Rede Ralph Baenziger - Stiftung Trudi Demut und Otto Müller
Rede Ralph Baenziger - Stiftung Trudi Demut und Otto Müller
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Gekürzte <strong>Rede</strong> von <strong>Ralph</strong> <strong>Baenziger</strong>, Gründer der <strong>Stiftung</strong> <strong>Trudi</strong> <strong>Demut</strong> <strong>Otto</strong> <strong>Müller</strong><br />
Gehalten an der Vernissage zur Retrospektive „Überblick 2012“ vom 24. Mai 2012<br />
in den Kunsthallen des Zürcher Güterbahnhofs<br />
Über die zweimal sieben Sinne von <strong>Trudi</strong> <strong>Demut</strong><br />
also weit ... über Wolken <strong>und</strong> Köpfe hinaus...<br />
Nun bin ich einerseits nur ein Ersatzmann, einer, welcher Guido Magnaguagno vertritt,<br />
welcher heute passen musste <strong>und</strong> nun am Zugersee banale metereologische Wetter-Wölklein<br />
zählt, statt sich an <strong>Trudi</strong>s grossartigen Wolken-Welten zu ergötzen. Anderseits bin ich auch<br />
eine mutierte Ersatzfrau, dies stellvertretend für Caroline Kesser, welche über mehr als ein<br />
halbes Dutzend Jahre die Werke von <strong>Trudi</strong> <strong>und</strong> Otti behütete <strong>und</strong> ihre Verbreitung beflügelte.<br />
Dank sei Ihr, denn ohne Ihren Einsatz hätten die Werke wohl in unrühmlicher Vergessenheit<br />
versinken können. Aber Caroline Kesser fachte das Feuer an... <strong>und</strong> hielt den Glauben an<br />
<strong>Trudi</strong> <strong>und</strong> Otti aufrecht... nur deshalb konnten die beiden Werke so beschwingt im Überblick<br />
2012 voll wiederauferstehen.<br />
Nun ist der Mann von der Reservebank kein „Kunstwissenschaftler“, welcher an<br />
kodifizierten Texten anderer anknüpfen muss, bin auch kein professioneller „Beworter“<br />
welcher erst mit Worten Kunst zur Wirklichkeit zu verhelfen wähnt, bin auch kein Ecrivain <strong>und</strong><br />
„Dichterfürst an der Seine“, nicht der, welcher einst die „Trotzköpfe“ von <strong>Otto</strong> <strong>und</strong> die<br />
„kleinen Wahnwelten“ um Fritz Kuhn geprägt hat, bin auch kein „redattore-dirretore nel Du“,<br />
welcher den Zeitsinn über Dekaden immer auf den Fersen war oder diesen mitprägte, bin<br />
auch kein Kurator <strong>und</strong> Berufsschausteller von Museums Gnaden....<br />
Nanu.. sie alle... von Fritz Billeter über Paul Nizon bis zu Dieter Bachmann <strong>und</strong> Guido<br />
Magnaguagno... waren schon hier... lobten nach Previews unsere authentische <strong>und</strong><br />
innovative Retrospektive samt unserem einfühlsamen Überblick 2012 über alle Massen... <strong>und</strong><br />
alle kommen bald wieder... als Stammgäste für Symposien, Exkursionen <strong>und</strong> Besinnungen.<br />
Aber erwarten sie von mir, dem ersten Transport-Gango am Hofe von <strong>Trudi</strong> <strong>und</strong> Otti, keine<br />
kunstbeflissenen Formulierungen... aber... auch ein kommuner Hilfs-Gango bekommt so<br />
einiges an Erlebnissen <strong>und</strong> an erweiternden Sinnen mit, dies weil er, der seit 1947 den<br />
polternden Otti (als Muskelprotz <strong>und</strong> Trinkerheld) iun der alten Helvti-Bar erlebte, er ,der seit<br />
seit 1954 die sanfte <strong>Trudi</strong> (als Pinslerin <strong>und</strong> Spachtlerin) kannte, weil er, der damals als<br />
