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Biographien Wuhrsträssler (PDF, 3.6 MB) - Stiftung Trudi Demut und ...

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<strong>Trudi</strong> <strong>Demut</strong> Otto Müller<br />

Alles im Überblick 2012<br />

mit <strong>Wuhrsträssler</strong>n <strong>und</strong> Wahnweltlern<br />

Bild in einem Ateliers an der Wuhrstrasse mit Besuchern um 1980 von René Eduard Brauchli (nach Courbet)<br />

<strong>Wuhrsträssler</strong> im Planetarium<br />

24. Mai – 29. Dezember 2012


Sagenhafte Baugenossenschaft<br />

der Maler <strong>und</strong> Bildhauer<br />

der legendären <strong>Wuhrsträssler</strong><br />

Die Realisierung einer Künstlersiedlung hatte eine lange<br />

Vorgeschichte mit wechselnden Projekten von Idealisten:<br />

Zuerst scheiterte die Idee im Seefeld, wo anstelle einer<br />

Künstlerkolonie ein Altersheim zur Ausführung kam, danach<br />

in einer Siedlung für 100 Künstler in Zürich Affoltern, von<br />

welchem sich der kopfscheue Investor distanzierte. 1949<br />

wurde dann m B<strong>und</strong>e mit Architekt Ernst Gisel von den<br />

treibenden Kräfte Max Truninger, Otto Müller <strong>und</strong> Otto<br />

Teucher die Baugenossenschaft für Maler <strong>und</strong> Bildhauer<br />

gegründet; diese Protagonisten wollten die Künstler<br />

aus ihrem Dasein als Randexistenzen <strong>und</strong> belächelten<br />

Bohemiens heraus führen <strong>und</strong> wollten in Selbsthilfe etwas<br />

gegen den Mangel von Ateliers <strong>und</strong> günstigem Wohnraum<br />

unternehmen. Staatlich subventionierte Kunst-Freiräume<br />

waren im Zürich der 50er Jahre nahezu unbekannt.<br />

Zusammen mit dem Architekten Ernst Gisel entwickelten<br />

die drei Gründerväter das Projekt eines urbanen<br />

Komplexes mit Atelierbau <strong>und</strong> Wohnturm. Dieses<br />

bisher unbekannte Konzept gewann die Sympathie des<br />

damaligen Stadtbaumeisters Albert Heinrich Steiner, des<br />

Kantonsbaumeisters Heinrich Peter, sowie des damals<br />

neu gewählten Stadtpräsidenten Emil Landolt. Bereits<br />

1952 konnte dank dem politischen Ehrgeiz des Pfarrers<br />

der Kirchgemeinde Wiedikon an der Wuhrstrasse ein<br />

Atelierbau <strong>und</strong> einem angelagerten Wohnturm realisiert<br />

werden. Bereits im März des folgenden Jahres wurden<br />

dann die Häuser bezogen.<br />

Der Aufsehen erregende Bau umfasste einen Werkhof<br />

mit vier angrenzenden Bildhauerateliers <strong>und</strong> vier darüber<br />

liegenden, durch einen Laubengang erschlossenen<br />

Oberlicht-Räumen für Maler. In einem zur Strasse<br />

hin vorgelagerten Wohnturm überlagern sich auf vier<br />

Stockwerken acht Appartements übereinander. Im<br />

Dachgeschoss brachte Architekt Gisel vier weitere kleine<br />

Ateliers unter. Die markanten Sheddächer setzen dem<br />

schlichten Baukörper gezackte Kronen auf <strong>und</strong> geben ihm<br />

sein „Image“<br />

Die bildenden Künstler im Zürich der 50er Jahre arbeiteten<br />

damals traditionell in Gips <strong>und</strong> Stein, in Eisen <strong>und</strong> Holz, mit<br />

Kreide, Aquarell- <strong>und</strong> Ölfarbe. Zur ersten Generation von<br />

Mietern der Ateliers <strong>und</strong> Wohnungen an der Wuhrstrasse<br />

gehörten <strong>Trudi</strong> <strong>Demut</strong> <strong>und</strong> Otto Müller <strong>und</strong> mehr als<br />

ein weiteres Dutzend Künstler. Im ersten Zyklus der<br />

Retrospektive „Übersicht 2012“ kann eine Auswahl von<br />

Werken gezeigt werden, nämlich von: Friedrich Kuhn,<br />

Carlotta Stocker, Otto Morach, Bert Schmidmeister,<br />

Muz Zeier, Cañameras, Oskar Dalvit, Hans Aeschbacher,<br />

Silvio Mattioli, Carlo Vivarelli, Gregor <strong>und</strong> Otto Teucher.<br />

Dazu kommen Werke von Max Truninger, dem ersten<br />

Präsidenten der Wohnbaugenossenschaft, welcher nie in<br />

die Wuhrstrasse einzog, welcher immer im eigenem Atelier<br />

tätig blieb.<br />

Im ersten Zyklus der Retrospektive konnten einige<br />

<strong>Wuhrsträssler</strong> der Gründerzeit nicht berücksichtigt werden,<br />

nämlich Hans Rohner, Tildy Grob, Bruno Heller, Henri Wenger<br />

<strong>und</strong> Alfred Huber. Diese werden aber bald auf der Website<br />

(www.demut-mueller) mit ihren Werken in Erscheinung<br />

treten. Im zweiten <strong>und</strong> dritten Zyklus der Übersicht 2012<br />

kommen weitere Dutzende von „<strong>Wuhrsträssler</strong>“ hinzu. Auch<br />

den <strong>Wuhrsträssler</strong>n zugewandte Wahnweltler werden sich<br />

im Planetarium einfinden.


... über Wolken <strong>und</strong> Köpfe hinaus ...<br />

Alles im Überblick 2012<br />

mit <strong>Wuhrsträssler</strong>n <strong>und</strong> Wahnweltlern<br />

13 <strong>Wuhrsträssler</strong> im Planetarium<br />

Erstzyklus 24. Mai – 18. August 2012


13 <strong>Wuhrsträssler</strong> der Gründerzeit<br />

Nach unserer Selektion von Werken von dreizehn <strong>Wuhrsträssler</strong>n aus der ersten<br />

Generation entsteht im Planetarium des „Überblick 2012“ eine vergleichende<br />

Gesamtschau, welche die Wahnweltler Friedrich Kuhn bis zum Konstruktivisten<br />

Carlo Vivarelli umfasst. So unterschiedlich der Ausdrucksweisen von <strong>Trudi</strong><br />

<strong>Demut</strong> <strong>und</strong> Otto Müller <strong>und</strong> der ersten Dreizehn vordergründig erscheinen<br />

mögen, so kommt man zur Einsicht, dass sie sich gegenseitig „befruchteten“<br />

<strong>und</strong> allesamt mit ihren Werken gesellschaftlich Einfluss nehmen wollten. In der<br />

Nachlese eine zusammengehörige „Wolke der <strong>Wuhrsträssler</strong>“.<br />

Carlotta Stocker<br />

Bert Schmidmeister<br />

Oscar Dalvit<br />

Carlo Vivarelli<br />

Max Truninger<br />

Muz Zeier<br />

Hans Aeschbacher<br />

Gregor<br />

Friedrich Kuhn<br />

Otto Morach<br />

Franz Grossert y Cañameras<br />

Silvio Mattioli<br />

Otto Teucher


Friedrich Kuhn<br />

Maler, Bildhauer <strong>und</strong> Zeichner<br />

* 5. 10. 1926 Gretzenbach (SO)<br />

+ 6. 9. 1972 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse 1958-1972<br />

Die ersten Lebensjahre verbrachte Friedrich Kuhn im solothurnischen<br />

Gretzenbach. Sein Vater, Fritz Kuhn, war Holz-<br />

<strong>und</strong> Steinbildhauer. 1933 zog die Familie nach Zürich, wo<br />

Friedrich die Schulen besuchte.<br />

In seinen Zwanzigerjahren unternahm Friedrich Kuhn Reisen<br />

nach Marokko, Algerien, Tunesien, Spanien, Schweden,<br />

Norwegen <strong>und</strong> Grönland. Er lebte eine Zeitlang in der<br />

Provence <strong>und</strong> dann im Tessin <strong>und</strong> beschäftigte sich mit Antiquitäten-<br />

<strong>und</strong> Kupferhandel.<br />

Die Anfänge als Künstler sind nicht sicher rekonstruierbar.<br />

Eine Grafikerlehre, die in einem der Lebensläufe erwähnt<br />

ist, könnte eine Legende sein. Ebenfalls eine „Reise zu den<br />

Eskimos“.<br />

Mitte der 1950er Jahre wurde er jedenfalls in Zürich sesshaft<br />

<strong>und</strong> arbeitete als Künstler. Er trat auf als „Bürgerschreck“,<br />

<strong>und</strong> seine Gestalt wurde zu einem Szenemittelpunkt.<br />

Als Künstler konnte er auf eine verschworene Schar<br />

Bew<strong>und</strong>erer, Komplizen <strong>und</strong> Sammler zählen.<br />

Einer abgehobenen Kunstdiskussion pflegte er sich zu entziehen<br />

mit dem bekannt gewordenen flapsigen Spruch:<br />

„Kunscht isch umsunscht“.<br />

Kuhn starb 1972 an einer langjährigen Vergiftung der Leber<br />

durch übermässigen Alkoholkonsum.<br />

Interpretationen:<br />

Kuhns revoltierende Kunst erhielt den Namen „Die Schule<br />

der Kleinen Zürcher Wahnwelt“. So taufte sie der Schriftsteller<br />

Paul Nizon in einem Aufsatz 1968, wobei er nebst<br />

Kuhn auch Varlin zu dieser irrationalen Gegenwelt zählte.<br />

Kuhns Werk wird dominiert von einer anarchischen Malerei,<br />

die zwischen Figuration <strong>und</strong> Abstraktion spielt, aber auch<br />

Zitate aus der modernen Massenkultur <strong>und</strong> Anspielungen<br />

auf die aufkeimende Popkultur enthält.<br />

Leben <strong>und</strong> Werk <strong>und</strong> die Legenden um die Person bilden<br />

eine Einheit, die kaum aufzubrechen ist. In der ersten eigenständigen<br />

Werkreihe, die um 1954 beginnt, herrschen<br />

folgerichtig die Motive des Clowns <strong>und</strong> Gauklers, des Tingeltangels<br />

<strong>und</strong> des Puppentheaters vor.<br />

Ab 1957 entsteht eine Gruppe von Gemälden, die von Paul<br />

Nizon als „verwilderte Möbel“ bezeichnet wurden. Elemente<br />

wie Sockel, Konsolen, Gesimse, Zierleisten sind zu ornamentalen<br />

Gebilden komponiert, sowohl als Persiflage auf<br />

das bürgerliche Interieur wie als Verherrlichung des Krimskrams.<br />

1964 setzt das Palmenmotiv ein. Die Palme, die ein eingängiges<br />

<strong>und</strong> formal einfaches Motiv ist, wird von Kuhn vielfach<br />

abgewandelt <strong>und</strong> gleichsam als sein Markenzeichen<br />

verwendet. Kuhns Palmen stehen dabei für die modernen<br />

Flucht- <strong>und</strong> Traumwelten, für Fernweh <strong>und</strong> die Sehnsucht<br />

nach exotischen Inseln.<br />

Zitat:<br />

«Seine Kraft ist, dass er die Hefe der Phantasie in das dünkelhaft<br />

Stagnierende schmuggelt.»<br />

(Paul Nizon, 1993)<br />

Quellentexte:<br />

– Kunsthaus Zug / Museum Baviera (Hrsg.), Friedrich Kuhn,<br />

Zürich1993<br />

– Bice Curiger / Caroline Kesser / Louis Jent, Friedrich Kuhn<br />

1926–1972. Der Maler als Outlaw, Verlag Scheidegger &<br />

Spiess, Zürich 2008<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft


Carlotta Stocker<br />

Malerin, Zeichnerin<br />

* 28. 5. 1921 Luzern<br />

+ 31. 8. 1972 Volketswil (LU)<br />

Nach einer Kindheit in Luzern <strong>und</strong> Zürich zog Carlotta<br />

Stocker auf die Alpensüdseite: Ihr Vater, ein Ingenieur, war<br />

ein früher „Aussteiger“, der sich in Ronco sopra Ascona<br />

eine neue Lebenssituation schuf.<br />

Stocker besuchte den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule,<br />

wo ihre Lehrer Heinrich Müller <strong>und</strong> vor allem Ernst Gubler<br />

waren. Diese empfahlen sie an die einzige eigentliche Schweizer<br />

Kunstschule, die Ecole des Beaux-Arts in Genf, wo<br />

sie bei Alexandre Blanchet die Gr<strong>und</strong>lagen für ihren Beruf<br />

erwarb.<br />

Nach dem Studienabschluss kehrte sie zwar ins Tessin<br />

zurück, integrierte sich aber zunehmend auch in der jungen<br />

Zürcher Szene, anfänglich als Illustratorin. Bald entschied<br />

sie sich, den Schritt zur „Grossen Malerei“ zu wagen.<br />

In Zürich fand die Malerin in den Atelierhäusern an der<br />

Wuhrstrasse einen Arbeitsort, wo sie einen festen Bezugspunkt<br />

hatte.<br />

Begabung, Zielstrebigkeit <strong>und</strong> Spontanität sicherten Carlotta<br />

Stocker früh künstlerischen <strong>und</strong> auch gesellschaftlichen<br />

Erfolg. Seit Ende der vierziger Jahre stellte sie regelmässig<br />

aus <strong>und</strong> erhielt Aufträge für Wandgestaltungen.<br />

1951 <strong>und</strong> 1963 gewann sie das Stipendium der Stadt<br />

Zürich, 1957 <strong>und</strong> 1960 das eidgenössische Kunststipendium<br />

<strong>und</strong> 1955 den Zürcher Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis,<br />

was ihr Studienaufenthalte <strong>und</strong> Paris, Italien <strong>und</strong> Südfrankreich<br />

ermöglichte.<br />

Doch war sie ruhelos: Die Auflösung einer Beziehung, das<br />

Misslingen eines Gemäldes oder die Empfindung künstlerischer<br />

Stagnation konnten Carlotta Stocker zu Ausbrüchen <strong>und</strong><br />

Abstürzen treiben. Auf ungeklärte Situationen oder künstlerische<br />

Probleme reagierte sie mit Flucht, mit Orts-,<br />

Beziehungs- <strong>und</strong> Motivwechseln.<br />

Partnerschaften mit unterschiedlichsten Männern prägten<br />

denn auch ihr Leben.<br />

Erst 1969 heiratete sie den ungarischen Mathematiker Imre<br />

Julius <strong>und</strong> zog mit ihm in den Zürcher Vorort Volketswil. Drei<br />

