Biographien Wuhrsträssler (PDF, 1.9 MB) - Stiftung Trudi Demut und ...
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... über Horizonte <strong>und</strong> Wesen hinaus ...<br />
Alles im Überblick 2012<br />
mit <strong>Wuhrsträssler</strong>n <strong>und</strong> Wahnweltlern<br />
8 <strong>Wuhrsträssler</strong> der Jetztzeit<br />
Dritttzyklus 5. Okt – 10. Nov 2012
9 <strong>Wuhrsträssler</strong> der Jetztzeit<br />
Remo Roth<br />
Andreas Dobler Pietro Mattioli<br />
Edi Hebeisen<br />
Urs Frei<br />
Andrea Gohl<br />
William Lutz<br />
Stefan Burger & Andrea Thal
Remo Roth<br />
Maler, Zeichner, Grafiker <strong>und</strong> Plastiker<br />
* 1934 Wangen an der Aare (BE)<br />
Atelier an der Wuhrstrasse seit 1974<br />
Remo Roth wuchs in Zürich auf <strong>und</strong> besuchte hier die<br />
Schulen.<br />
Er bezog 1974 ein Atelier in der Baugenossenschaft Maler,<br />
Bildhauer & Architekten an der Wuhrstrasse in Zürich (In<br />
der Nachfolge von Otto Morach), wo er bis heute arbeitet.<br />
Seit 1959 ist er in der Zürcher Kunstszene als Maler tätig<br />
<strong>und</strong> stellte in verschiedenen Kunsthäusern <strong>und</strong> Galerien<br />
in der Schweiz <strong>und</strong> im Ausland aus. Er bereist seit 1965<br />
– bis heute – Italien <strong>und</strong> verbringt dort regelmässig längere<br />
Arbeitsaufenthalte. Auch Paris (1981) <strong>und</strong> Barcelona<br />
(1964/67) waren Aufenthaltsorte von längerer Zeitdauer.<br />
Roth ist auch literarisch tätig. Seine ersten literarischen<br />
Schritte tat er 1978. Im Eigenverlag entstanden zwei Bücher<br />
mit Texten, Gedichten <strong>und</strong> Zeichnungen <strong>und</strong> ein Bild-<br />
Katalog.<br />
Interpretationen:<br />
Fritz Billeter schrieb: „Remo Roth schafft, entwirft, ermöglicht<br />
in seinen Bildern Räume, auch wenn er sie uns vorerst<br />
verriegelt, entzieht oder entrückt. Er suggeriert solche<br />
Räume – Räume der Freiheit? –, gerade weil das Auge sie<br />
nicht betasten, nicht betreten, zuweilen aber noch durch<br />
Ritzen, Spalten, wie durch beschlagene Scheiben erahnen<br />
kann.“ (Remo Roth Bilder 1983–1988)<br />
Zitat:<br />
«Ich frage mich, ob man mir nicht radikale Mitarbeit abverlange,<br />
wenn ich beschliesse, aus den dunklen, Leben-simulierenden<br />
Vorstellungen Genuss zu ziehen. Ich gehöre<br />
dazu <strong>und</strong> bin sicher, dass ich bin wie andere auch, doch<br />
ich weiss nicht, wie bedeutend ich den anderen erscheinen<br />
mag. Also beschliesse ich, auf meine irreführenden<br />
Darstellungen zu verzichten, um endgültig im eigenen inneren<br />
Labyrinth Platz zu nehmen, wo ich weder Beengnis<br />
noch Spuren davon sehen kann, sondern nur die Stille<br />
eines vollkommen rätselhaften kurzen Protokolls über das<br />
Wesen des Bildes: Das Bedeutende am Bild sind die<br />
w<strong>und</strong>en Stellen.»<br />
(Remo Roth)<br />
Quellentext:<br />
– Hantieren mit Höhlengrau / Eigenverlag Remo Roth 1993<br />
– Nachtasyl / Remo Roth Zeichnungen – Gedichte /<br />
Eigenverlag Remo Roth 2011<br />
– Remo Roth Bilder 1983-1988 / Eigenverlag Remo Roth
William Lutz<br />
Maler<br />
* 25.11.1949 Thal (SG)<br />
Atelier an der Wuhrstrasse<br />
William Lutz, geboren 1949 in Thal (St. Gallen), ist von<br />
1961-65 Schüler des Kunstmalers Otto Rausch (1923-<br />
2000) in Thal. Von 1970-73 studiert er an der Akademie der<br />
Bildenden Künste in München <strong>und</strong> verbringt anschliessend<br />
sechs Monate in Florenz. Ab 1973 lebt er im Tessin <strong>und</strong> ist<br />
dort während fast sieben Jahren Mitarbeiter des Architekten<br />
