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Leseprobe_MitallenSinnen - Einsnull

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Susanne Marschall / Fabienne Liptay (Hrsg.)<br />

Mit allen Sinnen<br />

Gefühl und Empfindung im Kino


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Susanne Marschall & Fabienne Liptay<br />

Vorwort 11<br />

I Gemischte Gefühle<br />

Hans J. Wulff<br />

Affektivität als Element der Filmrezeption oder<br />

Im Kino gewesen, geweint (gelacht, gegruselt...) – wie es sich gehört! 17<br />

Heinz-B. Heller<br />

Alexander Kluges DIE MACHT DER GEFÜHLE – wieder gesehen 32<br />

Irmbert Schenk<br />

Von der Geisterbahn, in die Fassbinder die Gefühle und<br />

das Urteil seiner Zuschauer zwingt 45<br />

Hermann Kappelhoff<br />

Shock Values<br />

Grenzverletzung und Tabubruch im Kino der 1970er Jahre und Stanley Kubricks<br />

ACLOCKWORK ORANGE 55<br />

Simone Emmelius<br />

Contenance und Revolte<br />

Gemischte Gefühle in Louis Malles MILOU EN MAI 68<br />

Michelle Koch<br />

«I always wanted to be a Tenenbaum»<br />

Wes Andersons tragisch-komische Familienbande 75<br />

Felicitas Kleiner<br />

Paradise Lost<br />

Glücksvisionen bei Friedrich Wilhelm Murnau 89<br />

II Der empfindsame Leib<br />

Susanne Marschall<br />

De Sapientia<br />

Von der Weisheit des Geschmacks im Kino 97<br />

5


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Fabienne Liptay<br />

Lob der Füße<br />

Vermischte Beobachtungen an Körpern und Bildern 109<br />

Robert Müller<br />

Lustspiele<br />

Erotik und weibliche Sexualität in den Filmen von Gustav Machatý 121<br />

Matthias Bauer<br />

Warykino<br />

Synästhesie bei Boris Pasternak und David Lean 131<br />

Rudi Weidmann<br />

«Wessen Hand hab’ ich gehalten?»<br />

Film-Erlebnis-Erinnerungen 141<br />

Dagmar von Hoff<br />

Nacktes Leben und verbissenes Lieben<br />

Alejandro González Iñárritus Film AMORES PERROS 147<br />

Eva Bederke<br />

Die leibhaftige Kamera<br />

Emotionale Perspektiven in MAR ADENTRO und 21 GRAMS 153<br />

Miriam Fuchs<br />

Unter die Haut: Das Glück aus dem Blickwinkel der Kamera<br />

Beobachtungen zu Agnès Vardas Film LE BONHEUR 159<br />

III Mit allen Sinnen spielen<br />

Samir Nasr<br />

Im Reich der Sinne oder<br />

Wie inszeniert man eine Sexszene nach Thomas Koebner? 167<br />

Kerstin Krieg<br />

Mutige Frauen drängen auf die frei gewordenen Plätze<br />

Eine Annäherung an fünf Vertreterinnen der neuen Schauspielgarde im aktuellen<br />

