeckungen<br />

Abb.34 Ausklinkungen<br />

für den kraftschlüssigen<br />

Verbund der vorgeblendeten<br />

Profi laufstände<br />

- 26 -


Chor Südseite<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Strebepfeileraufsatz13/14<br />

Bereits im Herbst 2011 wurde ein Leichtbaugerüst durch die Fa. RPL-Gerüstbau<br />

am Chorstrebepfeiler erstellt. Bis zum Frühjahr 2012 konnte die Farbbefundkartierung<br />

von Frau Quatmann angefertigt werden (Abb.35) und Herr King war als<br />

Bauforscher mit der Erfassung der Bauphasen betraut. Beide Ergebnisse befi n-<br />

Abb.35 Farbbefundung<br />

durch Frau Quatmann<br />

den sich als Pläne im Anhang der<br />

Dokumentation. Inzwischen war<br />

die Gerüstplanung für den Aufbau<br />

des Arbeitsgerüstes der Münsterbauhütte<br />

fertiggestellt und vom<br />

Statiker geprüft. Diverse sicherheitsrelevante<br />

Auflagen galt es<br />

beim Gerüstaufbau einzuhalten.<br />

Das betraf vor allem die östliche<br />

Zufahrt auf den Münsterplatz. Hier<br />

musste mit den zuständigen Behörden<br />

eine zeitweise Sperrung<br />

der Durchfahrt abgesprochen<br />

werden. Die abzusperrenden Bereiche<br />

wurden vom Sicherheitsbeauftragten,<br />

Herrn Egloff, für die<br />

Aufbauzeiten festgelegt und mit<br />

fl exiblen Absperrbaken ausgeführt<br />

(Abb.36) die es ermöglichten, bei<br />

Bedarf schnell die Durchfahrt gewähren<br />

zu können. Die gleiche<br />

Regelung wurde für die Durchfahrt<br />

am Chor auf den nördlichen Münsterplatz<br />

angewendet.<br />

Abb.36 Einbau der Windaussteifungen<br />

- 27 -


Nachdem die Fundamentplatten durch die Fa. Moser im Mai betoniert waren<br />

(Abb.37), begann Anfang Juni der Gerüstaufbau an der Schnewlinkapelle bis auf<br />

eine Höhe von 6m (Abb.38).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.37 Erstellen der<br />

Fundamentplatten für den<br />

Gerüstaufbau<br />

Abb.38 Einrüsten der Chorkapellen<br />

- 28 -


Danach wurde das Gerüst vor der südlichen Kaiserkapelle bis auf die gleiche<br />

Höhe erstellt.<br />

Anschließend errichtete der Zimmermann die 5m hohe Schutzverschalung an<br />

den Gerüsten. Jetzt konnten beide Gerüstbauten an den Chorkapellen bis auf<br />

eine Höhe von 14m fertig aufgebaut werden (Abb.39).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.39 Erstelltes Gerüst an<br />

der Schnewlin- und südlichen<br />

Kaiserkapelle<br />

Im Juni begann der Abbau<br />

des Strebepfeileraufsatzes<br />

13/14 mit Hilfe des noch<br />

stehenden Leichtbaugerüstes.<br />

Unter Mithilfe eines<br />

in der Nachbarschaft stehenden<br />

Baukranes konnten<br />

5 Schichten des Aufsatzes<br />

abgetragen werden<br />

(Abb.40). Die restlichen<br />

Teile wurden mit dem Autokran<br />

der Fa. Baudler abgetragen<br />

(Abb.41,42). Bis<br />

Ende Juli war der Strebepfeilaufsatz<br />

komplett abgebaut<br />

(Abb.43,44) und<br />

die Steine im Hof der Bauhütte<br />

gelagert (Abb.45).<br />

Anfang August baute<br />

Fa. RPL-Gerüstbau das<br />

Leichtbaugerüst am Chorstrebepfeiler<br />

ab.<br />

Abb.40 Abbaubeginn des<br />

Strebepfeileraufsatzes<br />

- 29 -


Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.41 Gerüstmaterialtransport<br />

auf die Chorplattform<br />

Abb.42 Abbau des Mittelteils<br />

des Strebepfeileraufsatzes<br />

- 30 -


Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.43 Abbau der vorletzten<br />

Schicht des Pfeileraufsatzes<br />

Abb.44 Beendeter Rückbau<br />

des Pfeileraufsatzes<br />

- 31 -


Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.45 Steinlager der<br />

abgebauten Objekte<br />

Abb.46 Einbau der Überbrückungskonstruktion<br />

über<br />

der Chorplattform<br />

Zur Aufnahme der hohen Gerüstlasten war eine Überbrückungskonstruktion aus<br />

Stahlträgern als Unterbau notwendig. Die 10m langen Träger wurden auf einer<br />

Brücke im äußeren Bereich aufgelegt und an der Hochchorwand mit demontierbaren<br />

Schwerlastdübeln Fischer M16 verschraubt (Abb.46,47). Der Gerüstbau<br />

konnte nun mit der Einrüstung des Strebepfeilers und der 4 Strebebögen fortgesetzt<br />

werden (Abb.48).<br />

- 32 -


Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.47 Beginn der Einrüstung<br />

des Strebepfeilers<br />

Abb.48 Ausbildung des<br />

Raumfachwerkes im Merosystem<br />

- 33 -


Bis Ende Oktober war<br />

der Gerüstbau nahezu<br />

fertiggestellt und<br />

alle Etagen ausgebaut<br />

(Abb.49). Um die seitlich<br />

auftreffenden Windkräfte<br />

auf das ca. 32m hohe<br />

Gerüst aufnehmen zu<br />

können, mussten beidseitig<br />

Abstrebungen zu<br />

den Nachbarpfeilern und<br />

zu den Hochchorgalerien<br />

eingebaut werden<br />

(Abb.50).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Südseite<br />

Abb.49 Fertiges Gerüst<br />

Abb.50 Einbau der Windstreben<br />

- 34 -


Chor Nordseite<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Strebepfeileraufsatz 9/10 (Bäckerlicht)<br />