Jahre später starb sie in ihrem Atelier an einem Hirnschlag.<br />

Interpretationen:<br />

Ein Gr<strong>und</strong>muster ihrer Existenz ist das Pendeln zwischen<br />

Nordschweiz <strong>und</strong> Südschweiz, wobei Zürich der Ort des<br />

konzentrierten Schaffens <strong>und</strong> des Kontaktes mit dem Kunstbetrieb<br />

war, die westlichen Mittelmeerländer Orte der Inspiration<br />

<strong>und</strong> der Lebensfreude.<br />

Zeichnerisch schöpfte Carlotta Stocker aus zwei Quellen.<br />

Aus der Zeichenart der Zürcher Konstruktiven <strong>und</strong> aus einer<br />

malerisch-modellierenden Gegenstandserfassung der<br />

Genfer Schule entwickelte die Künstlerin eine Technik der<br />

Körper <strong>und</strong> Raum evozierenden Umrisszeichnung, die immer<br />

grosszügiger <strong>und</strong> offener wurde.<br />

Frühe Malereien lassen sich noch auf die aus „Lichtteilchen“<br />

aufgebauten Bilder ihres Genfer Lehrers Alexandre Blanchet<br />

zurückführen, dann tritt die Modellierung schrittweise<br />

in den Hintergr<strong>und</strong>. Spätere Werke erscheinen als flächige<br />

<strong>und</strong> leicht abstrahierte Kompositionen, in denen Einflüsse<br />

von Matisse <strong>und</strong> des späteren Picasso zu erkennen sind.<br />

Die Beschäftigung mit Wandbildern verstärkte die grosszügige<br />

Vereinfachung.<br />

Der Abstecher in eine abstrakte Farbzonenmalerei im<br />

Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Fox Amphoux<br />

(Provence)1960 markiert einen Umbruch, der sich auch in<br />

den späteren, wieder an gegenständliche Motive geb<strong>und</strong>enen<br />

Werke äussert.<br />

Quellentexte:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft<br />

– Carlotta Stocker / Peter F. Althaus / NZZ Verlag 1995


Max Truninger<br />

Maler, Lithograf <strong>und</strong> Werbegrafiker<br />

* 5. 12. 1910 Winterthur<br />

+ 23. 9. 1986 Zürich<br />

Mitbegründer der Künstlergenossenschaft an<br />

der Wuhrstrasse<br />

Max Truninger begann seine Karriere als Gebrauchsgrafiker<br />

bei Orell Füssli Annoncen. In Abendkursen an der Kunstgewerbeschule<br />

bildete er sich weiter. Da lernte er auch seine<br />

spätere Frau, die Bildhauerin <strong>und</strong> Grafikerin Regina de<br />

Vries, kennen.<br />

Stärker als zum grafischen Gewerbe fühlte er sich zur Malerei<br />

hingezogen, der er sich ab 1930 ganz widmete.<br />

Frühe Gemälde entstanden nach der Natur, doch wandte<br />

Truninger sich bald dem Kubismus zu <strong>und</strong> setzte sich mit<br />

Georges Braque <strong>und</strong> Pablo Picasso auseinander. In den<br />

späteren 1930er Jahren lebte er zeitweise zu Studienzwecken<br />

in Paris; seine Pläne, endgültig in die Weltstadt zu<br />

ziehen, wurden durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges<br />

vereitelt.<br />

Zurück in der Schweiz, erhielt er seinen ersten öffentlichen<br />

Auftrag: ein Wandbild für die Landesausstellung 1939 in<br />

Zürich. Nebst vielen anderen öffentlichen Aufträgen konnte<br />

er 1943 auch ein Wandbild im Speisesaal des Wohlfahrtshauses<br />

der Maschinenfabrik Oerlikon ausführen.<br />

1943 wurde ihm der Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis verliehen.<br />

In den sechziger Jahren begann er, sich mit Glasmosaiken<br />

<strong>und</strong> Wandteppichen zu beschäftigen. Bekannt ist die<br />

Längswand in der Abdankungshalle im Zürcher Krematorium<br />

Nordheim (1963–1964), die mit farbiger Verglasung<br />

durchbrochen ist.<br />

Für die Eingangshalle der Zürcher Kantonalbank schuf er<br />

einen Wandteppich (1972).<br />

Truninger blieb Zürich treu <strong>und</strong> lebte bis zu seinem Tod in<br />

Zürich an der Spiegelgasse. Aus der Ehe mit Regina de<br />

Vries stammen zwei Kinder, Thomas <strong>und</strong> Bettina.<br />

Interpretationen:<br />

Truningers Motivwahl beschränkt sich vorwiegend auf Atelierszenen<br />

<strong>und</strong> Stillleben, eine Bildwelt voller Bedächtigkeit.<br />

Wiederkehrende Motive sind Musikinstrumente, die auch<br />

eine innere Gestimmtheit ausdrücken. Truninger konnte<br />

über Jahre immer wieder zu einem Bild zurückkehren <strong>und</strong><br />

daran weitermalen.<br />

Die Beschäftigung mit Glas beeinflusste seine Tafelmalerei;<br />

er verstärkte die Leuchtkraft der Farbe durch vermehrte<br />

Transparenz <strong>und</strong> gab andererseits der Fläche klarere Begrenzungen.<br />

Max Truninger zählt zu den „Zürcher Figurativen“, mit Max<br />

Gubler <strong>und</strong> anderen. Sie bildeten eine eigentliche Schule<br />

von Künstlern, die nach dem Krieg – in Auseinandersetzungen<br />

mit Cézanne, Munch, Braque, Picasso – trotz stark<br />

abstrahierenden Tendenzen dem Gegenständlichen treu<br />

blieben. Sie bildeten damit einen Gegenpol zu den Zürcher<br />

Konkreten.<br />

Quellentext:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft


Otto Morach<br />

Maler, Zeichner, Plakatgestalter<br />

* 2. 8. 1887 Hubersdorf (SO)<br />

+ 25. 12. 1973 Zürich<br />

In der kleinen Gemeinde Hubersdorf, wo sein Vater Lehrer<br />

war, verlebte Otto Morach eine Kindheit in Verb<strong>und</strong>enheit<br />

mit der Natur. Gerne spürte er den Steinen nach, die im<br />

Bachbett der Sigger lagen.<br />

In Solothurn, wohin die Familie zog, besuchte er die Realschule.<br />

Während dieser Zeit kam er mit den Bildern des Solothurners<br />

Cuno Amiet in Berührung <strong>und</strong> beschrieb das als seine erste<br />

tiefgreifende Begegnung mit der Farbe.<br />

Er zog nach Bern <strong>und</strong> erwarb dort 1908 das Sek<strong>und</strong>arlehrerpatent<br />

in mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung.<br />

In Kursen liess er sich zum Zeichenlehrer ausbilden.<br />

Nach verschiedenen Stellvertretungen als Sek<strong>und</strong>arlehrer<br />

reiste der junge Morach 1909 nach Paris <strong>und</strong> bildete sich<br />

dort an Akademien weiter.<br />

In einem gemeinsamen Atelier in Paris, wo er 1912 zusammen<br />

mit Fernand Léger, Marc Chagall, Arnold Brügger<br />

arbeitete, entstanden seine ersten Werke. Später verarbeiten<br />

Morach <strong>und</strong> Brügger die erhaltenen Impulse im Bergdörfchen<br />

Zaun bei Meiringen weiter. Morach wandte sich<br />

zunehmend dem Kubismus <strong>und</strong> dem Futurismus zu. Steilhänge,<br />

Felswände, Baumgruppen der nahen Natur regten<br />

ihn zu einer abstrahierenden Form- <strong>und</strong> Farbbehandlung an.<br />

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Otto Morach<br />

in den Aktivdienst einberufen. Doch fand er in den Jahren<br />

1914 bis 1918 Zeit, intensiv zu malen. Nach Kriegsende<br />

wurde Morach Lehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich.<br />

Gemeinsam mit Sophie Täuber erneuerte er das Marionettentheater.<br />

Dabei kam er mit den Dadaisten in Kontakt.<br />

1923 heiratete er die Pariser Textilgestalterin <strong>und</strong> Plastikerin<br />

Hermana Sjövall. Reisen nach Norddeutschland <strong>und</strong><br />

an Frankreichs Küste beeinflussten ihn.<br />

In den späten 1920er Jahren weilte er vorwiegend in Südfrankreich,<br />

auf der Suche nach felsigen Küstenstreifen,<br />

schroffen Felswänden, dunkeln Wasser- <strong>und</strong> Himmelsflächen.<br />

Eine feste Anstellung an der Kunstgewerbeschule liess<br />

Morachs künstlerisches Schaffen aussetzen. Erst als er<br />

1953 aus dem Schuldienst entlassen wurde, machte er<br />

sich an ein Spätwerk, in welchem sich Landschaften in linearen<br />

Rhythmen auflösen.<br />

Interpretationen:<br />

Die Konfrontation mit dem Kubismus <strong>und</strong> mit den Werken<br />

Fernand Légers hinterliessen in Morach einen nachhaltigen<br />

Eindruck.<br />

Seine Hauptwerke entstanden in den Jahren 1914 bis<br />

1918: Stadtbilder lösten sich in farbige Flächen auf, <strong>und</strong><br />

menschliche Körper näherten sich Apparaten. Von Inhalten<br />

befreite Formen griffen ineinander, was eine Dynamisierung<br />

der Bildstruktur brachte.<br />

Daneben malte Morach poetische Nachtszenen in schwebender<br />

Atmosphäre von silbernem Licht <strong>und</strong> transparentem<br />

Blau.<br />

Seine Vorliebe für karge, vegetationslose Landschaft<br />

weitete sich Ende 1920er Jahre aus auf Abgestorbenes<br />

<strong>und</strong> gewaltsam Zerstörtes. Bevorzugte Themen wurden<br />

Bergwerke, verbrannter Wald, Ruinen am Meer. Dabei<br />

setzte Morach der Farbpaste Sand zu <strong>und</strong> arbeitete fast<br />

ausschliesslich mit dem Malmesser.<br />

Quellentexte:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft<br />

– O. Morach Leben <strong>und</strong> Hauptwerk des Malers /<br />

Peter Wullimann / Verlag Galerie Bernard, Solothurn 1970


Bert Schmidmeister<br />

Maler, Zeichner <strong>und</strong> Bildhauer<br />

* 15. 6. 1934 Arni (AG)<br />

+ 25. 4. 1993 Zürich<br />

Wohnung <strong>und</strong> Atelier an der Wuhrstrasse von<br />

1968 bis 1993<br />

Bert Schmidmeister entstammte einer armen Familie mit<br />

zehn Kindern <strong>und</strong> wuchs in Oberlunkhofen (AG) auf. Sein<br />

Vater war Schuhmacher, seine Mutter Wäscherin.<br />

Er begann eine Automechanikerlehre, doch statt sie abzuschliessen,<br />

brach Bert aus <strong>und</strong> fuhr per Velo nach Genf. Er<br />

begab sich auf Reisen nach Paris <strong>und</strong> Italien, wo er Kurse<br />

besuchte.<br />

Danach zog es ihn nach Zürich. In seinem ersten Atelier an<br />

der Stockerstrasse, das er vom Künstlerfre<strong>und</strong> Max Truninger<br />

übernahm, lebte er Tür an Tür mit dem Schriftsteller<br />

Paul Nizon. In dieser Zeit lernte er Maya Vautier kennen; die<br />

beiden heirateten 1966.<br />

Im Sommer zog sich Schmidmeister oft ins Maggiatal zurück,<br />

wo er Steinskulpturen schuf. Er liebte es, seine Fre<strong>und</strong>e<br />

zu bekochen <strong>und</strong> mit ihnen ausgiebig zu trinken. 1968<br />

bezog er mit seiner Frau Maya eine Wohnung an der Wuhrstrasse;<br />

im kommenden Jahr kam ihr Sohn Simon zur Welt.<br />

In den 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahren beteiligte sich Bert<br />

Schmidmeister an manchen Ausstellungen im Raum Zürich<br />

<strong>und</strong> in der übrigen Schweiz. Er schuf auch einige Arbeiten<br />

im öffentlichen Raum, etwa ein Wandbild im Triemli-Spital<br />

Zürich, die Glasfenster in der Kirche Wil in Dübendorf <strong>und</strong><br />

fünf Keramikwände im Bad Käferberg, Zürich.<br />

1972 konnte Bert Schmidmeister das Atelier von Friedrich<br />

Kuhn übernehmen, wo er bis zu seinem Tod 1993 hauste.<br />

Interpretationen:<br />

Das Motiv kann sich in seinen Gemälden <strong>und</strong> Zeichnungen zur<br />

vehementen Form verdichten. Unter Einflüssen wie jenen<br />

von Paul Klee gelangte er über die Jahre zu seiner eigenen<br />

Formensprache.<br />

Die eher schwere Landschaft des unteren Reusstals scheint<br />

Schmidmeister geprägt zu haben. Er war ein Sänger ländlicher<br />

Idyllen – Kritiker sprechen von einem „Bukoliker“ –, lyrisch<br />

gestimmt, unintellektuell, Maler aus spontanem Antrieb, ein<br />

verträumter Gestalter seiner Erlebnisse. Malerei bedeutete<br />

ihm Leben wie Kochen <strong>und</strong> Essen.<br />

Quellentext:<br />

– Otto Müller / Ansprache anlässlich der Vernissage vom<br />

14.9.1968


Muz Zeier<br />

Maler, Zeichner, Bildhauer <strong>und</strong> Jazzposaunist<br />

* 24. 11. 1929 Zürich<br />

+ 30. 3. 1981 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

In Zürich aufgewachsen, absolvierte Muz Zeier nach dem<br />

Besuch verschiedener auswärtiger Gymnasien die Kunstgewerbeschule<br />

Zürich. Er machte eine freie Lehre bei den<br />

Bildhauern Willi Stadler, Hans Jakob Meyer <strong>und</strong> Karl Geiser.<br />

Ab 1939 zählte er als freischaffender Künstler zu einer Ateliergemeinschaft<br />

an der Südstrasse.<br />

Bekannt wurde er als Posaunist <strong>und</strong> Bandleader der legendären<br />

New-Orleans-Jazzband „Hot Trester Seven“, die den<br />

Ruf Zürichs als Jazz-Stadt Anfang 1950er Jahre mitbegründete.<br />

Zeier lebte an oft wechselnden Orten, installierte sich in<br />

Provisorien in Züricher Abbruchhäusern oder bei Fre<strong>und</strong>en.<br />

Später verbrachte er auch eine Zeit in einem einsamen<br />

Waldhaus ob Uznach im Sankt-Gallischen. Zeitweise<br />

arbeitete er im Atelier von Otto Müller <strong>und</strong> von Fritz Kuhn<br />

an der Wuhrstrasse.<br />

1958 wurde Muz Zeier für ein Jahr in eine Trinkerheilanstalt<br />

eingewiesen.<br />

Er blieb zeitlebens ein Aussenseiter <strong>und</strong> Nonkonformist.<br />

Souverän verachtete er den offiziellen Kunst- <strong>und</strong> Ausstellungsbetrieb.<br />

