23.11.2013 Aufrufe

Akutes Hirntrauma - Tierklinik Dr. Staudacher

Akutes Hirntrauma - Tierklinik Dr. Staudacher

Akutes Hirntrauma - Tierklinik Dr. Staudacher

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Akutes</strong> <strong>Hirntrauma</strong><br />

VET<br />

AA A A CC HH EE NN<br />

<strong>Akutes</strong> <strong>Hirntrauma</strong>:<br />

Befunde und therapeutische Maßnahmen.<br />

Unfälle mit Verletzungen des Zentralnervensystems<br />

gehören zum Alltag<br />

in der tierärztlichen Praxis. Während<br />

Wirbelsäulen- und Rückenmarksverletzungen<br />

in den meisten Fällen<br />

schnell auffallen, bleiben die<br />

dezenten Anfangssymptome von<br />

Hirntraumen häufig unentdeckt. Das<br />

Zentralnervensystem – sowohl Gehirn<br />

als auch Rückenmark – ist von<br />

knöchernen Strukturen gut geschützt.<br />

Das Volumen in Schädelkapsel oder<br />

Rückenmarkskanal ist aber begrenzt,<br />

sodass jeder raumfordernde Prozess<br />

zu erheblichen <strong>Dr</strong>uckerhöhungen<br />

führt.<br />

Das gilt sowohl für Frakturen und<br />

Luxationen als auch für Blutungen<br />

oder Ödeme. Da Blutungen und<br />

Ödeme in vielen Fällen erst mit<br />

Verzögerung auftreten und im<br />

Krankheitsverlauf sogar erheblich<br />

zunehmen können, bestehen<br />

neurologische Ausfälle auch nicht<br />

von Beginn an sondern zeigen sich in<br />

vielen Fällen erst Stunden nach dem<br />

Unfall. Dann befindet sich der Patient<br />

aber oft schon in Narkose oder auf<br />

dem Heimweg.<br />

Lokalisation von <strong>Hirntrauma</strong>ta:<br />

Großhirnrinde:<br />

Apathie, Stupor, Koma, Anfälle,<br />

kontralaterale Hemiparese, kleine,<br />

reagierende Pupillen, normale<br />

Augenbewegung, Atmung normal<br />

Hirnstamm:<br />

Bewusstseinsstörungen, evtl. Hemi- oder<br />

Tetraparese, Pupillenstellung<br />

unverändert, fehlende bzw. verzögerte<br />

Reaktion auf Licht, evtl. Atemfrequenz-,<br />

Rhythmusstörungen, v.a. bei Hirnödem<br />

oder Kompression Enthirnungsstarre<br />

Kleinhirn (selten):<br />

Keine Bewusstseinsstörung, Ataxie,<br />

Dysmetrie, Intentionstremor, fehlender<br />

<strong>Dr</strong>ohreflex bei vorh. Sehfähigkeit,<br />

Opisthotonus mit Extension der<br />

Vordergliedmaßen und Flexion der<br />

Hintergliedmaßen<br />

(Dezerebellationshaltung)<br />

Vestibulärapparat:<br />

v.a. bei Felsenbeinfraktur, keine<br />

Bewusstseinsstörung, vestibuläre Ataxie<br />

(Kreisbewegungen), Kopfschiefhaltung,<br />

Nystagmus, Strabismus<br />

Der besonders gewissenhaften<br />