deutschen Film 173<br />

Julia Gerdes<br />

Schuhe sind der Pose vorbehalten!<br />

Gina Lollobrigida – ein sinnliches Kurzporträt 192<br />

Andreas Rauscher<br />

Minimalistische Coolness<br />

Bill Murrays ironische Ernsthaftigkeit 197<br />

6


Inhalt<br />

Sascha Koebner<br />

Der einsame Mann bei Michael Mann 211<br />

Ursula Vossen<br />

L’homme souffrant<br />

Anmerkungen zu dem Schauspieler Ralph Fiennes 216<br />

Anette Kaufmann<br />

«Die Wunde schließt sich nicht»<br />

Phantasmagorien des Phantomschmerzes 222<br />

Nadja Kronemeyer<br />

...zu Tode betrübt<br />

Die Sterbeszene im Film 233<br />

Jacobia Dahm<br />

Trauer<br />

Nicolas Roegs DON’T LOOK NOW und Ang Lees THE ICE STORM 241<br />

Oliver Keutzer<br />

Sich hingeben für andere<br />

Versuch einer kurzen Phänomenologie filmischer Selbstopfergesten 252<br />

Gert Sautermeister<br />

Zeitlose Schicksale?<br />

Marcel Bluwals Film JOFROI DE LA MAUSSAN 263<br />

Helmut Schanze<br />

Pathos<br />

Zur Rhetorik des Films 272<br />

Kerstin Gutberlet<br />

Die Entzauberung der Sinne im zeitgenössischen europäischen Kino 281<br />

Inhalt<br />

IV Gefühlstöne<br />

Jörg Zimmermann<br />

Che cosa sono le nuvole?<br />

Ästhetische Streifzüge zum Ausdruckscharakter von Wolken im Film und<br />

in anderen Künsten 289<br />

Elisabeth Oy-Marra & Martin Zenck<br />

Stille und Explosion in Andrej Tarkowskijs Film NOSTALGHIA<br />

Das Echo altitalienischer Bilder und ihre Resonanzen in Luigi Nonos No hay caminos,<br />

hay que caminar... Andrej Tarkowskij per 7 cori 305<br />

7


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Franziska Heller<br />

Die Sinne im Sturm<br />

Eintauchen in Peter Greenaways PROSPERO’S BOOKS 320<br />

Horst Peter Koll<br />

Vom Singen der Bäume<br />

(Glücks-)Gefühle in Jacques Demys Filmen in Gesang 331<br />

Roman Mauer<br />

Gefühlstöne<br />

Musik und Atmosphäre in den Filmen von Jim Jarmusch 345<br />

Sabine Imhof<br />

Dokumentarisch Empfindungen wecken<br />

Zur Inszenierung von Emotionen in RIVERS AND TIDES,TOUCH THE SOUND und<br />

RHYTHM IS IT! 355<br />

Dorothee Ott<br />

«The story is about love»<br />

Über Liebe und Leiden in MOULIN ROUGE! 361<br />

V Erlebniswelten<br />

Edgar Reitz<br />

Film und Wirklichkeit<br />

Rede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Mainz am 21.2.2006 375<br />

Frank Trommler<br />

Nicht völlig vom Winde verweht oder<br />

Was die Mutter im Kino erkennen ließ 382<br />

Karl Riha<br />

Stichwort: Kino 391<br />

Annette Deeken<br />

Im Frühen Kino<br />

Kleines Lexikon der historischen Aufführungspraxis 401<br />

Regina Heilmann<br />

Kino als Kulturgeschichte und die Liebe zum (Antik-)Film<br />

Notizen zu GOOD MORNING BABILONIA 413<br />

Karl Prümm<br />

In Bildern zu Hause sein<br />

Heimatgefühle in Edgar Reitz’ HEIMAT 423<br />

8


Inhalt<br />

Knut Hickethier<br />

Die Sehnsucht der Bilder<br />

Opakheit und Transparenz, Begehren und Emotionalität in den filmischen Bildern 430<br />

Egon Netenjakob<br />

So groß wie das Leben<br />

Ein Gespräch mit Thomas Koebner über Wahrnehmung 444<br />

Autorenviten 462<br />

Inhalt<br />

9


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Im Jahr 1785 schrieb der Dichter Goethe<br />