Sein Wirkungskreis beschränkte sich auf einen<br />

Kreis von Insidern <strong>und</strong> Künstlerfre<strong>und</strong>en, von denen er<br />

indes hoch geschätzt wurde.<br />

Nur das zu malen, was einer verstehen kann – dies scheint<br />

eine seiner Ideen gewesen zu sein. Überliefert ist wenig,<br />

viele Bilder hat er gar zerstört, aufgeschrieben hat er nichts,<br />

er war skeptisch gegenüber aller Dauer.<br />

Interpretationen:<br />

Muz Zeier schuf ein verhältnismässig schmales, heute weit<br />

verstreutes Werk von eigenständigem Charakter. Es wird<br />

dem Kreis der „Zürcher Schule der kleinen Wahnwelt“ zugerechnet.<br />

Anfangs malte er konsequent von Dunkel nach Hell gearbeitete,<br />

altmeisterlich anmutende, surreale Bilder. Totenfiguren,<br />

Totenköpfe, finster blickende Richter, Nonnen, einen<br />

Don Quichote, Akte, Traum- <strong>und</strong> Zeltstädte. Versatzstücke<br />

aus einem Totentanz, den Zeier auch als Marionettenspiel<br />

inszenieren wollte.<br />

Das Jahr in der Heilanstalt brachte einen Bruch im künstlerischen<br />

Schaffen. Seine Traumstädte lösten sich in würfelartige<br />

Formen auf, mit denen er fortan spielte. Ein Einfluss<br />

von Klee ist zu vermuten. In Aquarellen von feiner Farbigkeit<br />

erscheinen Torbögen, Galerien, Türme <strong>und</strong> surreale Szenerien,<br />

die fast naiv wirken, aber wohl Ausdruck einer gesuchten<br />

<strong>und</strong> gelebten Einfachheit sind.<br />

In der letzten Arbeitsphase ab Mitte der 1950er Jahre<br />

entstanden ruhige Bilder in moderaten Farbtönen. Gegenstände<br />

des Alltags werden zum Ereignis: vergessene<br />

Kleidungsstücke auf einem Stuhl, ein Sofa, ein verlassenes<br />

Klavier. Räume, in denen nicht viel mehr als ein Lichteinfall,<br />

ein Vorhang, eine Treppe stattfinden: karge poetische Bühnenbilder.<br />

Quellentexte:<br />

– Muz Zeier 1929-1981 / Patricia Nussbaum , Beat Wismer,<br />

Konrad Wittmer / Aargauer Kunsthaus Aarau1985<br />

– Retrospektive Muz Zeier: Gemalte Räume der Einsamkeit /<br />

Annelise Zwez / Aargauer Tagblatt 21.5.1985


Franz Grossert<br />

y Cañameras<br />

Architekt, Zeichner, Maler <strong>und</strong> Lithograf<br />

* 19. 6. 1936 Sursee (LU)<br />

+ 5. 12. 2009 Sursee<br />

Atelier an der Wuhrstrasse von 1972 bis 1978<br />

Franz Grossert y Cañameras wurde in Sursee geboren,<br />

wo seine aus Spanien eingewanderten Grosseltern Pedro<br />

Monner <strong>und</strong> Josefa Cañameras eine spanische Weinhandlung<br />

führten.<br />

Nach der Matura entschied er sich, Architekt zu werden<br />

<strong>und</strong> absolvierte eine Lehre beim bekannten Architekten<br />

Walter Förderer in Basel. Dort <strong>und</strong> in anderen Büros arbeitete<br />

Franz Grossert später als Entwurfsarchitekt an zahlreichen<br />

Wettbewerben mit.<br />

Das Interesse für Geistes- <strong>und</strong> Kulturgeschichte veranlasste<br />

ihn 1961, ein Studium der Kunstgeschichte an der<br />

Universität Zürich zu beginnen. In dieser Zeit begann er zu<br />

malen <strong>und</strong> beschloss 1967 sich voll dem künstlerischen<br />

Schaffen, der Malerei zu widmen.<br />

Im August 1966 hatte er eine erste Ausstellung in der Galerie<br />

Beat Mäder in Bern. In deren Rahmen veröffentlichte<br />

er ein Manifest gegen das Primat des Geldes, mit der Idee,<br />

seine Bilder gegen andere kreative Arbeiten zu tauschen.<br />

Bald begann er auch mit abstrakten Portraits, in denen er<br />

den Charakter der Portraitierten malerisch umsetzte.<br />

1973 erhielt seinen ersten öffentlichen Auftrag<br />

der Stadt Zürich: ein Keramikrelief<br />

im Eingang der Wohnsiedlung Utohof des<br />

Architekten Hannes Trösch.<br />

1976 - 1978 folgte die Gestaltung der Eingangshalle des<br />

Altersheim Dorflinde. In diesen Jahren pflegte Cañameras<br />

Kontakte zur Zürcher Kunstszene <strong>und</strong> realisierte auch gemeinschaftliche<br />

Werke mit anderen Malern.<br />

Ende der 1970er Jahre zog Cañameras wieder nach Sursee,<br />

wo er eine sehr fruchtbare Zeit erlebte.<br />

Er gründete eine Malschule <strong>und</strong> es entstanden r<strong>und</strong> 300 Bilder<br />

<strong>und</strong> Skulpturen sowie zahlreiche Zeichnungen, Skizzen <strong>und</strong><br />

Lithografien.<br />

Neben Einzelausstellungen im Raum Zürich fanden 1983<br />

<strong>und</strong> 2001 grössere Ausstellungen mit seinen Werken im<br />

Rathaus Sursee statt.<br />

1966 heiratete Franz Grossert Johanna Zürcher, 1967 <strong>und</strong><br />

1969 kamen die Söhne Lorenz <strong>und</strong> Michael zu Welt.<br />

1991 erlitt Cañameras einen schweren Unfall, von dem er<br />

sich nie mehr erholte; er starb 2009 in Sursee.<br />

Interpretationen:<br />

Cañameras’ Kunstgebilde sind bizarr, seltsam, scheinen<br />

eine fremde Sprache zu sprechen.<br />

Sie bewegen sich auf einer geheimnisvollen Flugbahn oder<br />

schwimmen im Ozean einer surrealen Welt. Der Einfluss<br />

seiner spanischen Mutter ist in der temperamentvollen Umsetzung<br />

spürbar. Zugleich ist eine grosse, fast konstruktive<br />

Präzision in seinen Werken zu finden, was mit seinen Anfängen<br />

als Architekt erklärbar ist. Kraftvolle Wirkung erzielte<br />

er, indem er texturlose Flächen in einheitliche Farbe tauchte,<br />

die er mit bewegtem Umriss versah, was wirkt, als wären<br />

sie einem imaginären Körper entlehnt.<br />

Quellentexte:<br />

– Cañameras / Annette Bühler, Johanna Huber, Lorenz Huber /<br />

Eigenverlag 2011<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft


Oscar Dalvit<br />

Maler, Grafiker <strong>und</strong> Buchillustrator<br />

* 11. 3. 1911 Zürich<br />

+ 10. 12. 1975 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse von 1953 bis 1968<br />

Oskar Dalvit wuchs als Sohn eines Flachmalers <strong>und</strong> einer<br />

Modistin im Zürcher Kreis 4 auf. Der Knabe zog sich gern<br />

zurück, um zu zeichnen <strong>und</strong> zu malen, <strong>und</strong> früh faszinierte<br />

ihn der Künstlerberuf.<br />

Er konnte eine Ausbildung als Schriftenmaler <strong>und</strong> Grafiker<br />

bei Orell Füssli in Zürich absolvieren. 1936 entschloss er<br />

sich für die Tätigkeit als freischaffender Maler. In diesem<br />

Jahr heiratete er auch Hilda Schneider. 1941 <strong>und</strong> 1945<br />

wurden Tochter Gisela <strong>und</strong> Sohn Matthias geboren.<br />

Von einigen Auslandaufenthalten abgesehen, lebte Dalvit<br />

in Zürich. In den 1940er Jahren arbeitete er während der<br />

Sommermonate gern in Amden, wo Otto Meyer-Amden –<br />

Dalvits grosses Vorbild – entscheidende Schaffensjahre<br />

verbracht hatte.<br />

1947 lernte Dalvit den Kölner Kunsthändler Karl Nierendorf<br />

kennen, der sein Werk unter Vertrag nahm, aber kurz darauf<br />

an Herzversagen starb. Doch dank seiner Bekanntschaft<br />

öffneten sich Dalvit in den 1950er Jahren internationale Galerien<br />

<strong>und</strong> Museen.<br />

Er kam auch in Kontakt mit der Münchner Künstlergruppe<br />

Zen 49, deren Anliegen es war, die abstrakte moderne<br />

Kunst einem breiteren Publikum nahe zu bringen. 1951 vertrat<br />

Dalvit die Schweiz an der Biennale von São Paolo in<br />

Brasilien.<br />

Geradezu populär wurden druckgrafische Blätter in den<br />

1950er Jahren. In späterer Zeit werden die Motive Holz <strong>und</strong><br />

Mauer zentral thematisiert. Er verbindet gemalte Elemente<br />

mit gef<strong>und</strong>enen Holzteilen zu raumgreifenden Reliefs die<br />

einen Versuch darstellten, aus der Zweidimensionalität auszubrechen.<br />

Dalvit verstarb 1975 an einem Herzversagen.<br />

Interpretationen:<br />

Der Name Dalvit lässt sich vom estnischen Wort „talviti“<br />

herleiten, was „im Winter“ bedeutet. Als hätte der Name<br />

sein Schaffen mitbestimmt, zeigte Oskar Dalvit eine Vorliebe<br />

für die kalte Jahreszeit. Kahle Bäume, schneebeladene<br />

Wälder, wirbelnde Eiskristalle finden sich im malerischen<br />

<strong>und</strong> graphischen Werk, <strong>und</strong> in der abstrakten Fassung dominiert<br />

häufig eine winterliche Gestimmtheit.<br />

Nach einem zeichnerischen Frühwerk setzte sein gemaltes<br />

Oeuvre 1939 mit dem „Zyklus der Blinden ein“, Ölgemälde<br />

in starken Farben, die Dalvit als Expressionisten zeigen. Im<br />

1941 geschaffenen „Lebensbuch“ beruhigte sich der Ausdruck<br />

wieder, Elemente des Expressionismus verschmolzen<br />

mit solchen des Jugendstils.<br />

Über die Beschäftigung mit Paul Klee <strong>und</strong> Wassily Kandinsky<br />

fand Dalvit in den 1940er Jahren zu einer ungegenständlichen<br />

Gestaltungsweise. Der Weg zur Abstraktion<br />

bedeutete auch einen Prozess der Verinnerlichung.<br />

Die populären grafischen Arbeiten haben Dalvits Namen<br />

eher geschadet, lenken sie doch in ihrer etwas gefälligen<br />

Art vom Gehalt anderer Werke ab, in denen Dalvit versucht,<br />

Philosophisches <strong>und</strong> Religiöses ins sinnlich Wahrnehmbare<br />

zu übersetzen.<br />

Quellentexte:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft<br />

– Oskar Dalvit / Angelika Affentranger-Kirchrath /<br />

ABC Verlag Zürich, 1994


Hans Aeschbacher<br />

Bildhauer, Maler <strong>und</strong> Zeichner<br />

* 18. 1. 1906 Zürich<br />

+ 27. 1. 1980 Zürich<br />

Wohnung an der Wuhrstrasse 1955-1965<br />

Seine Eltern stammten aus dem ländlichen Bern. Sein Vater<br />

war Handwerker, der Mutter oblag die Erziehung der vier<br />

Kinder. Hans Aeschbacher wurde 1906 in Zürich geboren.<br />

Man lebte in ärmlichen Verhältnissen. Hans war scheu <strong>und</strong><br />

flüchtete sich früh in das Zeichnen <strong>und</strong> Malen. Nach der<br />

Volksschule erlernte er den Beruf des Buchdruckers, den<br />

er jedoch nie ausübte.<br />

Bei einem längeren Aufenthalt in Rom wurde der Zwanzigjährige<br />

von den Werken der klassischen Antike gefesselt.<br />

Er studierte, zeichnete <strong>und</strong> malte die griechischen <strong>und</strong> römischen<br />

Vorbilder.<br />

Nach Zürich zurückgekehrt, arbeitete er als Gipser auf<br />

dem Bau <strong>und</strong> verdiente sich so seinen Lebensunterhalt,<br />

ursprünglich mit dem Ziel vor Augen, Maler zu werden. Er<br />

fertigte erste plastische Arbeiten in Ton <strong>und</strong> Gips an, doch<br />

verwarf er diese traditionelle Technik bald. In der unfreiwillig<br />

freien Zeit bei einem Gipserstreik entstand sein erstes<br />

Werk in Marmor. So wurde er Bildhauer.<br />

In einer ersten Schaffensphase (1936–1945) formte er aus<br />

kristallinem Gestein figürliche Plastiken, oft weibliche Köpfe<br />

<strong>und</strong> Figuren. In einer mittleren Schaffensphase (1945–<br />

52) fand er mit abstrahierten Gesichtern <strong>und</strong> weiblichen<br />

Idolen zu einer eigenen Sprache. Diese Steinskulpturen<br />

bezeichnete Aeschbacher als „tellurisch-sinnlich“, nach einem<br />

Begriff des Schriftstellers Adrien Turel. In einer dritten<br />

<strong>und</strong> letzten Schaffensphase (1953–1979) nähert sich sein<br />

plastisches Werk der geometrisch geprägten Konkreten<br />

Kunst, wie sie in Zürich durch Max Bill vertreten wurde. Es<br />

entstanden über drei Meter hohe stelenartige, durchbrochene<br />

Granit- <strong>und</strong> Marmorskulpturen. In diese Zeit fallen<br />

Aufträge für öffentliche Plätze in der Schweiz – für die Kantone<br />

Zürich <strong>und</strong> Bern – <strong>und</strong> im Ausland – in Deutschland<br />

<strong>und</strong> Japan.<br />

Interpretationen:<br />

Das plastische Schaffen von Hans Aeschbacher verlief logisch:<br />

Der Gipser wurde Bildhauer <strong>und</strong> entwickelte sich<br />

weiter zum Aufträge erteilenden Konstrukteur – der eine<br />

zeitgenössische Art der Kunstherstellung repräsentierte.<br />

Die älteren Skulpturen aus Lava <strong>und</strong> Marmor wirken archaisch<br />

<strong>und</strong> von zeitlosem Charakter. Mit ihnen begründete<br />

Aeschbacher seinen Ruf als Schweizer Bildhauer.<br />

Mit den grossen Granit- <strong>und</strong> Marmorskulpturen wurde Aeschbacher<br />

