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An die Macht, für Putin, fürs Vaterland - Московская немецкая ...

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Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

w w w . m d z - m o s k a u . e u<br />

UNABHÄNGIGE ZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR • GEGRÜNDET 1870<br />

Von oben<br />

In einem Sommercamp am<br />

malerischen Seliger-See<br />

erzieht <strong>die</strong> russische Regierung<br />

<strong>die</strong> Elite von morgen -<br />

samt Morgenappell<br />

03<br />

und<br />

Haferbrei.<br />

Von Unten<br />

Zum 11. Mal treffen sich<br />

Akteure der Zivilgesellschaft<br />

aus Russland und Deutschland<br />

beim Petersburger Dialog.<br />

Manchmal werden dabei<br />

auch Träume wahr.<br />

Незабываемый<br />

Гальбштадт<br />

Немецкий национальный<br />

район Алтайского края<br />

отметил 20-летие<br />

08 V<br />

StichWorte<br />

Tino Künzel<br />

„Die Zahl solcher alten Kähne, <strong>die</strong><br />

bei uns im Einsatz sind, sprengt<br />

jedes Maß. Was gestern noch gutgegangen<br />

ist, muss heute nicht<br />

mehr gutgehen.“<br />

Präsident Dmitrij Medwedew zum<br />

Untergang des 1955 gebauten Kreuzfahrtschiffs<br />

„Bulgarija“, das auf der<br />

Wolga bei schlechtem Wetter Schlagseite<br />

bekam und 130 Menschen in<br />

den Tod riss.<br />

„Berechenbarkeit gepaart mit Stehvermögen,<br />

Verlässlichkeit gepaart<br />

mit Kommunikationsfähigkeit<br />

machen Charakter und Person von<br />

Wladimir <strong>Putin</strong> aus. Im Inneren<br />

schaffte und schafft er Stabilität<br />

durch das Zusammenspiel von<br />

Wohlstand, Wirtschaft und Identität.<br />

Im Äußeren definierte er Spielräume<br />

durch <strong>die</strong> Fokussierung auf<br />

Zweiseitigkeit, Multipolarität und<br />

Respekt.“<br />

Aus der Begründung des vom Verein<br />

„Werkstatt Deutschland“ gestifteten<br />

Preises Quadriga an Wladimir <strong>Putin</strong><br />

zum Tag der Deutschen Einheit –<br />

damit sollen, so heißt es, <strong>Putin</strong>s Ver<strong>die</strong>nste<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> deutsch-russischen<br />

Beziehungen gewürdigt werden.<br />

„Um ehrlich zu sein, halte ich auch<br />

<strong>Putin</strong> <strong>für</strong> jemanden, der Russland<br />

in schwerer Zeit vom Schicksal<br />

und dem Allmächtigen geschickt<br />

wurde, zum Wohle unserer großen,<br />

gemeinsamen Nation.“<br />

Präsidentenberater Wladislaw Surkow<br />

in einem Interview <strong>für</strong> das<br />

tschetschenische Fernsehen.<br />

„Im Film wird das Russland der<br />

Zukunft gezeigt, von dem <strong>Putin</strong><br />

und Surkow träumen: feudale<br />

<strong>Macht</strong>vertikale, Standesschichten,<br />

Hochtechnologien.“<br />

Der russische Schriftsteller Wladimir<br />

Sorokin in der Tageszeitung „Moskowskije<br />

Nowosti“ zur Premiere des<br />

Films „Mischen“ (Zielscheibe“), <strong>für</strong><br />

den er das Drehbuch geschrieben<br />

hat.<br />

Verluste an der Heimatfront<br />

In russischen Kasernen sterben jedes Jahr Rekruten, weil ihre Kameraden<br />

oder Vorgesetzten sie ausnehmen, misshandeln, in den Selbstmord<br />

treiben. „Dedowschtschina“ nennen es <strong>die</strong> Russen, Herrschaft der Großväter.<br />

Seit der Verkürzung der Wehrpflicht auf ein Jahr haben <strong>die</strong> Fälle<br />

gar zugenommen – auf das Doppelte, wie <strong>die</strong> Militärstaatsanwaltschaft<br />

kürzlich mitteilte. Alexander Ussatschow aus dem nordwestrussischen<br />

Juschnyj kam im November 2009 zum Militär. Im März 2010 schoss er<br />

sich in den Kopf. Aus Verzweiflung? Geldnot, weil er keine 750 Euro<br />

mehr <strong>für</strong> seinen Offizier auftreiben konnte? Seine Mutter Natalja zerbricht<br />

an den Fragen. Und verspürt Genugtuung, weil der Peiniger ihres<br />

„Sascha“ mittlerweile im Gefängnis sitzt. Fast ein Glücksfall in einem<br />

Land, das dem Tod in der Armee kaum Bedeutung beimisst.<br />

„Schließ <strong>die</strong> Augen“. Die Steinchen<br />

sind ordentlich aufgereiht,<br />

nebeneinander geklebt. Der Satz<br />

funkelt auf Natalja Ussatschowas<br />

T-Shirt. Schließ <strong>die</strong> Augen – auf<br />

Deutsch. Natalja Ussatschowa<br />

versteht <strong>die</strong> Worte nicht. Sie versteht<br />

ohnehin wenig in <strong>die</strong>sen<br />

Tagen. Wie auch? Ihr Sohn ist<br />

weg. Getötet. Sich selbst? Vom<br />

Vorgesetzten? Die Fragen bleiben.<br />

Von Inna Hartwich<br />

Wie auch <strong>die</strong> Tatsache: Alexander,<br />

ihr „Sascha“, kommt nie mehr aus<br />

seiner Moskauer Kaserne zurück.<br />

Natalja Ussatschowa sitzt in<br />

ihrer Küche, Galja ist gekommen,<br />

ihre Nachbarin, Freundin. Es ist<br />

oft so, hier in Juschnyj, einem<br />

Dorf an der Wolga etwa 250<br />

Kilometer nördlich von Moskau.<br />

Die Leute gehen einfach hinein,<br />

essen ein Brot, reden. „Die Vorladung<br />

zu den medizinischen<br />

Untersuchungen ist da. Wie soll<br />

ich meinen Sohn vor der Armee<br />

retten?“, fragt Galja. Die Armee,<br />

immer wieder <strong>die</strong> Armee. Im<br />

Leben von Natalja Ussatschowa<br />

gibt es scheinbar nichts anderes<br />

mehr. Sie bestimmt ihr Denken,<br />

ihr Leben. Die 47-Jährige nennt<br />

es nur noch „Existenz“. Sie rührt<br />

in ihrem Tee, wieder einmal hat<br />

sie zu viel Zucker hineingekippt,<br />

starrt in den kleinen Fernseher<br />

ihrer viel zu kleinen Wohnung.<br />

„Du musst alles tun, damit er<br />

nicht dahin kommt. Alles, hörst<br />

du?“, sagt sie. Galja und sie sind<br />

still.<br />

„Die Armee Russlands – traditionell<br />

eine der tragenden Säulen<br />

des Staates – ist immer noch<br />

ein typisches Straflager hinter<br />

Stacheldraht <strong>für</strong> <strong>die</strong> jungen Bürger<br />

des Landes, <strong>die</strong> man ohne<br />

Recht auf Gegenwehr dorthin<br />

Grüne Botschaft<br />

auf rotem Ziegel<br />

Eine Hauswand in Jurjew-Polskij, einer<br />

Kleinstadt im Gebiet Wladimir. Wo<br />

Handwerker<strong>die</strong>nste ihre Leistungen anpreisen,<br />

hat jemand eine Kinderzeichnung aufgehängt,<br />

<strong>die</strong> zur Selbsthilfe aufruft – <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erde.<br />

Es ist ein brennender Baum zu sehen, eine<br />

weggeworfene Flasche. Ein Schriftzug<br />

appelliert ans Gewissen: „Geht sorgsam<br />

mit dem Planeten um.“ Die MDZ wünscht<br />

ihren Lesern hiermit einen entspannten und<br />

sonnigen Sommerurlaub im Einklang mit der<br />

Natur. Warum nicht auch in Russland? Die<br />

Redaktion macht ebenfalls Ferien. Unsere<br />

nächste Ausgabe wird Mitte August an den<br />

bekannten Vertriebsstellen ausgelegt.<br />

Die Zahl der Gewaltopfer in Russlands Armee steigt. Ein Soldatenschicksal.<br />

verfrachtete“, schrieb <strong>An</strong>na Politkowskaja<br />

einst, <strong>die</strong> mittlerweile<br />

tote russische Journalistin. Die<br />

Armee Russlands ist <strong>die</strong> fünftgrößte<br />

der Welt, hat fast 1,2 Millionen<br />

<strong>An</strong>gehörige. Auch Sascha<br />

Ussatschow ging hin. Sein Großvater<br />

hat ge<strong>die</strong>nt, sein Vater. Er<br />

wollte – und musste. Polizist war<br />

sein Traumberuf. Oder wenigstens<br />

Feuerwehrmann, wenn das<br />

mit dem Traum nichts werden<br />

sollte. Beide Jobs verlangen nach<br />

abgeleistetem Dienst. Und ein<br />

Jahr, was ist das schon? Vor dem<br />

1. Januar 2008 waren es noch<br />

zwei Jahre, in den 60ern gar drei.<br />

Sascha kannte keinen Mann, der<br />

nicht beim Militär war.<br />

Am 6. November 2009 trat er<br />

seinen Dienst an. Kaserne Nummer<br />

61988, Tjoplyj Stan, Moskau.<br />

07<br />

A u s g a b e v o m 1 4 . J u l i b i s 11 . A u g u s t


02<br />

Moskauer<br />

impressum<br />

Herausgeber<br />

Olga Martens,<br />

Heinrich Martens<br />

Redaktion<br />

Dr. Olga Silantjewa<br />

Stellv. Chefredakteurin<br />

Inna Hartwich<br />

(Politik, Netzwelten, Gesellschaft,<br />

Feuilleton)<br />

Tino Künzel<br />

(Titelseite, Sport, Regionen,<br />

Leben in Moskau, Letzte Seite)<br />

Diana Laarz (ifa-Redakteurin)<br />

(Wirtschaft, Zeitgeschehen, Freizeit,<br />

Letzte Seite)<br />

Lena Steinmetz (Moskowskaja<br />

Nemezkaja Gaseta)<br />

Korrektur<br />

Marina Lischtschinskaja ,<br />

Alexander Paissow<br />

Computersatz<br />

<strong>An</strong>drej Morenko<br />

Designentwurf: Hans Winkler<br />

MDZ-Online<br />

(www.mdz-moskau.eu)<br />

Tino Künzel<br />

politik<br />

„MaWi Group“<br />

Geschäftsführende<br />

Gesellschafterin<br />

Olga Martens<br />

<strong>An</strong>zeigen<br />

Tel.: (499) 245 6757<br />

werbung@martens.ru<br />

Vertrieb<br />

Tel.: (499) 246 4051<br />

Fax: (499) 766 4876<br />

vertrieb@martens.ru<br />

Verlagsvertretung Deutschland<br />

Tatiana Borina (Vertrieb)<br />

tborina@martens.ru<br />

Adresse<br />

Russland, 119435 Moskau,<br />

Deutsch-Russisches Haus,<br />

Ul. Malaja Pirogowskaja 5, Office 54.<br />

Tel.: (495) 937 6544<br />

Fax: (499) 766 4876<br />

E-Mail: redaktion@martens.ru<br />

Ein Redakteur wir d durch das In stitut<br />

<strong>für</strong> Aus lands be zie hun gen e.V. aus<br />

Mit teln des Aus wär ti gen Am tes der<br />

Bun des re pub lik Deutsch land ge fördert.<br />

Die Redaktion übernimmt keine<br />

Haftung <strong>für</strong> den Inhalt der veröffentlichten<br />

<strong>An</strong>zeigen.<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel<br />

geben nicht unbedingt <strong>die</strong> Meinung<br />

der Redaktion wieder.<br />

Nachdruck nur mit Quellenangabe<br />

möglich.<br />

Registriert bei Roskompetschat.<br />

Registriernummer 017576<br />

Redaktionsschluss: 13. Juli 2011.<br />

Gedruckt in der Druckerei „Krasnaja<br />

Swesda“.<br />

Auflage 25 000 Expl.<br />

Номер заказа 2949<br />

Газета в розницу<br />

не распространяется.<br />

Die Strategie-31-Aktionen rufen stets mehr Sicherheitskräfte auf den Plan als Demonstranten.<br />

Start: Am 31. Juli 2009 startete<br />

<strong>die</strong> Serie unbefristeter Protestaktionen<br />

<strong>für</strong> den Artikel 31 der<br />

russischen Verfassung. Er garantiert<br />

<strong>die</strong> Versammlungsfreiheit. Es<br />

wurden 47 Demonstranten festgenommen.<br />

Bereits am 31. Januar<br />

und 31. Mai vor dem offiziellen<br />

Start der „Strategie-31“ hatten<br />

einige <strong>An</strong>hänger des Skandalautors<br />

Eduard Limonow <strong>für</strong> <strong>die</strong> Versammlungsfreiheit<br />

demonstriert.<br />

Der Gründer: Eduard Limonow,<br />

Jahrgang 1943, ist ein russischer<br />

Schriftsteller und leitete<br />

<strong>die</strong> mittlerweile verbotene national-bolschewistische<br />

Partei. Zwischen<br />

1974 und 1991 lebte er im<br />

New Yorker und Pariser Exil. Die<br />

russische Justiz erklärte <strong>die</strong> National-Bolschewisten<br />

2007 <strong>für</strong> extremistisch<br />

und verbot sie. Limonow<br />

gründete daraufhin <strong>die</strong> Bewegung<br />

„<strong>An</strong>deres Russland“.<br />

Mitstreiter: Hinter „Strategie-31“<br />

stehen unter anderem<br />

Limonows Organisation „<strong>An</strong>deres<br />

Russland“, <strong>die</strong> Menschenrechtsorganisation<br />

„Memorial“, <strong>die</strong> Helsinki<br />

Gruppe Moskau, <strong>die</strong> Bewegung<br />

„Für das Recht des Menschen“<br />

und <strong>die</strong> „Linke Front“. Die Aktion<br />

versteht sich als bürgerliche und<br />

überparteiliche Organisation.<br />

Ljudmila Alexejewa: Die<br />

Grande-Dame, der russischen<br />

Menschenrechtsbewegung. Die<br />

83-Jährige ist <strong>die</strong> Mitbegründerin<br />

der Moskauer Helsinki-Gruppe,<br />

seit 2002 Mitglied des Rates <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Entwicklung der Zivilgesellschaft<br />

und <strong>für</strong> Menschenrechte<br />

beim Präsidenten der Russischen<br />

Föderation.<br />

Lew Ponomarjow: Duma-<br />

Abgeordneter der ersten Wahlperiode,<br />

Mitbegründer von Memorial<br />

und „Das Recht des Menschen“,<br />

Mitglied der liberalen Bewegung<br />

„Solidarnost“, bekannter Menschenrechtler.<br />

Konstantin Kossjakin: Ehemaliges<br />

Mitglied des Moskauer<br />

Stadtkomitees der Kommunistischen<br />

Partei (Jahrgang 1947),<br />

bekannter Oppositioneller und<br />

Repräsentant der „Linken Front“.<br />

Motto: Ein Datum (jeder 31.<br />

eines Monats), eine Uhrzeit (18<br />

Uhr), ein Platz (Triumphplatz in<br />

Moskau), ein Ziel (Durchsetzung<br />

von Artikel 31 der russischen Verfassung).<br />

Artikel 31: „Bürger der Russischen<br />

Föderation haben das<br />

Recht, sich friedlich und ohne<br />

Waffen zu versammeln, Versammlungen,<br />

Kundgebungen und<br />

Demonstrationen, Märsche und<br />

Streiks abzuhalten.“<br />

Geschichtsträchtig: Friedliche<br />

Versammlungen auf dem<br />

Moskauer Triumphplatz, dem<br />

früheren Majakowskij-Platz,<br />

haben Tradition. Seit der Einweihung<br />

des Majakowskij-Denkmals<br />

1958 fanden unregelmäßig,<br />

ungeliebt bei den Behörden und<br />

oft spontan, Gedichtlesungen<br />

statt. Die Menschen lasen auch<br />

Gedichte verbotener Autoren. Die<br />

Tradition hat sich bis heute gehalten<br />

– Gedichte am Denkmal des<br />

russischen Dichters gibt es jeden<br />

letzten Sonntag des Monats.<br />

Polizeischutz: Jede der vergangen<br />

Aktionen in Moskau ist<br />

von <strong>An</strong>fang an sowohl von regulärer<br />

Polizei als auch von Sondereinheiten<br />

des OMON behindert<br />

und aufgelöst worden, aber noch<br />

nie offiziell verboten.<br />

Belegt: Meist fanden am 31.<br />

„zufällig“ bereits andere Veranstaltungen<br />

auf dem Triumphplatz<br />

statt. Die vom Moskauer Bürgermeister<br />

vorgeschlagenen alternativen<br />

Plätze lehnten <strong>die</strong> Organisatoren<br />

stets ab.<br />

Online: Seit 19. April 2010 gibt<br />

es <strong>die</strong> Homepage strategy-31.ru<br />

Ausbreitung: Seit 31. Januar<br />

2010 ist <strong>die</strong> Strategie-31 eine nationale<br />

Bewegung. Im Mai 2011<br />

gab es außer in Moskau und<br />

St. Petersburg in mehr als siebzig<br />

weiteren russischen Städten<br />

Kundgebungen, dazu kamen Aktionen<br />

in Litauen, Kirgisien und der<br />

Ukraine.<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Ein Artikel, Dutzende Demos<br />