an seinen Sekretär Merck in einem Brief<br />

folgende Sätze:«Einem Gelehrten von Profession<br />

traue ich zu, dass er seine fünf Sinne<br />

ableugnet. Es ist ihnen selten um einen<br />

lebendigen Begriff der Sache zu tun, sondern<br />

um das, was man davon gesagt hat.»<br />

Gefühl und Verstand wurden lange als<br />

Antagonisten gedacht.Gerade die Wissenschaft<br />

sollte von Emotionen freigehalten<br />

werden, weil man glaubte, dass diese trügen,<br />

verfälschen, einen Schleier des Subjektiven<br />

über objektive Beobachtungen<br />

legen. Erst in jüngerer Zeit ist die Emotionalität<br />

zu einem zentralen Gegenstand<br />

wissenschaftlicher Auseinandersetzung<br />

geworden. Aktuelle neurophysiologische<br />

Untersuchungen legen nahe,dass Emotionen<br />

eine wesentliche Komponente<br />

menschlicher Kognition darstellen. Mit<br />

dem Begriff des «emotionalen» oder «somatischen<br />

Markers» benennt Antonio Damasio<br />

die Tatsache, dass wir Wahrnehmungs-<br />

und Vorstellungsbilder ganz wesentlich<br />

auf der Grundlage von Emotionen<br />

bewerten, wobei sich die daraus resultierenden<br />

Veränderungen unseres Körperzustandes<br />

phänomenal als Gefühl äußern.<br />

Dass nichts im Sinn sein kann, was nicht<br />

vorher in den Sinnen war – dieser Gedanke<br />

beschäftigt zunehmend auch die Kunstund<br />

Geisteswissenschaften.<br />

Die Filmwissenschaft an der Johannes<br />

Gutenberg-Universität in Mainz darf sich<br />

glücklich schätzen, in ihrem Leiter Professor<br />

Dr. Thomas Koebner einen professionellen<br />

Gelehrten gefunden zu haben, der<br />

seinen Sinnen vertraut und dadurch auf<br />

lebendigste Weise zu lehren und zu schreiben<br />

versteht. Mehr noch, er ermutigt seine<br />

Freunde, Mitarbeiter und Studierenden<br />

immer aufs Neue, sich mit allen Sinnen der<br />

Kunst und der Welt zu öffnen. Ihm, einem<br />

profunden Kenner der Musik, der Literatur<br />

und des Films, ist dieses Buch zum 65. Geburtstag<br />

gewidmet. Immer wieder gelingen<br />

Thomas Koebner aus der unmittelbaren<br />

Begeisterung für ein Kunstwerk scharfsichtige<br />

Werturteile, die auch spontane<br />

oder subjektive Gefühle analytisch ergründen<br />

– wie kürzlich nach einem ergreifenden<br />

Konzert: «Sinnlichkeit beginnt bei<br />

piano. Leise, heimlich und genau ist die<br />

Verführung zur Musik.» Auch im Vorrat der<br />

Filmgeschichte finden sich wundervolle<br />

Beispiele für die leise Verführung zur und<br />

durch Musik, die sowohl die Sinne als auch<br />

die Sinnlichkeit stimuliert. Erinnern wir<br />

uns an Georges Bizets Oper Carmen (Uraufführung<br />

1875) und vor allem an den<br />

musikalischen Höhepunkt, die Habañera:<br />

Leise stimmt der Mezzosopran Carmens<br />

Lied an, das von einer ungezähmten Form<br />

der Liebe handelt, die den Liebenden umgarnt,<br />

sich aber niemals von ihm festhalten<br />

lässt. Der spanische Regisseur Carlos<br />

Saura inszeniert in seinem Film CARMEN (E<br />

1983) die Verführungsszene der Habañera<br />

als intime Begegnung der beiden Hauptfiguren.<br />

Dabei verkehrt er zunächst die Rollen,<br />

denn das Lied der Carmen scheint die<br />

in ihr schönes Spiegelbild vertiefte Filmfigur<br />

Carmen (Laura del Sol) zu rufen. Leise<br />

verlockt es sie, sich Antonio (Antonio Gades)<br />

zuzuwenden, ihren geschmeidigen<br />

Körper im Tanz zu wiegen und zu zeigen.<br />

In einem Dialog der Augen und der Körper<br />

reagiert Antonio auf die Werbung Carmens,<br />

antwortet ihr in ebenso weicher wie<br />

energischer Bewegung.<br />

11


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Abb. 1–4 Carmen (E 1983)<br />