Luigi Snozzi in Locarno.<br />
1980 kehrt er nach Thal zurück <strong>und</strong> widmet sich nun völlig<br />
der Malerei. Ein letzter in dieser Zeit entstehender Architektur-Entwurf<br />
(A House for Karl Friedrich Schinkel) wird<br />
anlässlich eines Wettbewerbs von James Stirling ausgezeichnet.<br />
Den Winter 1981/82 <strong>und</strong> 1982/83 verbringt Lutz<br />
in Paris, wo er Diego Giacometti begegnet. 1986 zieht er<br />
nach Zürich. Einem Atelier an der Magnusstrasse 5 folgt<br />
1993 eines in der Ateliersiedlung an der Wuhrstrasse.<br />
Radierungen entstehen mit dem Kupferdrucker Kurt Zein<br />
aus Wien. 1987 werden sie an der 17. Biennale für Druckgrafik<br />
in Ljubljana gezeigt. 1989 folgt Lutz der Einladung<br />
zum 4. Malersymposium in Werfen / Österreich. In den<br />
1990er Jahren entstehen Lithografien mit dem Steindrucker<br />
Urban Stoob in dessen Werkstatt in St. Gallen. Neben<br />
der Malerei wird das literarische Schreiben seit 2007 für<br />
William Lutz zunehmend wichtiger. Auch hier, wie schon im<br />
Bildnerischen Werk, beschäftigt er sich mit jenem Unabgeschlossenen,<br />
Bruchstückhaften, das im Untertitel einer<br />
Gruppenausstellung, an der er 2008 teilnimmt, so formuliert<br />
ist: „Eine Expedition ins Universum der Notizen <strong>und</strong><br />
Skizzen.“<br />
„William Lutz (...) unternimmt geradezu eine introspektive<br />
Vivisektion. Seine menschlichen Figuren tragen keine individuellen<br />
Züge, haben keine persönlichen Charakteristika,<br />
sie sind die Idee der menschlichen Gestalt. Sie sind<br />
wie auseinandergenommene Fragmente, reduziert auf das<br />
Einfachste, Wesenhafte. Die Figur birgt Raum in sich <strong>und</strong><br />
definiert so, quasi als räumliches Gebilde, ihren Umraum.<br />
Bewegung dringt nicht nach aussen, sondern bewirkt eine<br />
innere Dynamisierung, die der Figur Plastizität <strong>und</strong> sinnliche<br />
Erfahrbarkeit verleiht.“<br />
(Margit Zuckriegl, Museum der Moderne Salzburg)<br />
Quellentext:<br />
– Katalog Malersymposium Werfen 1989 /<br />
Museumsverein in Zusammenarbeit mit dem Amt der<br />
Salzburger Landesregierung, Kulturabteilung, 1989<br />
– A House for Karl Friedrich Schinkel. The Japan<br />
Architect, NO. 274, February 1980<br />
– www.sikart.ch / Schweiz. Institut für Kunstwissenschaft
Andreas Dobler<br />
Maler, Musiker <strong>und</strong> Dozent<br />
* 1963 Biel<br />
Atelier an der Wuhrstrasse<br />
Seine Kindheit verbrachte Andreas Dobler im Aargau. Eine<br />
kaufmännische Berufslehre bei Ringier AG in Zofingen gab<br />
ihm die Gelegenheit, sich ausgiebig mit den hauseigenen<br />
Boulevardmedien zu beschäftigen. In seiner Freizeit schuf<br />
er Illustrationen für deutsche Science-Fiction-Fanzines <strong>und</strong><br />
erste surrealistische Gemälde im Elternhaus in Rothrist<br />
AG. 1983 - 1985 absolvierte er die Malfachklasse an der<br />
Schule für Gestaltung in Basel. Ab 1986 freie künstlerische<br />
Tätigkeit. 1987 Atelier im Luwa-Areal in Zürich, wo er<br />
überproportionierte Stilleben malte. In diesen kombinierte<br />
er Gegenstände mit gegensätzlichen Funktionen, welche<br />
die Polaritäten Schmerz/Lust oder Schmutz/Reinigung<br />
evozierten. Diese Bildserie wurde in einer ersten wichtigen<br />
Ausstellung 1987 in der Kunsthalle Basel gezeigt.<br />
1990 – 91 Aufenthalt im P.S.1 in New York im Rahmen<br />
eines Werkjahres des B<strong>und</strong>esamt für Kultur. Nach einigen<br />
Eskapaden in den szenischen Künsten als Autor <strong>und</strong> Performer<br />
in den Jahren 1992 -1994 kehrte er reumütig wieder zu<br />
Malerei zurück. Sein Interesse an spirituellen Phänomenen<br />