tierärztlichen Untersuchung kommt<br />

daher bei diesen Verletzungen<br />

größte Bedeutung zu. Eine Orientierung<br />

für die Untersuchung des<br />

Unfallpatienten kann der nebenstehende<br />

Kasten geben. Dieser Untersuchungsgang<br />

ist nur auf den ersten<br />

Blick kompliziert und umfangreich.<br />

Von entscheidender Bedeutung ist<br />

nicht große instrumentelle Unterstützung.<br />

Vielmehr geht es darum,<br />

das Untersuchungsprogramm wie<br />

einen Film im Kopf zu haben, damit<br />

nicht einzelne Aspekte vergessen<br />

werden: Ausgerüstet mit Stethoskop<br />

und Otoskoplämpchen lassen sich<br />

diese Untersuchungen innerhalb<br />

einer halben Minute durchführen.<br />

Die Ausfälle können in vielen Fällen<br />

mit Hilfe der Aufstellung links bereits<br />

ohne weitere Untersuchungen den<br />

entsprechenden Hirnarealen<br />

zugeordnet werden.<br />

Patienten mit neurologischen Befunden<br />

sollten nach der ersten Untersuchung<br />

möglichst weder für längere<br />

Zeit sediert noch vorschnell narkotisiert<br />

werden. Ist eine chirurgische<br />

Versorgung von Verletzungen<br />

notwendig, sollte Kurzzeitnarkosen<br />

der Vorzug gegeben werden. Zur<br />

Schmerzbehandlung können nichtsteroidale<br />

Antiphlogistika verwendet<br />

werden. Wegen des hohen Hirnödem-Risikos<br />

sollten die Untersuchungen<br />

außerdem in kurzen<br />

Abständen wiederholt werden. Erst<br />

nach 24 Stunden stabilisiert sich der<br />

Zustand des Gehirns ausreichend.<br />

Therapie:<br />

Ein Schädel-Hirn-Trauma-Patient<br />

muss vor allem äußerst schonend<br />

behandelt werden. Einmal könnte der<br />

Umgang ihn plötzlich destabilisieren.<br />

Zum anderen sind die Verletzungen<br />

oft äußerst schmerzhaft: Solche Tiere<br />

können plötzlich um sich beißen!<br />

Nur aggressive Tiere oder Tiere in<br />

epileptiformen oder klonischen Anfällen<br />

dürfen mit Diazepam (0,5 mg/kg<br />

KGW i.v.) oder Phenobarbital (1-5<br />

Untersuchung des Patienten:<br />

1. Unfallanamnese: Ursache und Verlauf<br />

der Erkrankung, Anfälle, Erbrechen<br />

2. Allgemeinuntersuchung:<br />

Atem- und Herzfrequenz (Hyperventilation:<br />

Mittelhirn-, Pons-Läsionen; Cheyne-<br />

Stokes-Atmung: schwere zerebrale<br />

Schäden; Schnappatmung: terminal)<br />

Blutungen aus Gehörgang, Pharynx,<br />

Nase, Orbita können<br />

Schädelbasisfrakturen anzeigen<br />

Herz-Kreislauf-Zustand: Arrhythmien,<br />

Thoraxverletzungen (Pneumo-, Liquidothorax),<br />

peripherer Blutverlust (s.S. 12)<br />

3. Neurologische Untersuchung:<br />