über die Schweiz hinaus bekannt.<br />

Zitat:<br />

«Ich war genau dreissig Jahre alt, ein spätentwickelter<br />

Mensch, auch sexuell spätentwickelt, als ich merkte, dass<br />

die Schweiz überfüllt war mit gipsernen Leibern (. . .). Ich<br />

erwarb für einen Fünfliber einen ganz dummen Stein, einen<br />

französischen Marmor – Rose de Bourgogne. (. . .) Ich<br />

drückte den Stein auf zwei Kisten hinauf <strong>und</strong> schloss mich<br />

ein. Zum ersten Mal in meinem Leben schloss ich mich<br />

ein. (. . .) <strong>und</strong> legte sofort ein Gesicht frei. In zehn Minuten<br />

tat ich mehr als später in Tagen <strong>und</strong> Wochen. Ich befreite<br />

den Stein, ein Gesicht kam zum Vorschein, ein weibliches<br />

Gesicht, ein Frauengesicht. Das waren die schönsten<br />

zehn Minuten in meinem Leben.»<br />

(Aus: Hans Aeschbacher, wie ich zum Bildhauer wurde –<br />

ein Selbstzeugnis)<br />

Quellentexte:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft<br />

– Hans Aeschbsacher / Edition du Griffon, Neuchatel 1959<br />

– Hans Aeschbacher 1906-80 / Kunsthaus Zürich 1985<br />

– Hans Aeschbacher / Waser Verlag Zürich 1986


Silvio Mattioli<br />

Eisen- <strong>und</strong> Stahlplastiker<br />

* 2. 2. 1929 Winterthur<br />

+ 3. 4. 2011 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse von 1953 bis 1968<br />

Silvio Mattioli wurde 1929 in Winterthur-Töss geboren, wo<br />

er im Schatten der eisenverarbeitenden Maschinenindustrie<br />

aufwuchs. Von seiner Mutter wurde er in katholische Messen<br />

gezerrt. Beides hasste er <strong>und</strong> beides prägte ihn: Das<br />

Eisen wie auch das Sakrale wurden wesentliche Bestandteile<br />

seiner Werke.<br />

In Winterthur erlernte er zuerst das Handwerk des Grabsteinhauers.<br />

Davon angewidert, wandte er sich zunächst<br />

der Malerei zu <strong>und</strong> reiste auf van Goghs Spuren in die Provence.<br />

Doch angesichts des grossen Vorbildes versenkte<br />

er vor van Goghs berühmter Ziehbrücke seine Bilder, die<br />

ihm misslungen schienen, in einem Kanal bei Arles.<br />

Dort griff ihn der Schweizer Bildhauer Hans Aeschbacher<br />

auf <strong>und</strong> machte ihn zu seinem Gehilfen. Die Archaik<br />

Aeschbachers wies Mattioli einen Weg zu eigenen Menschendarstellungen<br />

jenseits von Tradition <strong>und</strong> Konvention.<br />

Anfang fünfziger Jahre entstanden voluminöse Frauentorsi<br />

sowie Tiere in Stein <strong>und</strong> Holz.<br />

Mit dreissig erkannte Mattioli, welches Material ihm entsprach,<br />

das harte Metall. Von 1953 bis 1968 arbeitete <strong>und</strong><br />

lebte er an der Wuhrstrasse, anschliessend zog er in ein<br />

Bauernhaus in Schleinikon (ZH), das seine Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsstätte<br />

wurde. Dort baute er seit 1970 seine metallenen<br />

Grossplastiken, die in der ganzen Schweiz an öffentlichen<br />

wie privaten Standorten aufgestellt wurden <strong>und</strong> für Aufsehen<br />

sorgten.<br />

Es entstanden monumentale Werke wie die 14 Meter lange<br />

„Komposition“ im Park der heutigen Axa-Versicherungen in<br />

Winterthur (1970). Prominent wahrgenommen wurde seine<br />

bunte „Stahlkathedrale“ an der Ausstellung Eisen 89 in<br />

Dietikon, wo täglich Tausende Bahnreisende vorbeifahren.<br />

Ab 1990 wendete sich Mattioli vermehrt kleineren geschmiedeten<br />

Werken zu.<br />

Seiner Ehe mit Heidi Mattioli entstammen zwei Söhne, Pietro<br />

<strong>und</strong> Enrico (+1991).<br />

In seiner zweiten Ehe mit Ruth Mattioli (+ 2002) wurde<br />

Tochter Katharina geboren.<br />

Interpretationen:<br />

Silvio Mattioli gehörte zur Gründergeneration der Schweizer<br />

Eisenskulptur kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Eisen<br />

war die materielle Gr<strong>und</strong>lage zweier grauenhafter Kriege,<br />

<strong>und</strong> Mattioli begann diesen Stoff, der nicht als künstlerisch<br />

brauchbar galt, zu formen. Dabei beabsichtigte er, das<br />

„Marsische Material“ von der tragischen Belastung zu befreien<br />

<strong>und</strong> es von seiner Unterwerfung unter eine rein mechanische<br />

Welt zu lösen. (nach R. Oppenheim).<br />

Im Unterschied zu den Eisenplastikern Luginbühl <strong>und</strong><br />

Tinguely interessierte Mattioli nicht das mechanische Funktionieren.<br />

Ihm ging es um das Körperhafte. Seine Plastiken<br />

sind Strahlungszentren von Energie. Und das Schmieden<br />

ein geradezu mythischer Vorgang, der nebst physischer<br />

Kraft die ganze Emotionalität forderte.<br />

Zitat:<br />

«Ja, ich musste mir nicht langwierig <strong>und</strong> mühselig die Fertigkeiten<br />

des Schmiedens aneignen. Es lag mir im Blut. Ich<br />

erinnere mich genau an das erste in den Raum geschmiedete<br />

Eisen. Es war eine ganz elementare Erfahrung, ein<br />

Schmieden ins Nichts hinein, eine Bewegung, eine hyperbolische<br />

Linie in die Leere, die eigentlich erst Raum<br />

schaffte.»<br />

(Silvio Mattioli)<br />

Quellentexte:<br />

– “Mit Feuer <strong>und</strong> Flamme – Plastisches Schaffen von 1949 bis<br />

2004/ Roy Oppenheim <strong>und</strong> Abt Daniel Schönbächler / Huber Verlag,<br />

Frauenfeld 2004<br />

– „Laudatio für Silvio Mattioli“, Vernissage vom 17.4.10 Galerie<br />

Weiertal / Dr. Matthias Frehner / Kunstmuseum Bern<br />

– „Einer, der macht, was er machem muss“ / Adrian Mebold /<br />

Der Landbote 17. 4.10<br />

– „Das Eisen zum Singen bringen“ /Adrian Mebold /<br />

Der Landbote 8. 4.11<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft


Carlo Vivarelli<br />

Grafiker, Plastiker<br />

* 1919 Zürich<br />

+ 1986 Zürich<br />

Carlo Vivarelli wurde 1919 in Zürich geboren, wo er auch<br />

aufwuchs, eine Grafikerlehre absolvierte <strong>und</strong> die Kunstgewerbeschule<br />

besuchte.<br />

Seine Karriere begann er nach einem Studienaufenthalt in<br />

der berühmten Werkstatt des Plakatkünstlers <strong>und</strong> Theaterausstatters<br />

Paul Colin in Paris. Er verwirklichte danach mit<br />

Hilfe von Fotografie <strong>und</strong> Fotomontage eigene Plakate.<br />

So wirkte er bis in die fünfziger Jahre hinein als einer der<br />

grossen Werbegrafiker neben Marcel Wyss <strong>und</strong> Karl Gerstner.<br />

Seine Arbeiten für Industriefirmen wie Adolf Feller <strong>und</strong><br />

Electrolux (ehem. Therma Schwanden) sind beispielhaft<br />

durch ihre Klarheit <strong>und</strong> Strenge <strong>und</strong> ihre starke Wirkung<br />

<strong>und</strong> gehören zu den gelungenen Erzeugnissen der konstruktiven<br />

Typographie.<br />

Ein Meisterwerk schuf Vivarelli 1948 mit einem Plakat für<br />

das schweizerische Pro-Senectute-Komitee.<br />

Ende der 1960er Jahre gab Vivarelli jedoch das typographische<br />

Schaffen auf <strong>und</strong> wandte sich ganz der Malerei zu. Beeinflusst<br />

wurde er durch das Werk des Zürcher Konkreten<br />

Richard Lohse.<br />

In den sechziger Jahren setzte er die Studien, die er in<br />

seiner Malerei betrieb, auch räumlich um in Plastiken aus<br />

Chromstahl <strong>und</strong> Beton. Sein bekanntestes Werk ist die aus<br />

fünf gleichartigen Betonelementen gefügte säulenförmige<br />

Skulptur, die 1968 vor der neuen Mensa der Universität Zürich<br />

erstellt wurde. Darüber hinaus verwirklichte er zahlreiche<br />

weitere Kunstwerke am Bau.<br />

Interpretationen:<br />

Vivarellis Werk stellt sich in die Strömung der Zürcher Konkreten.<br />

Seine Bilder sind auf einem quadratischen Modul<br />

aufgebaut. Da gruppieren sich quadratische Einheiten <strong>und</strong><br />

wachsen in Progressionen. Quadrate können wie Kernzellen<br />

im Zentrum einer Drehung stehen <strong>und</strong> die Bildfläche<br />

aktivieren oder sich zu parallelen Bändern zusammenfügen.<br />

Das Bild ist horizontal <strong>und</strong> vertikal bestimmt <strong>und</strong> rechtwinklig<br />

organisiert. Ein Bildmotiv fehlt.<br />

In gleicher Weise stringent konzipiert sind seine Plastiken<br />

aus Chromstahl oder Beton. Auch hier bestimmt das modulare<br />

Prinzip. Aus dem Wechselspiel von Statik <strong>und</strong> Dynamik,<br />

Licht <strong>und</strong> Schatten entsteht eine starke Wirkung.<br />

Zitat:<br />

«Ich brauche den Sturm in mir <strong>und</strong> nicht um mich.»<br />

(Carlo Vivarelli)<br />

Quellentexte:<br />

– Ludmila Vachtova / März Galerie – Mannheim 2012<br />

(Eigenverlag)<br />

– Serge Lemoine; „Carlo Vivarelli: ein Meister der Zürcher<br />

konkreten Kunst“ / In: Susanne Kappeler; „Carlo Vivarelli“ /<br />

ABC Verlag Zürich 1988


Gregor<br />

Bildhauer<br />

* 2. 12. 1944<br />

+ 13. 5. 1984<br />

Wohnung an der Wuhrstrasse<br />

Gregor wuchs in Zürich auf <strong>und</strong> besuchte da auch die<br />

Schulen. 1962 reiste er noch nicht 16-jährig nach Paris<br />

<strong>und</strong> entdeckte die Bildhauerei.<br />

Seit 1964 wirkte er als Bildhauer in Zürich, wo er vornehmlich<br />

mit Stein arbeitete. Seine erste Ausstellung fand 1968<br />

in den Werkhallen des Stadtspitals Triemli statt, 1970<br />

nahm er am ersten schweizerischen Bildhauersymposium<br />

in Zürich teil. Er wurde mit einem Anerkennungspreis der<br />

Stadt Zürich bedacht.<br />

Nach einem zweijährigen Atelieraufenthalt in Stockholm<br />

kehrte Gregor 1976 nach Zürich zurück, wo er einen Platz<br />

im Krankenheim Mattenhof gestalten konnte. Seit 1978 lebte<br />

er in der Künstlergenossenschaft an der Wuhrstrasse,<br />

sein Atelier hatte er indes in Birr im Kanton Aargau. Gregor<br />

nahm an Einzel- <strong>und</strong> Gruppenausstellungen im In- <strong>und</strong> Ausland<br />

teil.<br />

1981 erhielt er ein Stipendium der Eidgenossenschaft <strong>und</strong><br />

des Salon de la jeune sculpture in Paris.<br />

Interpretationen:<br />

Es entstanden Skulpturen, die ein Spannungsverhältnis<br />

aufweisen: Gregor pflegte den Stein zu polieren <strong>und</strong> zu<br />

glätten <strong>und</strong> dann mit einer Kerbe, Falte oder mit Einschnitten<br />

aufzubrechen, um sein „schönes Aussehen“ zu verletzen.<br />

Glatt <strong>und</strong> sanft steht im Kontrast zu roh oder kantig.<br />

Einzelne Steine sind flache Körper oder Blätter, die – auch<br />

wenn sie am Boden liegen – im Raum zu schweben<br />

scheinen.<br />

Quellentext:<br />

– Vernetzungen - 15 Bildhauer 4 Generationen /<br />

John Matheson / Ausstellung in Spreitenbach 1985 /<br />

Betriebsgesellschaft für das Shopping Center Spreitenbach<br />

1985.<br />

– Publikation Werkschau „Spuren“ von Gregor, 1982<br />

– Katalog Austellung E‘ Galerie 1989


Otto Teucher<br />

Bildhauer <strong>und</strong> Maler<br />

* 18. 6. 1899 Luzern<br />

+ 13. 6. 1994 Zürich<br />

Mitbegründer der Künstlergenossenschaft<br />

Wuhrstrasse<br />

Otto Teucher wuchs im thurgauischen Neukirch-Egnach<br />

auf. Schon als Knabe träumte er davon, Bildhauer zu<br />

werden, doch der Erste Weltkrieg machte solche Wünsche<br />

vorerst zur Illusion. Otto Teucher musste dafür sorgen, wie<br />

er materiell überlebte.<br />

Im väterlichen Malergeschäft schloss er eine Lehre als<br />

Flachmaler ab <strong>und</strong> arbeitete dann als Innenausstatter <strong>und</strong><br />

Dekorationsmaler. Doch besuchte er in den Wintermonaten<br />

wiederholt Kurse an der kunstgewerblichen Abteilung der<br />

Gewerbeschule St. Gallen.<br />

Nach seiner Heirat 1930 liess sich Teucher im Dorf Comano<br />

im Tessin nieder. Der Südkanton erschien damals vielen<br />

Künstlern als gelobtes Land, man lebte hier billig, <strong>und</strong> das<br />

milde Klima versprach ein leichtes Dasein. Teucher hielt<br />

sich dort mit Landschaftsmalerei über Wasser.<br />

Als ihm ein Atelier in Paris günstig angeboten wurde, griff<br />

er zu <strong>und</strong> nutzte den Aufenthalt in der Kulturmetropole, um<br />

sich die Gr<strong>und</strong>begriffe der Bildhauerei beizubringen: Er<br />

besuchte die Académie de la Grande Chaumière. Nach<br />

seiner Rückkehr ins Tessin entstanden die ersten figürlichen<br />

Skulpturen.<br />

1936 übersiedelte Teucher nach Zürich, hier fand er im<br />

noch ländlich anmutenden Kalkbreitequartier Wohnung<br />

<strong>und</strong> Atelier. Er lernte den Bildhauer Otto Müller kennen <strong>und</strong><br />

gründete mit ihm <strong>und</strong> dem Maler Max Truninger die Wohn-<br />

<strong>und</strong> Ateliersiedlung <strong>und</strong> Künstlergenossenschaft an der<br />

Wuhrstrasse.<br />

Seit 1949 unterrichtete Otto Teucher an der Zürcher Kunstgewerbeschule<br />

Zeichnen, Malen <strong>und</strong> Plastik. Teuchers<br />

Wirken an dieser Schule, wo er bis 1965 arbeitete, brachte<br />

sein eigenes künstlerisches Schaffen fast zum Erliegen.<br />

Denn er pflegte sich engagiert um die Fortschritten der<br />

einzelnen Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen zu kümmern.<br />