wird erkennbar. Vom Wunsch nach Flucht in einen geistig<br />
erweiterten Zustand zeugen psychedelische Experimente<br />
mit Stoffbatik, oder Mandalas aus dem Eurocard-Logo. Es<br />
entstehen menschenleere Persiflagen von Hotelresorts, die<br />
er aus Ferienprospekten abmalt.<br />
Aehnlich menschenleere Projektionsflächen bieten Doblers<br />
grossformatige Tuschmalereien unwirtlicher Planetenlandschaften,<br />
die Ende der 90er entstehen. Sie beschwören<br />
Parallel- <strong>und</strong> Gegenwelten herauf <strong>und</strong> vermitteln im Computerzeitalter<br />
eine Zukunftsnostalgie, die an die Erfahrungen<br />
der eigenen, von Science-Fiction <strong>und</strong> Fantasy geprägten<br />
Teenagerzeit anknüpft.<br />
1996 hält er Einzug im Sommeratelier in der Badi Letzigraben.<br />
Die Arbeitsumgebung in einer ehemaligen Damengarderobe<br />
fördert eher erotische Motive zutage: Plastisch gemalte<br />
Skulpturen, die auf abstrahierte organische Formen<br />
der klassischen Moderne anspielen.<br />
Im Atelier der <strong>Stiftung</strong> Binz 39 entstehen kerkerhafte Innenräume,<br />
die auf trashige Horrorästhetik verweisen. Dobler<br />
inszeniert darin mit dem ironischen Unterton der Uebertreibung<br />
seine eigene Ambivalenz zum Medium Malerei, das<br />
für ihn Fluch <strong>und</strong> Segen zugleich ist.<br />
Ab 2001 Tätigkeit als Dozent für Malerei an der F+F Schule<br />
für Kunst. Unter dem Pseudonym Andy Canyon tritt er als<br />
Gitarrist <strong>und</strong> Sänger auf, unter anderem mit der Kultband<br />
Demolition Blues. Ab 2009 gemeinsame Installationen <strong>und</strong><br />
malerische Projekte mit seiner Lebenspartnerin Anna Kanai.<br />
2012 initiieren sie das Projekt Fool for April im Perla-Mode<br />
Zürich. In ihrer jüngsten gemeinsamen Arbeit verzierten sie<br />
die Fensterscheiben des Fäkalienpalasts in der Kläranlage<br />
Uster.<br />
Dobler ist ein Bilderjunkie, der sich von der Flut des alltäglichen,<br />
kollektiven Bildmaterials berauschen lässt <strong>und</strong><br />
damit seinen persönlichen Kosmos schafft, in dem alles in<br />
lustvoller Auflösung begriffen ist. In einem obsessiven Mix<br />
der Aesthetismen lebt er seinen Hang zu post-apokalyptischen<br />
<strong>und</strong> krypto-geometrischen Erzählungen aus. Zu<br />
seinen beliebtesten Motiven zählen: Bancomaten in Ruinen,<br />
Landschaften mit Turnschuhen <strong>und</strong> Schrumpfköpfen,<br />
Teppichausverkaufskubismus, Lingeriebiotope im Shopping-Center,<br />
Dessertträume, Unterwassersex, an Ketten<br />
hängende Wohnwände <strong>und</strong> im All schwebende Styroporverpackungen.<br />
Quellentext:<br />
– Andreas Dobler
Pietro Mattioli<br />
Künstler, Kurator <strong>und</strong> Publizist<br />
* 03.10.1957<br />
Atelier <strong>und</strong> Wohnung an der Wuhrstrasse<br />
Pietro Mattioli wurde in der Künstlergenossenschaft an der<br />
Wuhrstrasse geboren <strong>und</strong> verbrachte dort die frühe Jugend<br />
zusammen mit seinem Bruder. Nach dem Besuch der<br />
Kunstgewerbeschule Zürich Mitte der 70er Jahre machte er<br />
eine Ausbildung zum Fotografen bei Hansjörg Henn in Zürich.<br />
Seitdem ist die Fotografie das konstanteste Medium<br />
in seiner künstlerischen Arbeit. Seit Abschluss der Ausbildung<br />
1978 ist er freischaffend als Künstler <strong>und</strong> Kurator tätig.<br />
In dieser Zeit entsteht auch seine grosse fotografische<br />
Serie „66 Portraits Club Hey Zürich, 1977/78.“<br />
Seit den frühen 80er Jahren organisierte Pietro Mattioli als<br />
Selbsthilfeprojekte mehrere Ausstellungen mit Künstlerfre<strong>und</strong>en<br />