Bewusstsein: normal, apathisch,<br />

stuporös, komatös<br />

Verhalten: Hyperaktiv/verwirrt/aggressiv<br />

Körperhaltung: Kopfschiefhaltung, Kreisoder<br />

Rollbewegungen, Tendenz zu<br />

fallen, Tremor<br />

Stellungsanomalien, Gehstörungen:<br />

Gliedmaßenstellung, Lähmungen,<br />

Paresen, Plegien, Spasmen, Zittern<br />

Augenuntersuchung: Nystagmus<br />

(horizontal/vertikal), Schielen, Verdrehen<br />

eines/beider Augen, Anisokorie, Miosis,<br />

Mydriasis, starre Pupillen, verzögerte<br />

Lichtreaktion, Veränderungen der Augenkammern<br />

(Blutungen), Augenhintergrundveränderungen<br />

(Blutung, Netzhautablösung,<br />

Papillenödem), Blindheit<br />

Kopfnerven (Ausfall): <strong>Dr</strong>oh- oder<br />

Palpebralreflex, Hängen von<br />

Lid/Lefze/Unterkiefer, Schluckstörung,<br />

Taubheit, vestibuläre Störungen<br />

Spinale Reflexe: normal, übersteigert,<br />

abgeschwächt, fehlend<br />

mg/kg KGW i.v.) sediert werden.<br />

Blutungen sollten zunächst durch<br />

<strong>Dr</strong>uckverband und erst später chirurgisch<br />

versorgt werden. Von besonderer<br />

Bedeutung ist die Sauerstoffzufuhr:<br />

Im Koma nach Intubation, beim<br />

wachen Patienten per Maske oder<br />

Sauerstoffkäfig zugeführt, reduziert<br />

Sauerstoff den intrakraniellen <strong>Dr</strong>uck.<br />

Nur bei bestehender Hypovolämie<br />

sollte infundiert werden. Ist eine<br />

Schocktherapie nötig, vorsichtig infundieren,<br />

bei Blutverlust entsprechende<br />

Transfusionen geben. Durch<br />

hypertone Kochsalzlösung wird<br />

extrazelluläre Flüssigkeit in das<br />

Gefäßsystem verlagert. Damit steigt<br />

das Kreislaufvolumen bei Reduktion<br />

des intrakraniellen <strong>Dr</strong>uckes.<br />

Tierärztliche Klinik <strong>Dr</strong>. <strong>Staudacher</strong> – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen<br />

Tel. 0241/092866-0 Fax 0241-92866-47 eMail info@tgz-aachen.de<br />

1


<strong>Akutes</strong> <strong>Hirntrauma</strong><br />

VET<br />

AA A A CC HH EE NN<br />

Abschätzung der Prognose von neurologischen Verletzungen (Punkteskala nach Kirk/Oliver/Lorenz)<br />

Motorik Punkte Hirnstammreflexe Punkte<br />

Normaler Gang 6 Normale Pupillenreflexe, normale 6<br />

Hemiparese, Tetraparese 5 Korrekturreflexe der Augenposition (KR)<br />

Seitenlage, zeitweise Streckkrämpfe 4 Abgeschwächte Pupillenreflexe, normale 5<br />

Seitenlage, ständig Streckkrämpfe 3 bis reduzierte KR<br />

Seitenlage, Krämpfe, Opisthotonus 2 Bilateral nicht reagierende miotische Pupillen, 4<br />