Nach der Pensionierung fühlte er sich frei für die Kunst.<br />

Es entstand ein beträchtliches Alterswerk, dem nichts<br />

Sprödes anhaftet. Seine Unbefangenheit gegenüber<br />

der Kunst, seine Unabhängigkeit gegenüber einem künstlerischen<br />

Credo, seine Distanz zu Richtungskämpfen <strong>und</strong><br />

Gruppendisziplin konnte er sich deswegen leisten, weil die<br />

Avantgarde ihre Schlachten geschlagen <strong>und</strong> gewonnen<br />

hatte, als er sich endlich ganz der Kunst zuwenden konnte.<br />

Interpretationen:<br />

Otto Teucher hat seine Kunst aus dem Handwerklichen geschöpft,<br />

nicht aus einer Theorie entwickelt. Prägend ist eine<br />

Suche nach Einfachheit, die er auch in seinen Lehren betonte.<br />

Bei Porträts ging er auf „die Sache“ – das Gegenüber<br />

– ein <strong>und</strong> strebte nicht vor allem einen persönlichen Formkanon<br />

oder einen eigenen „Stil“ an.<br />

Als Bildhauer stellte er sich anfänglich in eine klassizistische<br />

Tradition. Ein „Sitzender Knabe“ in der Poliklinik-Halle<br />

des Universitätsspitals (1945/46) ist noch im Geist der<br />

Bildhauer Haller, Bänninger, Hubacher gehalten. 1949/50<br />

nahm Teucher im Akt eines jungen Mädchens, in Kalkstein<br />

gearbeitet, Abschied von der klassizistischen Ästhetik. Er<br />

vermochte die Form so stark zu verknappen, dass sie kaum<br />

mehr lesbar war.<br />

Teucher sah seine Arbeit als ein Gestalten in Gegensätzen:<br />

Das Zusammenspiel von Voll <strong>und</strong> Leer, von Negativ- <strong>und</strong><br />

Positivform, von Geschlossenheit <strong>und</strong> Aufbrechen kennzeichnet<br />

seine Werke.<br />

Quellentext:<br />

– Vereinfachen, ohne etwas zu verlieren / Fritz Billeter /<br />

Aus der Werkstatt / Helmhaus Zürich 1990


... über Berge <strong>und</strong> Reliefs hinaus ...<br />

Alles im Überblick 2012<br />

mit <strong>Wuhrsträssler</strong>n <strong>und</strong> Wahnweltlern<br />

13 <strong>Wuhrsträssler</strong> im Planetarium<br />

Zweitzyklus 25. Aug – 29. Sept 2012


13 <strong>Wuhrsträssler</strong> der Zweitzeit<br />

Nicht von allen Künstlern, welche in den Ateliers der Wuhrstrasse arbeiteten oder<br />

aber nur in den Wohnungen lebten <strong>und</strong> anderorts ihre Werkstätten hatten, konnten<br />

sich überlagernde Spuren erfasst werden. Nach dem ersten Kreis der Verstorbenen<br />

gingen die Ateliers <strong>und</strong> Wohnungen an einen zweiten Kreis über. Im Planetarium des<br />

zweiten Zyklus der Retrospektive „Überblick 2012“ wird eine Auswahl eines weiteren<br />

r<strong>und</strong>en Dutzends dieser Zweitzeitler mit <strong>Trudi</strong> <strong>Demut</strong> <strong>und</strong> Otto Müller <strong>und</strong> den Gründern<br />

verglichen. Zu dieser zweiten Schar gesellen sich auch früh eingezogene <strong>Wuhrsträssler</strong><br />

wie Tildy Grob-Wenger, Bruno Heller <strong>und</strong> Werner W.Wyss. Dazu gehören aber auch<br />

kürzlich Verstorbene wie Hansjörg Mattmüller, René Brauchli <strong>und</strong> Edi Hebeisen. Die<br />

Ausdrucksweisen dieser zweiten Schar driften zwar weiter auseinander, jedoch lassen<br />

sich auch darin Bezüge <strong>und</strong> Werksspuren zu den ersten <strong>Wuhrsträssler</strong>n ausmachen.<br />

Bruno Heller<br />

Remo Roth<br />

Peter Stiefel<br />

Doris Dedual<br />

Werner W. Wyss<br />

Irma Hediger<br />

Doris Michel<br />

Valeria Stefané<br />

Tildy Grob-Wengér<br />

René Brauchli<br />

Hansjörg Mattmüller<br />

Marlyse Brunner<br />

Edi Hebeisen


Tildy Grob-Wengér<br />

Bildhauerin, Malerin <strong>und</strong> Grafikerin<br />

* 31. 07. 1914 Winterthur<br />

+ 04. 05. 2012 Zürich<br />

Atelier <strong>und</strong> Wohnung an der Wuhrstrasse<br />

Aufgewachsen in Winterthur, in bürgerlichen Familienverhältnissen<br />

ohne grossartige künstlerische Vergangenheit.<br />

Hinter dem Haus ihrer Familie gab es ein Atelier, in welchem<br />

ein Bildhauer <strong>und</strong> Maler arbeitete. Rückblickend bezeichnete<br />

Tildy dies als den Ort des „Schlüsselerlebnisses“<br />

der zukünftigen Kunstschaffenden. Hier wurde das Interesse<br />

der jungen Tildy für künstlerische Auseinandersetzung<br />

geweckt.<br />

Der Vater war nicht begeistert von der Berufswahl seiner<br />

Tochter. Nur dank der Unterstützung ihrer Mutter konnte sie<br />

sich durchsetzen <strong>und</strong> nach Abschluss der Höheren Töchterschule<br />

nach Hamburg an die Akademie der Künste gehen.<br />

Zurück aus Deutschland unterrichtete sie Zeichnen an Privatschulen,<br />

machte Illustrationen als Broterwerb. Aber eigentlich<br />

war sie in erster Linie Bildhauerin <strong>und</strong> als solche<br />

arbeitete sie auch die nächsten Jahre. Eines Tages hat sich<br />

die Künstlerin in der Librairie Française in Zürich vorgestellt<br />

um sich für eine Ausstellung zu bewerben. Hier war der<br />

Treffpunkt der Künstler <strong>und</strong> Poeten. Auf dem Gebiet der Literatur<br />

<strong>und</strong> Originalgrafik hatte sich die Librairie einen international<br />

bekannten Namen gemacht. Ein Blick in das Livre<br />

d‘Or, dem Gästebuch führt zurück in jene Zeit, als Künstler<br />

wie Miro, Picasso, Lohse, Varlin, Sartre, Michel Simon <strong>und</strong><br />

Giacometti hier ihre Werke signierten. Der Inhaber, Henri<br />

Wengér, den sie später heiratete, verhalf ihr zu einem Aufenthalt<br />

im Atelier „La Courriere“ in Paris. Hier lernte sie<br />

Kupferdruck von der Pike auf. Berühmte Künstler wie Duffy,<br />

Chagall, Max Ernst etc. verkehrten hier <strong>und</strong> sie lernte sie<br />

persönlich kennen. Die Atmosphäre war off sehr familiär.<br />

1976 gewann Tildy Wenger mit ihren grafischen Arbeiten<br />

den Prix Picasso <strong>und</strong> später noch etliche andere Auszeichnungen.<br />

Sie schafft sich einen Namen als Graveurin <strong>und</strong><br />

wurde an diverse internationale Grafik-Biennalen eingeladen.<br />

Stipendien der Stadt Zürich nach New York <strong>und</strong> Paris<br />

folgten. Sie führte eine partnerschaftliche Ehe mit Henri<br />

Wenger, der künstlerisch interessiert, wie auch selbst begabt<br />

war <strong>und</strong> sie deshalb unterstützte in ihrer Arbeit.<br />

Die regelmässigen Studienreisen nach Spanien, Marokko<br />

etc, waren für Tildy eine selbstverständliche Sache, auch<br />

nach der Heirat. Sie ging während einigen Jahre immer wieder<br />

für eine gewisse Zeit nach Ibiza. Hier fand sie einen<br />

schönen Raum zum Arbeiten. In der Schiffswerft durfte sie<br />

die Maschinen benutzen. In Ibiza erarbeitete sie vor allem<br />

Holzskulpturen. Vorbilder waren in der Zeit Giacometti <strong>und</strong><br />

Henry Moore für sie.<br />

Als ihr Mann starb, führte sie die „Librairie“ während sieben<br />

Jahren weiter, bis sie eines Tages merkte, dass für ihre eigene<br />

künstlerische Arbeit neben dem Geschäft keine Zeit<br />

übrigblieb.<br />

Sie wohnte über 40 Jahren im Künstler-Atelierhaus an der<br />

Wuhrstrasse in Zürich. Ein idealer Ort um Wohnen <strong>und</strong> Arbeiten<br />

zu verbinden. Der Blick auf riesige alle Bäume, das<br />

Atelier im obersten Stock hell <strong>und</strong> luftig. Ihre neueren Arbeiten<br />

waren zart <strong>und</strong> kraftvoll zugleich, oft in Acryl oder<br />

Mischtechnik gemacht. Imaginäre Landschaften, farblich<br />

zurückhaltende Kompositionen, wenig Figürliches im Vergleich<br />

zu früheren Arbeiten, die von der Sicht einer Bildhauerin<br />

geprägt waren. Sie ist nie stehengeblieben, probierte<br />

stets Neues aus <strong>und</strong> schaffte es sich immer wieder weiter<br />

zu entwickeln.<br />

Tildy Grob-Wengér verstarb diesen Mai im Alter von 98<br />

Jahren.<br />

Quellentexte:<br />

– Auszug aus der EWC Biografiearbeit<br />

von Christine Egger, Altstätten


Bruno Heller<br />

Maler<br />

* 06. 05. 1925 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Bruno Heller, geboren am 6. Mai 1925 in Zürich, besuchte<br />

nach Ende des 2. Weltkriegs die Kunstakademie in Florenz,<br />

gefolgt von Studienjahren in Paris.<br />

Von 1953 bis 1960 arbeitete er in einem Atelier der Maler-<br />

<strong>und</strong> Bildhauer-Genossenschaft an der Zürcher Wuhrstrasse<br />

10, u.a. befre<strong>und</strong>et mit Max Hunziker, Otto Müller, Silvio<br />

Mattioli <strong>und</strong> Carlotta Stocker. Seit 1960 in Wädenswil am<br />

Zürichsee lebend, traten Malerei <strong>und</strong> Kupferstich zugunsten<br />

der Collage in den Hintergr<strong>und</strong>. Mit dem Aufkommen<br />

des Xeroxkopierers in den 1970er Jahren entwickelte Bruno<br />

Heller eine eigene Technik der Transparentmontage, die<br />

ihm erlaubte, in mehrstufigen Verfahren luzide neue Strukturen<br />

<strong>und</strong> Räume zu kreieren. Den Ritualen des Kunstbetriebs<br />

gänzlich abhold <strong>und</strong> völlig einem rastlosen Produzieren<br />

ergeben, schuf Heller ein umfangreiches Werk, das<br />

jedoch nur wenigen Eingeweihten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en bekannt<br />

ist.<br />

Quellentexte:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft


Werner W. Wyss<br />

Maler <strong>und</strong> Zeichner<br />

* 03. 12. 1926 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Aufgewachsen <strong>und</strong> zur Schule gegangen ist Werner W.<br />

Wyss im Kreis 4 in Zürich. 1942-1946 machte er eine<br />

Lehre als Zeichner (Lithograph) <strong>und</strong> besuchte Abendkurse<br />

in der Kunstgewerbeschule. Dabei entstand eine Fre<strong>und</strong>schaft<br />

mit Hans Falk. Bei J.C. Müller brachte ihm sein Lehrmeister<br />

Edwin Keller alles bei was für die kommenden Jahre<br />

wichtig sein würde. Ein grossartiger Mann, mit dessen Hilfe<br />

er 1952 das Scheitern einer hoffnungslosen dreijährigen<br />

Partnerschaft (Werbegraphik) überwinden konnte.<br />

Fünf Jahre Wanderschaft im In- <strong>und</strong> Ausland als Trinker,<br />

Vagab<strong>und</strong>, Neonzeichner <strong>und</strong> Liebender folgten. 1957 arbeitete<br />

er als Reklamechef bei Kaffee Kaiser Basel. 1960<br />

tauchte Werner W. Wyss wieder in Zürich als Graphiker<br />

auf, wo er 1961 Margrit Rombach heiratete, 1966 kam seine<br />

Tochter Gabriela Simone zur Welt. Von 1961-1968 hatte<br />

er sein eigenes Atelier in Zürich. Trotz materieller Freiheit,<br />

Begegnung mit dem Wohlstand als begehrter Graphiker<br />

kam er sich manipuliert vor, getrieben von den Aufträgen.<br />

Ende der sechziger Jahre wagte er den Schritt in die unsichere<br />

Existenz als (abhängiger) ungesicherter Maler. Nach<br />

achtjähriger Arbeit als Autodidakt kam 1968 die erste Einzelausstellung<br />

in der Galerie Obere Zäune Zürich. Im Vorwort<br />

schrieb Manuel Gasser (DU): „Der Maler Werner W.<br />

Wyss malt nicht aus schierer Schöpferlust <strong>und</strong> -laune <strong>und</strong><br />

noch weniger aus Ehrgeiz, Ruhmträchtiges zu schaffen,<br />

sondern aus Zwang. Aus dem Bedürfnis heraus, mit sich<br />

<strong>und</strong> der Welt ins Reine zu kommen.“<br />

In den darauf folgenden Jahren folgen viele weitere Ausstellungen<br />

im In- <strong>und</strong> Ausland, von Paris über Glarus <strong>und</strong><br />

Zürich bis nach Jerusalem. 1974 entstehend die ersten<br />

Zeichnungen der zerklüfteten Gesichter. Ausgehend von<br />

eingeprägten Physiognomien auf der Tramfahrt ins Atelier<br />

entstehen Zeichnungen, man könnte sie als aus dichtem<br />

Schraffen-Geflecht gebildete Vexierbilder umschreiben.<br />

Sie zeigen auf den ersten Blick Strukturen, die an Geröllfelder,<br />

Runsen <strong>und</strong> Felsabbrüche erinnern. Beim genaueren<br />

Hinsehen erkennt man auf allen Blättern die Relikte eines<br />

menschlichen Gesichts. Die Landschaft durchfährt das Gesicht.<br />

Inspiriert durch Gesellschaftliche Konflikte <strong>und</strong> Debatten<br />

entsteht Kunst: „Es genügt nicht, dass der Gedanke<br />

zur Wirklichkeit drängt, die Wirklichkeit muss sich selbst<br />

zum Gedanken drängen“.<br />

Die Zivilisationskrankheit mit all ihren Fragen, Debatten um<br />

Kernenergie <strong>und</strong> Umweltschutz, die Probleme <strong>und</strong> Folgen<br />

beispielweise der Endlagerung von Atommüll lassen einem<br />

klar werden über die Antiquiertheit des Menschen. Der<br />

gegenwärtige <strong>und</strong> der zukünftige Mensch kann sich die Katastrophe<br />

der Technik nicht vorstellen. Eine fortschreitende<br />

Dehumanisierung, als die erregende <strong>und</strong> erschreckende<br />

Verwüstung des Menschen.<br />

1978 ist er Teilnehmer an der durch Carlo Vivarelli organisierten<br />

Ausstellung über die Künstler der Wuhrstrasse im<br />

Kunsthaus Zürich. Es folgende weitere Ausstellungen wie<br />

auch diverse Publikationen.<br />

Werner W. Wyss lebt <strong>und</strong> arbeitet noch heute in Zürich.<br />

Quellentext:<br />

– Werner W. Wyss


René Brauchli<br />

Maler, Grafiker, Zeichner <strong>und</strong> Plastiker<br />

* 15. 12. 1934 Zürich<br />

+ 22. 11. 2005 Zürich<br />

Atelier <strong>und</strong> Wohnung an der Wuhrstrasse<br />

1965-2005<br />

René Brauchli wuchs in Zürich auf, mit einer Mutter, deren<br />

Musiktalent er sehr bew<strong>und</strong>erte. Sie war eine ausgezeichnete<br />