in Zürcher Privatwohnungen <strong>und</strong> Fabrikarealen.<br />
Neben fotografischen Arbeiten entstehen auch Serien in<br />
Druckgrafik <strong>und</strong> Material Assemblagen. Nach mehreren<br />
Jahren mit Wohnsitz in London bezog er nach seiner Rückkehr<br />
nach Zürich1993 Wohnung <strong>und</strong> Atelier an der Wuhrstrasse,<br />
wo er heute mit Familie lebt.<br />
Über seine Bekanntschaft mit Urs Stahel stiess er früh zum<br />
damals kleinen Team des neuen Fotomuseum Winterthur.<br />
Von 1994 bis 2008 leitete er dort Aufbau <strong>und</strong> Gestaltung<br />
der Ausstellungen, betreute die Sammlung <strong>und</strong> war Co-<br />
Kurator von Ausstellungen. In den 90er Jahren entstehen<br />
neben Tonskulpturen u.a. die Werkgruppen: „Malerei“ Serie<br />
No.1 bis No.4. Es sind Versuche, in denen sich Pietro<br />
Mattioli der Materialhaftigkeit der Farbe selbst zuwendet.<br />
„Pietro Mattioli malt ohne zu malen“ (Zitat Martin Jaeggi).<br />
Ab Mitte der 90er Jahre entstehen auch wieder grössere<br />
fotografische Serien wie „Soldaten“, „Architektur“, “Bücher“,<br />
„Spinnennetze“ u.a. Neben freien kuratorischen Projekten<br />
im Inn- <strong>und</strong> Ausland leitete er u.a von 2003 - 2006<br />
den „Raum für zeitgenössische Schweizer Fotografie“ der<br />
CoalMine Fotogalerie in Winterthur.<br />
Sein kulturpolitisches Engagement ist auch heute noch<br />
präsent als Mitglied von Kommissionen wie die Kunstkommission<br />
der Stadt Zürich (seit 2003) oder die Arbeitsgruppe<br />
Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich (2003<br />
– 2009) <strong>und</strong> ebenso als Präsident der Künstlergenossenschaft<br />
Maler <strong>und</strong> Bildhauer an der Wuhrstrasse.<br />
Als Künstler erhielt er mehrere Stipendien des Kanton <strong>und</strong><br />
der Stadt Zürich <strong>und</strong> hatte zahlreiche Einzel- <strong>und</strong> Gruppenausstellungen<br />
im In- <strong>und</strong> Ausland. Er ist auch Herausgeber<br />
von Publikationen <strong>und</strong> Dozent an der F+F Schule für Kunst<br />
<strong>und</strong> Mediendesign Zürich.<br />
Interpretationen + Zitate:<br />
Mit einer konzeptuellen Haltung erarbeitet Pietro Mattioli<br />
Serien <strong>und</strong> Werkgruppen, die analog zur Idee im adäquaten<br />
Medium umgesetzt werden wie z.B. Fotografie, Holz-<br />
oder Tonskulpturen, bis Untersuchungen zu Malerei. Laut<br />
Martin Jaeggi sind es „Werke, die einen Dialog zwischen<br />
Fotografie <strong>und</strong> Skulptur, Raum <strong>und</strong> Bild, umreißen“ oder<br />
wo „Fotografie als Mittel zur skulpturalen Verknappung<br />
der Wirklichkeit eingesetzt wird“ wie zum Beispiel bei der<br />
Serie der schwarzweißen „Antennen“. Oder wie es Andreas<br />
Vogel zu der gleichen Arbeit formuliert; „Eine fotografische<br />
Reihung, die kalligrafische Zeichen vor bleiernem<br />
Himmel festhält, welche sich ebenso als eine Ikonografie<br />
des Äthers lesen lässt. Diese Serie <strong>und</strong> die bekannten<br />
„Nacht“ Bilder der Serie „2000 Light Years from Home“<br />
eint, dass sie nicht als Rechercheresultat, sondern als<br />
Festhalten von Aufscheinendem angelegt sind. Hier nicht<br />
nur ein, sondern ein letztes Aufscheinen. Als bald schon<br />
demontierte Relikte des vordigitalen Zeitalters gilt für sie,<br />
was für so viele Arbeiten von Mattiolis Bildmomenten gilt:<br />
Eben noch nicht da, jetzt schon fort.“<br />
Quellentexte:<br />
– Pietro Mattioli
Edi Hebeisen<br />
Bildhauer, Maler <strong>und</strong> Kämpfer<br />
* 30.03.1958 Zürich<br />
+ 26.03.2012 Zürich<br />