Nach dem Abbau des<br />

nördlichen Chorstrebepfeileraufsatzes<br />

9/10 (Bäckerlicht)<br />

im Oktober 2011<br />

wurden die Steinteile im<br />

Trockenstrahlverfahren<br />

gereinigt und im Hinblick<br />

auf einen Wiedereinbau<br />

gründlich untersucht und<br />

bewertet (Abb.51,52,53).<br />

Der stehengebliebene untere<br />

Teil des Strebepfeileraufsatzes<br />

wurde vor<br />

Ort schonend mit geringem<br />

Luftdruck gereinigt<br />

(Abb.54,55). Mehrere<br />

Ausbauteile konnten mit<br />

Vierungen ergänzt und<br />

wiederverwendet werden<br />

(Abb.56,57).<br />

Abb.51 Ausgebaute Blattkapitelle<br />

und Säulen<br />

Abb.52 Abgebaute Fialen<br />

und Kreuzblumen<br />

Abb.53 Steinkonservatorisch<br />

zu bearbeitende Steine<br />

des Unterbaues<br />

- 35 -


Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.54 Reinigen des Strebepfeilergiebels<br />

im Niederdruckverfahren<br />

Abb.55 Reinigungsergebnis<br />

- 36 -


Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.56 Einsetzen von<br />

Steinvierungen<br />

Abb.57 Vierungsergänzung<br />

an einer originalen Fiale<br />

- 37 -


Ca. 90% der originalen Substanz konnte erhalten und nach Festigungen, Rissverfüllungen<br />

und Kittungen wieder eingebaut werden. Nur wenige abgängige<br />

Werkstücke (Abb.58) wurden durch Kopien in Lahrer Sandstein ersetzt.<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.58 Blattkapitell mit<br />

Rostsprengung und Rissmarke<br />

Dies waren im Einzelnen:<br />

1 Blattkapitell (Abb.59)<br />

1 Säule, 1 Säulenbasis,<br />

6 Fialen (Abb.60), 1 Abdeckplatte<br />

(Abb.61) und<br />

2 Kreuzblumen.<br />

Abb.59 Kopie des zerstörten<br />

Blattkapitells<br />

- 38 -


Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.60 Teilergänzte und<br />

neue Fialen<br />

Abb.61 Neu versetztes<br />

Mittelteil<br />

- 39 -


Die erste neu zu versetzende Schicht bestand aus 6 Originalsteinen (Abb.62)<br />

und einer inneren Ausmauerung mit Bruchsteinen. Die zweite Schicht mit den<br />

Blattornamenten bestand aus 8 Steinteilen, davon waren 5 konservierte Originalsteine<br />

und 3 neugeschlagene Kopien. Nach dem Ausrichten der Steinteile<br />

(trockenes Versetzen) wurden sie mit Klammern aus Kupferprofi lband 25x5 mm<br />

verbunden (Abb.63), die Klammerlöcher mit Mörtel ausgegossen.<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.62 Versetzen der<br />

ersten Schicht<br />

Abb.63 Versetzen der zweiten<br />

Schicht<br />

- 40 -


Nachdem auch in dieser Schicht die Ausmauerung mit abgebauten Bruchsteinen<br />

erfolgt war, konnte die zweiteilige Basisplatte versetzt werden (Abb.64). Die<br />

durchgerissene schwergewichtige Basis der Bäckerlichtlaterne (Abb.65) musste<br />

in zwei Teilen zur Baustelle heraufgezogen werden, da die Seilwinde nur eine<br />

Hubkraft von 1000 kg hatte.<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.64 Einrichten und Verguss<br />

der Säulenbasisplatten<br />

Abb.65 Geklebte Basis des<br />

Mittelschaftes<br />

- 41 -


Die beiden Teile wurden beim Versetzen geschient und mit Silikatkleber verbunden<br />

(Abb.66). Anschließend wurden die drei Säulentrommeln des Bäckerlichtes<br />

mit einer Dübelverbindung versetzt und die vier begleitenden Säulen und Kapitelle<br />

aufgebaut und mit einem Korsett aus Gerüstteilen in ihrer Lage fi xiert. Da die<br />

Deckplatte aus statischen Gründen in einem Stück neu gefertigt wurde, war der<br />

Transport zur Baustelle auf Grund der Größe schwierig. Die Platte musste wegen<br />

ihrer Größe in senkrechter Lage diagonal durch die Gerüstebenen nach oben<br />

gezogen werden. Mittels der vorher gebohrten Dübellöcher konnte die Deckplatte<br />

gut gesichert bis zum Versetzort transportiert werden (Abb.67). Zum vorläufi gen<br />

Abschluss der Versetzarbeiten wurden die letzten beiden Steinschichten über<br />

dem Deckel aufgebaut (Abb.68) und die Säulen und Kapitelle mit Blei vergossen<br />

(Abb.69).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.66 Versetzter Mittelschaft<br />