31 Fakten zur „Strategie-31“ – dem Protest <strong>für</strong> Versammlungsfreiheit<br />

Und wieder hat der Monat 31 Tage. Für <strong>die</strong> Aktivisten von „Strategie-31“<br />

heißt es: Demonstrieren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Versammlungsfreiheit. So, wie<br />

es im Artikel 31 der russischen Verfassung garantiert ist. Zum 20. Mal<br />

gehen sie am 31. Juli auf <strong>die</strong> Straße. Seit der Gründung der Aktion vor<br />

zwei Jahren hat sich viel getan – <strong>die</strong> Aktivisten ließen sich in Polizeibussen<br />

abtransportieren, haben sich zerstritten und haben an Aufmerksamkeit<br />

nicht eingebüßt. Ein Abriss in 31 Punkten.<br />

Weltweit: Mahnwachen und<br />

Solidaritätsbekundungen finden<br />

auch im Ausland statt, in Berlin,<br />

Brüssel, Prag, Tel Aviv und<br />

Helsinki. In Peking gab es dazu<br />

bereits einen Flashmob.<br />

Friedlich: In den Städten<br />

Astrachan, Archangelsk, Krasnojarsk<br />

und Jaroslawl verlaufen<br />

<strong>die</strong> Demonstrationen stets im<br />

Einverständnis mit den Behörden<br />

und ohne Repressionen seitens<br />

der Polizei.<br />

Kritik: Große internationale<br />

Aufmerksamkeit erhielt <strong>die</strong> Aktion<br />

vom 31. Dezember 2009, bei<br />

der <strong>die</strong> damals 82-jährige Ljudmila<br />

Alexejewa festgenommen wurde.<br />

Das Europäische Parlament und<br />

der Nationale Sicherheitsrat der<br />

USA übten Kritik. Die Zeitung<br />

„The New York Times“ veröffentlichte<br />

einen Artikel darüber auf<br />

der ersten Seite.<br />

Schwere Registrierung: 2009<br />

kündigte Limonow seine Präsidentschaftskandidatur<br />

an und<br />

startete seine Wahlkampagne. Im<br />

Sommer 2010 hat das russische<br />

Justizministerium „<strong>An</strong>deres Russland“<br />

<strong>die</strong> Registrierung als Partei<br />

verweigert. Seitdem hat er sein<br />

Vorhaben aufgegeben.<br />

Finanzierung: Dem Pressesprecher<br />

von „<strong>An</strong>deres Russland“, Alexander<br />

Awerin, zufolge kostet <strong>die</strong><br />

Organisation jeder Aktion bis zu<br />

20 000 Rubel (umgerechnet etwa<br />

500 Euro). Das Geld werde <strong>für</strong> den<br />

Druck von Broschüren und Flyern<br />

ausgegeben.<br />

Quelle: „<strong>An</strong>deres Russland“ ist<br />

der Hauptförderer der „Strategie-31“,<br />

dazu kommen Spenden<br />

und der Verkauf von Souvenirs<br />

auf der Homepage. Tassen mit<br />

dem schwarz-weißen Emblem<br />

der Bewegung kosten bis zu zehn<br />

Euro, T-Shirts bis zu 20 Euro.<br />

Blutspenden: Die Jugendbewegung<br />

„Junges Russland“ (Rossija<br />

Molodaja) lädt gern am 31. eines<br />

Monats zum Blutspenden auf den<br />

Triumphplatz.<br />

Vorsprung: „Junges Russland“<br />

machte den Organisatoren der<br />

„Strategie-31“ bei der <strong>An</strong>meldung<br />

der Protestaktion den Platz streitig.<br />

Baustelle: Im August 2010 wurde<br />

der Triumphplatz wegen Rekonstruktionsarbeiten<br />

ge schlossen.<br />

Den Berichten von russischen<br />

Me<strong>die</strong>n zufolge wird bisher keine<br />

Arbeit dort geleistet.<br />

Rekord: Im Mai 2010 gab es<br />

ungefähr 2000 Teilnehmer in<br />

Moskau. Sie demonstrierten zwei<br />

Stunden lang. Es waren 700 Polizisten<br />

anwesend, 200 Aktivisten<br />

nahmen <strong>die</strong> Beamten fest.<br />

Limonow und <strong>die</strong> Miliz: Im<br />

Laufe der Aktionen wurde Eduard<br />

Limonow bereits mehr als zehn<br />

Mal festgenommen. Im Dezember<br />

2010 musste er 15 Tage in Haft<br />

verbringen.<br />

Erlaubt: Am 31. Oktober 2010<br />

wurde <strong>die</strong> Aktion zum ersten Mal<br />

erlaubt – unter der Bedingung,<br />

<strong>die</strong> Zahl der Teilnehmer auf 800<br />

zu begrenzen. Es kamen allerdings<br />

mehr.<br />

Spaltung: Ljudmila Alexejewa<br />

akzeptierte <strong>die</strong> Bedingung der<br />

Stadt, Konstantin Kossjakin und<br />

Eduard Limonow taten das nicht.<br />

Es kam zur Spaltung der Bewegung.<br />

Die <strong>An</strong>hänger Limonows<br />

führen ihre nicht erlaubten Proteste<br />

fort. Ihre Argumentation<br />

klingt ungefähr so: Wir kämpfen<br />

nicht <strong>für</strong> <strong>die</strong> „Strategie-31“, sondern<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Versammlungsfreiheit,<br />

<strong>die</strong> eine unbegrenzte Teilnehmerzahl<br />

vorsieht.<br />

Zwei Aktionen: Am 31. Oktober<br />

2010 fanden denn so zwei<br />

Protestaktionen <strong>für</strong> den Artikel 31<br />

gleichzeitig statt.<br />

Zwang: Die Miliz versuchte<br />

an eben <strong>die</strong>sem Tag, Limonow<br />

gewaltsam dazu zu bringen, an<br />

der erlaubten Protestaktion teilzunehmen.<br />

Durchsuchung: In <strong>die</strong>sem Jahr<br />

ist der Stab von „<strong>An</strong>deres Russland“<br />

bereits zwei Mal durchsucht<br />

worden – immer kurz vor der<br />

Protestaktion.<br />

Debatte: Am 4. Dezember 2010<br />

fand im Moskauer Sacharow-<br />

Zent rum eine Debatte zum Thema<br />

„Sollte <strong>die</strong> Opposition mit den<br />

Mächtigen verhandeln?“ Ohne ein<br />

klares Ergebnis. Die Organisation<br />

bleibt gespalten.<br />

Gesund: Zu den Veranstaltungen,<br />

<strong>die</strong> am 31. eines Monats<br />

auf dem Triumphplatz stattfanden,<br />

gehörten das Festival „Wähle<br />

Gesundheit, werde wie wir“ und<br />

das Sportfest der Jugend.<br />

Zusammengestellt von Marika<br />

Schweiger und Alisa Iwanizkaja.<br />

Wikipedia


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

<strong>An</strong> <strong>die</strong> <strong>Macht</strong>, <strong>für</strong> <strong>Putin</strong>, <strong>für</strong>s <strong>Vaterland</strong><br />

Am Seliger-See stählt sich <strong>die</strong> künftige Elite Russlands in einem Sommercamp voller Drill<br />

politik<br />

03<br />

Inna Hartwich (5)<br />

Noch bis August durchlaufen 20 000 Jugendliche aus allen Teilen Russlands<br />

und der Welt in fünf unterschiedlichen Schichten das Seliger-<br />

Lager der russischen Regierung. Das neuntägige Sommercamp in einem<br />

Seengebiet bei Twer bietet neben Lagerfeuer-Romantik vor allem streng<br />

getaktete Lehrstunden in Sachen Politik und Wirtschaft – direkt unter<br />

den Konterfeis des russischen Führungsduos Dmitrij Medwedew und<br />

Wladimir <strong>Putin</strong>. Was treibt <strong>die</strong> Jugendlichen hin?<br />

Sie ist eine „Auserwählte“, eine<br />

„Siegerin“. Mit Sonnenblume im<br />

Haar und dunklem Pferdeschwanz.<br />

Mit einem Lächeln auf den Lippen<br />

– und ganz klaren Vorstellungen,<br />

was sie will. Im Leben, im Beruf.<br />

Rimma Tuktassynowa ist 22 Jahre<br />

alt. Sie stu<strong>die</strong>rt Fernsehjournalistik<br />

im fernen Sibirien. „Das Leben ist<br />

eine Rolltreppe. Ich fahre schnurstracks<br />

nach oben.“ So steht sie da<br />

zwischen hohen Kiefern und Tausenden<br />

von bunten Zelten in einem<br />

Wald auf halber Strecke zwischen<br />

Moskau und St. Petersburg – in<br />

der Ferne funkeln <strong>die</strong> Zwiebeltürme<br />

eines Klosters – und lässt sich triezen,<br />

drillen, überwachen. Für ihren<br />

Traum vom Erfolg.<br />

Das Leben von Auserwählten ist<br />

hart. Rimma hat es bereits vor<br />

Tagen begriffen. Da packte sie ihre<br />

Koffer in ihrem Heimatstädtchen<br />

Tausende von Kilometern von Moskau<br />

entfernt. Viel gibt es nicht in<br />

Jugorsk. Eine Nähfabrik und einen<br />

Fernsehsender. Auch ein Museum<br />

<strong>für</strong> Stadtgeschichte. Vor allem aber<br />

gibt es Pipelines – <strong>für</strong> den Erdgastransport<br />

des russischen Staatsunternehmens<br />

Gasprom. Mehr als<br />

zwei Tage war sie an <strong>die</strong> malerische<br />

Seenlandschaft mit 160 Inseln<br />

unterwegs. „Mein Sieg.“<br />

Ruhe hat sie hier nicht gefunden.<br />

Sie hat sie auch nicht gesucht.<br />

Pünktlich um 8 Uhr morgens ertönt<br />

<strong>die</strong> russische Hymne. Sie dröhnt<br />

aus den Lautsprechern im Wald.<br />

Plärrende Bässe folgen. „Los, Russland,<br />

los. Noch 15 Minuten bis<br />

zur Morgengymnastik, noch zehn.“<br />

Rimma rennt zum Metallcontainer,<br />

einem provisorischen Toilettenhäuschen,<br />

einem Waschbecken<br />

aus Plastik davor. Ihr Zelt steht am<br />

Rande des Lagers, zur Hauptbühne<br />

dauert es zehn Minuten. Dort<br />

kreist <strong>die</strong> <strong>An</strong>imateurin mit den<br />

Hüften. Aerobic <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mädchen,<br />

ein Vier-Kilometer-Waldlauf <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Jungen. „Ich hasse Sport“, wird<br />

Rimma später sagen. Ein schwerer<br />

Sturm hat <strong>die</strong> orange Plane hinter<br />

ihr umgeworfen. Premier <strong>Putin</strong><br />

beschwört darauf das „prosperierende<br />

Russland, das beste Land<br />

der Welt <strong>für</strong> <strong>die</strong> talentiertesten,<br />

selbstbewusstesten Bürger“, neben<br />

dem Bild des Präsidenten Medwedew<br />

steht schlicht „Russland – ein<br />

einzigartiges Land“. Behelfsmäßig<br />

haben <strong>die</strong> Camper <strong>die</strong> Plane auf<br />

zwei Holzstäbe gestützt. Sie hält<br />

nicht. <strong>Putin</strong> und Medwedew schweben<br />

provisorisch über dem Boden.<br />

Sechs Menschen hat der Sturm verletzt,<br />

zwei Mädchen davon schwer.<br />

Die Organisatoren sprechen nicht<br />

gern darüber, sie lassen <strong>die</strong> Patienten<br />

aus dem Krankenhaus direkt<br />

auf <strong>die</strong> Leinwand an der Hauptbühne<br />

projizieren. „Wir sind bei euch“,<br />

rufen sie in <strong>die</strong> Masse.<br />

Seit 2005 versammeln sich Tausende<br />

von Jugendlichen im Seliger-<br />

Lager, das <strong>die</strong> kremlnahe Jugendorganisation<br />

„Naschi“ (Die Unsrigen)<br />

gegründet hat. Die Ursprungsidee:<br />

sich nicht nur ideologisch, sondern<br />

auch <strong>für</strong> den Straßenkampf zu stählen.<br />

„Naschi“ sind ein polittechnologisches<br />

Projekt der Ära <strong>Putin</strong>,<br />

eine raffinierte Kopfgeburt des<br />

Staates vor dem Hintergrund der<br />

Von Inna Hartwich<br />

farbigen Revolutionen in der Ukraine<br />

und in Georgien. Aus <strong>An</strong>gst vor<br />

einer Massenmobilisierung gegen<br />

das bestehende Regime rief <strong>die</strong><br />

Regierung, allen voran der Kreml-<br />

Ideologe Wladislaw Surkow, <strong>die</strong><br />

„demokratische, antifaschistische<br />

Jugendbewegung“ ins Leben und<br />

pumpte Milliarden Rubel in deren<br />

Wachstum. „Faschistisch“ ist bei<br />

den „Naschi“ alles, was sich gegen<br />

das Erstarken Russlands richtet – in<br />

ihrem Manifest spricht <strong>die</strong> Organisation<br />

von einer „vaterlandsfeindlichen<br />

Koalition von Oligarchen,<br />

„Entweder du lernst oder du fährst heim!”<br />

<strong>An</strong>tisemiten, Nazis und Liberalen“.<br />

Kritiker nennen <strong>die</strong> Jugendlichen<br />

„Naschisten“ – wegen ihrer Gewaltbereitschaft.<br />

<strong>An</strong> der damaligen Spitze:<br />

Wassilij Jakemenko, ein schneidiger<br />

Mittdreißiger, der einst in der<br />

Kreml-Administration aushalf.<br />

Mittlerweile hat sich das Lager<br />

geöffnet. Dieses Jahr gibt es <strong>die</strong><br />

Sektionen „Unternehmen“, „Politik“,<br />

„Internationales“, „Informationskanäle“,<br />

„Technologie der Wohltat“.<br />

Organisiert wird es nun von der<br />

staatlichen Agentur <strong>für</strong> Jugendbelange.<br />

Der Leiter: wieder Wassilij<br />

Jakemenko. Seliger 2011 preist sich<br />

als Bildungs- und Innovationsforum,<br />

schreibt auf seiner Homepage<br />

vom „wichtigsten Ereignis des Sommers“,<br />

will auch Ausländern ein<br />

fröhliches Gesicht zeigen. Kosten:<br />

rund fünf Millionen Euro. Die Teilnehmer<br />

zahlen umgerechnet 60<br />

Euro. Ein günstiger Ausflug.<br />

Die 21-jährige Brasilianerin Sarah<br />

Teixera Morello will vor allem Kontakte<br />

knüpfen. Noch aber fehlen ihr<br />

<strong>die</strong> Worte. „Hier spricht ja kaum<br />

ein Russe Englisch.“ Sie selbst kann<br />

nicht entziffern, dass auf den Plakaten<br />

quer durch den Wald von der<br />

Besonderheit des russischen Volkes<br />

<strong>die</strong> Rede ist, das sich durch Klugheit<br />

und Stärke von allen anderen<br />

unterscheide. Sie sieht nicht, dass<br />

alle zwei Meter bunte Planen mit<br />

Sprüchen von <strong>Putin</strong> und Medwedew<br />

zwischen den Bäumen hängen,<br />

erkennt nicht <strong>die</strong> „Heldenallee“ entlang<br />

des Holzsteges, auf dem sich<br />

ein gewisser Sascha <strong>für</strong> verlorene<br />

Die Hüter des Feuers: Jugendliche gedenken stramm der gefallenen Soldaten.<br />

Inna Hartwich<br />

37 Kilogramm feiern lässt oder ein<br />

Nikita seinen „nordischen Charakter“<br />

offenlegt.<br />

„Seliger ist ein Russland im Kleinen.<br />

Hier gibt es Leute aus unterschiedlichen<br />

Nationen, Künstler,<br />

Wissenschaftler, Unternehmer,<br />

Politiker. Hier herrscht eine gesunde<br />

Lebenseinstellung, kein Alkohol,<br />

keine Drogen“, sagt Irina Narykowa<br />

(20) aus dem zentralrussischen<br />

Brjansk. Die „Naschi“-Kommissarin<br />

ist zum vierten Mal dabei, ein alter<br />

Hase. Sie sitzt vor dem „Ewigen<br />

Feuer“, zusammengelegten Hölzern,<br />

<strong>die</strong> in einem roten Stern brennen,<br />

wacht darüber, dass es nicht ausgeht.<br />

Vor ihr ein dickes Buch: „Die<br />

Erinnerung an <strong>die</strong> großen Taten<br />

der glorreichen Sowjetunion“ steht<br />

in goldenen Lettern darauf. „Wir<br />

müssen <strong>die</strong> Geschichte in unserem<br />

Herzen tragen“, sagt sie. Eine<br />

Geschichte der hellen Seiten. „Es<br />

ist gut, Stalins Taten zu rühmen.<br />

Er hat viel <strong>für</strong> unser <strong>Vaterland</strong><br />

getan.“ Die national-patriotische<br />

Verherrlichung der Vergangenheit<br />

ist das Grundmotiv der „Naschi“.<br />

„Jeder, der mit Kritik kommt, ist<br />

unser Feind.“<br />

Nach einzelnen regionalen Sektionen<br />

geordnet, stehen <strong>die</strong> Zelte<br />

dicht an dicht im Wald. Es werden<br />

Brei serviert und dünner Tee.<br />

Immerhin: In <strong>die</strong>sem Jahr müssen<br />

<strong>die</strong> Jugendlichen nicht selbst überm<br />

Feuer kochen, es gibt auch keine<br />

Plumpsklos mehr. Das Essen kommt<br />

aus der Feldküche. Es gibt Kletterparcours<br />

und Kanu-Wettbewerbe,<br />

Volleyballfelder und Fußballspiele.<br />

Ein Internetcafé und Plasma-Bildschirme,<br />

<strong>die</strong> an den Bäumen hängen,<br />

spiegeln <strong>die</strong> Absurdität <strong>die</strong>ser<br />

Mischung aus Lagerfeuer-Romantik<br />

und hartem Programm. „Ich gehe<br />

am liebsten baden“, sagt Rimma,<br />

<strong>die</strong> Ehrgeizige. „Aber das ist streng<br />

reglementiert.“ Wachposten sorgen<br />

da<strong>für</strong>, dass <strong>die</strong> Jugendlichen<br />

ihre Vorlesungen besuchen, meist<br />

kommen Unternehmer und Politiker,<br />

berichten von ihrem Erfolg.<br />

Verstoßen <strong>die</strong> Camper gegen <strong>die</strong><br />

Lagerregeln – das Gelände allein<br />

verlassen, Alkohol hineinschmuggeln,<br />

nicht zur Morgengymnastik<br />

erscheinen – gibt es ein Loch im<br />

Lagerausweis. Drei Löcher bedeuten<br />

den Rausschmiss. „Drill gehört<br />

dazu“, sagt Rimma. Und gewisse<br />

Werte. Familie, Kinder, Erfolg. „Sex<br />

ist schön und nützlich“, heißt es<br />

im Lager. Neun Paare geben sich<br />

in Seliger in einer Massenhochzeit<br />

das Ja-Wort.<br />

„Manches ist wirklich fragwürdig,<br />

<strong>die</strong> patriotischen Lieder, <strong>die</strong><br />

Duschen mit der Naschi-Symbolik“,<br />

sagt der 23-jährige Pjotr Gussatschenko<br />

aus St. Petersburg. „Aber<br />

ich habe gelernt, vor allem Zweifelhaften<br />

<strong>die</strong> Augen zu verschließen,<br />

alles Negative zu verdrängen.“ Auch<br />

er – ein „Auserwählter“, auf den<br />

Russland baut.<br />

Seliger 2011 setzt auf Gäste aus dem Ausland. Der 30-jährige Sebastian Kiefer aus<br />

Berlin berichtet von der internationalen Sektion:<br />

Aufstehen, Frühsport, Morgenappell auf dem „Roten Platz“. Den meisten ausländischen Teilnehmern steht <strong>die</strong> Skepsis<br />

ins Gesicht geschrieben. Sie kommen aus 81 Ländern und sind nun neun Tage lang zu Gast im russischen Kiefernwald.<br />

Viele von ihnen beobachten <strong>die</strong> morgendliche „Russendisko“ vom Rande aus, ins Englische übersetzt wird wieder nur<br />

das Nötigste.<br />

Später vor dem „Weißen Haus“, einer Nachbildung des Moskauer Regierungssitzes von Premierminister Wladimir<br />

<strong>Putin</strong>, komme ich mit Kathrin und Marion aus Deutschland ins Gespräch. Nach einem zweistündigen Vortrag über<br />

<strong>die</strong> Segnungen der Atomkraft sind beide geladen. „Ich wollte mal nach Russland fahren“, sagt Kathrin, <strong>die</strong> sich zu<br />

Hause <strong>für</strong> <strong>die</strong> Grünen engagiert. „Ich habe mir was ganz anderes darunter vorgestellt.“ Marion ist geschockt über <strong>die</strong><br />

markante Darstellung des russischen Premierministers an der Hauptbühne. Sie nennt es „Hitlerbild“. „Das hat doch<br />

nichts mit Demokratie zu tun.“ Als sich eines Abends der Direktor des Lagers in knappen russischen Sätzen mit der<br />

offenen Drohung an <strong>die</strong> internationalen „Gäste“ richtet, dass jeder Verstoß und jede Verspätung hart bestraft würden<br />

und genügend „Lagerpolizei“ <strong>für</strong> <strong>die</strong> ständige Kontrolle zur Verfügung stehe, kann ich zunächst gar nicht glauben,<br />

was ich da höre. Die Stimmung ist mittlerweile im Keller, <strong>die</strong> zunehmenden Löcher im Lagerausweis beherrschen <strong>die</strong><br />

Gespräche, und viele denken daran, früher abzureisen. „Entweder du lernst oder du fährst heim!“, steht in großen<br />