Klavierspielerin, die ihrem Sohn ihre Spielfre<strong>und</strong>e übertrug.<br />

Einer der Eckpfeiler seines Lebens sollte der Jazz sein, der sein<br />

Malerleben mit Musik akzentuierte. Seinen Vater verlor er im<br />

jugendlichen Alter durch einen dramatischen Autounfall.<br />

Brauchli war anarchistisch gesinnt <strong>und</strong> letztlich ein politischer<br />

Aktivist. Anflüge von Wut wie von Heroismus kennzeichneten<br />

sein Leben. Mit widerständiger Kraft kämpfte er gegen<br />

fades Alltagsleben.<br />

Als einer der ersten Schweizer Künstler nahm er in den<br />

1960er Jahren Einflüsse der Pop-Art in sein Schaffen auf.<br />

Doch kehrte er sich im gleichen rebellischen Geist von dieser<br />

Avantgarde-Rolle ab, weil er der zunehmend ins Grafische<br />

kippenden Routine misstraute. Er kehrte zurück zum<br />

Geist der Altmeister <strong>und</strong> entwickelte mit Geduld seine eigene<br />

Bildsprache, die er dem Leben abtrotzte, wobei er<br />

seine Seele entblösste.<br />

In den 1980er Jahren musste sich Brauchli einer komplizierten<br />

Operation unterziehen, die einen Herzstillstand zur<br />

Folge hatte <strong>und</strong> seine Wiederbelebung erforderte. Ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Beschwerden begleiteten ihn in der Folge. In<br />

seinen letzten Lebensjahren zog sich Brauchli zurück <strong>und</strong><br />

hielt sich fern von Gesellschaft <strong>und</strong> Kulturszene. Schnelles<br />

Leben, Leistungsdrang, hektisches Arbeiten waren für ihn<br />

Ausdruck eines latenten Kriegszustandes. Eben eine derart<br />

geprägte Welt hatte er nie gewollt.<br />

Interpretationen:<br />

Nach seiner Operation entstand der Bildzyklus des „Mysteriösen<br />

Reisenden“, in dem andere Kontinente <strong>und</strong> Kulturen<br />

in seine Bildwelt gleichsam einschlagen. Exotische Menschen<br />

finden Eingang in Brauchlis Bilderzählungen.<br />

Peter K. Wehrli schrieb 1993 über seine Bilder: «Die Beunruhigung<br />

in den Bildern, die wir als Betrachter zu spüren<br />

bekommen, ist eine Beunruhigung, die Brauchli am<br />

eigenen Leib gefühlt haben musste. Die Welt, in die sich<br />

Brauchli da malend – <strong>und</strong> dank der Malerei – hineingerettet<br />

hat, ist unsere Welt. Und diese Welt braucht kein<br />

Menetekel, denn sie ist eins. In packender kompositorischer<br />

Kraft fasst Brauchli seine Welt <strong>und</strong> seine Erfahrungen<br />

zusammen, als hätte er die Nervenenden in die Farbe<br />

getaucht.»<br />

Quellentexte:<br />

– Für René Brauchli – ein Nachruf / Remo Roth, Zürich Dez. 05


Remo Roth<br />

Maler, Zeichner, Grafiker <strong>und</strong> Plastiker<br />

* 1934 Wangen an der Aare (BE)<br />

Atelier an der Wuhrstrasse seit 1974<br />

Remo Roth wuchs in Zürich auf <strong>und</strong> besuchte hier die<br />

Schulen.<br />

Er bezog 1974 ein Atelier in der Baugenossenschaft Maler,<br />

Bildhauer & Architekten an der Wuhrstrasse in Zürich (In<br />

der Nachfolge von Otto Morach), wo er bis heute arbeitet.<br />

Seit 1959 ist er in der Zürcher Kunstszene als Maler tätig<br />

<strong>und</strong> stellte in verschiedenen Kunsthäusern <strong>und</strong> Galerien<br />

in der Schweiz <strong>und</strong> im Ausland aus. Er bereist seit 1965<br />

– bis heute – Italien <strong>und</strong> verbringt dort regelmässig längere<br />

Arbeitsaufenthalte. Auch Paris (1981) <strong>und</strong> Barcelona<br />

(1964/67) waren Aufenthaltsorte von längerer Zeitdauer.<br />

Roth ist auch literarisch tätig. Seine ersten literarischen<br />

Schritte tat er 1978. Im Eigenverlag entstanden zwei Bücher<br />

mit Texten, Gedichten <strong>und</strong> Zeichnungen <strong>und</strong> ein Bild-<br />

Katalog.<br />

Interpretationen:<br />

Fritz Billeter schrieb: „Remo Roth schafft, entwirft, ermöglicht<br />

in seinen Bildern Räume, auch wenn er sie uns vorerst<br />

verriegelt, entzieht oder entrückt. Er suggeriert solche<br />

Räume – Räume der Freiheit? –, gerade weil das Auge sie<br />

nicht betasten, nicht betreten, zuweilen aber noch durch<br />

Ritzen, Spalten, wie durch beschlagene Scheiben erahnen<br />

kann.“ (Remo Roth Bilder 1983–1988)<br />

Zitat:<br />

«Ich frage mich, ob man mir nicht radikale Mitarbeit abverlange,<br />

wenn ich beschliesse, aus den dunklen, Leben-simulierenden<br />

Vorstellungen Genuss zu ziehen. Ich gehöre<br />

dazu <strong>und</strong> bin sicher, dass ich bin wie andere auch, doch<br />

ich weiss nicht, wie bedeutend ich den anderen erscheinen<br />

mag. Also beschliesse ich, auf meine irreführenden<br />

Darstellungen zu verzichten, um endgültig im eigenen inneren<br />

Labyrinth Platz zu nehmen, wo ich weder Beengnis<br />

noch Spuren davon sehen kann, sondern nur die Stille<br />

eines vollkommen rätselhaften kurzen Protokolls über das<br />

Wesen des Bildes: Das Bedeutende am Bild sind die<br />

w<strong>und</strong>en Stellen.»<br />

(Remo Roth)<br />

Quellentext:<br />

– Hantieren mit Höhlengrau / Eigenverlag Remo Roth 1993<br />

– Nachtasyl / Remo Roth Zeichnungen – Gedichte /<br />

Eigenverlag Remo Roth 2011<br />

– Remo Roth Bilder 1983-1988 / Eigenverlag Remo Roth


Irma Hediger<br />

Malerin<br />

* 03. 04. 1936 Seengen AG<br />

Atelier an der Wuhrstrasse 1987 - 1993<br />

In Seengen bin ich geboren, nah am Hallwilersee, wo es<br />

von Anfang an viel zu beobachten gab, am Wasser, an<br />

Wasser- <strong>und</strong> Wiesenpflanzen, an <strong>und</strong> in den Bächen - da<br />

rückte die Natur mir nahe - für immer.<br />

Bezirksschule Seengen<br />

Kindergärtnerinnen- Seminar Baldegg<br />

Vielfältige pädagogische <strong>und</strong> soziale Erfahrungsbereiche<br />

forderten anschliessend meine Kreativität <strong>und</strong> mein Verständnis<br />

heraus in meiner Tätigkeit als Erzieherin in einer<br />

belgischen Familie, als Mitarbeiterin in der kantonalen Beobachtungs-<br />

<strong>und</strong> Therapiestation für schwer erziehbare<br />

Kinder Brüschhalde in Männedorf. Nach der Heirat <strong>und</strong> der<br />

Gründung einer eigenen Familie mit zwei Töchtern baute<br />

ich daneben einen Halbtags-Kindergarten auf, den ich mit<br />

meinen Ideen prägte. Meine künstlerischen Impulse <strong>und</strong><br />

Vorstellungen intensivierten sich <strong>und</strong> 1980 ist der entschiedene<br />

Beginn meiner Laufbahn als Malerin zu verzeichnen.<br />

Aus - <strong>und</strong> Weiterbildung:<br />

Zeichnen <strong>und</strong> Malen bei Làslo Schwalm in Zürich. Aktzeichnen<br />

im Atelier Peter Grenacher <strong>und</strong> an der Volkshochschule<br />

bei René Monnet. Studienreise nach Venedig <strong>und</strong> in die<br />

Toscana, mit intensivem Skizzieren in der Öffentlichkeit<br />

Unter den Eindrücken südlicher Kunst <strong>und</strong> Kultur verdienen<br />

die Fresken von Piero della Francesca besondere Erwähnung.<br />

Förderung <strong>und</strong> Anerkennung:<br />

Erste Anerkennung <strong>und</strong> Förderung bedeutete mir die Mitgliedschaft<br />

bei der Produga, Zürich, wo mir die erste Einzelausstellung<br />

ermöglicht wurde. 1987 Einzug an der Wuhrstrasse.<br />

Danach Aufenthalt in der Cité internationale des Arts<br />

Paris. 1988 eigenes Atelier an der Rue de la Goutte d‘Or<br />

in Paris. 1996 Mitgliedschaft bei der Künstlergruppe Carré<br />

d`Art in Paris. Häufiger Wechsel zwischen Zürich <strong>und</strong> Paris.<br />

Diverse Ausstellungen im In- <strong>und</strong> Ausland. In Paris wurde<br />

ich unwillkürlich Beobachterin der markanten Veränderungen<br />

im Goutte d`Or-Quartier.<br />

„Ob es Gebäude sind, Menschen oder Stilleben, Irma Hediger<br />

versteht es meisterhaft, das Wesentliche, das Wesen<br />

ihrer Sujets einzufangen <strong>und</strong> aufs Papier zu bringen. Ihre<br />

Bilder sind weit davon entfernt, bloss abzubilden, vielmehr<br />

kann sie dem menschlichen, sozialen Aspekt immer wieder<br />

beredt Ausdruck verleihen.“<br />

(Der B<strong>und</strong>, 16.5.2000 zur Ausstellung im Forum Rubigen )<br />

Meine Bilder male ich nie aus momentaner Inspiration, in<br />

einem Rausch, vor intensiven realen Objekten. Sie durchlaufen<br />

Stufen eines Prozesses, der für mich selbst nicht voraussehbar<br />

ist.<br />

Ausgangspunkt ist dabei stets ein Motiv, eine Begegnung,<br />

die mich berühren, irritieren oder bannen. Skizzenhaft nehme<br />

ich erste Eindrücke als Zeichnung oder Aquarell auf.<br />

Bildelemente, die sich mir aufdrängen, sind meist geprägt<br />

durch Unerklärliches, durch eine äussere oder innere Bewegung,<br />

die im Gang ist <strong>und</strong> das Motiv verwandeln könnte.<br />

Ich gerate darüber in einen Prozess der Einfühlung, des<br />

Weiterträumens, der Deutung. Dabei entstehen Zwischenbereiche,<br />

in denen sich Aeusseres <strong>und</strong> Inneres, Reales <strong>und</strong><br />

Phantastisches, Anschauung <strong>und</strong> malerische Inspiration<br />

verbinden. Eine bereits fortgeschrittene Stufe dieses Prozesses<br />

findet ihren Niederschlag, meist grossformatig, auf<br />

der Leinwand. Aus dem deutlichen Impuls heraus, dass ich<br />

in einen lebendigen Kommunikationsakt involviert bin, bringe<br />

ich in der Farbgebung selbst Bewegung ins Bild. Das<br />

Endprodukt erscheint nicht als erklärter, überschaubarer<br />

Vorgang, sondern behauptet sich als Geheimnis.<br />

Quellentexte:<br />

– Irma Hediger


Hansjörg Mattmüller<br />

Maler, Grafiker, Fotograph<br />

* 21. 05. 1923 Zürich<br />

+ 22. 12. 2006 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Hansjörg Mattmüller war ein Schweizer Kunstlehrer. Er<br />

studierte zunächst an der Kunstgewerbeschule Basel <strong>und</strong><br />

danach in Paris. Seine künstlerischen Ambitionen wiesen<br />

schon bald in Richtung der ungegenständlichen Kunst.<br />

Ende der 1950er Jahre galt Mattmüller als einer der Protagonisten<br />

in der von Arnold Rüdlinger als «Signalkunst»<br />

bezeichneten Bewegung.<br />

1959 berief Hans Fischli Mattmüller als Leiter des Vorkurses<br />

an die Kunstgewerbeschule Zürich KGSZ. Viele seiner<br />

Studenten wollten Künstler werden wie David Weiss, Urs<br />

Lüthi oder Hansruedi Giger. Aufgr<strong>und</strong> der vielversprechenden<br />

Ergebnisse wurde 1965 die Klasse F+F (für «Form <strong>und</strong><br />

Farbe») unter der Leitung von Mattmüller, dem Kunsttheoretiker<br />

<strong>und</strong> Duchamp-Experten Serge Stauffer <strong>und</strong> dessen<br />

Partnerin Doris Stauffer gegründet. 1970 wurde die Klasse<br />

durch deren Schüler <strong>und</strong> Lehrer aufgr<strong>und</strong> «von unannehmbaren<br />

Bedingungen» in der KGSZ aufgelöst.<br />

Schon 1971 gründete er darauf zusammen mit Bendicht<br />

Fivian, Peter Gygax, Peter Jenny, Doris Stauffer <strong>und</strong> Serge<br />