Abb.67 Einbau der Deckplatte<br />

- 42 -


Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.68 Abschluss Bäckerlicht<br />

Oberteil<br />

Abb.69 Fertig versetzte<br />

Basis<br />

- 43 -


Strebebogen 9/10<br />

Der zum sog. Bäckerlicht gehörige Strebebogen wurde ebenfalls gereinigt<br />

und vom Statiker begutachtet. Die in den Bleifugen erkennbaren Metallplatten<br />

(Abb.70,71) zeigen deutliche Korrosionsspuren. Um ein weiterkorrodieren zu unterbinden<br />

müssten die Eisenteile gründlich eingebleit oder, wenn sie nicht aus der<br />

Erbauungszeit stammen, ausgetauscht werden.<br />

Einige Strebebogensteine haben statisch bedingte Risse, die noch kraftschlüssig<br />

mit Mikrozement verfüllt werden müssen (Abb.72,73). Im Maßwerk des Strebebogens<br />

sind noch einige Vierungen einzusetzen (Abb.74).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.70 Rostende Metallplatten<br />

in der Strebebogenfuge<br />

Abb.71 Bleifuge mit überdeckten<br />

Eisenplatten<br />

- 44 -


Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.72 Rissschäden<br />

Abb.73 Fehlende Vierung<br />

und Rissschaden<br />

Abb.74 Lose Vierung im<br />

Strebebogenmaßwerk<br />

- 45 -


Bauhistorische Untersuchung, Chorstrebebogen 9/10<br />

Die Strebebögen des Chors sind aus einem Untergurt in fl achem Bogen und<br />

einem Obergurt in gerader Linie und Maßwerk im Zwischenraum zusammengesetzt.<br />

Der Untergurt mit Radialfugen dient der Aufnahme des Gewölbeschubs,<br />

während der Obergurt eine Regenrinne trägt. Er besitzt orthogonale Stoßfugen<br />

und sein oberes Ende ist als Teil des Werksteinverbands der Obergadenwand<br />

mit Horizontalfugen ausgebildet. Wie überall am Chor sind zahlreiche bauzeitlich<br />

passgenau eingeklebte Vierungen unterschiedlicher Größe zu fi nden (wovon im<br />

Gutachten G. Kremp, unter Pkt. 6 eine als Vierung bezeichnet).<br />

Stefan King<br />

Chor Nordseite<br />

Anders als bei den übrigen Strebebögen treffen beim Bäckerlicht am oberen<br />

Ende des Obergurts Querschnitte unterschiedlicher Höhe aufeinander. Bei bündiger<br />

Unterseite ergab sich auf der Oberseite eine Stufung von etwa 6 cm, die<br />

mit einem als Vierung schräg eingesetzten Rinnenstück überbrückt ist. Die Stelle<br />

entspricht dem oberen, beim Bau der Obergadenwand vorbereiteten Anfänger,<br />

gleich den Bogenstümpfen neben den Hahnentürmen, sodass sich der Profi l-<br />

wechsel auf eine veränderte Planung zurückführen lässt.<br />

In den Bleifugen des Untergurts sind Eisenteile unterschiedlicher Stärke zu fi n-<br />

den. Zwei Eisenplatten von zusammen 3 cm Stärke liegen in der Stoßfuge am<br />

Obergurtanfänger. Zwischen Stein und Bleiguss ist hier eine Klaffung von etwa 1<br />

mm festzustellen, was durch Korrosion des Eisens verursacht worden sein könnte.<br />

Oberseitig sind die Stoßfugen des Obergurts und Horizontalfugen im Spornpfeiler<br />

mit einem harten Mörtel verstrichen, der zur Abdichtung der Fugen in und<br />

neben der Rinne diente und zu erheblich späterer Zeit aufgebracht wurde. Seinem<br />

verrosteten Erscheinungsbild gemäß enthält er Eisenteile. Möglicherweise<br />

handelt es sich um eine Art von Kitt, denn in Rezepten des 17. Jahrhunderts sind<br />

als Zuschlag vielfach Eisenfeilspäne überliefert (vgl. Friedrich Kempf in <strong>Freiburger</strong><br />

Münsterblätter 12. Jg., 1916, S. 1-38, hier S. 8f).<br />

Wiederum zu einem späteren Zeitpunkt wurde die Rinne erneut mit Blei abgedichtet.<br />

Die Abfolge aus Bleifugen, Dichtungsmörtel bzw. -kitt und Bleiabdichtung<br />

lässt sich auch an der Rinnenvierung und damit auch an jener Fuge mit den<br />

Eisenplatten nachvollziehen, was vermuten lässt, dass sie auf die Bauzeit zurückgehen.<br />

Quer über die nach unten gerichtete Stoßfugenfläche des Obergurtanfängers<br />

verläuft eine kantige Nut von 2 cm Weite und 2,5 cm Tiefe. Entsprechendes lässt<br />

sich an allen Strebebögen sowie am stumpfen Anfänger am südlichen Hahnenturm<br />

(derjenige am nördlichen Hahnenturm ist erneuert) beobachten, mit Ausnahme<br />

eines Teils der Nebenbögen des Chorschlusses. Was darin eingelegt war<br />

und zu welchem Zweck dies diente, konnte nicht ergründet werden, doch liegt es<br />

nahe, sie mit dem freistehenden Zwischenzustand der Anfänger in Verbindung<br />

zu bringen, etwa als Korsett gegen deren Abscheren aufgrund der tiefen Profi -<br />

lierung. Der Bogenansatz am südlichen Hahnenturm hält zwar ohne Korsett bis<br />

heute, der entsprechende Stein am nördlichen Hahnenturm war jedoch genau<br />

an dieser Stelle gebrochen. Eine andere Möglichkeit wäre die Anbringung eines<br />