Buchstaben neben einem Medwedew-Bild geschrieben.<br />

Am Seliger See spreche ich mit Russen aus den entlegensten Winkeln des Landes. Sie stu<strong>die</strong>ren an<br />

Provinzuniversitäten in Samara, Stawropol und Sotschi. Das „International Youth Forum“ ist <strong>für</strong> sie ein Tor zur Welt.<br />

Ausländer treffen, Englisch ausprobieren, <strong>für</strong> Olga, <strong>An</strong>ja und Lisa war das der Grund, sich zu bewerben. Für Politik<br />

interessieren sie sich nicht, was „Naschi“ machen – keine Ahnung.<br />

Am Luftgewehrschießstand am Seeufer treffe ich zwei „Instruktoren“, <strong>die</strong> Bewacher Katja und Mischa. Sie laden mich<br />

an <strong>die</strong>sem Abend zu sich ein, während nebenan <strong>die</strong> Schoko-Schaum-Party <strong>für</strong> ausgelassene Ballermann-Stimmung<br />

sorgt. Ihre Geschichte ist eine andere, als es <strong>die</strong> täglich mehr werdenden Medwedew- und <strong>Putin</strong>-Zitate suggerieren<br />

sollen. Beide haben <strong>die</strong> Nase voll vom harten Leben in der russischen Provinz. Mischas Mutter ist nach Italien<br />

ausgewandert, weil sie es in ihrer russischen Kleinstadt nicht mehr ertragen hat. Mit ihrer Arbeit am Schießstand<br />

finanzieren sich Katja und Mischa ihr Studium im fernen Sotschi. <strong>An</strong> <strong>die</strong>sem Abend sitze ich mit Menschen aus dem<br />

russischen Süden an einem Tisch, werde mit Dosenfisch bewirtet, man bietet mir Kaffee an. Business und Patriotismus<br />

sind sehr weit weg. Ich bin dankbar <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Pause.<br />

Rimma Tuktassynowa, 22, Jugorsk,<br />

Autonomer Kreis der Chanten und<br />

Mansen: „Jeder, der bei Seliger mitmacht,<br />

ist ein Auserwählter. Wir<br />

sind jetzt schon Sieger. Ich will in<br />

allem, was ich anpacke, erfolgreich<br />

sein. Das lerne ich hier. Disziplin ist<br />

wichtig. Für Politik interessiere ich<br />

mich nicht. Hauptsache, ich komme<br />

weiter im Leben.“<br />

Pjotr Gussatschenko, 23,<br />

St. Petersburg: „Das Seliger-Camp<br />

ist eine günstige Gelegenheit, nette<br />

und interessante Leute zu treffen.<br />

Manches ist fragwürdig. Aber ich<br />

habe gelernt, vor allem Zweifelhaften<br />

<strong>die</strong> Augen zu verschließen,<br />

alles Negative zu verdrängen.“<br />

Sarah Teixera Morello, 21,<br />

Brasilien: „Seliger bietet ein solch<br />

hohes Potenzial an Ideen. Irgendwann<br />

einmal werden wir Jungen an<br />

der Spitze unserer Länder stehen.<br />

Da ist es gut, schon heute Kontakte<br />

zu knüpfen, das wird später<br />

<strong>für</strong> besseres Verständnis sorgen.<br />

Momentan setze ich hier <strong>die</strong> Körpersprache<br />

ein, kaum ein Russe<br />

spricht Englisch.“<br />

Laure Boisseux, 22, Frankreich:<br />

„Ich bin zum ersten Mal in Russland,<br />

habe mich nie mit <strong>die</strong>sem<br />

Land beschäftigt. Ich hätte nicht<br />

gedacht, dass es hier so si cher ist.<br />

Es gibt Toiletten, es ist nicht kalt,<br />

<strong>die</strong> Menschen sind freundlich. Die<br />

Landschaft ist wunderschön. Ich<br />

komme auf jeden Fall wieder.“<br />

Irina Nyrkowa, 20, Brjansk,<br />

Zentralrussland: „In Seliger erfährt<br />

man, welch großartige Geschichte<br />

Russland hat, was es geleistet hat.<br />

Wir betonen nur <strong>die</strong> positiven Seiten,<br />

man soll sich nicht allzu sehr<br />

vom Negativen aufhalten lassen.<br />

Russland wird wieder auferstehen.<br />

Wladimir <strong>Putin</strong> ist der beste Mann<br />

da<strong>für</strong>.“


04<br />

Moskauer<br />

WIRTSCHAFT<br />

Recht<br />

Kurz u n d Knapp<br />

Schutz des<br />

Vermögens<br />

Laut eines Erlasses des Präsidiums<br />

des Obersten Arbitragegerichts der<br />

Russischen Föderation von Mitte Juni<br />

ist <strong>die</strong> Entnahme von Gesellschaftsvermögen<br />

auf Basis von Schiedsgerichtsbeschlüssen<br />

zu unterbinden.<br />

Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters<br />

hindern <strong>die</strong> verbleibenden<br />

Gesellschafter dem Ausscheidenden<br />

oft am Erhalt des <strong>die</strong>sem zustehenden<br />

<strong>An</strong>teils am Gesellschaftsvermögen. Die<br />

Gesellschafter versuchen insbesondere,<br />

Reinvermögen von der Gesellschaft auf<br />

unter ihrer Kontrolle stehende Firmen<br />

zu übertragen, und zwar auf Basis<br />

von Beschlüssen von Schiedsgerichten,<br />

<strong>die</strong> als Alternative zum staatlichen<br />

Gerichtssystem geschaffen wurden.<br />

Dadurch können <strong>die</strong> Arbitragegerichte,<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> genannte Schiedsgerichte keine<br />

übergeordnete Instanz darstellen,<br />

deren Beschlüsse nicht in Berufungsoder<br />

Kassationsverfahren prüfen.<br />

Derartige Beschlüsse von Schiedsgerichten<br />

sind laut Erlass des Präsidiums<br />

des Obersten Arbitragegerichts<br />

der Russischen Föderation aufzuheben.<br />

Wettbewerb<br />

verschärft<br />

<strong>An</strong>fang Juni unterzeichnete Präsident<br />

Dmitrij Medwedjew ein Gesetz,<br />

welches Änderungen in <strong>die</strong> Föderalen<br />

Gesetze über <strong>die</strong> staatliche Registrierung<br />

von Rechten an Immobilienvermögen<br />

und über das staatliche<br />

Immobilienkataster einbringt.<br />

Das Gesetz präzisiert das Verfahren der<br />

staatlichen Erfassung von Gebäuden,<br />

Bauten, Räumlichkeiten sowie <strong>An</strong>lagen<br />

im Bau <strong>für</strong> den Übergangszeitraum der<br />

<strong>An</strong>wendung des Föderalen Gesetzes<br />

„Über das staatliche Immobilienkataster“.<br />

Es gilt bis zum 1. Januar 2013.<br />

Laut Gesetz erfolgt <strong>die</strong> Erstellung<br />

von Unterlagen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> staatliche<br />

Erfassung genannter Objekte<br />

erforderlich sind, nicht nur durch <strong>die</strong><br />

Behörden der Technischen Inventarisierung<br />

(BTI) sondern auch durch<br />

Katasteringenieure. Dieser Umstand<br />

führt zu Wettbewerb auf dem Markt<br />

<strong>für</strong> technische Inventarisierung und zu<br />

Preissenkungen in <strong>die</strong>sem Bereich.<br />

Bestechung<br />

lohnt nicht<br />

Mitte Mai 2011 ist ein Änderungsgesetz<br />

in Kraft getreten, welches das<br />

Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetzbuch<br />

in Hinblick<br />

auf <strong>die</strong> Korruptionsbekämpfung optimieren<br />

soll. Die Änderungen betreffen<br />

insbesondere <strong>die</strong> Belangung <strong>für</strong><br />

Bestechung und <strong>die</strong> Zahlung oder<br />

<strong>An</strong>nahme von Bestechungsgeldern.<br />

Neben Einschränkungen und Freiheitsentzug<br />

ist als alternative Strafe durch<br />

<strong>die</strong> Gesetzgebung <strong>die</strong> Verhängung<br />

von Bußgeldern vorgesehen, <strong>die</strong> als<br />

Vielfaches des Bestechungsbetrages<br />

berechnet werden.<br />

Die strafrechtliche Belangung differenziert<br />

in Abhängigkeit von der Höhe<br />

des Bestechungsgelds: in geringer<br />

Höhe (bis 25000 Rubel), wesentlicher<br />

Höhe (über 25000 Rubel),<br />

großer Höhe (über 150000 Rubel)<br />

und besonders großer Höhe (über 1<br />

Million Rubel).<br />

Dieser Info<strong>die</strong>nst wird unterstützt von<br />

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater,<br />

Rechtsanwälte<br />

Elektrosawodskaja Uliza 27,<br />

Gebäude 2, 107023 Moskau<br />

Tel.: +7 495 933 51 20 / 20 55<br />

www.roedl.com/ru<br />

Urlaubsstimmung in<br />

Russland:<br />

Billigflieger im Vergleich:<br />

Russen werden ärmer<br />

16,1 Prozent leben unter dem Existenzminimum<br />

Allen positiven Wirtschaftsprognosen<br />

zum Trotz rutschen immer<br />

mehr Russen unter <strong>die</strong> Armutsgrenze.<br />

Laut <strong>An</strong>gaben des Moskauer<br />

Statistikamtes bekamen <strong>An</strong>fang<br />

Juli 22,9 Millionen Russen weniger<br />

als das Existenzminimum von 6473<br />

Rubel pro Monat, im Jahr zuvor<br />

waren es 2,3 Millionen Menschen<br />

weniger gewesen. Niedrige Löhne<br />

sind <strong>die</strong> Hauptursache <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Armutsfalle. Laut Stu<strong>die</strong> haben in<br />

gut der Hälfte der armen Haushalte<br />

<strong>die</strong> Menschen einen Job.<br />

Auch <strong>die</strong> Schere zwischen Arm<br />

und Reich wird immer größer.<br />

Die Einkommen von zehn Prozent<br />

der reichsten Russen sind um das<br />

18-fache höher als das von zehn<br />

Prozent der ärmsten Russen. „In<br />

der Tat ist <strong>die</strong> Ungleichheit noch<br />

größer, weil der <strong>An</strong>teil der unberücksichtigten<br />

Einnahmen sehr<br />

hoch ist“, sagte Wjatscheslaw Bobkow,<br />

Generaldirektor des Instituts<br />

zur Erforschung des Lebensstandards,<br />

der russischen Nachrichtenagentur<br />

RIA Nowosti. dia<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Einerseits & <strong>An</strong>dererseits<br />

Gegründet<br />

2006 2009<br />

Besitzverhältnisse<br />

Heimat-Flughafen<br />

Passagierzahlen 2010<br />

Flugziele innerhalb<br />

Russlands<br />

2009 kaufte der Unternehmer Witalij Wanzew, Teilhaber des<br />

Flughafens Wnukowo, 75 Prozent der SkyExpress-Aktien.<br />

Inzwischen haben <strong>die</strong> Aktien wieder den Besitzer gewechselt,<br />

über <strong>die</strong> genaue Verteilung schweigt sich das Unternehmen<br />

aus. Fest steht, dass <strong>die</strong> Investmentgesellschaft „Basel“ des<br />

Oligarchen Oleg Deripaska <strong>An</strong>teile hält. Seit <strong>An</strong>fang Juli ist<br />

Denis Iljin Generaldirektor bei SkyExpress, er leitet auch <strong>die</strong><br />

Flugzeugabteilung bei „Basel“.<br />

Zu „Basel“ gehört unter anderem <strong>die</strong> Fluggesellschaft Kuban<br />

Airlines. Im vergangen Jahr wurde <strong>die</strong> Unternehmensverschmelzung<br />

von SkyExpress und Kuban Airlines beschlossen.<br />

Seitdem können Kunden von SkyExpress auf Flugzeuge von<br />

Kuban umgeleitet werden. Bis 2015 sollen jedoch <strong>die</strong> Marken<br />

der beiden Fluglinien eigenständig bleiben.<br />

Moskau-Wnukowo<br />

1,14 Millionen<br />

Platz 18 auf der Rangliste der erfolgreichsten russischen Fluggesellschaften<br />

14 Städte, unter anderem St. Petersburg, Kaliningrad, Jekaterinburg,<br />

Orenburg, Sotschi, Murmansk, Tscheljabinsk<br />

Die Aktien gehören zu 51 Prozent der A1 Investment-Gruppe<br />

der russischen Alfa-Group, zu 49<br />

Prozent der US-Investmentgesellschaft Indigo<br />

Partners. Generaldirektor ist Wladimir Gorbunow<br />

von A1. Ende Juni gerieten <strong>die</strong> Teilhaber ineinander.<br />

A1 beschuldigte den CEO <strong>An</strong>drew Pyne, der<br />

<strong>die</strong> Interessen von Indigo Partners vertrat, seine<br />

Vollmachten überschritten zu haben. Pyne hatte<br />

<strong>die</strong> strategische Führung der Airline inne. Pyne<br />

erfuhr von seiner Absetzung, als man ihm am<br />

Morgen den Zugang zu seinem Büro verwehrte.<br />

Mit ihm wurden zwei weitere ausländische Top-<br />

Manager gefeuert. <strong>An</strong> Pynes Stelle wurde Konstantin<br />

Teterin, Ex-Chef der Fluglinie Red Wings, als<br />

CEO eingesetzt.<br />

Moskau-Scheremetjewo und Krasnodar<br />

(seit Januar 2011)<br />

1,33 Millionen<br />

Platz 17 auf der Rangliste der erfolgreichsten russischen<br />

Fluggesellschaften<br />

21 Städte, unter anderem <strong>An</strong>apa, Archangelsk,<br />

Wolgograd, Jekaterinburg, Kaliningrad, Krasnodar,<br />

Perm, Rostow am Don, Samara, St. Petersburg, Ufa<br />

Flugziele im Ausland Keine Simferopol auf der Krim/Ukraine<br />

Beispielbuchung <strong>für</strong> den<br />

16. Juli 2011,<br />

Moskau-Krasnodar<br />

Die Flotte:<br />

Verspätungen<br />

Kundenmeinung:<br />

<strong>An</strong>drej Miroschnitschenko,<br />

21, Politikstudent aus<br />

Kaliningrad<br />

Fünf Flüge im <strong>An</strong>gebot:<br />

Der billigste: 3 500 Rubel (87 Euro) inklusive Gebühren<br />

Der teuerste: 5 300 Rubel (131 Euro) inklusive Gebühren<br />

2 Boeing 737-300<br />

7 Boeing 737-500<br />

Baujahr: 1990-1992<br />

SkyExpress<br />

www.skyexpress.ru<br />

Platz 1 Forbes Ranking der Verspätungen im russischen Flugverkehr<br />

2010<br />

„Von vier Flügen mit SkyExpress waren drei um mehrere Stunden<br />

verspätet, einer davon wurde im Laufe des Tages gleich<br />

mehrfach verschoben, letztlich sind wir erst am nächsten<br />

Tag gestartet. Da<strong>für</strong> habe ich dann allerdings einen Freiflug<br />

bekommen, der Passagieren bei Verspätung ab drei Stunden<br />

zusteht. Einmal wurde <strong>die</strong> Boeing, mit der wir planmäßig<br />

hätten fliegen sollen, ohne Begründung durch eine alte<br />

sowjetische Jak ersetzt. Erklärt wird in solchen Fällen grundsätzlich<br />

nichts. Unhöflich bin ich zwar nie behandelt worden,<br />

aber man hat den Eindruck, dass es bei SkyExpress einfach<br />

unprofessionell zugeht. Entsprechend ist das Echo in diversen<br />

Internetforen – nahezu einhellig negativ.“<br />

3 199 Rubel (79 Euro)<br />

Avianova<br />

www.avianova.ru<br />

Zum Vergleich Aeroflot: 20 525 Rubel (509 Euro)<br />

1 Airbus A320-212<br />

5 Airbus A320-232<br />

Baujahr: 1997 bis 2004<br />

Geleast und registriert in Irland<br />

Platz 4 Forbes Ranking der Verspätungen im russischen<br />

Flugverkehr 2010<br />

„Meine Erfahrungen sind im Großen und Ganzen<br />

positiv. Die Flüge waren fast schon überpünktlich<br />

– mit einer Ausnahme, als ich eine Woche vorher<br />

informiert wurde, dass sich der Flug um einen<br />

Tag verschiebt. Nach den Berichten im Internet<br />

zu urteilen, scheint das eine verbreitete Praxis<br />

zu sein: Bei schwacher Auslastung werden Flüge<br />

zusammengelegt. Die Meinungen über Avianova<br />

sind aus <strong>die</strong>sen und anderen Gründen geteilt. <strong>An</strong><br />

den Flugzeugen habe ich nichts auszusetzen, der<br />

Airbus scheint auch geräumiger und damit komfortabler<br />

zu sein als <strong>die</strong> Boeing von SkyExpress. Als<br />

ich mich in einem halbleeren Flieger einmal über<br />

eine Sitzreihe ausgestreckt habe, hat keiner etwas<br />

gesagt.“<br />

Zusammengestellt von Julia Brand, Tino Künzel, Fotos: 59travel.ru, airliners.net


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Bitte warten<br />

Die russische Post warnt vor längeren Lieferzeiten<br />

Neues Ungemach <strong>für</strong> <strong>die</strong> russische<br />

Post. Eine Verordnung des russischen<br />

Zolls macht den Bemühungen,<br />

internationale Sendungen<br />

schneller auszuliefern, einen Strich<br />

durch <strong>die</strong> Rechnung. Es drohen<br />

wieder längere Wartezeiten.<br />

Von Diana Laarz<br />

So ganz weiß <strong>die</strong> Geschäftsleitung<br />

der Post wohl selbst noch nicht,<br />

wie sich <strong>die</strong> neue Verordnung des<br />

russischen Zolls ab Mitte Juli auf<br />

ihr Alltagsgeschäft auswirken wird.<br />

Die Wartezeit bei internationalen<br />

Sendungen werde sich verlängern,<br />

hieß es kurz nach Bekanntwerden<br />

des Beschlusses. Wenig später verbreitete<br />

<strong>die</strong> russische Presse beruhigende<br />

Nachrichten: Problem<br />

gelöst. Man werde <strong>die</strong> Arbeitsabläufe<br />

einfach anpassen.<br />

Auch wenn es manchem, der<br />

ungeduldig auf sein Paket aus<br />

Deutschland wartete, nicht so<br />

vorgekommen sein mag: Internationale<br />

Sendungen waren in den<br />

Postzentren bislang auf einer Art<br />

Autobahn unterwegs. Sie nahmen<br />

einen gesonderten Weg, <strong>die</strong> Päckchen<br />

aus dem Ausland wurden<br />

schneller als andere abgefertigt.<br />

Das sei unzulässig, befand <strong>die</strong> russische<br />

Zollbehörde und legte fest:<br />

Pakete, <strong>die</strong> nicht innerhalb von<br />

drei Stunden nach dem Eintreffen<br />

im Postzentrum den Zoll durchlaufen<br />

haben, müssen in ein Lager<br />

geschafft werden.<br />

Drei Stunden vom Eintreffen bis<br />

zur Deklarierung – das sei vollkommen<br />

unrealistisch, teilte <strong>die</strong><br />

Die russische Post hat nicht zum ersten Mal Schwierikeiten mit den Lieferzeiten.<br />