„ratsuchender Puppenschnitzer“ bei <strong>Otto</strong> Morach seine eigenen, asymmetrisch ausgebildeten<br />
Marionetten <strong>und</strong> Monster zeigen ging <strong>und</strong> sich Tipps geben liess, dies weil er seit damals<br />
immer wieder auch alle Wuhrsträssler besuchen ging. Ein scheuer aber aufmerksamer Gaffer.<br />
Wenn nun Peter K. Wehrli soeben über die Sieben Dinge, welche er von Otti mitbekam,<br />
gesprochen hat... so waren das auch die sieben Dinge, Sinne <strong>und</strong> Sinnlichkeiten, welche <strong>Trudi</strong><br />
mit <strong>Otto</strong> miteinander geteilt hatten...<br />
Also versucht der über Jahrzehnte hinaus beobachtende Transport-Gango berichten über<br />
DIE SIEBEN ERSTEN SINNE... UND DEN WEITEREN SIEBEN... DARÜBER HINAUS...<br />
Also waren da die ersten fünf lapidaren Sinne... die Üblichen, welche <strong>Trudi</strong> mit <strong>Otto</strong> teilte...<br />
Wand an Wand im Atelier <strong>und</strong> in Parallelwelten... als Paar <strong>und</strong> als Künstlerpaar<br />
Mit diesen ersten fünf Sinnen verteidigte <strong>Trudi</strong> ihren Otti wie eine Hyänin oder Löwin... damit<br />
dieser immer ungestört schaffen konnte. Sie opferte ihre halbe Lebenszeit zum Wohle Ottis.<br />
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Da war <strong>Trudi</strong>s ausgeprägter sechster Sinn...welcher <strong>Trudi</strong> ahnen oder wissen liess, was auf<br />
sie <strong>und</strong> uns zukommt... quasi Wolken im voraus erahnend... Vogelzüge im dunkeln sehend...<br />
So kann man in Ihren Wolkenbildern den vorausschauenden Zeitenlauf nachlesen<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s siebter Sinn für das was wirklich bleiben wird, dies vor oder nach den Wolken,<br />
dies auch mit dem Gespür für möglichen gesellschaftlichen Wandel... obwohl <strong>Trudi</strong> von <strong>Otto</strong><br />
zum kernigen Marxismus bekehrt, verinnerlichte sie diese Lehre nur in umgepolten Sinn ... wie<br />
etwa bei Pablo Neruda<br />
So erglühte <strong>Trudi</strong> nicht bei kämpferischen Manifesten.. sondern nur bei der Lektüre von<br />
Nerudas Versen <strong>und</strong> Kampfhymnen<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s achter Sinn, der sogenannte ACC, der anteriore circulare Cortex, wie ihn die<br />
Verhaltensforscher bei Zitteraalen <strong>und</strong> Tauben ergründen.<br />
Dieser Zusatzsinn liess <strong>Trudi</strong> rechtzeitig innehalten, liess sie zittern <strong>und</strong> im Fluge einhalten,<br />
wenn etwas ins Falsche zu laufen schien.Das kann man nun in <strong>Trudi</strong>s begehbarem<br />
Wolkengarten ablesen, denn da sieht man, dass <strong>Trudi</strong> rechtzeitig innehielt, den Pinsel oder<br />
den Spachtel niederlegte, wenn etwas an seinem Ende angelangt war... was heute sehr<br />
überzeugend in gestoppten Bildern nachvollzogen werden kann.<br />
So wurde ihr Gestopptes <strong>und</strong> vermeintlich Unfertige... zum Fertigen <strong>und</strong> Gültigen wurde<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s neunter Sinn...für die 2te, 3te, 4te <strong>und</strong> n-te Dimension in all ihren ihren<br />
parallelen Ausdrucksweisen.<br />