Schurgerüstes o.ä. in Verbindung mit dem Einbau der Strebebögen. Es könnte<br />

auch ein Zusammenhang mit den in gleicher Höhe liegenden Löchern, die sich<br />

in Scheitelhöhe der Fenster um den ganzen Chor herumziehen, gesucht werden,<br />

indem sie ein temporäres Korsett für die labilen Obergadenwände aufgenommen<br />

haben könnten.<br />

Weitere halbkreisförmige Nuten von 2 cm Weite und 1,2 cm Tiefe fi nden sich in<br />

drei darüberliegenden Lagerfugen jeweils im Ober-und Unterlager, liegen aber<br />

- 46 -


leicht zueinander verschoben und würden sich nur dann genau entsprechen,<br />

würde man die Werkstücke ohne Fugenabstand passend aufeinanderlegen. Bei<br />

der Formgebung der Werkstücke, die den schrägen Obergurt und den vertikalen<br />

Spornpfeiler umfassen, war die Fugenstärke aber bereits berücksichtigt worden,<br />

sodass die Verschiebung ihre Ursache nicht in Deformationen haben kann, sondern<br />

in Verbindung mit der Herstellung der Werkstücke zu suchen sein dürfte. In<br />

den beiden Horizontalfugen des Spornpfeilers oberhalb zeichnen sich im Umriss<br />

weitere solcher Nuten ab, hier genau übereinander. Bei den übrigen Strebebögen<br />

meint man ähnliche Aussparungen an Ausweitungen des Mörtels erkennen zu<br />

können.<br />

Stefan King<br />

Chor Nordseite<br />

Anlage im Anhang, Tafel VI: Kartierung mit Änderungen und Einträgen<br />

- 47 -


Baustellenzugang an der Alexanderkapelle<br />

Um die geplante (vermutlich langjährige) Baustelle an den Chorstrebepfeilern zu<br />

erschließen, musste ein Bauaufzug installiert werden. Die einzige Stelle, die dafür<br />

geeignet war, ist die Wandfl äche der Alexanderkapelle auf der Nordseite. Sie<br />

weist die notwendige Außenwandbreite auf und die Beeinträchtigung des Marktgeschehens<br />

ist auf der Nordseite nicht so groß wie auf der Südseite.<br />

Anfang Mai wurden die beiden Fundamentplatten betoniert, die als Niveauausgleich<br />

für den Aufzug auf dem Münsterplatz gebraucht wurden (Abb.75). Anschließend<br />

baute die Fa. Becker den bauseits vorhandenen Bauaufzug Geda<br />

1500 ZP auf.<br />

Zimmerermeister Ortlieb entwickelte für die mit Walzblei belegte Dachschräge<br />

der Alexanderkapelle und der Chorplattform ein Podest mit Rampe als Überstieg<br />

vom Bauaufzug auf die Chorplattform (Abb.76).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.75 Schalung für die<br />

Fundamentplatten des Bauaufzuges<br />

Abb.76 Abbau der Maßwerkbrüstungen<br />

- 48 -


Zuvor wurden die Maßwerkbrüstungen der Alexanderkapelle demontiert (Abb.77).<br />

Ihr Zustand war materialbedingt sehr schlecht. Zahlreiche Rostsprengungen und<br />

Fehlstellen an den überwiegend aus Allmendsberger Sandstein bestehenden<br />

Brüstungen waren zu erkennen (Abb.78).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.77 Abbau der Maßwerkabdeckungen<br />

Abb.78 Schadensbild:<br />

Rostsprengung durch Eisenklammer<br />

- 49 -


Nachdem die Schadenskartierung erstellt war, wurden die Eisenklammern ausgebaut<br />

und dann die 6 Maßwerkabdeckungen abgenommen. Die Bleifugen zwischen<br />

den Maßwerken wurden mit dem Elektrofuchsschwanz getrennt (Abb.79).<br />

Dann konnten die vier Maßwerke abgebaut und auf der Chorplattform zwischengelagert<br />

werden (Abb.80).<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.79 Aufsägen der Bleifuge<br />

mit der Pendelhubsäge<br />

Abb.80 Ausgebautes Maßwerkteil<br />

- 50 -


Im September wurden dann die abgebauten 11 Teile mit dem Kran der Fa.Baudler<br />

von der Chorplattform auf den Münsterplatz heruntergehoben und in die Münsterbauhütte<br />

transportiert (Abb.81,82). Im kommenden Jahr werden zwei Maßwerkbrüstungen<br />

konservierend behandelt (reinigen, festigen und Risse schließen)<br />

sowie die beiden anderen aus Lahrer Sandstein neu gehauen.<br />

Christian Leuschner<br />

Chor Nordseite<br />

Abb.81 Kraneinsatz für<br />

den Maßwerktransport von<br />

der Chorplattform auf den<br />

Münsterplatz<br />

Abb.82 Maßwerk vorbereitet<br />

für den Abtransport zur<br />

Münsterbauhütte<br />

- 51 -


Werkstattarbeiten<br />

Christian Leuschner<br />

Werkstattarbeiten<br />

Steinmetzwerkstatt<br />

Ein rückgeführtes Maßwerk (privater Besitz) wurde zusammengepuzzelt und restauratorisch<br />