Post mit. Die Päckchen müssten<br />

also zwangsläufig zwischengelagert<br />

werden. Die Folgen: Mehr Papierkram,<br />

längere Wartezeiten. „Die<br />

Verordnung widerspricht unserem<br />

Ziel, <strong>die</strong> bürokratischen Hürden zu<br />

senken und das Leben der Bürger<br />

angenehmer zu machen“, hieß es<br />

in einer Mitteilung des Staatsunternehmens.<br />

Es ist nicht das erste Mal, dass<br />

<strong>die</strong> Post wegen Verzögerungen<br />

bei internationalen Sendungen<br />

Schlagzeilen macht. Im Frühjahr<br />

vergangenen Jahres waren Probleme<br />

mit mehreren Internetshops<br />

publik geworden. Unter anderem<br />

wurden Russen vom Auktionsportal<br />

ebay ausgeschlossen, weil<br />

sich <strong>die</strong> Geschäftsbedingungen<br />

nicht mit den langen Lieferzeiten<br />

vereinbaren ließen. Statt wie vorgesehen<br />

zwei Wochen war manch<br />

eine Lieferung zwei Monate untwerwegs.<br />

Die Post steuerte daraufhin<br />

gegen. In den Verteilzentren<br />

wurden mehr Zollbeamte eingesetzt,<br />

sie arbeiteten in Schichten<br />

rund um <strong>die</strong> Uhr. Darüber hinaus<br />

wurden neue Zentren bei Moskau<br />

und in den Regionen eröffnet.<br />

Mit ähnlich pragmatischen Mitteln<br />

will das Staatsunternehmen<br />

jetzt der Verordnung des Zolls<br />

begegnen. Laut der russischen<br />

Zeitung Kommersant haben sich<br />

Zoll und Post schon auf ein vereinfachtes<br />

Zollverfahren geeinigt.<br />

Nach <strong>An</strong>gaben des Post-Generaldirektors<br />

Alexander Kisseljow hat<br />

der Zoll zugestimmt, dass von nun<br />

an, nicht mehr Dokumente <strong>für</strong> jede<br />

einzelne Sendung, sondern nur<br />

noch containerweise ausgefertigt<br />

werden müssen. Damit könne das<br />

Drei-Stunden-Ziel wohl erreicht<br />

werden. Laut Kommersant werden<br />

<strong>die</strong> neuen Regelungen auf den<br />

Logistikkonzern DHL keine Auswirkungen<br />

haben.<br />

russianpost.ru<br />

WIRTSCHAFT<br />

05<br />

Keine Verschwendung<br />

Ölförderer sollen Begleitgas verwerten<br />

Russland verliert jährlich gewaltige<br />

Summen durch das Abfackeln von<br />

Begleitgas bei der Ölförderung. Das<br />

soll sich ändern. Das Umweltministerium<br />

hat den Rohstoffkonzernen<br />

eine Frist bis 2012 eingeräumt.<br />

Ab <strong>die</strong>sem Zeitpunkt dürfen sie<br />

nur noch fünf Prozent des Gases<br />

verbrennen, den Rest müssen sie<br />

wirtschaftlich nutzen. Da<strong>für</strong> sind<br />

Investitionen von rund 7,4 Milliarden<br />

Euro in Kompressorstationen,<br />

Gasspeicher, Transportpipelines und<br />

Kraftwerke nötig.<br />

Von Gerit Schulze (gtai)<br />

Von dem ausgegebenen Ziel sind<br />

<strong>die</strong> russischen Ölkonzerne noch<br />

weit entfernt. Derzeit kommen<br />

sie lediglich auf eine Quote von<br />

75 Prozent bei der Nutzung von<br />

Begleitgas. Im Jahr 2010 haben<br />

sie über 15 Milliarden Kubikmeter<br />

einfach abgefackelt. Das entsprach<br />

einem Sechstel des deutschen Erdgas-Jahresverbrauchs.<br />

Die Gründe <strong>für</strong> den sorglosen<br />

Umgang mit der Ressource sind<br />

vielfältig. Zum einen fehlt in den<br />

unwirtlichen Regionen der russischen<br />

Ölförderung oft <strong>die</strong> Infrastruktur<br />

zur Gewinnung, Speicherung<br />

und Weiterverarbeitung des<br />

Begleitgases. Zum anderen sind<br />

<strong>die</strong> potenziellen Abnehmer des<br />

Rohstoffes weit entfernt und <strong>die</strong><br />

Transportkosten verhältnismäßig<br />

hoch. Es ist in Russland in der<br />

Regel billiger, Erdgas zu fördern als<br />

das Fackelgas aufzubereiten.<br />

Doch das soll nun anders werden.<br />

Ursprünglich drängten <strong>die</strong> Ölkonzerne<br />

<strong>die</strong> Regierung wegen der<br />

Wirtschaftskrise und der daraus<br />

resultierenden niedrigeren Einnahmen<br />

zu einem Aufschub bis<br />

2014. Doch Umweltminister Jurij<br />

Trutnjew bleibt hart und hält am<br />

bisherigen Termin fest. Rohstoff-<br />

Unternehmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Quote unterlaufen,<br />

drohen drastische Strafen.<br />

Das Umweltministerium hat<br />

errechnet, dass zwischen 2010 bis<br />

2015 Investitionen von 300 Milliarden<br />

Rubel (7,4 Milliarden Euro)<br />

nötig sind, um <strong>die</strong> strengeren<br />

<strong>An</strong>forderungen zu erfüllen. Besonders<br />

<strong>die</strong> Konzerne Rosneft und<br />

Gasprom Neft haben noch Nachholbedarf.<br />

Sie verwerten bislang<br />

nur knapp über <strong>die</strong> Hälfte ihres<br />

Begleitgases. Sollten sie bis 2012<br />

nicht <strong>die</strong> geforderten Grenzwerte<br />

erreichen, müssten sie zusammen<br />

bis zu 283 Millionen Euro Strafen<br />

zahlen, berichteten russische<br />

Wirtschaftszeitungen.<br />

Vorreiter bei der Fackelgas-<br />

Nutzung ist Surgutneftegas. Das<br />

Unternehmen betreibt zwei große<br />

Wärmekraftwerke in Surgut.<br />

Außerdem hat es mehrere kleinere<br />

Gaskraftwerke gebaut, in dem<br />

der Rohstoff zum Einsatz kommt<br />

und zur eigenen Stromversorgung<br />

<strong>die</strong>nt. Nur vier Prozent des Begleitgases<br />

bei Surgutneftegas wurden<br />

2010 abgefackelt.<br />

Diesem Beispiel folgen immer<br />

mehr russische Ölförderer. Sie<br />

werden in den nächsten Jahren<br />

kleinere Gaskraftwerke in der Nähe<br />

der Ölfelder bauen, um ihren eigenen<br />

Stromverbrauch zu decken.<br />

Was ist und was sein sollte<br />

Michael Harms<br />

Vorstandsvorsitzender AHK<br />

Michael Harms, Vorstandsvorsitzender der<br />

AHK berichtet in <strong>die</strong>ser Kolumne regelmäßig<br />

über Entwicklungen in der russischen<br />

Wirtschaft und über Neuigkeiten aus der<br />

Auslandshandelskammer.<br />

Unser und mein Mitgefühl und Beileid<br />

gelten den Opfern und den <strong>An</strong>gehörigen<br />

der Schiffskatastrophe auf der Wolga.<br />

In <strong>die</strong>sem Fall ist <strong>die</strong> Verbundenheit jedoch<br />

noch stärker gefühlt. Zur genau gleichen<br />

Zeit erlebte meine Familie ein wundervolles<br />

Abschlusskonzert auf einem Schiff auf dem<br />

Ladogasee. Unsere Kinder waren begeistert.<br />

Die Besatzung des Schiffes war zuvorkommend,<br />

kompetent und verantwortungsbewusst.<br />

Es war der gelungene Abschluss<br />

einer rundum gelungenen einwöchigen<br />

Schiffsreise von Moskau nach Petersburg.<br />

Umso tiefer war der Schock, als wir von<br />

der Tragö<strong>die</strong> auf der Wolga erfuhren, und<br />

wie so oft drängte sich <strong>die</strong> Frage auf: Wie<br />

können sich in einem Land, das über so<br />

großartige, talentierte und begeisterungsfä-<br />

hige Menschen verfügt, <strong>die</strong> gut ausgebildet<br />

und engagiert sind, immer wieder solche<br />

Katastrophen ereignen? Die <strong>An</strong>twort ist<br />

ebenso grausam wie ernüchternd. Die Ursache<br />

der meisten Unglücke ist eine Mischung<br />

aus Inkompetenz, Verantwortungslosigkeit<br />

und hemmungsloser Gier.<br />

Jeder, der längere Zeit in Russland lebt oder<br />

arbeitet, liebt <strong>die</strong>ses Land, seine Menschen<br />

und das, was Ausländer gern mit „russischer<br />

Seele“ umschreiben. Aber jenseits <strong>die</strong>ser<br />

romantischen Verklärung werden schnell<br />

wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen<br />

als Ursachen sichtbar, <strong>die</strong> wir<br />

als AHK nur allzu oft thematisiert haben.<br />

Es mangelt an Transparenz, an ausgebildeten<br />

Facharbeitern und an Wettbewerb.<br />

Im konkreten Fall ist der Wettbewerb<br />

bei Kreuzfahrten zwar groß, aber auf<br />

Grund der drastischen Preissteigerungen<br />

<strong>für</strong> Schiffs<strong>die</strong>sel, <strong>die</strong> Marge extrem niedrig<br />

und damit <strong>die</strong> Bereitschaft zu notwendigen<br />

Reparaturen oder Inspektionen gering. Hier<br />

wirkt sich der mangelnde Wettbewerb auf<br />

dem Ölmarkt direkt aus. Verschärft wird<br />

<strong>die</strong> Situation dadurch, dass Genehmigungen<br />

auch in <strong>die</strong>ser Wirtschaftssphäre gegen<br />

Zahlung ausgestellt werden; dass dadurch<br />

Menschen zu schaden kommen können,<br />

spielt dabei leider keine Rolle.<br />

Die umgehende <strong>An</strong>ordnung des Präsidenten,<br />

alle Verkehrsmittel auf ihre Verkehrstauglichkeit<br />

zu prüfen und im Notfall<br />

aus dem Verkehr zu ziehen, ist natürlich<br />

richtig, wird solche Katastrophen jedoch<br />

nicht verhindern. Wir alle wollen, dass<br />

Russland zu dem Land wird, das es nach<br />

seinen Möglichkeiten sein könnte. Doch<br />

dazu ist es notwendig, <strong>die</strong> oft angekündigten<br />

Reformen auch endlich in <strong>An</strong>griff<br />

zu nehmen. Die AHK und damit <strong>die</strong><br />

deutsche Wirtschaft werden nicht müde<br />

werden, auf <strong>die</strong>sem Weg ihre aktive Hilfe<br />

anzubieten.<br />

Werden Sie fündig!<br />

Hier finden Sie <strong>die</strong><br />

aktuelle Ausgabe<br />

der MDZ:<br />

Deutsch-Russisches Haus Moskau, ul. Malaja<br />

Pirogowskaja 5; Deutsche Botschaft Moskau,<br />

ul. Mosfilmowskaja 56; Goethe-Institut, Leninskij<br />

Prospekt 95a; Deutsche Wohnsiedlung<br />

Wernadskogo, Prospekt Wernadskogo 103;<br />

Deutsches Historisches Institut, Nachimowskij<br />

Prospekt 51/52; Verband der Deutschen<br />

Wirtschaft, 1. Kasatschij Per. 5; Fluglinie Aeroflot,<br />

Flughafen Scheremetjewo 2; Flughafen<br />

Domodedowo<br />

Hotels<br />

National, Mochowaja 15/1; Metropol, Teatralnyj<br />

Per. 1/4; President Hotel, Bolschaja<br />

Jakimanka 24; Renaissance Hotel, Olimpiskij<br />

Prospekt 18/1; Radisson Slawjanskaja,<br />

Bereschkowskaja Nab. 2; Art Hotel, 3. Peschtschanaja<br />

ul. 2; Swiss-Hotel Krasnyje Cholmy,<br />

Kosmodamianskaja Nab. 52; Baltschug-<br />

Kempinski, ul. Baltschug 1; Marriott Aurora,<br />

Petrowka 11/20; Marriott Grand, Twerskaja<br />

26; Korston Hotel, Kossygina 15; Holiday<br />

Inn, ul. Lesnaja, 15; Sheraton Palace Hotel,<br />

1. Twerskaja-Jamskaja 19; Aquamarine Hotel,<br />

Oserkowskaja 26; Renaissance Moscow<br />

Monarch Centre Hotel, Leningradskij Prospekt<br />

31a, Gebäude 1<br />

Business-Zentren<br />

Business-Center ul. Bachrushina 32/1, Dukat<br />

Plaza 2, Gascheka 7; Olimpique Plaza, Prospekt<br />

Mira 33/1; Legion, Bolschaja Ordynka<br />

40; Proton, Nowozawodskaja ul. 22; World<br />

Trade Center, Krasnopresnenskaja Nab. 12;<br />

Business Center na Mochowoj, Mochowaja<br />

4/7, Gebäude 2; Business Center na Serebrjakowa,<br />

Pr. Serebrjakowa, 6<br />

Cafés, Restaurants<br />

Coffee Bean, Ul. Pjatnitskaja 5, Ul. Pokrowka<br />

18/3; Ul. Sretenka 22/1; Restaurant Deutsches<br />

Eck, Prospekt Wernadskogo, 103; Restaurant<br />

Starina Müller, Bolschaja Suharewskaja<br />

Ploschtschad, 9; Restaurant Mjasnoj Club,<br />

Kuznezkij Most, 19


06<br />

Moskauer<br />

.RU<br />

Sprechen<br />

lernen<br />

NETZWELTEN<br />

<strong>An</strong>deres Russland<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Bei „eRepublik“ bauen sich <strong>die</strong> User ihre eigene Welt – samt Krieg und Kommunisten<br />

Russland ist im Krieg mit Litauen, Lettland und der Türkei, hat <strong>die</strong> Chinesen<br />

mit einem Wirtschaftsembargo belegt. Die Kommunisten stellen<br />

zusammen mit der Mafia <strong>die</strong> Mehrheit in der Duma, Kaliningrad nennt<br />

sich Russlands Hauptstadt und <strong>die</strong> „Prawda“ ist eine oppositionelle Zeitung.<br />

Eine verkehrte Welt. Allerdings nur in der Online-Version des digitalen<br />

Strategiespiels „eRepublik.com“. MDZ-Autorin Yulia Abdullaeva<br />

hat mitgespielt – und so einige erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.<br />

wiki.erepublik.com<br />

podfm.ru<br />

Wer gern Geschichten hört, mehr<br />

über Nachrichtenlage in der Welt<br />

erfahren will oder auch einmal zwei<br />

Russen bei einem Gespräch über<br />

typisch deutsche Gewohnheiten<br />

zuhören will, dem bietet <strong>die</strong> Seite<br />

podfm.ru so einiges an Unterhaltung,<br />

<strong>die</strong> nicht selten zum Schmunzeln<br />

bringt. Unter Rubriken wie Politik,<br />

Business, Technologie, Reise, Kino,<br />

Meinungen, Kultur & Kunst finden<br />

sich so genannte Podcasts <strong>für</strong> jeden<br />

Geschmack. Mal kommen sie ganz<br />

professionell daher, wie der täglich<br />

erscheinende Podcast von BBC<br />

Russland, mal mit einem Augenzwinkern<br />

wie der „Informelle Reiseführer<br />

durch Europa“. Die meist<br />

halbstündigen Beiträge lassen sich<br />

entweder direkt auf der Homepage<br />

anhören oder im MP3-Format herunterladen.<br />

Umsonst, versteht sich.<br />

Wen <strong>die</strong> Kreativität packt, hat <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, unter <strong>An</strong>leitung sogar<br />

seinen eigenen Podcast zu erstellen<br />

und zu veröffentlichen. Mit einem<br />

Abo liefert <strong>die</strong> Seite podfm.ru den<br />

Lieblingspodcast auch frei Haus auf<br />

den Rechner. <br />

mari<br />

Essen wie <strong>die</strong><br />

Vorfahren<br />

syrnikov.ru<br />

Schon sein Name klingt wie eine<br />

Speise. Mit Quark angerührt, in der<br />

Pfanne gebraten. Doch Maxim Syrnikow<br />

kann sicher nicht nur Syrniki auf<br />

den Tisch bringen, <strong>die</strong>se russischen<br />

Quarkküchlein. Auf seiner Homepage<br />

syrnikov.ru liefert der Profi-Koch den<br />

Beweis – und bringt allerlei Essbares<br />

in <strong>die</strong> digitale Welt. Eigentlich ist<br />

der 45-Jährige Wachmann an einer<br />

Tankstelle. Zumindest ist das in seinen<br />

Arbeitsunterlagen verzeichnet.<br />

Doch seine Leidenschaft gilt dem<br />

Kochen, Backen, Würzen. Eines Tages<br />

setzte er sich ins Auto und fuhr drauf<br />

los – zu den Babuschkas, <strong>die</strong> ihm <strong>die</strong><br />

alten russischen Kochrezepte verraten<br />

sollten. Solch Nationalgerichte<br />

wie Kalitotschka aus Karelien (sie<br />

sollen an <strong>die</strong> russischen Piroschki<br />

erinnern), <strong>die</strong> Brötchen namens<br />

Schaneschki oder <strong>die</strong> Suppe „Botwinja“<br />

wären vielleicht ohne ihn verloren<br />

gewesen. Nun stehen sie in Syrnikows<br />

Kochbuch – und auf der Seite, <strong>die</strong><br />

sehr schlicht gehalten ist. Manche<br />

Gerichte werden mit Bildern versehen,<br />

das Aussehen anderer ließe sich<br />

wohl nur durchs eigene Kochen und<br />

Backen erfahren. Um dem Ganzen<br />

einen altertümlichen <strong>An</strong>strich zu verpassen,<br />

hat Syrnikow einige Wörter<br />

ins Altrussische gesetzt. Das tut der<br />

Lust, <strong>die</strong> Rezepte nachkochen zu<br />

wollen, keinen Abbruch. Also ran an<br />

<strong>die</strong> Töpfe! <br />

inn<br />

Es geht um ein Massen-Online-<br />

Spiel, das seit Oktober 2008 existiert.<br />

Der Franzose Alexis Bonte,<br />

der Gründer der „eRepublik“<br />

beschreibt seine Schöpfung so:<br />

„Wir bieten den Menschen einen<br />

Platz, wo sie eine schnelle Testversion<br />

des realen Lebens ausprobieren<br />

können.“ Jeder Spieler wählt<br />

selbst, womit er sich beschäftigen<br />

will: Politik, Wirtschaft, Journalistik<br />

oder Militär. Das Land ist<br />

auch frei wählbar. Doch Achtung:<br />

Einige Teile des Landes könnten<br />

okkupiert sein. Es gibt zwei große<br />

Herausforderungen, <strong>die</strong> zu überleben<br />

helfen: Handel und Krieg.<br />

Freunde und <strong>An</strong>hänger lassen sich<br />

in politischen Parteien finden.<br />

Im Gegensatz zu den meisten<br />

digitalen Spielen verlangt „eRepublik“<br />

einem weniger Zeit ab.<br />

Zehn Minuten am Tag reichen<br />

vollkommen aus, um alle Aufgaben<br />

– vom Essen über Sport bis<br />

hin zur Teilnahme an Parteisammlungen<br />

– zu erfüllen. Doch kaum<br />

ist man Neubürger der Republik<br />

geworden, steckt man auch schon<br />

drin. Schließlich wollen <strong>die</strong> eigenen<br />

Ideen realisiert werden. „Viele<br />

User bringen in der eRepublik<br />

ihre echten Leidenschaften und<br />

Wünsche ein“, sagt Bonte. Beispiel:<br />

Russland hat bereits zweimal <strong>die</strong><br />

USA angegriffen. Mit Erfolg. Seit<br />

März 2011 befinden sich mehr als<br />

20 eLänder im Krieg. Im fünften!<br />

Russland und <strong>die</strong> USA gehören zu<br />

einer Koalition. „Terra“ nennt sie<br />

sich. Deutschland und Japan sind<br />

auch dabei. Glücklicherweise nur<br />

in der digitalen Welt.<br />

Der 34-jährige Bonte hat in seinem<br />

Spiel seine eigenen Ambitionen<br />

verwirklicht: Zu Beginn<br />

gründete er eine Partei und ließ<br />

sich zum Präsidenten von „eFrankreich“<br />

wählen. Nach seiner „Amtszeit“<br />

stellt er ernüchtert fest: „Als<br />

Unternehmer glaube ich an niedrige<br />

Steuern und Konkurrenz. In<br />

dem Spiel habe ich alle meine<br />

Ideen realisiert, und Frankreich<br />

schlitterte in <strong>die</strong> Staatspleite. Ich<br />

war ein schrecklicher Präsident.<br />

Das Parlament hat eine Klage<br />

gegen mich erhoben. Meine Partei<br />

fiel bei den nächsten Wahlen bei<br />

den Leuten komplett durch.“<br />

„eRepublik“ bestimmt nicht,<br />

welche politischen und gesellschaftlichen<br />

Systeme aufgebaut<br />

werden sollen, erzählt Bonte. Es<br />

gibt erfolgreiche kommunistische<br />

Gesellschaften. In Pakistan wollte<br />

ein Spieler „göttlicher Imperator“<br />

werden. Und er wurde gewählt.<br />

Jeder kann hier einiges auf <strong>die</strong><br />

Beine stellen. Im echten Leben<br />

können <strong>die</strong> Menschen nur selten<br />

<strong>die</strong> Weltgeschichte beeinflussen,<br />

bei „eRepublik“ funktioniert das<br />

wunderbar.<br />

Die oppositionelle Presse ist laut<br />

und spricht ganz offen. Täglich<br />

erscheinen Aufrufe à la „Alle, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Übermacht der Dummköpfe<br />