Atelier <strong>und</strong> Wohnung an der Wuhrstrasse<br />
1994-2013<br />
Edi ist am 30.03.1958 geboren. Er wuchs mit seiner<br />
Schwester bei seinen Eltern in Kollbrunn auf. Schon als<br />
Kind interessierte er sich für Kunst, damals war es die<br />
Schauspielkunst. Nach seiner Lehre als Detailhandelsfachmann<br />
nahm er verschiedene Arbeit an <strong>und</strong> ging unabwendbar<br />
seinen persönlichen Interessen in der Musik <strong>und</strong> der<br />
Kunst nach.<br />
Seit 1980 lebte Edi zusammen mit Fre<strong>und</strong>en in der Stadt<br />
Zürich. Anfangs der 90er Jahre traf er seine frühere Liebe<br />
Lena Schliep. 1991 kam ihr erster Sohn Bas Hebeisen,<br />
1993 ihr zweiter gemeinsamer Sohn Neel Hebeisen auf die<br />
Welt.<br />
1994 zog die 4-köpfige Familie an der Wuhrstrasse ein. 14<br />
Jahre lebten <strong>und</strong> arbeiteten sie dort. Die Zeit in der Maler -<br />
<strong>und</strong> Bildhauerbaugenossenschaft waren für Edi die bedeutendsten<br />
Jahre in seinem Leben. Die Möglichkeit an einem<br />
Ort zu arbeiten <strong>und</strong> zu wohnen, war für ihn unersetzbar. In<br />
dieser Zeit entstanden viele Arbeiten sowohl im Atelier als<br />
auch auf dem Werkplatz. Edi bearbeitete den Stein immer<br />
ohne Einsatz jeglicher Maschinen <strong>und</strong> brauchte bewusst<br />
Material, das ihm zur Verfügung stand.<br />
2007 erkrankte Edi an Amyotropher Lateralsklerose. Die<br />
Krankheit ALS, eine rasch voranschreitende, degenerative<br />
Erkrankung des Zentralen Nervensystems, verunmöglichte<br />
ihm seine Tätigkeit als Steinbildhauer weiterzuführen. Es<br />
entstanden noch einige letzte Bilder. Am 26.03.2012 verstarb<br />
Edi ruhig zuhause in Anwesenheit seiner Familie. Edi<br />
bleibt uns als kämpferischen, feinfühligen <strong>und</strong> extrem lieben<br />
Menschen in Erinnerung.<br />
Noch während seiner Ausbildung (1986-88) an der Bildhauerfachklasse<br />
der Schule für Gestaltung in Basel konnte<br />
er in Zürich zwei alte Garagen am Letzigraben ausfindig<br />
machen, die ihm bis 1994 als Werkplatz dienten. Neben<br />
Arbeiten auf Papier entstanden hier erste Steinskulpturen.<br />
Sein stilistisches Repertoire erstreckt sich von studienartigen<br />
Strichzeichnungen über flächenbetonte Blätter mit<br />
deckendem Farbauftrag bis hin zu Collagen <strong>und</strong> mixedmedia<br />
Techniken. Textelemente, ob Zitate oder eigene<br />
Formulierungen, erweitern häufig die visuellen Ausdrucksformen.<br />
Nicht unerwartet ergeben sich Querverbindungen<br />
zum plastischen Werk, wie etwa Studien von Händen oder<br />
Zeichnungen mit stelenartigen Ensembles. Oder das Revolutionsemblem<br />
des roten fünfstrahligen Sternes mutiert zur<br />
ausdrucksstarken plastischen Figur aus Stein (Force tranquille).<br />
„Bushes“ etwa erscheint mit den übereinander gestaffelten,<br />
schwammigen Grünflächen, die in Gelbformen<br />
träufeln, als ironisch gefärbte Auseinandersetzung mit dem<br />
„abstrakten Expressionismus“.<br />
Zu den frühen plastischen Arbeiten, die noch am Letzigraben<br />
entstanden sind, zählt die hochinteressante Sequenz<br />
der 26 Handfragmente. Es handelt sich um kleinere, kubenartigen<br />
Stücke aus Porphyr, einem roten Granit, wie er im<br />
Strassenbau verwendet wird, aus denen Fingergesten <strong>und</strong><br />
Handformen reliefartig herausgearbeitet sind. Der Künstler<br />
hat sie im Atelier auf einem Brett direkt unter der Decke<br />
aufgereiht. Den schweigenden, rohen Stein zum Sprechen<br />
zu bringen, ist wohl die metaphorische Gr<strong>und</strong>intention aller<br />
Bildhauerei.<br />