aufgearbeitet (Vorzustand Abb.83, Massnahmen Abb.84, Rekonstruktion<br />

Abb.85). Auch zwei unserer Auszubildenden waren an dem Einsetzen<br />

von genau passenden Vierungen beteiligt.<br />

Abb.83 Vorzustand Maßwerk<br />

Abb.84 Arbeitszustand,<br />

Rissverfüllung<br />

- 52 -


Christian Leuschner<br />

Werkstattarbeiten<br />

Abb.85 Endzustand des<br />

Maßwerkes<br />

Frau Walther war mit<br />

dem Silikonformenbau<br />

für den Tag der offenen<br />

Tür beschäftigt. Johannes<br />

Koch stellte eine<br />

Fiale vom Westturm<br />

fertig (Abb.86) und probierte<br />

das erste neue<br />

Tennenbacher Material<br />

für eine Kreuzblume an<br />

der südöstlichen Lisene<br />

des Hochchores aus<br />

(Abb.87).<br />

Abb.86 Fertigstellung der<br />

Turmfi ale<br />

Abb.87 Probestück aus<br />

Tennenbacher Sandstein<br />

- 53 -


Im Neckartäler Sandstein wurde eine äußerst fi ligrane Kreuzblume probehalber<br />

von Michael Kästner gehauen (Abb.88). Hier stieß der Steinmetz an die Grenzen<br />

des Machbaren. Die Durchbrüche wurden gebohrt und die fi ligranen Stege heraus<br />

geschliffen. Für die Bereiche zwischen den Strebepfeilern des Langhauses<br />

und des Chores wurden weitere Poller zum künftigen Schutz des Belages aus<br />

Sandsteinplatten in der Bauhütte gehauen (Abb.89,90). Azubi Mariella Nesselhauf<br />

arbeitete mit Freude an einem Kreuzblumenknauf (Abb.91).<br />

Christian Leuschner<br />

Werkstattarbeiten<br />

Abb.88 Probestück aus<br />

Neckartäler Sandstein<br />

Abb.89 Pollerherstellung<br />

zur Begrenzung der Jochfl<br />

ächen<br />

- 54 -


Christian Leuschner<br />

Werkstattarbeiten<br />

Abb.90 Poller für Chornischen<br />

Abb.91 Auszubildende fertigt<br />

einen Kreuzblumenknauf<br />

- 55 -


Restaurierwerkstatt<br />

Prüfung von Injektionsmassen<br />

Im März 2011 wurden von der Münsterbauhütte verschiedene Injektionsmassen<br />

in einer Testreihe auf ihre Verarbeitung und Festigkeit hin überprüft. Es gelang,<br />

die sehr festen Mikrozementmischungen so abzumagern, dass sich die Kriecheigenschaften<br />

der Massen dabei nicht nennenswert verschlechterten. Dispergiert<br />

wurde mit einer Planetenmühle mit dem Ziel, die Feinheit und somit auch<br />

die Fließfähigkeit, sowie die Festigkeit der Massen zu erhöhen (s. Arbeitsbericht<br />

2011).<br />

Auf Anregung von Dipl. Restaurator L. Kürten wurden in einer zweiten Testreihe<br />

im Mai 2012 der Einfl uss des Dispergierens auf die favorisierten Mikrozementmischungen<br />

gemeinsam mit den an der Turmpyramide eingesetzten Massen untersucht.<br />

In dreifacher Ausführung wurden 5 verschiedene Massen (1.0, 1.04, 1.05, Turmmasse<br />

dick, Turmmasse fein) jeweils mit der Planetenmühle und einem Stabmixer<br />

3min lang verrührt, und anschließend in vorbereiteten Sandsteinprüfkörpern<br />

aus zwei, mit einem Abstand von 1mm aneinander gestellten, 25cm² großen<br />

Plättchen injiziert. An der Außenseite der Plättchen aus Lahrer Sandstein waren<br />

je ein Metallhaken mit einer Trägerplatte aufgeklebt. So ließ sich der Prüfkörper<br />

zwischen einen Kettenzug und der Zuglast aus Sand, gleichmäßig in eine große<br />

Wanne eingefüllt, hängen (Abb.92,93). Durch Umrechnen des abgerissenen<br />

Sandgewichtes auf die Zugflächen der Sandsteinplättchen erhält man einen Wert<br />

in N/mm².<br />

Bei der Auswertung aller Zugversuche war zu beobachten, dass die Werte teilweise<br />

zwar beträchtlich auseinanderlagen, aber durch die dreifache Ausführung<br />

dennoch ein Trend erkennbar blieb. Demnach scheinen die beiden Turmmassen<br />

durch das Dispergieren mit der Planetenmühle sowohl in ihrer Verarbeitbarkeit,<br />

sowie auch leicht in ihrer Festigkeit zu profi tieren, während die Zementmischungen<br />

gegenüber des Dispergierens mit dem Stabmixer zwar ebenfalls deutlich<br />

fl ießfähiger wurden, aber tendenziell in ihrer Festigkeit nachließen.<br />

Uwe Zäh<br />

Werkstattarbeiten<br />

Abb.92 Sandsteinprüfkörper<br />

mit angeklebten Zugvorrichtungen<br />

- 56 -


Uwe Zäh<br />

Werkstattarbeiten<br />

Abb.93 Zuglast wird mit<br />

Sand bis zum Abriss erhöht<br />

- 57 -


Sonstiges<br />

Uwe Zäh<br />

Sonstiges<br />

Sicherheitsbefahrungen, Monitoring<br />

Die diesjährigen Sicherheitsbefahrungen am Münster haben bis auf die bekannten<br />