in unserem Kabinett satt haben,<br />

können sich unserer Koalition<br />

anschließen. Befreie Russland!“.<br />

Dieser Artikel ist mit Aufnahmen<br />

Trickfilmfiguren wie der „Briefträger Petschkin“ mischen bei „eRepublik“ auch mit.<br />

von echten Kundgebungen illustriert.<br />

Trotz der großen Zahl der<br />

Nicht-Einverstandenen hat der<br />

gewählte Präsident mit dem hübschen<br />

Namen „Axithe“ mehr als 60<br />

Prozent aller Stimmen geholt. Um<br />

satt und sicher zu leben, schließt<br />

man sich am besten der regierenden<br />

Partei an. Wie in der Realität.<br />

Die Gründer der „eRepublik“<br />

meinen, ihr Projekt sei auch <strong>für</strong><br />

Psychologen interessant: Schließlich<br />

lasse sich daran sehen, wie<br />

idealistisch <strong>die</strong> Träume der Menschen<br />

seien.<br />

Die „eRepublik“ hat sogar ihr eigenes<br />

Wikipedia. Die Wiki-basierte,<br />

mehrsprachige Enzyklopä<strong>die</strong> existiert<br />

seit 2008 und hat mittlerweile<br />

mehr als 16 000 Artikel in 36 Sprachen.<br />

Runet bietet außerdem einige<br />

Seiten <strong>für</strong> <strong>die</strong> russischsprachigen<br />

Spieler. Die größte, www.erespublika.ru,<br />

berichtet täglich über alles,<br />

was in „eRussland“ passiert. Auf<br />

der Titelseite gibt es drei Rubriken:<br />

wirtschaftliche und geopolitische<br />

Nachrichten, Bestimmungen des<br />

Verteidigungsministeriums und<br />

eine Liste von Schlüsselfiguren in<br />

der Regierung. Es gibt auch zahlreiche<br />

Artikel und <strong>An</strong>weisungen<br />

<strong>für</strong> Neulinge.<br />

2011 hat <strong>die</strong> britische Zeitung<br />

„The Daily Telegraph“ <strong>die</strong> Onlinewelt<br />

von Alexis Bonte zu einem der<br />

besten Start-Up Projekte des Jahres<br />

ernannt. Das Spiel wird auch<br />

von den Spielern hoch geschätzt:<br />

„eRussland hat ein dramatisches<br />

Schicksal. Es hat heftigen Aufschwung<br />

erfahren und vernichtende<br />

Schläge, unsterbliche Helden<br />

und erbärmliche Verräter erlebt.<br />

Der Hauptwert <strong>die</strong>ses Spiels sind<br />

<strong>die</strong> Menschen, ihre Individualität<br />

kann sich hier mehr als irgendwo<br />

anders im Netz zeigen. Unabhängig<br />

davon, wer man ist, kann man<br />

in eRepublik zur Legende werden“,<br />

schreibt einer.<br />

Das virtuelle Russland scheint<br />

paradox und absurd. Doch unterscheidet<br />

es sich nicht so sehr von<br />

seinem realen Urbild. Sciencefiction-Autor<br />

Sergej Djatschenko<br />

schrieb in seinem Roman „Hinrichtung“:<br />

„Diejenigen, <strong>die</strong> wirklich ein<br />

warmes Plätzchen finden können,<br />

finden das in jeder Welt. Sie spielen<br />

große Politik und wirtschaften<br />

mit Millionen – und glauben<br />

nicht an Märchen.“ Die digitale<br />

Welt der „eRepublik“ hat <strong>die</strong>selben<br />

Werte: Brot, Waffen und mächtige<br />

Bekannte. Seinen Weg wählt jeder<br />

selbst.<br />

Gegen Schwule gewettert – vom Posten geflogen<br />

Der Erfinder einer digitalen Utopie: der Franzose Alexis Bonte.<br />

Journalist wünschte in seinem Blog „allen Schwuchteln“ den Tod, nun sucht er einen neuen Job<br />

Er schrieb über „Verbrecher“, über<br />

menschliche Abweichungen und<br />

Gefahren auf den Flugplätzen <strong>die</strong>ser<br />

Erde. Über Laserangriffe auf<br />

Flugzeuge, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Piloten bei der<br />

Landung blenden. Nikolaj Troizkij<br />

verfasste <strong>die</strong>se Meldung <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> russische Nachrichtenagentur<br />

RIA Nowosti. Es war seine letzte.<br />

Denn <strong>die</strong> staatliche Agentur hat<br />

sich in <strong>die</strong>sem Monat von Troizkij<br />

getrennt – wegen Aufwiegelung zur<br />

Gewalt gegen Homosexuelle und<br />

Verstoßes gegen den Ethik-Kodex<br />

der Nachrichtenagentur.<br />

Eine Bombe müsste gebaut werden,<br />

„<strong>die</strong> nur Schwuchteln tötet.<br />

Wenn <strong>die</strong>se perversen Schweine<br />

verrecken würden, wäre <strong>die</strong> Erde<br />

viel sauberer“, schrieb Troizkij und<br />

bezog sich dabei auf <strong>die</strong> Gay-Parade<br />

in Berlin. Natürlich nicht als politischer<br />

Korrespondent, sondern in<br />

seinem Blog „kutuzov.livejournal.<br />

com“. „Ich wiederhole: Das hat<br />

weder mit Freiheit noch mit Demokratie<br />

zu tun. Das sind Viecher, <strong>die</strong><br />

das menschliche <strong>An</strong>tlitz verloren<br />

haben. In Russland wird es so<br />

etwas Abscheuliches nicht geben.“<br />

Er meinte das ernst, wie auch sein<br />

mittlerweile ehemaliger Arbeitgeber<br />

es ernst mit der Kündigung Troizkijs<br />

meint. „Wir unterziehen <strong>die</strong><br />

Blogs unserer Journalisten keinerlei<br />

Zensur, dennoch müssen sie ihre<br />

Meinung auf zivilisierte Weise zum<br />

Ausdruck bringen“, sagte <strong>die</strong> RIA-<br />

Nowosti-Chefredakteurin Swetlana<br />

Mironjuk.<br />

Der Skandal löste zahlreiche Reaktionen<br />

im Runet aus. Die einen<br />

beharren darauf, Troizkij habe<br />

lediglich seine persönliche Meinung<br />

ausgedrückt, <strong>die</strong> rein gar nichts<br />

mit seinem Job zu tun habe. Die<br />

anderen setzen sich vehement da<strong>für</strong><br />

ein, sowohl im Privaten als auch im<br />

Beruflichen müsse man „aufrichtig<br />

und verantwortlich“ reagieren, wie<br />

es Wladimir Warfolomejew vom<br />

Radiosender „Echo Moskwy“ nannte.<br />

Der Journalist Sergej Parchomenko<br />

teilte auf der Seite „Snoba“<br />

mit: „Jeder, egal ob professioneller<br />

Journalist oder Blogger, muss sich<br />

dessen bewusst sein, dass er unter<br />

seinem eigenen Namen schreibt.<br />

Also muss er auch dazu stehen, was<br />

er da verfasst hat, sich dem stellen.“<br />

Auch Troizkij steht zu seinen Äußerungen<br />

– und weiterhin zu seiner<br />

homophoben Meinung. „Man hat<br />

mich der political correctness und<br />

den europäischen Werten geopfert“,<br />

schrieb er in seinem Blog. inn<br />

Grundstück zu verkaufen,<br />

14,36 Hektar<br />

Noworischskoje Chaussee,<br />

45 km vom MKAD,<br />

Grundstück erschlossen,<br />

<strong>für</strong> industriellen Gebrauch<br />

Alle Dokumente geschäftsfertig<br />

Tel: +7 (910) 44 11 22 9


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Verluste an der Heimatfront<br />

01<br />

Er war einer der 279 000 Einberufenen<br />

im ganzen Land. Und ist<br />

einer der neun Toten von mehr als<br />

3 000 „nicht statutgemäßen Beziehungen“,<br />

wie <strong>die</strong> Armeesprache<br />

<strong>die</strong> Verbrechen beim russischen<br />

Militär nennt. Statistiken. Militärstaatsanwalt<br />

Sergej Fridinskij<br />

legt sie jedes Jahr vor. Seit Jahren<br />

steigen <strong>die</strong> Zahlen. Dabei hätten sie<br />

abnehmen sollen, sagt Fridinskij.<br />

Das sagten auch <strong>die</strong> Be<strong>für</strong>worter<br />

der Reformen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Zahl von<br />

Berufssoldaten, der „Kontraktniki“,<br />

auf bis zu 15 Prozent aller Armeeangehörigen<br />

anheben wollen. Die<br />

Dienstzeit sei doch nun kürzer.<br />

Es seien auch offizielle Stellen<br />

geschaffen worden – wenn auch zu<br />

wenige, an <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Gepeinigten<br />

in ihrer Not wenden könnten.<br />

Warum also schwindet <strong>die</strong> Zahl<br />

der Opfer nicht? Die Zahl der<br />

Geschundenen, Drangsalierten,<br />

Gedemütigten? Der Toten? Er findet<br />

keine <strong>An</strong>twort. Nur Statistiken.<br />

2009 seien es 2 663 Fälle gewesen,<br />

2010 um ein Drittel mehr. 1 400<br />

Soldaten und Offiziere seien im<br />

vergangenen Jahr verurteilt worden,<br />

doppelt so viel wie noch ein<br />

Jahr zuvor. Auch in den ersten<br />

Monaten <strong>die</strong>ses Jahres habe es<br />

bereits zwei Tote gegeben.<br />

„Das Armeesystem Russlands<br />

ist ein wahres Schachspiel. Die<br />

jungen Soldaten sind <strong>die</strong> Bauern,<br />

sie fliegen als Erste. Sie werden<br />

bei der kleinsten Störung umgeworfen,<br />

gebrochen. Und ist einer<br />

erst mal weg, kräht kein Hahn<br />

mehr nach ihm. Es gibt ja weitere<br />

Bauern. Es ist eine grausame<br />

Tradition.“ Veronika Martschenko<br />

wählt drastische Worte, hier in<br />

ihrem vollgestellten Büro im Moskauer<br />

Zentrum. Die 42-Jährige ist<br />

<strong>die</strong> Vorsitzende der Stiftung „Das<br />

Recht der Mutter“, einer aus dem<br />

Ausland finanzierten Organisation,<br />

<strong>die</strong> sich um <strong>die</strong> Familien der<br />

in der Armee getöteten Soldaten<br />

kümmert. Martschenko hat zu viel<br />

gesehen, zu viel gehört, als dass<br />

sie zimperlich mit ihren Sätzen<br />

umgehen könnte. Seit 1989 kämpft<br />

sie den Kampf. Seit eine Mutter sie<br />

anrief und von ihrem toten Sohn<br />

sprach. Martschenko fuhr hin,<br />

sammelte Materialien, veröffentlichte<br />

schließlich in der Zeitschrift<br />

„Junost“ ihren Text. „Rost“ hatte<br />

sie ihn genannt, beschrieb darin<br />

<strong>die</strong> Qualen, <strong>die</strong> Demütigungen des<br />

Soldaten Sascha Alurdos. Nach<br />

sechs Monaten nahm er den Strick.<br />

Sascha Ussatschow schoss sich<br />

nach vier Monaten in den Kopf.<br />

Wie sagte doch Lenin 1918? „Das<br />

Militärwesen auf echte Weise kennen<br />

lernen!“ Ein Satz, den im flächengrößten<br />

Staat der Erde jeder<br />

kennt. Die systematische Misshandlung<br />

der Soldaten, <strong>die</strong> brutale<br />

Herrschaft der Älteren über <strong>die</strong><br />

Jüngeren, der Stärkeren über <strong>die</strong><br />

Schwächeren gehört seit Jahrhunderten<br />

zur <strong>Macht</strong>konstruktion in<br />

der russischen Armee. „Dedowschtschina“,<br />

<strong>die</strong> Herrschaft der<br />

Großväter, findet sich in jedem<br />

modernen russischen Wörterbuch.<br />

Das Wort schreibt sich längst ohne<br />

<strong>An</strong>führungszeichen, es ist jedem<br />

ein Begriff. „Es herrscht das Faustrecht.<br />

Ein wahrer Darwinismus“,<br />

sagt Veronika Martschenko. Häufig<br />

konfiszieren <strong>die</strong> Offiziere den<br />

privaten Besitz ihrer Soldaten, sie<br />

„Das Armeesystem Russlands ist ein Schachspiel. Die<br />

jungen Soldaten sind <strong>die</strong> Bauern, sie fliegen als Erste.“<br />

Veronika Martschenko, Vorsitzende der Stiftung<br />

„Das Recht der Mutter“<br />

„Viele Männer verlassen <strong>die</strong> Armee mit<br />

Traumata“, sagt Veronika Martschenko<br />

von „Das Recht der Mutter“.<br />

Inna Hartwich<br />

nehmen sich ihre Essensrationen,<br />

nehmen sich den Sold. Sie missbrauchen<br />

sie als Arbeitssklaven,<br />

mag der Job noch so sinnlos und<br />

demütigend sein, verleihen sie<br />

gar als Fremdarbeiter an Firmen<br />

– gegen Geld. Sie quälen, prügeln,<br />

vergewaltigen. Bereits im 19.<br />

Jahrhundert tauchten <strong>die</strong> ersten<br />

„Dedowschtschina“-Fälle auf. 1919<br />

quälten drei Soldaten in der Roten<br />

Armee einen Kameraden zu Tode.<br />

Erst seit 1982 werden <strong>die</strong> Gewaltfälle<br />

untersucht. „Mittlerweile bilden<br />

sich nicht mehr so schnell <strong>die</strong><br />

Hierarchien heraus. Heutzutage<br />

sind es nicht nur Offiziere, <strong>die</strong><br />

ihre Untergebenen misshandeln,<br />

es können auch Soldaten ihre<br />

Kameraden oder Soldaten ihre<br />

Vorgesetzen quälen. Das Recht<br />

des Stärkeren siegt. Das Problem<br />

bleibt aber. Viele Männer verlassen<br />

<strong>die</strong> Armee mit Traumata jeglicher<br />

Art“, sagt Veronika Martschenko<br />

und geht ans Telefon. Es ist wieder<br />

eine Mutter, <strong>die</strong> ihr Kind verloren<br />

hat, <strong>die</strong> nach Hilfe sucht. <strong>An</strong> der<br />

Wand neben ihr hängt ein Plakat.<br />

„Das Schwierige ist etwas, das man<br />

sofort erledigen kann, das Unmögliche<br />

wird einige Zeit in <strong>An</strong>spruch<br />

nehmen“, steht darauf. „Ich bin<br />

froh, dass ich eine Tochter habe“,<br />

sagt sie später.<br />

Dedowschtschina<br />

Manchmal schließt Natalja<br />

Ussatschowa wirklich <strong>die</strong> Augen,<br />

träumt sich weg. Sie versucht<br />

es, immer und immer wieder. Es<br />

gelingt ihr nicht. Es gibt keinen Ort,<br />

an den sie fliehen könnte, alles hinter<br />

sich lassen, <strong>die</strong> Erinnerungen,<br />

<strong>die</strong> Tränen, <strong>die</strong> Schmerzen. Ihre<br />

Tabletten. Es gibt nichts, das sie<br />

aus <strong>die</strong>ser Ein-Zimmer-Wohnung<br />

mit einem Mini-Balkon in <strong>die</strong>sem<br />

fünfstöckigen grauen Backsteinbau<br />

katapultieren könnte, aus <strong>die</strong>sem<br />

Dorf, das sich einst vom Holzverarbeitungswerk<br />

ernährte und im<br />

Kulturhaus 200 Meter weiter laute<br />

Feste feierte. Zwei Straßen sind<br />

geblieben, staubige Wege mit einer<br />

Bushaltestelle. Keiner hier nennt<br />

den Ort Juschnyj, jeder spricht<br />

nur von Dok, dem Werk. Doch <strong>die</strong><br />

Fabrik hat längst zugemacht, der<br />

Klub bröckelt vor sich hin.<br />

Zu viert haben sie in der Wohnung<br />

gelebt. Vater, Mutter, Tochter,<br />

Sohn. Das Ehebett hatten sie mit<br />

einem Vorhang abgetrennt, <strong>die</strong><br />

Kinder schliefen auf dem Sofa. Die<br />

Kinder machten ohnehin vieles<br />

gemeinsam. In <strong>die</strong> Schule laufen,<br />

zu den Verwandten fahren, auf der<br />

Datscha helfen. Natalja Ussatschowa<br />

schaut sich gern <strong>die</strong> Bilder an.<br />

Fotos von früher, von glücklichen<br />

Zeiten. Sascha, der schüchtern<br />

dreinblickende Junge. Sascha, der<br />

Schaschlik kauende Sohn. Sascha<br />

mit Marina, der Schwester. Sie<br />

posieren vor der Kamera, sie umarmen<br />

den Vater, stoßen mit der<br />

Mutter auf das Neue Jahr an. Natalja<br />

Ussatschowa lächelt, streicht<br />

über das Gesicht ihres Sohnes.<br />

Sie strich ihm auch über den<br />

Kopf, als sie ihn aus der Kaserne<br />

brachten. Tot. „Warum?“ Die<br />

Tränen laufen ihr über <strong>die</strong> Wangen.<br />

Er hinterließ nichts, keinen<br />

Abschiedsbrief, keine Erklärungen.<br />

Es bleiben nur <strong>die</strong> Gedanken. Ihre<br />

Erinnerungen an <strong>die</strong> Besuche bei<br />

den Verwandten in Tambow. Ihre<br />

Vorstellungen von der Zukunft.<br />

„Er wäre Polizist geworden, ein<br />

guter Ehemann, ein sich sorgender<br />

Vater.“ Ihr Mann Wladimir spricht<br />

nicht gern über den Tod. Er arbeitet,<br />

um seinen Schmerz loszuwerden.<br />

Es hilft nicht.<br />

Suizid ist eine der häufigsten<br />

Ursachen, aus der Armee auszuscheiden,<br />

ein Drittel wählt den<br />

Freitod. <strong>An</strong>dere 30 Prozent der<br />

Militärs erkranken schwer, werden<br />

entlassen. Und ein weiteres Drittel<br />

verletzt sich bei Unachtsamkeiten<br />

– weil es eine Waffe nicht benutzen<br />

kann, <strong>die</strong> Instruktion nicht richtig<br />

befolgt hat. „Immer noch versucht<br />

<strong>die</strong> Armee, viele Fälle zu vertuschen“,<br />

sagt Veronika Martschenko.<br />

„Meist wird der Tod eines Soldaten<br />

als Unfall vermeldet. Manche Militärärzte<br />

verschließen <strong>die</strong> Augen,<br />

untersuchen den Fall nicht weiter.<br />

In vielen Fällen ist es Mord.“<br />

Am 29. März 2010 riefen sie an,<br />

morgens um 10. Irgendein Mann,<br />

später noch einer. Sie sagten, was<br />

Natalja Ussatschowa nie hören<br />

wollte. Sie fiel um. Vier Mal hatte<br />

sie ihren Sascha gesehen, seit er in<br />

der Kaserne war. Die Haare kurz<br />

unter der grauen Armeemütze.<br />

„Es geht mir gut, Mama“, sagte er,<br />

bei den Besuchen zu Hause, am<br />

Telefon. Sie gab ihm Geld. Immer<br />

wieder 150 Rubel, dann 8 000 Rubel<br />

– <strong>für</strong> den Führerschein. 30 000<br />

Rubel konnte er nicht mehr aufbringen.<br />

30 000, von denen sie erst<br />

später hörte, im Gericht. Da sah sie<br />

den Offizier ihres Sohnes wieder,<br />

den 24-jährigen Wladimir Frisen.<br />

Die Herrschaft der „Deds“, der Großväter, nennt sich das hierarchische System in der russischen Armee, das <strong>die</strong> Misshandlung<br />

von Rekruten bezeichnet. In der offiziellen Militärsprache heißt es „nicht statutgemäße Beziehungen“ und bezeichnet damit<br />

alle Fälle, <strong>die</strong> nicht in den Regularien der Armee beschrieben werden. Meist geht es dabei um <strong>die</strong> Misshandlung von Jüngeren<br />

durch <strong>die</strong> Älteren. Mittlerweile wird der Begriff auch verwendet, um alle Fälle von Gewalt zwischen Militärangehörigen in der<br />