Denn einmal wählte <strong>Trudi</strong> für Ihre Ausdrucksweise nur Worte, dann die Fläche, dann die<br />
Skulptur, vermischte alles <strong>und</strong> verflocht ihre Werke in der vierten Dimension in Tagebüchern<br />
<strong>und</strong> belebte alles zusätzlich... sich aus literarischen Wurzeln sich nährend...<br />
So hing <strong>Trudi</strong> an Worten <strong>und</strong> Titeln, an Versen <strong>und</strong> Zitaten, an Bildern <strong>und</strong> Skulpturen <strong>und</strong><br />
wollte diese alle in Einklang zu ihrem mullidimensionalem Gesamtwerk bringen.<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s zehnter Sinn...der Gedankensinn (fast so wie der zehnte Sinn bei Rudolf<br />
Steiners Ordnung)<br />
Denn sie spürte ihren Gedanken in den Werken ihrer Schriftsteller nach, übernahm solche <strong>und</strong><br />
modulierte diese, bis dass diese so klar wurden, dass sie diese auch in neue Bilder umsetzen<br />
konnte... man beachte nur ihre verklausulierten Tagebücher, deren Zitate, deren<br />
Umsetzungen in Skizzen <strong>und</strong> die Bilder oder Skulpturen die so generiert wurden... wie kam es<br />
denn, dass Niklaus von der Flühe Visionen von fliegenden Bergen hatte... <strong>und</strong> <strong>Trudi</strong> solche<br />
malte?<br />
So hing <strong>Trudi</strong> an Worten ihrer Visionäre <strong>und</strong> Dichter...von früh bis spät...von Nizon bis Späth<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s elft-zwölfter Sprach-Seh-Sinn...(bei Rudolf Steiner noch separate Sinne)<br />
Da war ihr kombinierter Hang allen Gebilden als Gesprochenes nachzuhören <strong>und</strong> Verse in<br />
Gemälde umzusetzen <strong>und</strong> Epen <strong>und</strong> Schicksale in Skulpturen zu verinnerlichen... Da gibt es<br />
magische Kontemplationen, ägyptische Spiegel <strong>und</strong> Zentauren <strong>und</strong> Opfer der Neuzeit<br />
So klammerte <strong>Trudi</strong> die Antike mit der Jetztzeit zusammen<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s dreizehnter Sinn, der Lebenssinn ohne nennenswerten Ichsinn,<br />
...mittels welchem sie ihr ganzes Leben ihrem künstlerischen Schaffen unterordnete, welcher<br />
sie keinerlei Kompromisse machen liess... immer hatte sie nur das Ganze <strong>und</strong> die<br />
Gemeinschaft im Sinn...wie etwa die Opfer-Stele (zum Tod Allendes) zeigt<br />
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So kam es dass <strong>Trudi</strong> nur Wahrheit <strong>und</strong> nie Aufmerksamkeit suchte... diese vielleicht erst<br />
heute erlangt<br />
Da war <strong>Trudi</strong>s vierzehnter Sinn, das Ahnen der Endlichkeit <strong>und</strong> des Transzendentalen.<br />
<strong>Trudi</strong>s Hang als Heilige handeln zu wollen...ohne religiös zu sein...als wie eine Figur aus dem<br />
L’Etranger“ von Camus. Der säkularisierte Gango traute seinen Ohren nicht, als sie in einem<br />
spinnerten Waldeinsiedler, Maler in einem Tessiner Waldklause dazu...einmal einen Heiligen<br />
vermutete... dies allen Ernstes<br />
Das 14te, das Transzendentale, liest man in den Wolken, in ihren ersten <strong>und</strong> letzten Figuren<br />
Nun <strong>Trudi</strong> starb im Herbst der Millenumswende, verschied mit dem Fernseh-Zapper in der<br />