Abwitterungsverläufe keine größeren Schäden gezeigt. Die in den letzten<br />

Jahren gesichteten Brennpunkte wurden begutachtet, aber außer den üblichen<br />

kleineren Verdrahtungen und Steinabnahmen die am Chor immer wieder notwendig<br />

sind, waren keine weiteren Sicherungsmaßnahmen nötig.<br />

Der akute Handlungsbedarf in<br />

den Wimpergzonen des Hauptturmes<br />

(s. Arbeitsbericht 2010)<br />

führte dazu, dass die Münsterbauhütte<br />

umgehend mit der Planung<br />

eines nach unten geführten<br />

Fangbodens begann, um diese<br />

Bereiche mit Gerüsten einzubinden.<br />

Nach genauer Prüfung<br />

verschiedener Gerüstvarianten<br />

kam man aber zu dem Schluss,<br />

dass die Windlasten aufgrund<br />

des schon bestehenden Pyramidengerüstes<br />

den Turm an die<br />

Grenzen seiner Belastbarkeit<br />

bringen würden. Um dennoch<br />

Gefahr durch diese Zonen abzuwenden,<br />

sicherte die Firma<br />

`Membranteam` im Auftrag der<br />

Münsterbauhütte alle Wimperge<br />

(mit Ausnahme des östlichen)<br />

bis auf Weiteres mit dafür ausgelegten<br />

Fang netzen (94,95).<br />

Abb.94 Montage der Fangnetze<br />

zur Sicherung der<br />

Wimpergzonen<br />

Abb.95 Fertige Vernetzung<br />

- 58 -


Michaelsempore<br />

Die Sanierung dieses Bereiches lag in der Verantwortung des Erzbischöfl ichen<br />

Bauamtes. Die Münsterbauhütte hat in deren Auftrag die Steinmetzarbeiten ausgeführt.<br />

Die Maßwerkbrüstungen der<br />

Michaelsempore hatten sich<br />

in der Mitte ca. 5 cm nach außen<br />

gewölbt, in der Folge bildeten<br />

sich große Klaffungen<br />

(Abb.96). Die Ursache für diese<br />

Verformung war zunächst<br />

nicht klar. Um exakte Planunterlagen<br />

für die Schadenskartierung<br />

zu schaffen, wurde<br />

eine fotogrammetrische Erfassung<br />

und Auswertung in Auftrag<br />

gegeben. Das Ing.- Büro<br />

Barthel & Maus wurde mit den<br />

statischen Untersuchungen<br />

betraut.<br />

Durch die Ausbauchung der<br />

Maßwerkgalerie in Richtung<br />

Mittelschiff kam es zu<br />

zahlreichen Verformungsschäden<br />

im Fugenbereich<br />

und am Stein selbst.<br />

(Abb.97,98,99,100,101).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.96 Vorzustände:<br />

Rissschaden durch Korrosion<br />

der Eisenklammer<br />

Abb.97 Abriss durch Ausbauchen<br />

der Maßwerke<br />

- 59 -


Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.98 Rissschäden im<br />

Sockelbereich<br />

Abb.99 Rostsprengung<br />

durch Verklammerung unter<br />

dem Handlauf<br />

- 60 -


Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.100 Abriss durch<br />

Aufbauchung<br />

Abb.101 Abschalung und<br />

Rissbildung durch Kantenpressung<br />

- 61 -


Die Untersuchung mit dem<br />

Metalldedektor ließ darauf<br />

schließen, dass die Maßwerkbrüstungen<br />

unter den<br />

Handläufen mit Eisenklammern<br />

verbunden sind. Beim<br />

Abbau der Handläufe bestätigte<br />

sich dann der Untersuchungsbefund.<br />

Alle<br />

Maßwerke waren mit Eisenklammern<br />

verbunden und<br />

die Klammerlöcher verbleit<br />

(Abb.102). Das inzwischen<br />

erstellte Schutzgerüst an der<br />

Wand der Michaelsempore<br />

(Abb.103) ließ jetzt eine Untersuchung<br />

des Quaderwerkes<br />

zu. Ein breiter Riss von<br />

teilweise bis 3 cm Breite zog<br />

sich unterhalb der Simskante<br />

über die Quaderschichten<br />

bis zu den Bogensteinen des<br />

Portals (Abb.104). Nach Befunden<br />

(Mörtelreste) von Dipl.<br />

Restaurator Grether handelt<br />

es sich wahrscheinlich um<br />

sehr alte Verformungen der<br />

Turmwände. Die Maßwerkbrüstungen<br />

mit dem darunter<br />

befi ndlichen Simssteinen<br />

wurden abgebaut. Die Klammern<br />

der Handläufe wurden<br />

ausgebaut und danach die<br />

Handläufe mit dem Kettenzug<br />

heruntergehoben. Die<br />

Maßwerkbrüstungen hatten<br />

nicht nur in der oberen Fuge<br />

Eisenklammern, sondern waren<br />

auch mit dem Sockel verklammert<br />

(Abb.105).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.102 Ausgebaute<br />