Armee zu bezeichnen.<br />

Der Begriff stammt aus dem Militärslang. Als <strong>die</strong> Dienstzeit noch bei zwei Jahren lag, wurden <strong>die</strong> jungen Männer, <strong>die</strong> kurz vor<br />

der Einberufung standen, als „Gerüche“ bezeichnet. „Igel“ oder „Spatzen“ hießen <strong>die</strong> Soldaten, <strong>die</strong> weniger als ein halbes Jahr<br />

ge<strong>die</strong>nt haben, „Raben“ waren solche, <strong>die</strong> seit einem halben Jahr dabei waren. „Fasanen“ hießen Soldaten, <strong>die</strong> seit einem Jahr<br />

<strong>die</strong>nten. Und „Großväter“, <strong>die</strong> mehr als 1,5 Jahre in der Armee waren. Die erste und wichtigste Regel in <strong>die</strong>sem System: „Der<br />

Großvater hat immer Recht“.<br />

Am 1. Januar 2008 wurde <strong>die</strong> Dienstzeit in Russland auf ein Jahr verkürzt.<br />

Laut <strong>die</strong>sjähriger Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums in Moskau wollen 54 Prozent aller Befragten ihre Verwandten<br />

nicht in der russischen Armee sehen. 41 Prozent von ihnen suchen nach Mitteln, nicht hingehen zu müssen. Die meisten zahlen<br />

Schmiergelder. Die Soziologen befragten 1600 Menschen ab 18 Jahren in 130 Orten aus 45 Regionen Russlands.<br />

Zwei besonders schwere Dedowschtschina-Fälle wurden auch international bekannt. Fall <strong>An</strong>drej Sytschow: In der Neujahrsnacht<br />

2006 prügeln mehrere Rekruten in Tscheljabinsk stundenlang auf den 19-jährigen Sytschow ein. Die Ärzte amputieren<br />

ihm später beide Beine, Teile des rechten Armes und <strong>die</strong> Genitalien. Im September 2006 verurteilt das Garnisongericht in<br />

Tscheljabinsk den Hauptangeklagten Alexander Siwjakow zu vier Jahren Haft. Zwei weitere <strong>An</strong>geklagte bekommen eine<br />

Freiheitsstrafe von 1,5 Jahren. Sie wird auf Bewährung ausgesetzt.<br />

Fall Roman Suslow: Im Mai 2010 macht sich der junge Soldat Suslow aus Omsk in seine Kaserne in Bikin an der chinesischen<br />

Grenze auf. Er kommt nie dort an. Die Eltern werden über den Tod ihres Sohnes informiert. Er habe sich umgebracht, heißt es.<br />

Die Suslows werfen der Armee vor, ihrem Roman seien Organe entnommen worden. Die Stiftung „Das Recht der Mutter“ kann<br />

<strong>die</strong> Organentnahme nicht bestätigen. Die Verhandlungen dauern weiter an. <br />

inn<br />

GESELLSCHAFT<br />

07<br />

Alexander Ussatschow (oben) trug nur kurz seine Armee-Uniform. Nach vier<br />

Monaten brachte das Militär seine Leiche zu seiner Mutter Natalja nach Juschnyj.<br />

„Er war immer so nett zu Sascha.“<br />

Frisen saß auf der <strong>An</strong>klagebank<br />

– wegen Misshandlung ihres<br />

Sohnes. Soldaten erzählten von<br />

systematischen Geldforderungen<br />

Frisens, von Streit mit Alexander<br />

Ussatschow. Keiner hatte den<br />

Schuss gehört. Einer der Befehlshaber<br />

hatte am Morgen <strong>die</strong> Leiche<br />

gefunden.<br />

Sieben Monate und 17 Tage nach<br />

Alexander Ussatschows Beerdigung<br />

sprach der Richter sein Urteil:<br />

„4,5 Jahre Strafkolonie wegen<br />

Korruption und Überschreitung<br />

der Kompetenzen mit schwerwiegenden<br />

Folgen“. Natalja Ussatschowa<br />

schließt <strong>die</strong> Augen. Sie weint.<br />

autor.info<br />

Eine dicke Scheibe Brot, eine<br />

genau solche Schicht Butter<br />

und Wurst darauf. Wurst! Natalja<br />

Ussatschowa ist besorgt.<br />

Jemand, der reist, müsse gut<br />

essen, sagt sie. Das „Butterbrot“<br />

liegt vor mir, ich beiße hinein.<br />

Auch wenn ich seit Jahren keine<br />

Wurst mehr zu mir genommen<br />

habe. Erst dann fängt sie<br />

an zu erzählen. Sie erlebt <strong>die</strong><br />

Geschichte noch einmal, <strong>die</strong>se<br />

Geschichte, <strong>die</strong> sie ihre Außenwelt<br />

nur noch mit Tabletten<br />

ertragen lässt – den Tod ihres<br />

Sohnes bei der russischen<br />

Armee. Natalja Ussatschowa<br />

weint, sie entschuldigt sich, geht<br />

immer wieder ins Bad. Dann<br />

fragt sie: „Haben Sie noch Fragen?“<br />

Höflich, leise. Wie beendet<br />

man das Gespräch, wie verlässt<br />

man einen Menschen, der noch<br />

einmal das Schrecklichste in<br />

seinem Leben ertragen musste?<br />

Stille. Was ist da schon ein<br />

Wurstbrot! Inna Hartwich<br />

privat, Inna Hartwich


08<br />

Moskauer<br />

Von Petersburger Träumen<br />

<strong>An</strong>ne Hofinga ist einen großen<br />

Schritt weiter. Wieder ein bisschen<br />

näher an einem sozialeren Russland.<br />

In <strong>die</strong>sem Jahr nimmt beim<br />

Petersburger Dialog das von ihr<br />

initiierte Sozialforum <strong>die</strong> Arbeit<br />

auf.<br />

Hofinga hat ganz klein angefangen.<br />

Sie wollte Russischlehrerin<br />

werden und verbrachte deshalb ein<br />

Jahr ihres Studiums in der Sowjetunion.<br />

Nach dem Zusammenbruch<br />

des Systems baten ehemalige Stu<strong>die</strong>nkollegen<br />

aus Russland um<br />

humanitäre Hilfe. Hofinga startete<br />

daraufhin in Deutschland einen<br />

Spendenaufruf – und sammelte<br />

prompt mehr, als sie gehofft<br />

hatte. Den Spendern verpflichtet<br />

ging sie als junge Frau nach Russland.<br />

Ge plant waren zwei Jahre<br />

– daraus sind inzwischen mehr als<br />

20 geworden. Noch 1990 gründete<br />

sie den Verein „Russlandhilfe“,<br />

1998 das russische Pendant „Zentrum<br />

Perspektive“ in Moskau, das<br />

seither zahlreiche russische NGOs<br />

koordiniert und fördert.<br />

Seit einigen Jahren ist <strong>An</strong>ne<br />

Hofinga, 52 Jahre alt, auch beim<br />

Petersburger Dialog in der Arbeitsgruppe<br />

<strong>für</strong> Zivilgesellschaft aktiv.<br />

Jahrelang warb sie <strong>für</strong> ihre Idee<br />

eines Sozialforums. Unterstützung<br />

habe sie besonders bei russischen<br />

Vertretern bekommen. „<strong>An</strong>ders<br />

als manch einer vielleicht denken<br />

mag, ging gerade auf der russischen<br />

Seite alles ziemlich schnell und<br />

unkomp liziert“, sagt Hofinga. 2010<br />

wurde das Sozialforum offiziell mit<br />

sechs Gründer-NGOs ins Leben<br />

gerufen, in <strong>die</strong>sem Jahr nimmt das<br />

Forum seine Arbeit auf.<br />

Das Sozialforum hat es sich<br />

zur Aufgabe gemacht, den Fachaustausch<br />

zu fördern und neue<br />

Themen anzupacken, und zwar<br />

sowohl auf russischer als auch auf<br />

deutscher Seite. Als Plattform <strong>für</strong><br />

das Sozialforum wird weiterhin<br />

der Petersburger Dialog <strong>die</strong>nen,<br />

ab <strong>An</strong>fang Juli zudem eine eigene<br />

Homepage. Interesse an dem<br />

Forum hätten bereits über 120<br />

meist russische, aber auch deutsche<br />

Organisationen angemeldet,<br />

sagt <strong>An</strong>ne Hofinga. Zu den Themen<br />

des Forums gehören zum<br />

Beispiel <strong>die</strong> Erwachsenenförderung<br />

von geistig behinderten Menschen,<br />

<strong>die</strong> Wiedereingliederung<br />

von jugendlichen Strafgefangenen,<br />

<strong>die</strong> Integration und Begleitung von<br />

Migranten und <strong>die</strong> Arbeit mit verhaltensauffälligen<br />

Kindern.<br />

Dem Petersburger Dialog<br />

schreibt Hofinga eine sehr wichtige<br />

Rolle zu. Nicht unbedingt<br />

wegen der Ergebnisse, <strong>die</strong> er hervorbringt,<br />

sondern vor allem aufgrund<br />

des Zugangs, den er kleinen<br />

Nichtregierungsorganisationen<br />

zu höheren staatlichen Ebenen<br />

in Russland verschafft und seiner<br />

konkreten Wirkung auf <strong>die</strong><br />

Politik. Russische Organisationen<br />

hätten oft mit Behörden zu kämpfen,<br />

<strong>die</strong> ihnen beispielsweise willkürlich<br />

das kostenlose Nutzungsrecht<br />

von Räumen entzögen, so<br />

Hofinga. Unterstützer mit Einfluss<br />

seien schwer zu finden. Dank des<br />

Petersburger Dialogs bewege sich<br />

allerdings etwas, und zwar auch<br />

auf höchster Ebene.<br />

In seiner Rede an <strong>die</strong> Nation<br />

2009 habe Dmitrij Medwedew<br />

im <strong>An</strong>schluss an den Dialog vom<br />

Sommer 2009 zum ersten Mal in<br />

aller Ausführlichkeit soziale Probleme<br />

angesprochen und Begriffe,<br />

<strong>die</strong> beim Petersburger Dialog<br />

geprägt worden seien, übernommen,<br />

sagt <strong>An</strong>ne Hofinga. Aber<br />

auch im kleineren Maßstab habe<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Unter dem Motto „Bürger, Gesellschaft und Staat – Partner<br />

im Modernisierungsprozess“ treffen sich in <strong>die</strong>sem Jahr<br />

Experten aus Deutschland und Russland zum 11. Petersburger<br />

Dialog in Wolfsburg und Hannover. Zum Abschlussplenum<br />

werden <strong>An</strong>gela Merkel und Dmitrij Medwedew erwartet.<br />

Der Dialog ist zuallererst eine Diskussionsplattform<br />

– acht Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit Themen wie<br />

den Rohstoffmarkt, der Fußball-WM 2018 und Sicherheitspolitik.<br />

Das Treffen ist aber auch ein Marktplatz der<br />

Träume. Davon erzählen <strong>die</strong> folgenden drei Beispiele.<br />

Von Yulia Abdullayeva, Marika Schweiger, Diana Laarz<br />

Wie auf dem Petersburger Dialog ein Traum wahr wurde – und Russland ein bisschen sozialer<br />

<strong>An</strong>ne Hofinga nimmt 2008 den Friedrich-Joseph-Haass-Preis entgegen.<br />

der Petersburger Dialog seine Wirkung:<br />

Eine kleine Initiative in der<br />

Region Rjasan kämpfte seit mehr<br />

als zehn Jahren vergeblich um<br />

Räume – bis Hofinga einen Brief<br />

an den Gouverneur schrieb und in<br />

einem Nebensatz <strong>die</strong> Verbindung<br />

zum Petersburger Dialog erwähnte.<br />

„Danach ging alles ganz schnell.<br />

Innerhalb eines halben Jahres hatten<br />

<strong>die</strong> Leute ihre Räume.“<br />

Deutsche und russische NGOs,<br />

<strong>die</strong> im sozialen Bereich tätig sind,<br />

können sich auf der Homepage des<br />

Sozialforums zu registrieren.<br />

ввв.cоциальныйдиалог.рф<br />

www.socialdialogue.ru<br />

Privat<br />

Wie auf dem Petersburger Dialog ein Traum zerplatzte –<br />

und es dennoch ein Happy End in den tschetschenischen Bergen gab<br />

Abdula Istamulow ist kein<br />

Unbekannter auf der politischen<br />

Bühne des Nordkaukasus. Übersetzt<br />

aus dem Arabischen bedeutet<br />

sein Name „Gottes<strong>die</strong>ner“. Doch<br />

Istamulow ist vielmehr als Menschen<strong>die</strong>ner<br />

bekannt. Er leitet das<br />

Forschungszentrum „SK-Strategija“<br />

zur Entwicklung der Zivilgesellschaft<br />

im Nordkaukasus. Der<br />

ausgebildete Politologe hat einen<br />

Traum: Die Spirale der Gewalt, <strong>die</strong><br />

Tschetschenien nach zwei Kriegen<br />

immer noch beherrscht, zu durchbrechen.<br />

Mit <strong>die</strong>sem Traum fuhr er<br />

2007 zum St. Petersburger Dialog<br />

nach Wiesbaden, als Mitglied der<br />

Arbeitsgruppe „Zivilgesellschaft“.<br />

Istamulow suchte einen deutschen<br />

Städtepartner <strong>für</strong> <strong>die</strong> tschetschenische<br />

Hauptsstadt Grosnyj.<br />

Grosnyj ist ohne Zweifel ein<br />

schwieriger Partner. Kein europäisches<br />

Städtchen mit roten Ziegeldächern,<br />

lächelnden Einwohnern<br />

und intakter Gesellschaft<br />

– das Idealbild von Westeuropa.<br />

Allein schon der Name: „grosnyj“<br />

heißt übersetzt „schrecklich“ oder<br />

„drohend“. Wer will so einen Partner?<br />

Grosnyj braucht das Vorbild<br />

des Westens, davon ist Istamulow<br />

überzeugt. Aber der Westen<br />

braucht Grosnyj nicht. Das musste<br />

Istamulow erst lernen.<br />

„Für Tschetschenien setzt man<br />

extra strenge Maßstäbe an. Westeuropa<br />

nimmt unser Land negativ<br />

wahr. Man hat ein festes Vorurteil:<br />

Alle Tschetschenen sind Banditen“,<br />

sagt Istamulow. Kaum hatte Istamulow<br />

in der Arbeitsgruppe das<br />

Thema Städtepartnerschaft angesprochen,<br />

da war es auch schon<br />

wieder beendet. „Die deutschen<br />

Kollegen schauten mich an, als ob<br />

ich etwas Peinliches vorgeschlagen<br />

hätte.“ Er wollte das Thema dann<br />

noch einmal während der Plenarsitzung<br />

am letzten Tag des Petersburger<br />

Dialoges ansprechen. Doch<br />

ihm wurde nicht das Wort erteilt.<br />

Einige Monate später kamen<br />

trotzdem ein paar Deutsche nach<br />

Grosnyj ist wieder aufgebaut. Eine Partnerstadt in Deutschand hat <strong>die</strong> Verwaltung trotzdem nicht gefunden.<br />

Tino Künzel<br />

Grosnyj, erinnert sich der Sprecher<br />

der Stadtverwaltung. Es wurde viel<br />

geredet, und es wurden sogar einige<br />

Dokumente verfasst. Danach<br />

verlief das Vorhaben im Sande.<br />

„Das ist ein Traum längst vergangener<br />

Tage“, sagt Abdula Istamulow<br />

nachdenklich.<br />

Grosnyj hat schon elf Partnerstädte,<br />

alle Kontakte wurden vor den<br />

Kriegen mit Russland geknüpft.<br />

Die Stadtverwaltung sucht derzeit<br />

keine neuen Partner mehr. Auf der<br />

Tagesordnung des neuen Chefs,<br />

Muslim Chutschijew, stehen Fragen,<br />

<strong>die</strong> wichtiger sind, als <strong>die</strong><br />

internationale Freundschaft. Eine<br />

deutsch-tschetschenische Städtepartnerschaft<br />

war Istamulows<br />

Traum, es ist nicht seiner.<br />

Sein bislang einziger Besuch<br />

beim Petersburger Dialog war <strong>für</strong><br />

Abdula Istamulow dennoch kein<br />

Reinfall. Ein anderes seiner Projekte<br />

fand Unterstützung. Dabei<br />

geht es um <strong>die</strong> Verhinderung von<br />

Gewalt in Familien und zwischen<br />

Jugendlichen. Mit Psychologen<br />

und Pädagogen hat „SK-Strategija“<br />

gefährdete Kinder vor Ort<br />

aufgesucht. Istamulow stellte das<br />

Projekt im deutschen Außenministerium<br />

vor und erhielt 28 000<br />

Euro Unterstützung. „Mit <strong>die</strong>sem<br />

Geld haben wir Seminare<br />

<strong>für</strong> mehr als 300 Jugendliche in<br />

schwer zugänglichen Bergregionen<br />

organisiert.“<br />

Seit 2007 ist Istamulow nicht<br />

mehr zum Petersburger Dialog<br />

eingeladen worden. Doch er hofft<br />

sehr darauf, bei einem der kommenden<br />

Treffen wieder dabei zu<br />

sein. Der Bürgerrechtler schwört<br />

auf <strong>die</strong> positiven Effekte der Veranstaltung:<br />

„Für mich ist es das<br />

Wichtigste, Kontakte zu knüpfen.<br />

Ich habe damals viele interessante<br />

Leute beider Seiten kennen gelernt,<br />

<strong>die</strong>se Bekanntschaften helfen mir<br />

bis heute bei meiner Arbeit.“<br />

Dieser Traum<br />

könnte <strong>die</strong>ses Mal<br />

wahr werden<br />

Alle Jahre wieder wird <strong>die</strong><br />

Unterzeichnung des deutsch-russischen<br />

Filmabkommens auf dem<br />

Petersburger Dialog angekündigt.<br />

Auch in <strong>die</strong>sem Jahr. Allerdings<br />

stehen <strong>die</strong> Chancen gut, dass nun<br />

den Worten auch Taten folgen.<br />

„Sowohl <strong>die</strong> russische als auch <strong>die</strong><br />

deutsche Seite haben bestätigt,<br />

dass unterschrieben wird", sagt<br />

Simone Baumann, verantwortlich<br />

<strong>für</strong> Osteuropa beim Filmmarketingzentrum<br />

German Films. Laut<br />

Baumann liegen <strong>die</strong> Dokumente<br />

derzeit beim Übersetungs<strong>die</strong>nst<br />

des Außenministeriums.<br />

Seit zehn Jahren laufen <strong>die</strong> Verhandlungen<br />

<strong>für</strong> das Abkommen,<br />

das deutsch-russische Kino-Co-<br />

Produktionen erleichtern soll.<br />

Immer wieder entdeckten <strong>die</strong><br />

zuständigen Ministerien auf beiden<br />

Seiten Haken im ausgearbeiteten<br />

Dokument. „Die Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Filmförderung<br />

sind in beiden Ländern<br />

unterschiedlich“, sagt Simone<br />

Baumann. Deshalb verstießen<br />

einzelne Punkte des Abkommens<br />

gegen nationale Gesetze.<br />

Der Petersburger Dialog hat<br />

sich des Themas 2006 angenommen,<br />

nachdrücklich eine Unterzeichnung<br />

gefordert und <strong>die</strong>s<br />

auch stets prominent im Protokoll<br />

platziert. „Einen direkten<br />

Einfluss hatte der Petersburger<br />

Dialog nicht“, sagt Simone Baumann.<br />

„Aber als Lobby hat er<br />

sehr geholfen.“<br />

Baumann selbst ist regelmäßige<br />

Teilnehmerin beim Dialog<br />

in der Arbeitsgruppe Kultur. Sie<br />

habe Glück gehabt, findet sie.<br />

„Wir arbeiten an sehr konkreten<br />

Projekten und damit auch sehr<br />

intensiv", sagt Baumann. „In<br />

anderen Gruppen verläuft <strong>die</strong><br />

Arbeit sicherlich etwas zäher."