Hand... im Weggehen umklammerte sie den Zapper als wie ein Kruzifix... so wie der Fre<strong>und</strong><br />
von Otti <strong>und</strong> <strong>Trudi</strong>, der gedniale Karikaturist Hans Sigg, dies einmal gezeichnet hatte...<br />
Wohl möglich, dass sie aus Versehen den 15. Kanal gewählt hatte, welche danach einschlief<br />
<strong>und</strong> sich so per Tastendruck in ihre eigenen Wolkenbilder versetzte...<br />
Aber nun zappten wir Neu-Neu-gierige uns auf <strong>Trudi</strong>s Tasten zurück <strong>und</strong> bringen <strong>Trudi</strong> wieder<br />
auf den ersten Kanal in die Jetztzeit <strong>und</strong> in Zukunft immer wieder abrufbar <strong>und</strong> zuschaltbar.<br />
Und wir, die zappenden Laien-Schausteller taten dies, um die Lebenswerke von <strong>Trudi</strong> <strong>und</strong> Otti<br />
samt „Wuhrsträsslern <strong>und</strong> Wahnweltlern“ wieder aufs Neue in der heutigen Echtzeit zu<br />
verankern ... quasi auf einem „CANAL ARTE ETERNEL“...einzuspielen. Wir, die<br />
beschwörenden Zapper hoffen nun, dass der wiederentfachte Funke ins kollektive<br />
Bewusstsein überspringe, dass die beiden Werke samt <strong>Trudi</strong> <strong>und</strong> Otti nun einen gesicherten<br />
Platz im Olymp finden werden.. dass deren Werke nicht mit dem Güterbahnhof...<strong>und</strong><br />
hoffentlich nie untergehen werden...<br />
“touch wood“ ...würde <strong>Trudi</strong> da als einstige Londoner Kunststudierende im Cockney sagen...<br />
<strong>und</strong> zur Beschwörung würde sie noch Verse ihres verinnerlichten Dylan Thomas summen...<br />
Dank sei allen in unserer engagierten Laien-Schausteller-Truppe, den mutigen Dreizehn mit<br />
ihren stark ausgeprägten vierzehn Sinnen für einen unvergesslich bleibenden Überblick 2012.<br />
Dank für die Vorarbeiten geht an Anja Maurer, Anita Rufer <strong>und</strong> Jonathan Gubler für die<br />
mühseligen Vorarbeiten in Schrift <strong>und</strong> im Internet<br />
Dank für die beharrlichen Umsetzungen <strong>und</strong> die eindrückliche <strong>und</strong> sorgfältige Gestaltung geht<br />
an Arienne Birchler, Dalit Arnold, Nadine Weber.<br />
Dank für das Renovieren <strong>und</strong> Umgestalten der Hallen <strong>und</strong> das Zusammenstellen aller<br />
Skulpturen <strong>und</strong> Bilder geht an die ausdauernden „Chrampfer“, nämlich an Claude Chopard,<br />
Oliver Häberli, Hans Stöckli, Christoph Gabl, <strong>und</strong> an die beiden Bildhauer Bernhard Licini <strong>und</strong><br />
Lukas Hofkunst.<br />
Dank für die Unterstützung geht auch dem <strong>Stiftung</strong>srat mit Christian LaRoche, Andrea Mathis<br />
<strong>und</strong> den redenden Dreizehnten.<br />
Supplement: weil ja am heutigen Tag der Vernissage – hélas! – einer von uns verunfallte <strong>und</strong><br />
mit kaputtem „Scheichen“ hospitalisiert werden musste, sei auch noch angemerkt, dass wir ja<br />
ungeahnte Risiken eingingen...<br />
...alles um die Wiederauferstehung der Lebenswerke von <strong>Trudi</strong> <strong>und</strong> Otti <strong>und</strong> eine<br />
magische Beschwörung des legendären Wuhr-Strassen-Geistes herbeizuführen... sic!<br />
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