Eisenklammern<br />

Abb.103 Schutzgerüst an<br />

der Michaelsempore<br />

Abb.104 Rissbild in der<br />

Wandfl äche<br />

- 62 -


Diese wurden entfernt und<br />

die Brüstungsteile Stück für<br />

Stück sorgfältig gelöst, mit<br />

dem Kettenzug angehoben<br />

und auf dem Gerüstboden<br />

abgesetzt und zwischengelagert<br />

(Abb.106,107).<br />

An den ausgebauten Maßwerken<br />

wurden angerissene<br />

Stücke vernadelt und<br />

Kittungen ausgeführt. Nun<br />

konnten die Simsteile ausgerichtet<br />

und neu vergossen<br />

werden (Abb.108,109).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.105 Rissbild im Fugenbereich<br />

des Maßwerkes<br />

Abb.106 Abbau einer Maßwerkbrüstung<br />

Abb.107 Abgebaute<br />

Maßwerke auf Schutzgerüst<br />

zwischengelagert<br />

- 63 -


Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.108 Abbau der Maßwerksockel<br />

Abb.109 Vorbereitungen<br />

für den Wiedereinbau der<br />

Sockelsteine<br />

- 64 -


Der durchgehende horizontale Riss zwischen Wandscheibe der Michaelsempore<br />

zur Turmvorhalle wurde gründlich von Bauschutt freigeräumt und ausgesaugt<br />

(Abb.110,111). Er wurde nicht ausgegossen oder ausgefugt. Die Maßwerke wurden<br />

wieder der Reihe nach eingebaut, mit Kupferklammern verankert, mit Blei<br />

ausgegossen (Abb.112,113,114) und mit den Handläufen abgedeckt (Abb.115).<br />

Um die vorhandene Rissstärke kontrollieren zu können (Monotoring) wurde eine<br />

Rissmarke angebracht und eine Nullmessung durchgeführt. Im Plattenbelag des<br />

Fußbodens wurde eine Kontrollöffnung geschaffen (Abb.116). Mit dem Wiederverlegen<br />

der restlichen Sandsteinplatten konnten die Arbeiten Ende Mai abgeschlossen<br />

werden. Mit den Reinigungsarbeiten an der Wandfl äche sowie den<br />

Ausfugarbeiten wurden externe Firmen vom Erzb. Bauamt beauftragt.<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.110 Riss im Gewölbe<br />

Abb.111 Reinigen der<br />

Rissspalte<br />

- 65 -


Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.112 Eingemörtelte<br />

Kupferklammer<br />

Abb.113 Einbleien der<br />

Klammer und der Fuge<br />

Abb.114 Ausrichten des zu<br />

versetzenden Maßwerkes<br />

- 66 -


Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.115 Ausrichten der<br />

Maßwerkabdeckungen<br />

Abb.116 Kontrollöffnung für<br />

Rissmonitoring<br />

- 67 -


Steinbrüche<br />

Für die geplante Sanierung der Chorstrebepfeiler (Aufsätze) sucht die Münsterbauhütte<br />

nach einem geeigneten witterungsresistenten und feinkörnigen Steinmaterial.<br />

Aus diesem Grund wurden daraufhin mehrere Steinbrüche besichtigt.<br />

Bei der Fa. Roth in Seedorf stand eine kompakte Naturwerksteinbank zum Abbau<br />

in Vorbereitung aber auch bereits abgebaute Rohblöcke auf dem Lagerplatz die<br />

geeignet scheinen (Abb.117).<br />

Auch im Steinbruch der Fa.Göhrig in Lahr/Kuhbach stand eine Bank mit besonders<br />

feinkörniger, homogener Zusammensetzung zum Abbau an (Abb.118). Von<br />

diesem Steinbruch bezieht die Münsterbauhütte bereits seit ca. 40 Jahren das<br />

Steinmaterial.<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.117 Steinblocklager in<br />

Seedorf (Fa. Roth)<br />

Abb.118 Besichtigung der<br />

Abbauwand in Kuhbach<br />

(Fa. Göhrig)<br />

- 68 -


Zusätzlich wurde auf Initiative des Landesamtes Geologie, Bergbau und Rohstoffe<br />

(RP Freiburg) im Hinblick auf einen „Münstersteinbruch“ alte Steinbrüche rund<br />

um den Allmendsberg begutachtet. Die Wahl fi el auf den Steinbruch „Langauweg“<br />

in der Nähe des Klosters Tennenbach (Abb.119). Er schien von seiner Lage<br />

in Bezug auf die Belange des Natur- und Umweltschutzes, als auch der Zugänglichkeit<br />

geeignet zu sein. Die ersten Probebohrungen, die bereits 2010 vorgenommen<br />

wurden, ließen auf geeignetes Material in ca. 50 Meter Tiefe schließen.<br />

Das notwendige Genehmigungsverfahren wurde in bemerkenswert kooperativer<br />

Art und Weise mit sämtlichen beteiligten Behörden in kürzester Zeit abgeschlossen,<br />

so dass ein erster Probeabbau noch im Herbst 2012 starten konnte<br />

(Abb.120).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.119 Erschließung zum<br />

Probeabbau<br />

Abb.120 Erster Abbau an<br />

der erschlossenen Bruchwand<br />

- 69 -


Bereits im November konnte die Fa. Lausterer die ersten kleineren Blöcke zum<br />

Test der Münsterbauhütte zur Verfügung stellen (Abb.121).<br />

In der Werkstatt wurden die unterschiedlichen Varietäten auf ihre Eignung getestet.<br />