№ 14 (309) Июль 2011<br />

w w w . m d z - m o s k a u . e u<br />

НЕЗАВИСИМАЯ ГАЗЕТА О ПОЛИТИКЕ, ЭКОНОМИКЕ И КУЛЬТУРЕ • ОСНОВАНА В 1870 ГОДУ<br />

С собой надежду<br />

на решение<br />

О т р е д а к ц и и<br />

Ф<br />

орум гражданских<br />

обществ России и Германии<br />

«Петербургский<br />

диалог» – одиннадцатый по счету<br />

– проходит в этом году в Вольфсбурге<br />

и Ганновере. В нынешнем<br />

форуме участие примут более<br />

120 деятелей в сфере экономики,<br />

культуры и политики с обеих<br />

сторон. Среди заявленных тем:<br />

оказание помощи душевнобольным<br />

людям, реабилитация молодых<br />

заключенных, интеграция<br />

мигрантов.<br />

Участница «Петербургского<br />

диалога» 2010, директор фонда<br />

«Сострадание» Елизавета Джирикова<br />

говорит, что ее ожидания<br />

в прошлый раз не оправдались.<br />

Несмотря на неоднократные<br />

обращения к «Петербургскому<br />

диалогу», был закрыт российский<br />

фонд «Взаимопонимание и<br />

примирение», а его гуманитарные<br />

программы в пользу жертв<br />

нацизма прекращены. Кроме того,<br />

говорит Джирикова, так и не<br />

дошло до визовых послаблений<br />

для волонтеров. «Видимо, наши<br />

цели слишком мелки для такого<br />

важного мероприятия и не<br />

достойны внимания», – подчеркивает<br />

она. И в то же время уверяет,<br />

что это не повод для разочарования.<br />

Джирикова уверена: «Успех<br />

складывается из малых шагов, и<br />

в этом мы находим общий язык<br />

с нашими немецкими друзьями и<br />

партнерами». А с ними у нее не<br />

только совместная деятельность,<br />

но и общие убеждения.<br />

Тем не менее неоправданные<br />

надежды на «Петербургском диалоге»<br />

– это, скорее, исключение.<br />

Одна из участниц российско-германского<br />

форума, председатель<br />

правления союза «Руссландхильфе»<br />

Анна Хофинга считает, что<br />

форум играет большую роль. И о<br />

ней говорят не столько результаты,<br />

сколько масштабное осуществление<br />

доступа маленьких организаций<br />

к организациям более<br />

высокого уровня в России. Есть<br />

и конкретный пример в пользу<br />

форума, которым оперирует<br />

Анна Хофинга: небольшое общественное<br />

объединение в Рязанской<br />

области смогло получить<br />

помещение благодаря одному<br />

лишь упоминанию «Петербургского<br />

диалога» в письме госпожи<br />

Хофинга губернатору области.<br />

До этого письма организация<br />

более десяти лет безуспешно<br />

обивала чиновничьи пороги.<br />

В этом году участники форума<br />

берут с собой как минимум<br />

надежду. Надежду на то, что<br />

проблемы, с которыми они приедут,<br />

будут услышаны и в идеале<br />

– решены.<br />

Тянем-потянем, вытянуть сможем! Немецкий национальный район Алтайского края отметил в начале июля свое 20-летие.<br />

«Мы можем гордиться тем, что весь период своего существования наш район был единственным в крае, кто всегда имел и<br />

имеет положительную демографию за счет естественного прироста населения. Безусловно, главное наше богатство – это<br />

люди, которыми было сделано много добрых дел и о которых можно говорить бесконечно», –<br />

отметил в юбилейной речи глава района Федор Эккерт. Подробнее на стр. 5.<br />

Олимпийская сказка, прощай!<br />

Мюнхен проиграл право проведения Олимпиады 2018 года Пхёнчану<br />

Мюнхен долго и напряженно боролся за титул столицы зимней<br />

Олимпиады 2018 года. По мнению немецких политиков и спортивных<br />

деятелей, у главного города Баварии были все шансы на победу.<br />

Однако уже по итогам первого тура голосования на 123-й сессии<br />

Международного олимпийского комитета (МОК) в южноафриканском<br />

Дурбане в начале июля, стало ясно, что 23-ю Белую олимпиаду<br />

примет не Мюнхен и тем более не французский Анси, а<br />

южнокорейский город Пхёнчхан.<br />

Блестящая финальная презентация,<br />

которой Германия<br />

надеялась окончательно завоевать<br />

сердца жюри в Дурбане,<br />

сопровождалась выступлением<br />

всемирно известного экс-футболиста,<br />

тренера и футбольного<br />

деятеля Франца Бекенбауэра:<br />

«Во время чемпионата мира по<br />

футболу в 2006 году мы доказали,<br />

что умеем организовывать<br />

настоящий праздник, объединяющий<br />

людей всех поколений.<br />

Летняя сказка состоялась. Я<br />

хочу пригласить вас на зимнюю<br />

сказку в Мюнхен».<br />

Однако оказалось, что «зимней<br />

сказке» 2018 года не суждено<br />

осуществиться. Точнее,<br />

проходить она будет совсем в<br />

Екатерина Келлер<br />

других декорациях. А между<br />

тем Мюнхен мог поставить<br />

рекорд и стать первым городом<br />

в мире, где проводились и<br />

летние (в 1972 году), и зимние<br />

Олимпийские игры. Германия<br />

75 лет ждала участия в зимней<br />

Олимпиаде – с 1936 года, когда<br />

соревнования проводились в<br />

Гармиш-Партенкирхене.<br />

Организаторам не стоит<br />

кусать локти и искать недостатки<br />

в своей собственной<br />

заявке, поданной на рассмотрение<br />

МОК. Специалисты подтверждают,<br />

что технически это<br />

была самая продуманная заявка.<br />

Основной ошибкой можно<br />

разве что считать соревнование<br />

с таким соперником, как Южная<br />

Корея: Пхёнчхан уже в третий<br />

раз борется за право проводить<br />

Олимпиаду. Для проведения<br />

олимпиад 2010-го и 2014 годов<br />

ему не хватало лишь нескольких<br />

голосов членов жюри, и вероятность,<br />

что на этот раз он пройдет,<br />

была немалая. На одной<br />

чаше весов была давняя спортивная<br />

традиция, представляемая<br />

ФРГ, на другой – возможность<br />

экспансии на восток и<br />

перспектива сделать Пхёнчхан<br />

новым центром зимнего спорта<br />

в Азии. Впрочем, решение<br />

жюри опробовать новую территорию,<br />

несомненно, связано<br />

с некоторым риском. Три четверти<br />

необходимых для проведения<br />

Олимпиады сооружений<br />

уже существуют в Мюнхене и<br />

окрестностях, Пхёнчхану же<br />

только предстоит стать спортивным<br />

центром будущего. До<br />

настоящего момента, если не<br />

считать Японию, Олимпийские<br />

игры на азиатском континенте<br />

еще не проводились.<br />

Несмотря на сильного конкурента,<br />

общественность до самого<br />

последнего момента была<br />

убеждена, что победа Мюнхена<br />

гарантирована. Дело в том,<br />

что участие в предвыборном<br />

марафоне обошлось ФРГ в 33<br />

миллиона евро, из них 6,5 миллиона<br />

– деньги налогоплательщиков.<br />

Разочарование велико,<br />

но большинство организаторов<br />

уверено, что надо продолжать. У<br />

Мюнхена есть неплохие шансы<br />

стать столицей Олимпиады<br />

в следующий раз. Федеральный<br />

министр внутренних дел<br />

Ханс-Петер Фридрих считает<br />

затраченные средства хорошим<br />

вложением. «Даже если вторая<br />

попытка будет стоить столько<br />

же, федеральное правительство<br />

наверняка пойдет на эти<br />

затраты. Но, разумеется, подача<br />

новой заявки – это прерогатива<br />

деятетлей спорта», – отмечает<br />

он.<br />

Вопрос только в том, насколько<br />

спорт, экономика и политика<br />

сойдутся на новой кандидатуре.<br />

II<br />

Д. Лаарц<br />

Потомственный<br />

лидер<br />

Губернатор Виктор Кресс дает открытое,<br />

живое интервью о себе, Томске и<br />

российских немцах<br />

Редкий<br />

свидетель<br />

Очевидец вторичной депортации<br />

российских немцев – на рыбные<br />

промыслы – делится воспоминаниями<br />

Убежденный<br />

славист<br />

В советском плену Вольфганг Казак<br />

почувствовал внутреннюю близость к<br />

русским – и стал славистом<br />

III IV VI


II<br />

<strong>Московская</strong><br />

Г е р м а н и я<br />

Добровольцы, ау!<br />

В Германии вступил в силу закон об отмене воинской повинности<br />

Итак, свершилось. То, вокруг чего долго и подчас весьма болезненно<br />

ломали копья немецкие политики, профессиональные военные,<br />

социальные активисты, ни в чем не повинное население,<br />

журналисты и прочие заинтересованные лица ФРГ, стало фактом:<br />

с 1 июля сего года вступил в силу закон об отмене в стране<br />

воинской повинности.<br />

<strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

wikipedia<br />

Отныне немецкие вооруженные<br />

силы станут пополняться<br />

добровольцами, пожелавшими<br />

стать рядовыми солдатами на<br />

срок от одного года до 23 месяцев<br />

– по выбору новобранцев.<br />

Новое положение о формировании<br />

личного состава немецкой<br />

армии внедряется в рамках<br />

осуществляемой в Германии<br />

реформы вооруженных сил и<br />

идет под лозунгом, который провозгласил<br />

недавно вступивший<br />

в должность (после скандальной<br />

отставки министра-плагиатора<br />

Карла-Теодора цу Гуттенберга)<br />

федеральный министр обороны<br />

Томас де Мезьер: «Армия<br />

должна быть ориентирована на<br />

решение новых задач и иметь<br />

возможность успешно противостоять<br />

вызовам современности<br />

и завтрашнего дня».<br />

При этом сторонниками нового<br />

порядка пополнения бундесвера<br />

подчеркивается, что отныне<br />

Германия наконец присоединяется<br />

к прогрессивному клану<br />

демо кратических стран–членов<br />

НАТО (в частности, США, Великобритании,<br />

Франции, Нидерландов<br />

и др.), уже давно сделавших<br />

подобный шаг – к добровольной<br />

армии. Теперь, кстати, из 28<br />

стран–членов НАТО осталось<br />

только четыре, в которых еще<br />

сохранен обязательный призыв в<br />

армию: Греция, Турция, Эстония<br />

и Норвегия.<br />

Теперь в немецких вооруженных<br />

силах будут служить, помимо<br />

профессиональных военных,<br />

лишь добровольцы, которых,<br />

как уже известно, потребуется<br />

15 тысяч, причем каждый год<br />

будет необходимо примерно по<br />

5 тысяч добровольцев. Общая<br />

численность армии ФРГ сокра-<br />

Григорий Крошин<br />

тится с нынешних 250 тысяч<br />

человек до 185. Это сокращение<br />

обосновано правительством: в<br />

целях ограничения роста государственной<br />

задолженности в<br />

федеральном бюджете предусмотрено<br />

радикальное сокращение<br />

расходов на оборону: на нее<br />

в ближайшие четыре года будет<br />

выделено на 8 миллиардов евро<br />

меньше обычного.<br />

Альтернативы нет?<br />

Впрочем, реформа бундесвера<br />

принесет с собой не только<br />

финансовую выгоду. Она вызовет<br />

серьезные изменения в системе<br />

трудовой занятости гражданского<br />

населения в стране. Так,<br />

реформой предусматривается<br />

закрытие 10–15 мест дислокации<br />

воинских частей, что ставит<br />

под угрозу 122 тыс. рабочих<br />

мест, занятых вольнонаемными<br />

гражданскими лицами — рабочими,<br />

служащими и чиновниками.<br />

Помимо этого, куска хлеба<br />

лишатся многие работники<br />

закусочных, парикмахерских,<br />

салонов татуировок, булочных,<br />

иных предприятий социального<br />

сектора, специализирующихся<br />

на обслуживании солдат срочной<br />

службы. Оскудеет казна<br />

ряда городов, финансовое благополучие<br />

которых зависит от<br />

бундесвера — одного из главных<br />

работодателей в стране.<br />

Но проблемы подстерегают<br />

страну не только в сфере занятости.<br />

Как предсказывают критики<br />

реформы, в самое кратчайшее<br />

время будут – и уже наблюдаются<br />

– трудности с обеспечением<br />

необходимого количества<br />

новобранцев-добровольцев. Еще<br />

одна серьезная проблема сильно<br />

Добровольцем может стать каждый, ведь ощущение полноты жизни – это понимание того, что ты комуто<br />

нужен». Агитационный плакат кампании<br />

беспокоит тех, кто отвечает в<br />

целом за социальную работу<br />

в стране: с ликвидацией воинской<br />

повинности исчезает и<br />

привычная уже, доселе хорошо<br />

отлаженная в Германии система<br />

так называемой альтернативной<br />

службы. То есть той остро<br />

необходимой обществу – тем<br />

более нынешнему, неуклонно<br />

стареющему – социальной службы<br />

помощи, весьма эффективно<br />

использовавшей многие годы<br />

труд молодых людей, приходящих,<br />

взамен военной службе, в<br />

организации по уходу за старыми,<br />

больными, по обслуживанию<br />

нуждающихся в помощи людей, а<br />

также в больницы, на транспорт,<br />

в торговлю и проч., где они оказывали<br />

большую помощь людям<br />

и государству и – что, кстати,<br />

было большим подспорьем<br />

экономике – за сравнительно<br />

невысокую зарплату.<br />

Уже сегодня ряд предприятий<br />

по уходу за больными и пожилыми<br />

испытывает трудности<br />

с заполнением своих рабочих<br />

мест, освобождающихся после<br />

ухода альтернативщиков. Придумываются<br />

всевозможные акции<br />

для привлечения этой дешевой,<br />

но столь необходимой рабочей<br />

силы. Так, с целью привлечения<br />

на эту работу молодежи нынешний<br />

год объявлен в Германии<br />

Добровольным социальным<br />

годом («Das Freiwillige Soziale<br />

Jahr, FSJ)». Уже есть некоторые<br />

позитивные результаты, правда,<br />

пока скромные. Например, по<br />

данным Diakonie земли Северный<br />

Рейн-Вестфалия, на сегодняшний<br />

день поступило около<br />

750 заявлений от юношей и<br />

девушек (потребность, правда,<br />

составляет 3000 человек). Есть<br />

и нечто более обнадеживающее:<br />

по данным Немецкого Красного<br />

Креста той же земли СРВ, каждый<br />

четвертый из 850-ти молодых,<br />

проходящих в настоящее<br />

время альтернативную службу,<br />

выразил желание продлить ее.<br />

А федеральный министр по<br />

делам семьи Кристина Шрёдер<br />

вообще настроена оптимистично:<br />

«Наше министерство исходит<br />

из того, что совершенно<br />

реально достичь установленного<br />

нами уровня 35 000 добровольцев,<br />

которые займутся альтернативной<br />

службой в социальной<br />

сфере за «карманные» 330 евро.<br />

Мы создадим для этого привлекательные<br />

стимулы».<br />

Видимо, в качестве одного<br />

из этих стимулов Шрёдер еще<br />

16 мая запустила рекламную<br />

кампанию под девизом: «Ощущение<br />

полноты жизни – это<br />

ощущение, что вы востребованы!».<br />

Подействует ли этот стимул на<br />

кого-нибудь – покажет время.<br />

Пока же ситуация с потенциальными<br />

добровольцами – как<br />

для службы в новой армии, так<br />

и для бывшей альтернативной<br />

службы – весьма туманна. По<br />

словам Мартина Шульце, руководителя<br />

федеральной рабочей<br />

группы FSJ, «в Восточной Германии<br />

сегодня практически не<br />

выявлено добровольцев, а в<br />

экономически более сильных<br />

землях – Баден-Вюртемберге,<br />

Баварии – результаты все же<br />

получше».<br />

Берлинский долгострой<br />

Огромная зеленая лужайка<br />

в центре немецкой столицы,<br />

напротив Берлинского собора<br />

и музейного острова, может,<br />

еще в этом десятилетии преобразится,<br />

и на ней появится<br />

дворец – почти точная копия<br />

того дворца, что был еще при<br />

курфюстах, королях и кайзерах,<br />

а в 1950-м был взорван как<br />

символ прусского милитаризма.<br />

В начале июля бундестаг согласился<br />

с выросшей суммой на<br />

восстановление исторического<br />

здания. Правда, выросла она не<br />

так, как затраты на реконструкцию<br />

Большого театра в Москве<br />

(они увеличились по ходу дела<br />

в 16 раз), зато общая сумма<br />

вполне сопоставима: по словам<br />

министра культуры А.А.<br />

Авдеева на март 2011 года она<br />

превысила 20 млрд. рублей (500<br />

млн. евро), тогда как на восстановление<br />

Берлинского дворца<br />

планируют потратить 590 млн.<br />

евро. Изначально речь шла о 552<br />

миллионах.<br />

У немецкого проекта, еще не<br />

обретшего видимые формы,<br />

интересная история. Лет двадцать<br />

шли горячие дебаты сторонников<br />

строительства дворца<br />

Дворец пока существует только в планах и макетах, а стоимость его<br />

строительства уже растет<br />

и его противников. В 2007 году<br />

было принято решение о строительстве<br />

и финансировании.<br />

Полтора года спустя завершился<br />

снос Дворца республики, построенного<br />

в 1976 году на месте<br />

кайзеровского дворца, и объявлено<br />

имя архитектора нового<br />

здания, выигравшего конкурс. В<br />

2010-м бундестаг принял решение<br />

отложить строительство до<br />

следующей легислатуры. Вместо<br />

строения, которое уже рассматривается<br />

как фактор, формирующий<br />

немецкую идентичность,<br />

пока облагороженный пустырь.<br />

Яна Фриц<br />

О.Силантьева<br />

Олимпийская<br />

сказка, прощай!<br />

I<br />

На сегодняшний день речь идет<br />

либо о том, чтобы выдвинуть<br />

другой немецкий город (под<br />

вопросом Гамбург или Берлин)<br />

для участия в летних Олимпийских<br />

играх либо повторно<br />

предложить кандидатуру<br />

Мюнхена на зимних играх 2022<br />

года. Второй вариант для большинства<br />

предпочтительнее. Как<br />

отмечает на основании собственного<br />

опыта Карлос Артур<br />

Нузман, организатор летних<br />

игр 2016 года в Рио-де-Жанейро<br />

(сумевший осуществить свою<br />

мечту лишь с третьей попытки),<br />

«когда подается заявка и в<br />

случае поражения цель не преследуется<br />

дальше, можно считать<br />

потерянными и вложенные<br />

денежные средства, и позицию,<br />

утвердившуюся в общественном<br />

мнении и в средствах массовой<br />

информации».<br />

Голосов в поддержку Берлина<br />

или Гамбурга меньше. Однако<br />

здесь большинство сторонников<br />

выдвижения немецкого<br />

города на летнюю Олимпиаду<br />

сходятся в одном: «Мечта о<br />

заявке на Олимпиаду без солидного<br />

фундамента бессмысленна»<br />

(слова Гюнтера Плоса,<br />

председателя Гамбургского<br />

спортивного союза). Обоим<br />

городам потребуется много<br />

месяцев на постройку этого<br />

самого фундамента. Депутат<br />

бундестага Франк Штеффель и<br />

председатель спортивного объединения<br />

по гандболу «Berliner<br />

Füchse» предлагает Берлину<br />

подать заявку не на Олимпиаду<br />

2020-го, а 2024 года – к этому<br />

сроку <strong>немецкая</strong> столица успеет<br />

без спешки подготовиться.<br />

Кто бы ни стал следующим<br />

кандидатом от ФРГ, в одном<br />

эксперты сходятся: Мюнхен<br />

открыл ему двери. В том числе<br />

благодаря возглавившей заявку<br />

очаровательной бывшей фигуристке<br />

Катарине Витт, сменившей<br />

менее удачливого Вилли<br />

Богнера и ставшей лицом кампании.