Stauffer die private Kunstschule F+F Schule für experimentelle<br />

Gestaltung. Von 1971 bis 2000 leitete er die F+F als<br />

Rektor.<br />

Quellentexte:<br />

– www.wikipedia.ch


Peter Stiefel<br />

Drucker, Radierer <strong>und</strong> Objektkünstler<br />

* 04. 01. 1942 Hausen a. Albis<br />

Atelier an der Wuhrstrasse von 1984 bis 1989<br />

1958–59 Besuch der Zürcher Kunstgewerbeschule in<br />

der Klasse von Ernst Gubler. Ab 1964 Atelier in Kilchberg<br />

zusammen mit Max Wiederkehr. 1967 Übersiedlung nach<br />

Rom <strong>und</strong> dort Art Director des Films Necropolis von Franco<br />

Brocani. 1972 Assistent bei Friedrich Kuhn. 1974 Reise<br />

von Kanada über die USA <strong>und</strong> Mexiko bis Guatemala. 1975<br />

Atelier in Breganzona <strong>und</strong> erste Radierungen. Ab 1978 Mitinhaber<br />

der ehemaligen Teigwarenfabrik Pastificio Vecchio<br />

in Cavigliano. Hier entstehen wichtige Zeichnungen, Bilder<br />

<strong>und</strong> Skulpturen. 1980 Übersiedlung nach Zürich, arbeitet<br />

als Kupferdrucker im Atelier von Peter Kneubühler (1944–<br />

1999). Auf der Insel Gran Canaria Malereien mit Tusche,<br />

weisser Kreide <strong>und</strong> Gewürzfarben. Ab 1984 Unterricht als<br />

Zeichnungslehrer an Mittelschulen, ab 1986 Wohnung <strong>und</strong><br />

Atelier in Kilchberg, wo er sein eigenes Atelier für Kupferdruck<br />

<strong>und</strong> Holzschnitt aufbaut. 1991–92 Lehrauftrag an<br />

der Universität Augsburg mit Peter Paul, 1998 Gastprofessur<br />

für Druckgrafik an der Fachhochschule für Gestaltung<br />

in Hamburg. Seit 1995 Mitarbeit am Projekt campo nomade<br />

primaverile von Franco Lafranca im Val Bavona. Druckt<br />

für Mattias Spescha von 2000 bis zu dessen Tod 2008<br />

sämtliche Radierungen <strong>und</strong> arbeitet in dessen Gastatelier<br />

in Peyriac (Südfrankreich). 2006 dreht Stefan Stucki einen<br />

Kurzfilm über das tagebuchartige Projekt Zürcher Schädelstätte.<br />

«Malen heisst nichts anderes als: eliminieren» <strong>und</strong> «alles,<br />

was schön ist im Bild, musst Du wegmalen!» So beschrieb<br />

Peter Stiefel in einem Interview mit dem Kulturjournalisten<br />

Peter K. Wehrli einst sein künstlerisches Credo. Viele Arbeiten<br />

– seien es Radierungen, Linolschnitte oder Gemälde<br />

– sind von Symbolen geprägt. Die frühen Werke sind anekdotischer,<br />

komplexer <strong>und</strong> märchenhafter ins Bild gesetzt als<br />

die späteren, die sich durch Reduktion <strong>und</strong> Verdichtung bis<br />

hin zur Abstraktion auszeichnen. Ein Wendepunkt in Stiefels<br />

bildhauerischer Arbeit ist das Projekt der Zürcher Schädelstätte<br />

(1987), einer Art dreidimensionalem Skizzenbuch, in<br />

dem der Künstler während eines Jahres jeden Tag einen<br />

Kopf aus Lehm, Holz, Schamotte oder Muschelkalk formte.<br />

Gefühlslagen, Erlebnisse, die täglichen gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> politischen Ereignisse, alles fliesst in die Gestalt <strong>und</strong><br />

den Ausdruck der Köpfe ein, die verknappt, verzerrt, aber<br />

auch edel ausgebildet sind.<br />

In seinem grafischen Werk arbeitet der Künstler oft in<br />

Zyklen <strong>und</strong> fasst die Blätter in einem Mappenwerk oder<br />

Buch zusammen. Die Farbholzschnittfolge Das Birnenholz<br />

(1996) vereinigt in eindringlich zeichenhafter Formensprache<br />

Landschaften, Figuren <strong>und</strong> traumbildhafte Sequenzen.<br />

Bildstrukturen, die oft von der Naturform ausgehen, zeugen<br />

von der steten Auseinandersetzung mit dem Organischen,<br />

auch in naturfernen Objekten wie Wagen, Haus oder Leiter.<br />

In Kleinskulpturen oder -plastiken aus Holz, Zement,<br />

Papiermaché <strong>und</strong> Karton, aber auch in Zeichnungen <strong>und</strong><br />

Grafiken wird das Thema Turm in unterschiedlich komplexem<br />

Aufbau variiert. Es sind Studien zum Torre guardiano,<br />

einem fünf Meter hohen Wachturm aus Holz im Tessiner Val<br />

Bavona, den Peter Stiefel zusammen mit realisiert.<br />

In seinem äusserst breit gefächerten Werk erprobt der<br />

Künstler immer wieder andere Techniken. So macht er etwa<br />

Malversuche mit Eitempera, mit dem das Bild anders als<br />

bei der Acrylfarbe eine samtige, matte Oberfläche erhält.<br />

Neueste Arbeiten sind Landschaftsaquarelle aus dem südfranzösischen<br />

Bages <strong>und</strong> Zeichnungen von Wäldern im Val<br />

Bavona.<br />

Quellentexte:<br />

– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />

Kunstwissenschaft


Doris Michel<br />

Malerin <strong>und</strong> Illustratorin<br />

* 17. 02. 1948 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Doris Michel wurde 1948 in Zürich geboren <strong>und</strong> wuchs im<br />

Kanton Aargau in einer Migrantenfamilie auf. Von klein auf<br />

malte <strong>und</strong> zeichnete sie ständig. Mit 16 Jahren besuchte<br />

sie für fünf Jahre die Kunstgewerbeschule Zürich mit einem<br />

Sprach-Zwischenjahr nach dem Vorkurs in Montpelier (FR).<br />

Sie schloss als Grafikerin ab. Anschliessend arbeitete sie in<br />

verschiedenen Grafikateliers <strong>und</strong> Werbeagenturen. In dieser<br />

Zeit bereiste sie drei bis fünf mal jährlich London, um<br />

dort ihrer künstlerischen Arbeit nachzugehn.<br />

In Zürich spezialisierte sie sich auf Illustration <strong>und</strong> arbeitete<br />

selbständig für verschiedene Redaktionen <strong>und</strong> einen Buchverlag,<br />

unterdessen war sie zweifache Mutter geworden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> ihrer Grossformatigen Zeichnungen wurde sie<br />

1983 an die F+F Schule für Kunst <strong>und</strong> Mediendesign in<br />

Zürich als Dozentin berufen, wo sie bis 1999 unterrichtete.<br />

1986 richtete sie mit einer Kollegin das Berliner F+F-Atelier<br />

in Kreuzberg ein, wo sie wärend zehn Jahren regelmässig<br />

arbeitete <strong>und</strong> drei Einzelausstellungen in Berlin-Mitte <strong>und</strong><br />

verschiedene Gruppenausstellungen bestritt. Sie reiste vier<br />

bis achtmal pro Jahr ins Berliner Atelier.<br />

Ab 1980 stellte sie in diversen Zürcher Galerien aus, unter<br />

anderem drei mal in Gruppenausstellungen im Zürcher<br />

Helmhaus. 1983 wurde sie in die damalige „GS<strong>MB</strong>A“ aufgenommen<br />

(Gesellschaft Maler, Bildhauer <strong>und</strong> Architekten,<br />

die heutige „visarte“).<br />

1988 richtete sie an der F+F-Schule die erste Computerabteilung<br />

für den Vorkurs ein. Wärend sie zu Beginn<br />

nebenbei noch als Grafikerin arbeitete <strong>und</strong> unterrichtete,<br />

wurde 1995 dank eines grösseren Pensums an der F+F<br />

das Unterrichten zu ihrem Hauptverdienst. Doris Michel<br />

unterrichtete wärend drei Jahren Malen in der roten Fabrik,<br />

neun Jahre Zeichnen im Abendkurs mit fortlaufendem<br />

Konzept, drei Jahre Kunstgeschichte in drei Vorkursklassen<br />

<strong>und</strong> Typografie manuel <strong>und</strong> digital in den Vorkursen. 1999<br />

kündigte sie mit fünfzehn Kollegen bei der F+F-Schule, da<br />

sie ihr neues Projekt der Gestalter-Ausbildung dort nicht<br />

realisieren konnten. Sie gründeten gemeinsam mit Professor<br />

Jenny die .G Gestaltungsschule Zürich. Ihr Konzept<br />

„Gestalterausbildung“ übernahmen die HgkZ <strong>und</strong> die F+F-<br />

Schule später auch. Mit vierzig Studierenden in zwei Klassen<br />

startete die .G im Herbst 1999, 2003 zählte sie bereits<br />

h<strong>und</strong>ertzwanzig Studierende in sechs Klassen. Auch<br />

hier richtete Doris Michel die erste Computerabteilung ein,<br />

unterrichtete Projektarbeit <strong>und</strong> entwickelte <strong>und</strong> leitete das<br />

Konzept „Montagszeichnen“, das klassenübergreifend war<br />

<strong>und</strong> wöchentlich stattfand. In Kursen <strong>und</strong> Seminaren bildete<br />

Doris Michel sich stetig weiter, erwarb unter anderem<br />

das SVEB 1 Zertifikat als Erwachsenenbilderin.<br />

Leider wurde die Schule von Wirtschaftsleuten aus dem<br />

<strong>Stiftung</strong>srat übernommen <strong>und</strong> in für sie inakzeptable Bahnen<br />

gelenkt. Daraufhin kündigte Doris Michel im Sommer<br />

2005 mit sämtlichen Gestaltungslehrern ihren Unterrichtsauftrag<br />

(die Mehrzahl waren Schulgründungsmitglieder).<br />

Ab 1995 bereiste sie mehrmals New York City <strong>und</strong> New<br />

Jersey, wo sie vor allem Zeichnungen <strong>und</strong> grossformatige<br />

Aquarelle realisierte.<br />

Ebenfalls 1999, im Gründungsjahr der .G-Schule, trat sie<br />

in den Vorstand der visarte Zürich ein, wo sie neun Jahre<br />

tätig war.<br />

Ihre Zeichnungen sind tagebuchartig realistisch, wärend<br />

die Malereien sich figurativ-abstrakt präsentieren. Die<br />

Kunststoffobjekte enthalten Einschlüsse von Fragmenten in<br />

ungewöhnlichen Kombinationen, die dem Zugriff entzogen<br />

sind, es sind „Frozen Poetry‘s“.<br />

Quellentexte:<br />

– Doris Michel


Marlyse Brunner<br />

Malerin<br />

* 21. 05. 1947 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Marlyse Brunner ist seit Jahren damit beschäftigt, das absolut<br />

schwarze Bild zu finden. Dass sie es noch nicht gef<strong>und</strong>en<br />

hat, ist auch ein Beweis ihrer Ernsthaftigkeit. Dass<br />

dies kein sophistischer Spruch ist, soll im folgenden erhärtet<br />

werden. Marlyse Brunner arbeitet mit Schwarz. Sie<br />

zeichnet mit Stiften aus solider Ölfarbe schwarze Striche,<br />

Linien, Felder. Sie unterteilt die Bildfläche in Zonen von<br />

verschiedenen Qualitäten von Schwarz, verschiedenen<br />

Arten von Nichtschwarz. Sie unterteilt ihre Bilder in Bereiche,<br />

die ganz schwarz sind <strong>und</strong> in solche, die es noch<br />

nicht sind. Die schwarzen Bereiche sind unterschiedlich in<br />

Farbauftrag <strong>und</strong> Struktur. Sie unterscheiden sich durch die<br />

Dicke der Farbschichten, die Richtung des Farbauftrags.<br />

Die Farbflächenhaut bedeckt ganz unterschiedliche Farbkörper,<br />

sehnige, glatte, bucklige, schrumpflige. Zwischen<br />

den schwarzen Bereichen tun sich andere auf, graue, mehr<br />

oder weniger graue, mehr oder weniger helle, gestrichene,<br />

lavierte; es gibt auch weisse.<br />

Im Gr<strong>und</strong> gibt es nichts einfacheres als das absolut<br />

schwarze Bild. Verschiedene grosse Maler haben im Laufe<br />

der Kunstgeschichte bewiesen, dass, zum Beispiel, das<br />

schwarze Quadrat malbar ist. Das absolut schwarze Quadrat<br />

kann sich einstellen <strong>und</strong> musste sich bei Malevitsch<br />

einstellen als folgerichtiges Ergebnis einer Gedankenfolge.<br />

Ad Reinharts schwarze Tafeln sind ebenso Ausdruck einer<br />

weltanschaulichen Gestimmtheit wie eines kühlen artistischen<br />

Kalküls. Dass Marlyse Brunner diese Ergebnisse<br />

nicht verwerten will oder auch kann, ist ein Zeichen für die<br />

existentielle Aufrichtigkeit ihrer Malgesten. Vielleicht sind ja<br />

auch nicht die Resultate das primär Angestrebte an diesen<br />

Bildern. Es kann ja sein, dass der Weg dorthin das Entscheidende,<br />

das Ausschlaggebende ist.<br />

Marlyse Brunner nimmt den Weg sehr wichtig. So kommt<br />

es, dass die Erschaffung des Bildes oft schon beginnt bei<br />

der Herstellung des Bildträgers: Einfaches, mehrschichtig<br />

zusammengeleimtes Verpackungspapier, technische<br />

Papiere oder Zeichenpapier werden mit unsentimentaler<br />

Ernsthaftigkeit zur Erstellung der Bilder benutzt. Wie die<br />

weissen Blätter werden auch die grauen bearbeitet, werden<br />

sie von der schwarzen Farbe in solider <strong>und</strong> auch ein<br />

wenig besessener Manier erobert.<br />

Philosophie sei, so hat Nietzsche gesagt, «das Selbstbekenntnis<br />

ihres Urhebers <strong>und</strong> eine Art ungewollter <strong>und</strong> un-<br />

vermerkter ‚memoires‘ ... ». Das gleiche darf von Malerei<br />

gesagt werden, wenn sie ernst gemeint ist <strong>und</strong> ernst genommen<br />

werden will.<br />

Marlyse Brunner lässt sich Zeit. Seit sie, als ganz junge<br />

Frau, begonnen hat zu malen, die Gleichgültigkeit der Umgebung<br />

nicht achtend, das fehlende Zutrauen ignorierend,<br />

seit jener Zeit hat sie zwar keine lange Wegstrecke, aber<br />

einen arbeitsreichen <strong>und</strong> intensiven Weg zurückgelegt. Von<br />

den ersten Arbeiten, die sich in einer etwas unverbindlichen<br />

formalen Abstraktion üben, bis zu der unausweichlichen<br />

<strong>und</strong> zwingenden Suche nach der dem Lebenszusammenhang<br />

standhaltenden <strong>und</strong> verbindlichen Formulierung in<br />

den jüngeren Bildern, hat sich viel Leben abgespielt <strong>und</strong> ist<br />

viel Arbeit investiert worden.<br />

Marlyse Brunners Recherche hat etwas Selbstverständliches.<br />

Es geht ihr die hochtrabende Feierlichkeit der philosophischen<br />

Attitüde völlig ab. Aber sie hat die Würde eines<br />

lebenslang willig <strong>und</strong> pflichtbewusst ausgeführten Exerzitiums.<br />