Dafür wurden besonders feingliedrige Zierteile ausgesucht und in Lahrer,<br />

Tennenbacher und Neckartäler Sandstein ausgeführt (Abb.122).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.121 Angelieferter Probestein<br />

aus dem Tennenbacher<br />

Bruch<br />

Abb.122 Probestücke aus<br />

verschiedenen Steinvarietäten<br />

- 70 -


Verschiedenes<br />

Bereits im Vorjahr wurde mit der Sanierung bzw. der Erneuerung der Bodenplatten<br />

in den Nischen der Joche begonnen. Nach der Winterpause wurden die Arbeiten<br />

ab dem Frühjahr weiter fortgeführt. Die starke Belastung durch Fahrzeuge<br />

der Marktbeschicker führte zum Bruch der Sandsteinplatten. Diese wurden nun<br />

durch stärkere (8 cm) ersetzt (Abb.123).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Das hölzerne Gerüstlager der Münsterbauhütte auf der Südseite des Turmes<br />

musste abgebaut werden. Ein Brandschutzgutachten wertete diesen Anbau als<br />

Brandlast und damit zu hohes Risiko für die Wendeltreppe des Turmzuganges.<br />

Im November begann der Abbau dieses wichtigen Lagers (Abb.124,125).<br />

Abb.123 Austausch des<br />

Plattenbelages in den Chorjochen<br />

Abb.124 Gerüsterstellung<br />

zum Abbau des Baustellenlagers<br />

- 71 -


Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.125 Abbau des Gerüstlagers<br />

Abb.126 Schutzverschalung<br />

Um die laufend benötigten Gerüstbauteile an anderer Stelle unterbringen zu können,<br />

musste ein Stellplatz im Lagergebäude der Münsterbauhütte zum Gerüstlager<br />

umgebaut werden.<br />

Ab Mai brachte Zimmermeister Ortlieb dort zunächst eine Schutzverschalung für<br />

die Epitaphien an der Wand an (Abb.126).<br />

- 72 -


Anschließend wurden Regale zum Einlagern diverser Gerüstteile aufgebaut<br />

(Abb.127).<br />

Am 4.September beging Franz Stiefvater sein 40 jähriges Betriebsjubiläum. Frau<br />

Faller ehrte ihn mit einem `echten`Lorbeerkranz und stieß mit der versammelten<br />

Hüttenmannschaft zünftig darauf an (Abb.128).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.xx TextTextTextText<br />

Abb.127 Schwerlastregal<br />

für diverse Gerüstteile<br />

Abb.128 Münsterbaumeisterin<br />

krönt Altgesellen zum<br />

40. Arbeitsjubiläum<br />

- 73 -


Die Auszubildenden der Münsterbauhütte erlernen nicht nur das Handwerk der<br />

Steinmetze, sie werden auch in die Kunst des Abgießens eingeführt.<br />

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines neuen Buches: „Die Münsterbauhütte,<br />

von den Anfängen bis zur Gegenwart“ entstand diese Aufnahme, auf<br />

der die gesamte Bauhüttenmannschaft von 2012 abgebildet ist (Abb.129).<br />

Christian Leuschner<br />

Sonstiges<br />

Abb.129 Gruppenbild der<br />

Münsterbauhütten-<br />

Mannschaft<br />

- 74 -


Anhang:<br />

I<br />

Schadenskartierung, Hochchor Joch 13 Süd<br />

II Schadenskartierung, Schnewlinkapelle -<br />

linke Wandfläche<br />

III<br />

Schadenskartierung, Kapellenpfeiler 14 Süd<br />

IV Schadenskartierung, Schnewlinkapelle -<br />

rechte Wandfläche<br />

V Schadenskartierung, Kaiserkapelle Süd -<br />

linke Wandfläche<br />

VI<br />

Baubefund, Chorstrebebogen 9/10 Nord<br />

- 75 -


Schadenskartierung, Hochchor Joch 13 Süd<br />

I


Schadenskartierung, Schnewlinkapelle - linke Wandfläche<br />

II


Schadenskartierung, Kapellenpfeiler 14 Süd<br />

III


Schadenskartierung, Schnewlinkapelle - rechte Wandfläche<br />

IV


Schadenskartierung, Kaiserkapelle Süd - linke Wandfläche<br />

V


Baubefund, Chorstrebebogen 9/10 Nord<br />

VI


Impressum<br />

Herausgeber: <strong>Freiburger</strong> <strong>Münsterbauverein</strong> e. V.<br />

Beiträge:<br />

Yvonne Faller, Münsterbaumeisterin<br />

Christian Leuschner, Münsterwerkmeister<br />

Thomas Laubscher, Steintechniker<br />

Uwe Zäh, Steinmetz u. Restaurator<br />

Johanna Quatmann, Restauratorin<br />

Luzius Kürten, Diplom-Steinrestaurator<br />

Fotos / Pläne:<br />

Andreas Schedlbauer, Steintechniker<br />

Frank Degner, technischer Mitarbeiter<br />

Redaktion:<br />

Yvonne Faller, Münsterbaumeisterin<br />

Frank Degner, technischer Mitarbeiter<br />

Layout :<br />

Frank Degner, technischer Mitarbeiter<br />

Bereits erschienene Berichte: Arbeitsdokumentation 2002 bis 2011<br />

Kontaktadresse:<br />

<strong>Freiburger</strong> <strong>Münsterbauverein</strong>,<br />

Schoferstr. 4<br />

79098 Freiburg<br />

Tel.: 0761 33432<br />

Fax: 0761 39527<br />

e-mail: info@muensterbauverein-freiburg.de<br />

Web: www.muensterbauverein-freibur g .<br />

© <strong>Freiburger</strong> <strong>Münsterbauverein</strong> e. V. 2013. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Erhältlich gegen Schutzgebühr von 25€. - 82 -

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