Sinnlichkeit ergibt sich aus dem Augen-Blick.<br />

Zu den wichtigsten Elementen<br />

einer spanischen Verführung gehört die<br />

Konzentration des begehrenden Blicks,<br />

der ohne Wimpernzucken dem Blick des<br />

Geliebten standhält.Dazu kommt ein stets<br />

neu ansetzendes Wechselspiel von langsamem<br />

Bewegungsaufbau und Entladung<br />

der leidenschaftlichen Energie im abrupt<br />

einsetzenden Rhythmus der schlagenden<br />

Füße. Berührungen bleiben dem Körper<br />

des Gegenübers zunächst fern, fast<br />

scheint es, als spürten die zärtlichen Hände<br />

den Leib des anderen schon durch ein<br />

Luftpolster hindurch, um dann – im Einklang<br />

mit dem Wechselspiel von piano<br />

und forte – plötzlich fest zuzufassen. Diese<br />

Dramaturgie des Begehrens gibt die Habañera<br />

in Melodie und Rhythmus, aber<br />

auch im Libretto vor: «Ganz um dich herum,<br />

schnell, schnell/kommt sie, geht sie<br />

davon, kommt dann wieder…/Du glaubst<br />

sie festzuhalten, sie weicht dir aus,/du<br />

glaubst ihr auszuweichen, sie hält dich<br />

fest.» In der Choreographie trifft Anziehung<br />

auf Rückzug, musikalisch strömen<br />

unbezähmbare Gefühle aus den dynamischen<br />

Kurven von crescendo und diminuendo.<br />

Wie keine andere Kunst appelliert der<br />

Film durch synästhetische Inszenierungsstrategien<br />

an die Sinne des Zuschauers:<br />

das Sehen und Hören, aber auch das Tasten,<br />

Riechen und Schmecken. Dem weiten<br />

Feld der sinnlichen Filmwahrnehmung,<br />

der Gefühle und Empfindungen im Kino<br />

widmet sich das vorliegende Buch in fünf<br />

Großkapiteln. Im ersten Kapitel werden<br />

grundlegende, definitorische Überlegungen<br />

zur Affektivität und Emotionalität des<br />

Filmerlebens angestellt und in den Detailanalysen<br />

einzelner Filmbeispiele und Regiekonzepte<br />

konkretisiert. Im Zentrum<br />

steht der Gedanke von einem komplexen<br />

emotionalen Filmdesign, das uns selten<br />

nur lachend oder weinend, sondern viel<br />

häufiger mit gemischten Gefühlen aus dem<br />

Kino entlässt. Diese Polyphonie im Zusammenspiel<br />

verschiedener, mitunter sogar<br />

widerstreitender Empfindungen zeigt sich<br />

nicht zuletzt im jeweiligen Umgang mit<br />

der filmischen Konvention des Happy<br />

Ends. In der Erfindung emotional brüchiger<br />

oder überzeichneter Schlusslösungen<br />

begegnen Filmemacher unserer Erwartung<br />

oder Hoffnung auf einen glücklichen<br />

Filmschluss häufig mit Skepsis oder selbstreflexiver<br />

Ironie.<br />

Das zweite Kapitel beleuchtet einzelne<br />

Facetten des empfindsamen Leibes vom<br />

feinen Geschmackssinn der Zunge bis zur<br />

taktilen Empfindsamkeit der Füße – empfindliche<br />

Instrumente des Körpers, mit denen<br />

die Figuren des Films ihre Umwelt erleben<br />

und deren sinnliche Qualität zur<br />

Schau stellen. Indes affiziert die synästhetische<br />

Wirkung von Filmszenen weit mehr<br />

als nur den Augensinn des Zuschauers.<br />

Emotionen und Empfindungen, auch<br />

Körperregungen wie Gänsehaut und Tränen<br />

werden dem Zuschauer entlockt; sie<br />

machen den Film zu einem sinnlichen Er-<br />

12


Vorwort<br />