Eine Eigenheit übrigens, die Eleanor Munro schon vor<br />

Jahren als klassisches Merkmal der weiblichen Kunstausübung<br />

diagnostiziert hat.<br />

(Marie-Louise Lienhard)<br />

Quellentexte:<br />

– Buch: Marlyse Brunner - Works on Paper 1988/89


Doris Dedual<br />

Bildhauerin<br />

* 1949 Zürich<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Doris Dedual wächst in Zürich auf, wo sie die Schulen<br />

besucht. Persönliche Begegnungen mit Künstlerpersönlichkeiten<br />

bewegen sie, sich seit 1970 autodidaktisch zur<br />

Bildhauerin auszubilden. Dazu gehören die Auseinandersetzung<br />

<strong>und</strong> das Experimentieren mit verschiedenen plastischen<br />

Materialien <strong>und</strong> Techniken.<br />

1989 bezieht sie das Atelier an der Wuhrstrasse.<br />

Ihren ersten Versuchen in Gips, die sie additiv modelliert,<br />

folgen Jahre später Broncegüsse. Auftragsarbeiten in Bronce<br />

ermöglichen Doris Dedual ein kontinuierliches künstlerisches<br />

Weiterarbeiten.<br />

Brancusi <strong>und</strong> Arp, auch die ägyptische Kunst, sind mögliche<br />

Vorbilder. Sie beschäftigt sich mit einer schlichten<br />

organischen Formenwelt <strong>und</strong> setzt diese mit einer grossen<br />

Intuition gefühlvoll um. Die Senkrechte, also diejenige<br />

Position, die uns Menschen eigen ist, bleibt in ihrer Arbeit<br />

vorherrschend.<br />

Beigleitet werden die bildhauerischen Arbeiten von feingliedrigen<br />

konstruktiven Malereien. Als Folge einer Studienreise<br />

1995 nach Ägypten gibt sie die Malerei auf <strong>und</strong><br />

beschäftigt sich seither ausschliesslich mit Bildhauerei.<br />

1988 entdeckt Doris Dedual den Stein als Arbeitsmaterial.<br />

Ersten Versuchen mit Marmor folgen in den nächsten<br />

Jahren Plastiken in typischen toskanischen Gesteinen wie<br />

Gesso, Trachit, Tuff <strong>und</strong> Alabaster. In den Steinbrüchen<br />

wählt sie sorgsam die Steine nach ihrer Beschaffenheit, der<br />

Farbe <strong>und</strong> der Form aus. Häufig sind die so gef<strong>und</strong>enen<br />

Formen Ausgangsbasis für die Weiterarbeit bis zur endgültigen<br />

Skulptur. Es entsteht dadurch ein stetiger Dialog zwischen<br />

Material, Form <strong>und</strong> der Künstlerin. Die Formen sind<br />

der Natur nahe. Sie bleiben organisch <strong>und</strong> in sich ruhend,<br />

fein geschliffen. Die Senkrechte verabschiedet sich.<br />

Seit 1996 arbeitet Doris Dedual regelmässig in der Toscana,<br />

wo sie erstmals in der freien Natur ihren Werkplatz<br />

bezieht. Die Natur verändert ihr städtisch geprägtes Menschenbild<br />

<strong>und</strong> fördert die Auseinandersetzung mit den<br />

verschiedenen Kulturen. Die Härte des Steins <strong>und</strong> dessen<br />

Widerstand fordern ihre Hartnäckigkeit <strong>und</strong> geben ihr<br />

gleichzeitig Energie zurück.<br />

Quellentexte:<br />

– Doris Dedual


Valeria Stefané<br />

Malerin <strong>und</strong> Illustratorin<br />

* 24. 04. 1948 Milano (Italien)<br />

Atelier an der Wuhrstrasse<br />

Valeria Stefané wurde in Mailand geboren <strong>und</strong> verbrachte<br />

dort ihre Jugend <strong>und</strong> Schulzeit. In der Adoleszenz gewann<br />

sie an einem gesamtmailändischen Jugend-Kunstwettbewerb<br />

den ersten Preis, worauf der Maler Ernesto Treccani<br />

ihren Eltern vorschlug, sie auszubilden. Diese stellten sich<br />

aber entschieden dagegen; auf ihren Wunsch absolvierte<br />

sie die Handelsschule.<br />

Ende der 1960er lernte sie in Sanremo den Schweizer Rainer<br />

Klausmann, damals Fotograf <strong>und</strong> später Kameramann,<br />

kennen. Sie heiratete ihn <strong>und</strong> zog in die Schweiz, wo sie zunächst<br />

einer Erwerbstätigkeit in einem Reisebüro nachging.<br />

In den 1980er Jahren bekam Klausmann eine Wohnung im<br />

Künstler-Genossenschaftshaus an der Wuhrstrasse, nachdem<br />

der Vorstand entschieden hatte, dass Film auch zur<br />

Kunst gehöre.<br />

In den frühen 1980er Jahren bildete Valeria Stefané sich zur<br />

Modezeichnerin aus <strong>und</strong> arbeitete in der Folge freischaffend<br />

als solche, sowie als Stoffmuster-Entwerferin. Immer<br />

häufiger befasste sie sich auch mit dem Illustrieren von Texten.<br />

Ende der 1980er Jahre bildete sie sich an der Schule<br />

für Gestaltung in „Manuelle Drucktechnik“ (Radierung,<br />

Kaltnadel, Aquatinta) aus <strong>und</strong> machte so den Schritt zu freier<br />

Künstlertätigkeit. Der Vorstand bewilligte ihr daraufhin<br />

ein Dachatelier an der Wuhrstrasse. Hier führte sie einen<br />

Auftrag aus, den sie aufgr<strong>und</strong> ihrer Illustrationsarbeiten bekommen<br />

hatte: die Erstellung einer Reihe grossformatiger<br />

Stoffpaneele mit Umsetzungen von gotischen Miniaturen<br />

(Codex-Manesse-Ausstellung im Schweizerischen Landesmuseum)<br />

<strong>und</strong> von romanischen Deckenmalereien (Museum<br />

in Zillis). Parallel entstand eine Fülle von Radierungen. Mit<br />

einer Anzahl davon, veranstaltete sie vier Ausstellungen,<br />

eine in Kreuzlingen <strong>und</strong> drei in Mallorca (u.a. 2000 Kulturzentrum<br />

Sa Nostra in Palma de Mallorca). Mit Mallorca ist<br />

sie verb<strong>und</strong>en, weil sie dort zeitweise lebt.<br />

In den 1990er Jahren ging sie zu grösseren Formaten über<br />

<strong>und</strong> verwendete verschiedene Bildträger <strong>und</strong> Farbstoffe.<br />

Ausserdem entstand eine Serie grossformatiger Lomographien,<br />

2006 bezog sie an der Wuhrstrasse ein Grossatelier.<br />

Interpretation:<br />

In Valeria Stefanes Arbeit spielt das Thema des „potentiellen<br />

Bildes“ eine zentrale Rolle. Dass Wolken, Feuchtigkeitsflecken,<br />

geäderte Steine <strong>und</strong> faltige Stoffe zum Hineinprojizieren<br />

von Figuren <strong>und</strong> Geschehnissen einladen, wusste<br />

schon die Renaissance; sie nutzte das Phänomen für die<br />

Stärkung künstlerischer Erfindungskraft. Mit figurierenden<br />

Landschaftsmotiven <strong>und</strong> mit unscharf-pastoser Pinselführung<br />

wurde aber auch die fantasia des Betrachters mobilisiert.<br />

Im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde dann die Beteiligung des Betrachters<br />

an der Bild-Konstitution zu einem Hauptkriterium<br />

für die Wahrheitsfähigkeit von Kunst. Valeria Stefané arbeitet<br />

in dieser Tradition, aber auf bewusst-reflektierte Weise.<br />

Schon mit einer frühen Illustrationsarbeit hat sie Lewis Carolls<br />

„Alice im W<strong>und</strong>erland“ eine Hommage erwiesen, jener<br />

protosurrealistische Erzählung, in welcher die Figuren in<br />

ständiger Metamorphose begriffen sind. Um Metamorphosen<br />

geht es auch in ihren späteren Werken, die sich oft<br />

im Grenzbereich von Gegenständlichem <strong>und</strong> Abstraktem<br />

bewegen.<br />

Eine weitere Gr<strong>und</strong>vorstellung ihrer Arbeit ist, dass Kunst<br />

immer ein Übersetzen ist. Im Gegensatz zur klassischen<br />

Moderne koppelt sie das „potentielle Bild“ nicht an den expressiven<br />

Pinselstrich - sie bricht den Mythos unmittelbarursprünglichen<br />

Schöpfertums ebenso hartnäckig wie den<br />

von einem Malen „nach der Natur“. Einerseits resultieren<br />

ihre Arbeiten nicht aus einer direkten Auseinandersetzung<br />

mit der „Realität“, sondern meist aus der Transformation<br />

bestehender Bilder (wissenschaftliche Illustrationen, Lexikon-Bilder<br />

usf.). Andererseits liebt sie es, das Resultat der<br />

Umformung abzudrucken, oft in Form eines einmaligen Abklatsches.<br />

Quellentext:<br />

– Valeria Stefané


Edi Hebeisen<br />

Bildhauer, Maler <strong>und</strong> Kämpfer<br />

* 30. 03. 1958 Zürich<br />

+ 26. 03. 2012 Zürich<br />

Atelier <strong>und</strong> Wohnung an der Wuhrstrasse<br />

1994-2013<br />

Edi ist am 30.03.1958 geboren. Er wuchs mit seiner<br />

Schwester bei seinen Eltern in Kollbrunn auf. Schon als<br />

Kind interessierte er sich für Kunst, damals war es die<br />

Schauspielkunst. Nach seiner Lehre als Detailhandelsfachmann<br />

nahm er verschiedene Arbeit an <strong>und</strong> ging unabwendbar<br />

seinen persönlichen Interessen in der Musik <strong>und</strong> der<br />

Kunst nach.<br />

Seit 1980 lebte Edi zusammen mit Fre<strong>und</strong>en in der Stadt<br />

Zürich. Anfangs der 90er Jahre traf er seine frühere Liebe<br />

Lena Schliep. 1991 kam ihr erster Sohn Bas Hebeisen,<br />

1993 ihr zweiter gemeinsamer Sohn Neel Hebeisen auf die<br />

Welt.<br />

1994 zog die 4-köpfige Familie an der Wuhrstrasse ein. 14<br />

Jahre lebten <strong>und</strong> arbeiteten sie dort. Die Zeit in der Maler -<br />

<strong>und</strong> Bildhauerbaugenossenschaft waren für Edi die bedeutendsten<br />

Jahre in seinem Leben. Die Möglichkeit an einem<br />

Ort zu arbeiten <strong>und</strong> zu wohnen, war für ihn unersetzbar. In<br />

dieser Zeit entstanden viele Arbeiten sowohl im Atelier als<br />

auch auf dem Werkplatz. Edi bearbeitete den Stein immer<br />

ohne Einsatz jeglicher Maschinen <strong>und</strong> brauchte bewusst<br />

Material, das ihm zur Verfügung stand.<br />

2007 erkrankte Edi an Amyotropher Lateralsklerose. Die<br />

Krankheit ALS, eine rasch voranschreitende, degenerative<br />

Erkrankung des Zentralen Nervensystems, verunmöglichte<br />

ihm seine Tätigkeit als Steinbildhauer weiterzuführen. Es<br />

entstanden noch einige letzte Bilder. Am 26.03.2012 verstarb<br />

Edi ruhig zuhause in Anwesenheit seiner Familie. Edi<br />

bleibt uns als kämpferischen, feinfühligen <strong>und</strong> extrem lieben<br />

Menschen in Erinnerung.<br />

Noch während seiner Ausbildung (1986-88) an der Bildhauerfachklasse<br />

der Schule für Gestaltung in Basel konnte<br />

er in Zürich zwei alte Garagen am Letzigraben ausfindig<br />

machen, die ihm bis 1994 als Werkplatz dienten. Neben<br />

Arbeiten auf Papier entstanden hier erste Steinskulpturen.<br />

Sein stilistisches Repertoire erstreckt sich von studienartigen<br />

Strichzeichnungen über flächenbetonte Blätter mit<br />

deckendem Farbauftrag bis hin zu Collagen <strong>und</strong> mixedmedia<br />

Techniken. Textelemente, ob Zitate oder eigene<br />

Formulierungen, erweitern häufig die visuellen Ausdrucksformen.<br />

Nicht unerwartet ergeben sich Querverbindungen<br />

zum plastischen Werk, wie etwa Studien von Händen oder<br />

Zeichnungen mit stelenartigen Ensembles. Oder das Revolutionsemblem<br />

des roten fünfstrahligen Sternes mutiert zur<br />

ausdrucksstarken plastischen Figur aus Stein (Force tranquille).<br />

„Bushes“ etwa erscheint mit den übereinander gestaffelten,<br />

schwammigen Grünflächen, die in Gelbformen<br />

träufeln, als ironisch gefärbte Auseinandersetzung mit dem<br />

„abstrakten Expressionismus“.<br />

Zu den frühen plastischen Arbeiten, die noch am Letzigraben<br />

entstanden sind, zählt die hochinteressante Sequenz<br />

der 26 Handfragmente. Es handelt sich um kleinere, kubenartigen<br />

Stücke aus Porphyr, einem roten Granit, wie er im<br />

Strassenbau verwendet wird, aus denen Fingergesten <strong>und</strong><br />

Handformen reliefartig herausgearbeitet sind. Der Künstler<br />

hat sie im Atelier auf einem Brett direkt unter der Decke<br />

aufgereiht. Den schweigenden, rohen Stein zum Sprechen<br />

zu bringen, ist wohl die metaphorische Gr<strong>und</strong>intention aller<br />

Bildhauerei.<br />

Charakteristisch für seine Arbeitsweise <strong>und</strong> den Umgang<br />

mit Werkstoffen ist der fast durchgängige Gebrauch von<br />

Abfallmaterialien wie Steinresten, gebrauchten Bretter <strong>und</strong><br />

dergleichen. Diese Verwendung von Abfallstücken ist auf<br />

den ersten Blick primär arbeitsökonomisch <strong>und</strong> ökologisch<br />

begründet <strong>und</strong> richtet sich gegen die Wegwerfmentalität<br />

der Konsumgesellschaft. Darüber hinaus hat sie weiterreichende<br />

künstlerische <strong>und</strong> ästhetische Aspekte: die Faszination<br />

für das Fragment <strong>und</strong> das Fragmentarische, die weit<br />

zurückreicht bis in die Vormoderne, verbindet sich mit der<br />

surrealistischen Idee des „objet trouvé“.<br />

Zudem gibt die „anti-perfektionistische“ Haltung dem Improvisativen,<br />

dem Prekären, dem Existentiellen <strong>und</strong> Künstlerischen<br />

Raum in Abgrenzung zur technoiden Ideologie<br />

des Perfektionismus.<br />

„Steine mit Fehlern sind interessanter als die perfekten“,<br />

sagt Hebeisen.<br />

Quellentext:<br />

– aus Buch: EDI Hebeisen<br />

„bad intentions can yield good results“<br />

Volker Schunck, Dr. phil., Kunstwissenschaftler

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