Biographien Wuhrsträssler (PDF, 3.6 MB) - Stiftung Trudi Demut und ...
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Carlotta Stocker<br />
Malerin, Zeichnerin<br />
* 28. 5. 1921 Luzern<br />
+ 31. 8. 1972 Volketswil (LU)<br />
Nach einer Kindheit in Luzern <strong>und</strong> Zürich zog Carlotta<br />
Stocker auf die Alpensüdseite: Ihr Vater, ein Ingenieur, war<br />
ein früher „Aussteiger“, der sich in Ronco sopra Ascona<br />
eine neue Lebenssituation schuf.<br />
Stocker besuchte den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule,<br />
wo ihre Lehrer Heinrich Müller <strong>und</strong> vor allem Ernst Gubler<br />
waren. Diese empfahlen sie an die einzige eigentliche Schweizer<br />
Kunstschule, die Ecole des Beaux-Arts in Genf, wo<br />
sie bei Alexandre Blanchet die Gr<strong>und</strong>lagen für ihren Beruf<br />
erwarb.<br />
Nach dem Studienabschluss kehrte sie zwar ins Tessin<br />
zurück, integrierte sich aber zunehmend auch in der jungen<br />
Zürcher Szene, anfänglich als Illustratorin. Bald entschied<br />
sie sich, den Schritt zur „Grossen Malerei“ zu wagen.<br />
In Zürich fand die Malerin in den Atelierhäusern an der<br />
Wuhrstrasse einen Arbeitsort, wo sie einen festen Bezugspunkt<br />
hatte.<br />
Begabung, Zielstrebigkeit <strong>und</strong> Spontanität sicherten Carlotta<br />
Stocker früh künstlerischen <strong>und</strong> auch gesellschaftlichen<br />
Erfolg. Seit Ende der vierziger Jahre stellte sie regelmässig<br />
aus <strong>und</strong> erhielt Aufträge für Wandgestaltungen.<br />
1951 <strong>und</strong> 1963 gewann sie das Stipendium der Stadt<br />
Zürich, 1957 <strong>und</strong> 1960 das eidgenössische Kunststipendium<br />
<strong>und</strong> 1955 den Zürcher Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis,<br />
was ihr Studienaufenthalte <strong>und</strong> Paris, Italien <strong>und</strong> Südfrankreich<br />
ermöglichte.<br />
Doch war sie ruhelos: Die Auflösung einer Beziehung, das<br />
Misslingen eines Gemäldes oder die Empfindung künstlerischer<br />
Stagnation konnten Carlotta Stocker zu Ausbrüchen <strong>und</strong><br />
Abstürzen treiben. Auf ungeklärte Situationen oder künstlerische<br />
Probleme reagierte sie mit Flucht, mit Orts-,<br />
Beziehungs- <strong>und</strong> Motivwechseln.<br />
Partnerschaften mit unterschiedlichsten Männern prägten<br />
denn auch ihr Leben.<br />
Erst 1969 heiratete sie den ungarischen Mathematiker Imre<br />
Julius <strong>und</strong> zog mit ihm in den Zürcher Vorort Volketswil. Drei<br />
Jahre später starb sie in ihrem Atelier an einem Hirnschlag.<br />
Interpretationen:<br />
Ein Gr<strong>und</strong>muster ihrer Existenz ist das Pendeln zwischen<br />
Nordschweiz <strong>und</strong> Südschweiz, wobei Zürich der Ort des<br />
konzentrierten Schaffens <strong>und</strong> des Kontaktes mit dem Kunstbetrieb<br />
war, die westlichen Mittelmeerländer Orte der Inspiration<br />
<strong>und</strong> der Lebensfreude.<br />
Zeichnerisch schöpfte Carlotta Stocker aus zwei Quellen.<br />
Aus der Zeichenart der Zürcher Konstruktiven <strong>und</strong> aus einer<br />
malerisch-modellierenden Gegenstandserfassung der<br />
Genfer Schule entwickelte die Künstlerin eine Technik der<br />
Körper <strong>und</strong> Raum evozierenden Umrisszeichnung, die immer<br />
grosszügiger <strong>und</strong> offener wurde.<br />
Frühe Malereien lassen sich noch auf die aus „Lichtteilchen“<br />
aufgebauten Bilder ihres Genfer Lehrers Alexandre Blanchet<br />
zurückführen, dann tritt die Modellierung schrittweise<br />
in den Hintergr<strong>und</strong>. Spätere Werke erscheinen als flächige<br />
<strong>und</strong> leicht abstrahierte Kompositionen, in denen Einflüsse<br />
von Matisse <strong>und</strong> des späteren Picasso zu erkennen sind.<br />
Die Beschäftigung mit Wandbildern verstärkte die grosszügige<br />
Vereinfachung.<br />
Der Abstecher in eine abstrakte Farbzonenmalerei im<br />
Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Fox Amphoux<br />
(Provence)1960 markiert einen Umbruch, der sich auch in<br />
den späteren, wieder an gegenständliche Motive geb<strong>und</strong>enen<br />
Werke äussert.<br />
Quellentexte:<br />
– www.sikart.ch / Schweizerisches Institut für<br />
Kunstwissenschaft<br />
– Carlotta Stocker / Peter F. Althaus / NZZ Verlag 1995