Vorwort<br />

lebnis und verstärken die Identifikation<br />

des Zuschauers mit den handelnden und<br />

fühlenden Figuren. Nicht zuletzt figuriert<br />

die Kamera in ihrer anthropomorphen<br />

Qualität als ein fühlender Leib – als eine<br />

Art Seismograph, der die zarten und heftigen<br />

Gefühlsbewegungen der Figuren registriert<br />

und ins Bild übersetzt. Zitternd,<br />

bebend, taumelnd, gelähmt oder beflügelt<br />

überträgt sie die innere Gestimmtheit<br />

der Figuren auf den Zuschauer, ganz im<br />

Sinne der doppelten Wortbedeutung von<br />

movie, das sowohl auf die Bewegung der<br />

Bilder als auch auf die Bewegung der Gemüter<br />

verweist.<br />

Das dritte Kapitel beleuchtet die vielfältigen<br />

Strategien der filmischen Inszenierung,<br />

die darauf zielen, Gefühle darzustellen<br />

und hervorzurufen. Hierzu gehört<br />

auch das Handwerk des Schauspielers, der<br />

Gefühle spielen muss: die Kunst, mit allen<br />

Sinnen zu spielen. Das emotionale Gedächtnis<br />

des Menschen bildete für den<br />

Theaterreformer Konstantin Stanislawski<br />

die Basis der Erarbeitung einer Rolle. Die<br />

hieraus entwickelten Techniken der<br />

Schauspielkunst, welche von dem Schauspiellehrer<br />

Lee Strassberg zu elementaren<br />

Bausteinen einer Methodik des Filmschauspiels<br />

weiterentwickelt wurden, führen im<br />

Idealfall zu einem authentisch wirkenden<br />

Spiel des Schauspielers. So verwandeln<br />

sich die Gefühle des Menschen,der mit der<br />

Aufgabe eines Rollenspiels konfrontiert<br />

ist, für das Publikum in die emotionale<br />

Stimmung einer fiktiven Figur, der ein echtes<br />

Gefühlsleben unterstellt wird. Hinzu<br />

kommen die Faktoren der Bildgestaltung,<br />

die manches Mal auf der Leinwand analytisch<br />

kaum noch von der darstellenden<br />

Kunst des Schauspielers zu trennen sind.<br />

Porträts ausgewählter Schauspieler, die<br />

einen bestimmten emotionalen Typus verkörpern,<br />

werden ergänzt durch Beiträge<br />

zu zentralen Standardsituationen und Pathosformeln<br />

des Films, darunter die Liebesund<br />

Sexszene, die Sterbeszene sowie<br />

Trauer- und Selbstopfergesten. Am Ende<br />

steht die Frage nach der gezielten Verunsicherung<br />

des Zuschauers, wenn die eingeübten<br />

Muster und Formeln der Emotionalisierung<br />

im Kino bewusst ausbleiben und<br />

die Sinne entzaubert werden.<br />

Das vierte Kapitel Gefühlstöne beleuchtet<br />

vor allem, aber nicht nur die Rolle<br />

der Musik bei der Erzeugung von Stimmungen<br />

und Gefühlen sowie ihr Zusammenspiel<br />

mit den Bildern des Films. Musik<br />

als Sprache des Gefühls setzt eine in feinen<br />

Nuancen variierbare Korrelation von musikalischem<br />

Ausdruck und emotionalem<br />

Eindruck voraus,deren Strukturen am konkreten<br />

Beispiel näher beschrieben werden.In<br />

der Filmpraxis – denkt man etwa an<br />

die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet<br />

des digitalen Sounds – haben sich immer<br />

verfeinerte Techniken des emotionalen<br />

Designs ausgebildet: ein Befund, der in<br />

eklatantem Missverhältnis zu den wenigen<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