Charakteristisch für seine Arbeitsweise <strong>und</strong> den Umgang<br />
mit Werkstoffen ist der fast durchgängige Gebrauch von<br />
Abfallmaterialien wie Steinresten, gebrauchten Bretter <strong>und</strong><br />
dergleichen. Diese Verwendung von Abfallstücken ist auf<br />
den ersten Blick primär arbeitsökonomisch <strong>und</strong> ökologisch<br />
begründet <strong>und</strong> richtet sich gegen die Wegwerfmentalität<br />
der Konsumgesellschaft. Darüber hinaus hat sie weiterreichende<br />
künstlerische <strong>und</strong> ästhetische Aspekte: die Faszination<br />
für das Fragment <strong>und</strong> das Fragmentarische, die weit<br />
zurückreicht bis in die Vormoderne, verbindet sich mit der<br />
surrealistischen Idee des „objet trouvé“.<br />
Zudem gibt die „anti-perfektionistische“ Haltung dem Improvisativen,<br />
dem Prekären, dem Existentiellen <strong>und</strong> Künstlerischen<br />
Raum in Abgrenzung zur technoiden Ideologie<br />
des Perfektionismus.<br />
„Steine mit Fehlern sind interessanter als die perfekten“,<br />
sagt Hebeisen.<br />
Quellentext:<br />
– aus Buch: EDI Hebeisen<br />
„bad intentions can yield good results“<br />
Volker Schunck, Dr. phil., Kunstwissenschaftler
Urs Frei<br />
Objektkünstler, Skulptur, Malerei, Installation<br />
* 01.09.1958 Zürich<br />
Atelier an der Wuhrstrasse<br />
Nach einer kaufmännischen Lehre in Zürich Beginn der<br />
künstlerischen Tätigkeit. Ende 1981 erfolgt die erste halböffentliche<br />
Ausstellung im eigenen Atelier. 1982–84 dann das<br />
Studium an der Kunstakademie in Frankfurt a. M., 1984–87<br />
folgte ein Arbeitsaufenthalt in Wien. Urs Frei erhielt Zahlreiche<br />
Stipendien <strong>und</strong> Auszeichnungen: 1985 Kanton Zürich,<br />
1987 Stadt Zürich <strong>und</strong> Kunstpreis der Schweizerischen<br />
Bankgesellschaft, 1989 Atelierstipendium der Stadt Zürich<br />
in New York, 1993 Paul-Valéry-Anerkennungspreis. Neben<br />
zahlreichen Gruppenausstellungen im In- <strong>und</strong> Ausland hatte<br />
er seit 1990 mehrere Einzelausstellungen in der Galerie<br />
Walcheturm Zürich, 1991 Kunsthalle Luzern, 1994 Kunsthalle<br />
Zürich, 1997 Biennaledi Venezia.<br />
Die in Serien angelegten Werke von Urs Frei deuten auf<br />
eine künstlerische Strategie hin, die bei den Tendenzen der<br />
Postminimalisten Ende der 60er Jahre ansetzt. Ein Formzusammenhang<br />
ergibt den nächsten; spielerisch geht das<br />
eine Werk in das andere über. Ihre gegenseitige Verkettung<br />
erschliesst sich in der Gesamtschau, wenn sich der<br />
Empfänger zwischen den scheinbar ungleichartig im Raum<br />
verteilten Materialanhäufungen bewegt. Die offene Struktur<br />
zeigt sich sowohl in den konglomeratartigen Werken selbst<br />
als auch in ihrer Eigenschaft, grenzüberschreitend zwischen<br />
den Gattungen Plastik, Malerei, Installation zu schweben.<br />
Die frühen Wand- <strong>und</strong> Bodenarbeiten sind zunächst vornehmlich<br />
aus Holz: Bretter, Klötze <strong>und</strong> Rahmen sind zu Objekten<br />
verarbeitet, die Spuren von Zement oder Spachtelmasse<br />
aufweisen. An architektonische Formen erinnernd,<br />
sind sie meist programmatisch dort platziert, wo Wand <strong>und</strong><br />
Boden aufeinandertreffen. In den 80er Jahren entstehen<br />
vermehrt Werkelemente aus der urbanen Dingwelt, sowohl<br />
neuwertige als auch gebrauchte: Papprollen, Plastikeimer,<br />
Tücher werden zu heterogenen Objekten gestapelt, gebündelt<br />
oder aneinandergereiht <strong>und</strong> mit Farbe bearbeitet.<br />
Ihr ambivalenter Charakter entfaltet sich zusätzlich in der<br />
Bezugnahme zum Raum. Offen für assoziative Annäherung,<br />