Seitenlage, Hypotonie der Muskulatur 1 normale bis reduzierte KR<br />

keine spinalen Reflexe Stecknadelgroße Pupillen mit reduziertem oder 3<br />

abwesendem KR<br />

Bewusstsein Unilaterale, nicht reagierende Mydriasis mit 2<br />

Zeitweise munter und interessiert 6 reduziertem bis abwesendem KR<br />

Apathisch, Interesse gering 5 Bilateral nicht reagierende Mydriasis mit 1<br />

Stupor, Reaktion auf optische Reize 4 reduziertem oder abwesendem KR<br />

Stupor, Reaktion auf akustische Reize 3<br />

Stupor, Reaktion nur auf wiederholte 2<br />

Schmerzstimuli<br />

Koma, keine Schmerzreaktion 1<br />

Bewertung:<br />

15-18 Punkte: Prognose gut, abwarten, beobachten, andere Verletzungen<br />

konservativ oder chirurgisch behandeln<br />

9-14 Punkte: Prognose fraglich aber nicht hoffnungslos, spezielle<br />

neurologische Behandlung erforderlich, ggfs. Klinikeinweisung<br />

3-8 Punkte: Prognose schlecht, aus Tierschutzgründen Euthanasie prüfen<br />

Die Infusion verfolgt das Ziel einer<br />

möglichst guten Organdurchblutung,<br />

es darf aber nicht zur Überinfusion<br />

kommen.<br />

Mannitol kann den Hirndruck nach<br />

Extravasation bei Hirnblutungen<br />

sogar steigern. Wird 5 Minuten vor<br />

Mannitol Furosemid gegeben, kommt<br />

es nach Auslaufen der osmodiuretischen<br />

Mannitol-Wirkung nicht zu<br />

einem Wiederanstieg des <strong>Dr</strong>uckes<br />

(Rebound-Effekt).<br />

Flüssigkeitstherapie:<br />

Ringer-Laktat- oder<br />

physiologische Kochsalz-Lösung<br />

(0,9%) 40 – 90 ml/kg KGW/Std. i.v.<br />

als Schockdosis, dann reduzieren<br />

auf Erhaltungswerte (5-20 ml)<br />

Hypertone Kochsalzlösung (7%)<br />

4-5 ml/kg KGW über 3-5 Minuten<br />

Hydroxyethylstärke (HES 6%)<br />

20 ml/kg KG i.v.<br />

Als Schmerzmittel können nicht-steroidale<br />

Antiphlogistika verwendet<br />

werden, bei starken Schmerzen<br />

auch Buprenorphin (Temgesic) oder<br />

Fentanyl-Pflaster, ohne das<br />

Bewusstsein zu trüben.<br />

Bei offenen Schädelfrakturen oder<br />

sobald eine hämatogen-metastatische<br />

Gehirnentzündung zu befürchten<br />

ist, sollten liquorgängige<br />

Prophylaxe des Hirnödems:<br />

Methylprednisolon<br />

30 mg/kg KGW i.v. als Bolus in<br />

der ersten Stunde,<br />

15 mg/kg KGW i.v. nach 6<br />

Stunden<br />

15 mg/kg KGW i.v. nach 12<br />

Stunden, dann<br />

2,5 mg/kg KGW/Std. weitere 42<br />

Stunden<br />

oder<br />

Dexamethason<br />

2 mg/kg KGW alle 8 Std. i.v.<br />

über 2 Tage (v.a. bei leichteren<br />

Fällen)<br />

Furosemid<br />

2-5 mg/kg KGW i.v.<br />

bei Verschlechterung<br />

Mannitol 20%<br />

0,25 – 2 g Mannitol/kg KGW<br />

(2-10 ml/kg) innerhalb 15-20 min.<br />

Wiederholung nach 3 und 8 Std.<br />

möglich.<br />

Überwachen Sie die<br />

Harnproduktion (Katheter)!<br />

Antibiotika u.U. über Wochen<br />

eingesetzt werden (Trimethoprim-<br />

Sulfonamide [30 mg/kg], Chloramphenicol<br />

[50 mg/kg]).<br />

Um den intrakraniellen <strong>Dr</strong>uck zu<br />

erniedrigen, kann der Kopf hoch<br />

gelagert werden. Einer Hypothermie<br />

ist durch Abdecken und Rotlicht<br />

vorzubeugen, die Blase wird manuell<br />

entleert, sofern nicht ein Katheter<br />

gelegt wird. Dauerkatheter erhöhen<br />

das Risiko einer Harnwegsinfektion.<br />

Zur Vermeidung hydrostatischer<br />

Lungenödeme und Dekubitusstellen<br />

sollte der Patient alle 2-3 Stunden<br />

auf die andere Körperseite gewendet<br />

werden. Die Unterlage sollte weich<br />

sein. Feuchte Unterlagen sind sofort<br />

zu wechseln.<br />

Jetzt kann die Röntgenuntersuchung<br />

und chirurgische Versorgung der<br />

anderen Verletzungen erfolgen.<br />

So versorgt sollte alle 15-30 Minuten<br />

eine erneute neurologische<br />

Untersuchung erfolgen, damit eine<br />

Verschlechterung des Zustandes<br />

sofort entdeckt wird. Nur dann ist<br />

eine zeitnahe Reaktion möglich! Vor,<br />

während und nach der Therapie kann<br />

die Kontrolle jederzeit durch CT oder<br />

MRI erfolgen.<br />

Tierärztliche Klinik <strong>Dr</strong>. <strong>Staudacher</strong> – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen<br />

Tel. 0241/092866-0 Fax 0241-92866-47 eMail info@tgz-aachen.de<br />

2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!