zu den sinnlichen und emotionalen<br />

Aspekten des Films steht. Das Spektrum<br />

13


Vorwort<br />

Vorwort<br />

der analysierten Beispiele reicht von den<br />

Kompositionen Luigi Nonos für Andrej<br />

Tarkowskij über den «Gesang in Filmen»<br />

von Jacques Demy bis hin zu Baz Luhrmanns<br />

furiosem Musical MOULIN ROUGE!<br />

(USA 2001). Darüber hinaus wird in diesem<br />

Teil des Buches auch der Ausdruckscharakter<br />

bewegter visueller Motive wie Wolken<br />

und Wasser beschrieben, die der Musik<br />

insofern nahe stehen, als sie den Stimmungsgehalt<br />

von Filmszenen prägen.<br />

Das fünfte und abschließende Kapitel<br />

versammelt Aufsätze zum prekären und<br />

spannenden Verhältnis von Film und Wirklichkeit<br />

als zwei Erlebniswelten, die im Prozess<br />

der Rezeption unweigerlich ineinander<br />

spielen – vor allem dann, wenn die im<br />

Kino erzählten Geschichten entgegen der<br />

Hollywood-Manier des bigger than life<br />

ebenso groß wie das Leben sind.Die Beiträge<br />

nähern sich dem Film aus biografischer,<br />

historischer, bildtheoretischer und filmpraktischer<br />

Perspektive, wobei das Kino als<br />

sinnlicher Ort des Filmerlebens im Zentrum<br />

steht. Den Abschluss des Buches bildet ein<br />

Interview mit Thomas Koebner über Wahrnehmung,<br />

das unter anderem um Fragen<br />

der persönlichen, auch emotional gefärbten<br />

Bewertung von Filmszenen kreist.<br />

Unser herzlicher Dank gilt allen Freundinnen<br />

und Freunden, die uns bei der Entstehung<br />

dieses Buches mit Rat und Tat zur<br />

Seite gestanden haben. Anette Kaufmann<br />

hat uns bei der redaktionellen Arbeit unermüdlich,<br />

mit ebenso wachem Auge wie<br />

Verstand unterstützt. Eva Bederke, Martina<br />

Stöppel und Kathrin Zeitz haben das<br />

Buchprojekt mit großem Engagement<br />

während der Vorbereitungszeit begleitet<br />

und sich vor der Drucklegung unermüdlich<br />

auf die Suche nach den letzten Fehlern<br />

begeben. Der Verlegerin Annette<br />

Schüren und dem Grafiker Erik Schüßler<br />

sind wir zu großem Dank verpflichtet, weil<br />

sie unser Projekt trotz des Zeitdrucks mit<br />

Hingabe und Kreativität realisiert haben.<br />

Peter Latta vom Fotoarchiv der Deutschen<br />

Kinemathek Berlin danken wir für die kostenlose<br />

Bereitstellung zahlreicher Filmfotos,<br />

nicht zuletzt für das ansprechende Titelbild<br />

des Buches.<br />

Die Drucklegung wurde großzügig<br />

durch das Interdisziplinäre Forschungszentrum<br />

Neurowissenschaften (www.ifzn.<br />

uni-mainz.de) gefördert. Herzlich danken<br />

wir vor allem dem Sprecher des IFZN, Universitätsprofessor<br />

Dr. Christian Behl, für<br />

sein fächerübergreifendes Engagement.<br />

Ferner möchten wir der Abteilung für Forschungsförderung<br />

und dem Fachbereich<br />

02 der Johannes Gutenberg-Universität<br />

für die Unterstützung des Projekts unseren<br />

Dank aussprechen.<br />

Susanne Marschall und Fabienne Liptay<br />

Mainz, im Mai 2006<br />

14

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