verweisen die Werke oft auf organische Formen. Ab 1990<br />
einheitlicher wirkende Wandobjekte aus Stoffsäcken. Die<br />
prall gestopften, kissenartigen Volumen sind bemalt <strong>und</strong><br />
nehmen durch umgeb<strong>und</strong>ene Schnüre vielfältige Formen<br />
an. 1994 neue Werkserie: Konglomerate aus Brettern <strong>und</strong><br />
Stangen muten wie übergrosse, gemalte Demonstrationstafeln<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig wie Bilder auf Staffeleien an. Seit<br />
1996 entstehen auch Zeichnungen <strong>und</strong> Werkskizzen, die<br />
die Eigenschaften des Raums untersuchen. Die Balance,<br />
die auf der formalen Ebene über Techniken des Anlehnens<br />
oder Aufeinanderstapelns der Einzelteile hergestellt wird,<br />
kommt auf der Ebene der Gattungsüberschreitung erneut<br />
ins Spiel: Die lose zusammengesetzten, bemalten Plastiken<br />
mutieren zu aussergewöhnlichen Bildträgern. Die Farbe,<br />
satt aufgetragen <strong>und</strong> meist von ausgeprägter Buntheit,<br />
gewinnt die Qualität des Taktilen <strong>und</strong> tendiert selbst zur<br />
Objekthaftigkeit. Die auf allen Ebenen zu beobachtende<br />
Ambivalenz fordert dazu auf, Fragen nach der Rolle <strong>und</strong><br />
Definition der Kunst zu stellen: Gattungszuweisung, Kontextualisierung<br />
<strong>und</strong> Partizipation des Empfängers sind zentrale<br />
Themen, wobei die Begegnung mit den spielerischen<br />
Bricolagen immer auch die Dimension des Poetischen beinhaltet.<br />
Quellentext:<br />
– www.sikart.ch / Schweiz. Institut für Kunstwissenschaft
Andrea Gohl<br />
Objektkünstler, Skulptur, Malerei, Installation<br />
* 1970 Thalwil<br />
Atelier <strong>und</strong> Wohnung an der Wuhrstrasse<br />
Andrea Gohl wuchs in Thalwil auf <strong>und</strong> besuchte das Gymnasium<br />
in Zürich. Erste fotografische Versuche beginnen<br />
als Jugendliche. Fasziniert vom Arbeiten in der Dunkelkammer<br />
<strong>und</strong> Experimenten mit fotografischen Inszenierungen,<br />
Prozessen <strong>und</strong> Materialen, entstehen erste Arbeiten.<br />
Mit 19 verbringt Andrea Gohl ein Jahr in Barcelona <strong>und</strong><br />
studiert dort an der Uni. Im darauffolgenden Jahr schliesst<br />
sie sich einer GAF Gruppe in Zürich an, wo sich die Auseinandersetzung<br />
über die Fotogafie intensiviert <strong>und</strong> zum Entschluss<br />
führt, Fotografie zu studieren. Mit 21 beginnt sie ihr<br />
Studium an der School of Visual Arts in New York, wo sie<br />
während 10 Jahren lebte <strong>und</strong> arbeitete. Die beruflichen Erfahrungen<br />
in New York führen über verschiedene Stationen<br />
als Master Printerin, Künstler- <strong>und</strong> Galerieassistentin. Währenddessen<br />
setzt sie ihre eigene künstlerische Arbeit fort.<br />
Diese ist geprägt von Beobachtungen <strong>und</strong> Erfahrungen<br />
in der Stadt, stets suchend nach Bildern <strong>und</strong> Räumen, die<br />
diesen Erfahrungen Ausdruck verleihen können.<br />
Nach ihrer Rückkehr nach Zürich 2001 fokussiert sie vorallem<br />
auf ihr künstlerisches Arbeiten <strong>und</strong> lebt seit 2005 an<br />
der Wuhrstrasse. Andrea Gohl unterrichtet seit 2003 Fotografie<br />
<strong>und</strong> leitet seit 2008 den Studiengang Fotografie an<br />
der F+F Schule für Kunst <strong>und</strong> Mediendesign in Zürich.<br />
Andrea Gohl beschäftigt sich in ihrer fotografischen Arbeit<br />
mit Fragen über Raum, räumliche <strong>und</strong> skulpturale Aspekte<br />
in vorgef<strong>und</strong>enen Situationen, in Architektur <strong>und</strong> Stadt <strong>und</strong><br />
der Frage nach der fotografischen Darstellbarkeit.<br />
Die kontinuierliche künstlerische Auseinandersetzung mit<br />
verschiedenen Orten <strong>und</strong> Umfeldern bildet die Basis ihrer<br />
Arbeiten. Es entstanden Bilder an Orten öffentlichen Geschehens,<br />
aber auch in Innenräumen, in Wohnzimmern,<br />
Schlaf- <strong>und</strong> Arbeitsräumen: Serien über Korridore in New<br />
York, ein einfaches Zimmer mit Bett, über Vorhänge, Fenster<br />
<strong>und</strong> Ausblicke, über städtische Telefonkabinen in Zürich<br />
etc.<br />
In ihrem Langzeitprojekt Urban Walks wurden verschiedenen<br />
Städte bewandert <strong>und</strong> nach möglichen Bildern untersucht.<br />
Der Stadtraum ist dabei gleichsam Atelier, Kulisse<br />
<strong>und</strong> Bühne, ein letztlich <strong>und</strong>urchschaubares Labyrinth von<br />
Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart, von Planung <strong>und</strong> Zufall.<br />
In ihrer neuesten Arbeit werden Oberflächenveränderungen<br />
einer Stadt im Wandel, die konkrete Sichtbarkeit urbanen<br />
Aufwertungsdrucks, untersucht. Unterschiedliche Räume<br />
<strong>und</strong> Materialien treffen dabei aufeinander im öffentlichen<br />
Raum. In ihrem Kontrast <strong>und</strong> ihrer Reibung verdinglichen<br />
<strong>und</strong> verräumlichen sich die Spannungen, die die Stadt<br />
durchziehen.<br />
Fragen zur Natur von Bildern treten in der Arbeit gleichberechtigt<br />
neben die fotografische Wirklichkeitsbeobachtung.<br />
Die Bilder erk<strong>und</strong>en das Verhältnis von Raum <strong>und</strong> Bildraum,<br />
von materieller Wirklichkeit <strong>und</strong> zweidimensionaler<br />
Scheinwirklichkeit des Bildes, die Grauzone zwischen Figuration<br />
<strong>und</strong> Abstraktion. Die konkrete Substanz – Material<br />
<strong>und</strong> Raum – geben Umrisse <strong>und</strong> Farbskalen vor, die in der<br />
Begrenzung des Bildraumes in neue Bezüge treten.<br />
Quellentext:<br />
– Andrea Gohl
Stefan Burger<br />
* 1977 Müllheim / Baden, Deutschland<br />
Andrea Thal<br />
* 1975 Bern<br />
Stefan Burger <strong>und</strong> Andrea Thal studierten nacheinander<br />
Fotografie an der Hochschule für Gestaltung <strong>und</strong> Kunst<br />
Zürich <strong>und</strong> gaben sich Epoche-übergreifend („Die Klasse“ -<br />
„Die Klasse Magazin“) die fotografische Klinke in die Hand.<br />
Nach einigen Jahren verschiedentlicher <strong>und</strong> getrennter Aktivität<br />
fanden sie ab 2005 in gemeinsamen Ausstellungs-,<br />
Editions- <strong>und</strong> Publikationsprojekten als Künstler <strong>und</strong> Kuratorin<br />
zusammen. z.B. „Portrait of Stefan Burger as a Pencil<br />
of Nature“ (2005), „Kleinere Unsicherheitsgesellschaften“<br />
(2006), beide bei Les Complices*, Zürich, Publikation<br />
„Block 2008“, Edition Fink, Zürich.<br />
In ihrer ersten gemeinsamen künstlerischen Arbeit wählen<br />
sie für das Vorhaben die Örtlichkeit Wuhrstrasse als soziales<br />
Gefäss <strong>und</strong> architektonisches Monument zu porträtieren<br />
das Medium Film. Der Film versucht unterschiedliche<br />
<strong>und</strong> ineinander verschränkte Bedeutungsschichten des<br />
Gebäudes freizulegen <strong>und</strong> zu benennen: Das Abstrahlen<br />
der schweizerischen Hochmoderne (Kratzer, Dellen, Beulen),<br />
Quietschender Funktionalismus, Paranormale Vorgänge<br />
in der Frankfurter Küche. ... im geerbten Aufbruch<br />
gestrandet um voller Zuversicht den Balast der Geschichte<br />
<strong>und</strong> dinglicher Kunst hinter sich zu lassen.<br />
Quellentext:<br />
– Stefan Burger