<strong>Московская</strong> <strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

Грядут юбилейные мероприятия<br />

2012–2013 годов, приуроченные<br />

к 250-летию манифеста<br />

Екатерины Второй и переселения<br />

немцев в Россию. Планирует<br />

ли Томская область участвовать<br />

в этих мероприятиях?<br />

Безусловно. Надо продумать<br />

и определенную концепцию.<br />

Томск, особенно наши университеты,<br />

многим обязаны<br />

немцам. Первым ректором<br />

классического университета<br />

был немец. Это был первый<br />

университет за Уралом. И после<br />

него немцы не раз становились<br />

ректорами этого университета.<br />

Восемь губернаторов в Томской<br />

губернии, которая была основана<br />

в 1804 году, были немцами.<br />

Я – девятый немец–губернатор<br />

Томской области. Сегодня<br />

у нас российские немцы вносят<br />

немалый вклад в развитие экономики,<br />

политики, социальной<br />

сферы. В сельском хозяйстве в<br />

прошлом у нас работало много<br />

руководителей немецкой национальности.<br />

Работали хорошо.<br />

Есть немцы-фермеры и сегодня.<br />

Я думаю, будет правильно, если<br />

мы отметим эту дату. Но как, я<br />

скажу честно, еще не думал.<br />

Двухлетняя программа юбилейных<br />

российско-германских совместных<br />

мероприятий пройдет<br />

по всей России. Уверена, что<br />

Томская область будет в общем<br />

списке на видном месте.<br />

Нам сам Бог велел. У нас есть<br />

такие места, как Кожевниково,<br />

Молчаново, Александровский<br />

район, где проживает много<br />

немцев, правда, выселенных в<br />

1941 году из Республики немцев<br />

Поволжья. Они привезли в<br />

Александровское, а это самый<br />

север области, оборудование<br />

для рыбоконсервного комбината.<br />

Организовали комбинат,<br />

который работал до последнего<br />

времени. Качество консервов<br />

было очень хорошим.<br />

Что я точно сделаю, и хочу<br />

сделать для себя, не как губернатор<br />

области, а как российский<br />

немец Виктор Кресс, я<br />

обязательно хочу побывать<br />

на родине отца, в Одесской<br />

области, в 25 км от Одессы и,<br />

насколько я помню по рассказам<br />

бабушки, в 12 км от Днестра,<br />

на запад к Молдавии. Был<br />

там Овидиопольский район,<br />

один из нескольких немецких<br />

районов Украины. На Украине, я<br />

читал об этом в литературе, до<br />

войны немцев проживало больше,<br />

чем в Республике немцев<br />

Поволжья.<br />

У Вас в области большой кадровый<br />

резерв, в который входит<br />

много российских немцев.<br />

Как реагируют на это жители<br />

области?<br />

Я выбираю людей не по национальному<br />

признаку, а по профессиональному.<br />

Когда я работал<br />

в «Сельхозхимии» был у<br />

меня первый заместитель Эдуард<br />

Владимирович Калинин. До<br />

этого он работал в Кожевниково,<br />

возглавлял «Сельхозтехнику».<br />

Однажды, стоя в магазине<br />

в Кожевниково за хлебом, он<br />

услышал, как женщины говорили<br />

о том, что кто-то работает<br />

в Западном Берлине. Спросил<br />

потом у коллег, что называют<br />

у них Западным Берлином.<br />

Оказалось, «Сельхозтехнику»<br />

и называют. «У тебя же 80%<br />

немцев работают», – пояснили<br />

коллеги. Попросил ведомость,<br />

принесли: смотрит, и, правда,<br />

одни немцы. А он просто подбирал<br />

работяг. Я тоже подбираю<br />

профессионалов.<br />

Вы не единственный немец<br />

среди губернаторов Российской<br />

Федерации. Но только на<br />

Вашем сайте указано, что вы –<br />

российский немец.<br />

А чего скрывать? (смеется)<br />

На недавней Межправкомиссии<br />

Вы высказывали озабоченность<br />

по поводу плохого знания<br />

немецкого языка. Вы имели в<br />

виду у российских немцев или<br />

вообще ситуацию с изучением<br />

немецкого языка, в частности, в<br />

Томской области?<br />

На комиссии я имел в виду<br />

прежде всего российских<br />

немцев. Но в целом, немецкий<br />

язык уступает свои позиции.<br />

Для этого есть объективные<br />

причины. Сейчас я инициирую<br />

введение китайского и испанского<br />

языков в школах. У нас<br />

в городе есть специализированная<br />

школа № 6 с изучением<br />

немецкого языка. У меня там<br />

в 3-м классе учится внучка,<br />

Марта Кресс. Мой сын также<br />

неплохо знает немецкий, когдато<br />

побеждал на олимпиадах.<br />

Вы осознанно отдаете своих<br />

детей и внуков в школы с изучением<br />

немецкого языка?<br />

У меня дочь замужем за русским.<br />

Сын женат на русской. У<br />

сына фамилия Кресс, а у дочери<br />

– русская фамилия. Поэтому<br />

насчет дочери я не настаиваю.<br />

Но считаю, что Кресс Марта<br />

должна знать немецкий язык.<br />

Ее назвали в честь моей мамы.<br />

В идеале, я считаю, они должны<br />

знать английский, немецкий и,<br />

естественно, русский.<br />

Как развиваются отношения<br />

Томской области с Германией?<br />

Сотрудничество на политическом<br />

уровне развивается хорошо.<br />

Мы знаем друг друга. Я знаю<br />

многих министров-президентов<br />

Германии, был в резиденции<br />

у канцлера Ангелы Меркль.<br />

В Томске в 2006 году было все<br />

правительство Меркель. С 1997<br />

года мы участвуем в Ганноверской<br />

ярмарке, уже несколько<br />

лет и на «Зеленой неделе» в<br />

Берлине. Я считаю, что нужно<br />

системно работать, поэтому мы<br />

ежегодно участвуем в подобных<br />

мероприятиях. Наши университеты<br />

хорошо сотрудничают<br />

с немецкими: например,<br />

Политехнический – с университетом<br />

города Карлсруэ, классический<br />

– с Гумбольдтским<br />

университетом Берлина. Есть<br />

партнеры и у бизнес-структур.<br />

Предприятие Ивана Кляйна,<br />

гендиректора ОАО «Томское<br />

пиво», полностью работает на<br />

немецком оборудовании. У него<br />

есть консультанты из Германии,<br />

которые контролируют качество<br />

продукции.<br />

Что бы Вы хотели улучшить в<br />

двухсторонних отношениях?<br />

У нас до сих пор нет городапобратима<br />

в Германии. Есть предложения,<br />

но мы ищем по братима<br />

среди административных и университетских<br />

центров, а их не так<br />

много – ведь земель всего 16. И,<br />

конечно, хотелось бы инвестиций<br />

больше.<br />

А что Вы можете предложить? У<br />

Вас хороший инвестиционный<br />

климат?<br />

Конечно. По оценкам рейтингового<br />

агентства Ernst&Young,<br />

Томская область входит в первую<br />

пятерку регионов России<br />

с наиболее благоприятным<br />

инвестиционным климатом с<br />

точки зрения самих бизнесменов.<br />

Германия хочет инвестировать<br />

в топливно-энергетический<br />

комплекс. Мы же<br />

предпочли инновационные<br />

сферы производства. Я бы не<br />

сказал, что нам надо начинать<br />

с чистого листа. У нас<br />

есть инновационные предприятия,<br />

которые сотрудничают с<br />

немцами. Например, Институт<br />

микрохирургии, директором<br />

которого является профессор<br />

Владимир Байтингер, сотрудничает<br />

с рядом медицинских<br />

учреждений Германии. Но мы<br />

хотим не только покупать оборудование,<br />

но и производить<br />

его вместе с партнерами. Возможно,<br />

сотрудничество нашего<br />

инновационного предприятия<br />

«Микран» с Nokia Siemens станет<br />

первой ласточкой в этом<br />

направлении.<br />

Немецкая фамилия помогает<br />

на переговорах с германскими<br />

партнерами?<br />

Наверное.<br />

Вы по-немецки говорите?<br />

На бытовом уровне (смеется).<br />

Вообще, это первый язык,<br />

на котором я начал говорить.<br />

Мы жили большой семьей, с<br />

бабушкой и дедушкой. Бабушка<br />

окончила церковно-приходскую<br />

школу в Мариентале в том<br />

самом Овидиопольском районе.<br />

Мой прадед был бессменным<br />

р о с с и я – г е р м а н и я<br />

«Будет плохо для России, если немцы уедут»<br />

Губернатор Виктор Кресс о Томске и о российских немцах<br />

Томск не раз становился местом проведения больших форумов, в<br />

том числе на межгосударственном уровне. В 2006 году город принимал<br />

российско-германские межправительственные консультации<br />

на высшем уровне, в 2011-м – российско-германскую межправительственную<br />

комиссию по проблемам российских немцев. По<br />

инициативе губернатора город объявлен инновационной площадкой<br />

для диалога власти, науки и бизнеса. В ноябре 2010 года Кресс<br />

удостоился награды германского правительства – большого креста<br />

со звездой за огромный вклад в развитие германо-российских<br />

отношений. Принимая награду, Кресс говорит о том, что он – российский<br />

немец и его долг – это служение России. Его коллеги в<br />

правительстве России говорят, что Виктор Мельхиорович Кресс<br />

один из тех, на ком держится вся Россия. Сегодня губернатор Кресс<br />

– гость МНГ и беседа с ним издателя Ольги Мартенс получилась<br />

нестандартной, живой и очень открытой.<br />

Виктор Кресс (справа) проявляет уважение и заботу о ветеранах Великой<br />

Отечественной войны<br />

wikipedia<br />

III<br />

старостой в этой деревне. Отец<br />

с матерью были в трудармии в<br />

Костромской области. Там они<br />

поженились, там я и родился в<br />

1948 году. Родители отца были<br />

сосланы в Яшкинский район<br />

Кемеровской области, и в 1949<br />

году моим родителям разрешили<br />

туда переехать. Там они<br />

встали на учет в спецкомендатуре,<br />

там же родились мои<br />

шесть братьев и сестра.<br />

Ваша семья не уехала в Германию?<br />

Моя нет. Братья и сестра уехали<br />

в 90-х годах. Почти все, имея<br />

высшее образование, работали в<br />

сельском хозяйстве, а там была<br />

тяжелая ситуация. Два брата<br />

были директорами совхозов.<br />

Если бы Вы не были губернатором,<br />

Вы бы уехали?<br />

Я себя чувствую там комфортно,<br />

но, честно скажу, жить бы<br />

я там не хотел. Отношение к<br />

российским немцам там мне<br />

не нравится. Российский образ<br />

жизни мне нравится больше.<br />

Я считаю, что будет плохо для<br />

России, если все немцы уедут.<br />

Сейчас надо думать о том, как<br />

их возвращать, например, привлекать<br />

бесплатной землей,<br />

как Екатерина Вторая. Но нам<br />

нужны и специалисты – медики,<br />

гуманитарии, специалисты<br />

по переработке.<br />

Путин Первый<br />

Премьеру вручат «Квадригу»<br />

Российскому премьеру присудили одну из самых престижных<br />

немецких премий «Квадригу». Она будет вручена Владимиру<br />

Путину в День немецкого единства — 3 октября. Комитет отметил<br />

особые заслуги Путина в «придании российско-немецким отношениям<br />

стабильности и надежности». В распоряжении немецкой<br />

«Süddeutsche Zeitung» оказалось обоснование попечительского<br />

совета «Квадриги». В нем говорится, что «Путин уже сегодня<br />

достоин отдельной главы в книге Истории. Этот политик в традициях<br />

Петра Первого прокладывает вехи на пути к будущему».<br />

Несмотря на то, что, по словам<br />

пресс-секретаря оргкомитета<br />

премии «Квадрига» Штефана<br />

Клаузена, проголосовали члены<br />

жюри почти единогласно, в<br />

адрес российского политика<br />

была высказана острая критика.<br />

Председатель партии зеленых<br />

Джем Оздермир воздержался<br />

от голосования. Он сообщил,<br />

что признает вклад Владимира<br />

Путина в развитие экономики,<br />

но обращает внимание на<br />

проблемы, связанные с нарушением<br />

прав человека. Оздемир<br />

не единственный политик,<br />

выступивший против вручения<br />

премии Владимиру Путину. Его<br />

поддержал глава Внешнеполитического<br />

комитета бундестага<br />

Рупхерт Поленц. Он, иронизируя,<br />

предложил пригласить<br />

на вручение экс-канцлера ФРГ<br />

Герхарда Шрёдера, назвавшего<br />

Путина «демократом чистой<br />

воды». По мнению уполномоченного<br />

правительства по<br />

правам человека Маркуса<br />

Ленинга, Путин во время<br />

своего правления занимался<br />

«разрушением демократии»,<br />

«ограничением свобод»<br />

и «отдал Россию на откуп<br />

коррупции».<br />

Самой жесткой оказалось<br />

реакция депутата Европар-<br />

Светлана Андреева<br />

ламента от партии зеленых<br />

Вернера Шульца, который распространил<br />

заявление с требованием<br />

отменить решение<br />

о присуждении премии Путину.<br />

Но на экстренном собрании<br />

комитет подтвердил свое<br />

решение наградить российского<br />

премьера. Тогда политик в<br />

знак протеста решил выйти из<br />

попечительского состава. Он<br />

аргументировал свою позицию<br />

«различием во взглядах<br />

на заслуги Владимира Путина<br />

в развитии демократии и правового<br />

государства» и назвал<br />

присуждение премии «издевательством»,<br />

«политическим<br />

промахом» и «плевком в лауреатов<br />

прошлых лет».<br />

Премия «Квадрига» вручается<br />

с 2003 года выдающимся<br />

политическим, экономическим<br />

и культурным деятелям,<br />

обладающим «духом первопроходца<br />

и стремлением к<br />

торжеству общественного<br />

блага». Лауреатам вручают<br />

уменьшенную копию<br />

квадриги, стоящей на Бранденбургских<br />

воротах, и чек<br />

на сумму 100 тысяч евро. В<br />

разное время премии были<br />

удостоены Гельмут Коль,<br />

Михаил Горбачев, Герхард<br />

Шрёдер и Вацлав Гавел.<br />

wikipedia


IV<br />

<strong>Московская</strong><br />

н е м ц ы Р о с с и и<br />

Союз слов и красок<br />

В Переделкино встретились писатели и художники–<br />

российские немцы<br />

<strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

Нарисованная история<br />

Готовится выставка потретов<br />

трудармейцев<br />

Тандем искусств, работающих в плоскостях визуального и вербального<br />

творчества, имеет давнюю и неразрывную традицию.<br />

Эта связь сложилась исторически, поэтому органичным явлением<br />

стал опыт совместного проведения рабочего семинара представителей<br />

немецкого творческого авангарда, позиционирующего себя<br />

в области литературы и визуальных видов искусств (художникистанковисты,<br />

прикладники, декораторы). Местом проведения<br />

семинара в конце июня стал Дом творчества в Переделкино, где<br />

ранее встречались те, чьи имена давно стали хрестоматийными<br />

для русской и советской литературы.<br />

Главной установкой организаторов<br />

семинара в Переделкино<br />

явилось желание не просто объединить<br />

два вида искусства, а<br />

помочь им обрести в лице друг<br />

друга компаньонов, которые в<br />

дальнейшем будут работать синхронно<br />

в одном направлении.<br />

«Мы берем два разных слова<br />

или две разных краски, при смешении<br />

которых в первом случае<br />

получается новое значение, а во<br />

втором – новый цвет, – говорила<br />

в первый день встречи, обращаясь<br />

к ее участникам, Елена<br />

Зейферт, руководитель литературного<br />

клуба «Мир внутри<br />

слова», под эгидой которого и<br />

проходил семинар. – У художника<br />

и литератора гораздо больше<br />

общего, чем может показаться<br />

с первого взгляда».<br />

Участниками семинара стали<br />

разножанровые поэты и прозаики<br />

из Москвы, Санкт-Петербурга,<br />

Рязани, Самары, Сыктывкара,<br />

Екатеринбурга, Тюмени, а<br />

также художники-иллюстраторы<br />

из Москвы, Сыктывкара,<br />

Челябинской области, Нижнего<br />

Тагила, Тюмени. Они слушали<br />

лекции и произведения друг<br />

друга, встречались с гостями,<br />

посещали мастер-классы, вели<br />

дискуссии и беседы, ходили в<br />

музеи и к памятным местам<br />

писательского городка.<br />

Художники-иллюстраторы<br />

неслучайно были приглаше-<br />

Ирина Вейс, Анна Апостолова<br />

ны для совместной работы с<br />

писателями. Возникли новые<br />

проекты. Художники обсудили<br />

возможность иллюстрирования<br />

книги стихов Роберта<br />

Вебера, ушедшего из жизни в<br />

2009 году. Рукопись его стихов<br />

в Международный союз немецкой<br />

культуры передала вдова<br />

поэта Тамара Вебер (Аугсбург),<br />

и в текущем году она уже может<br />

быть издана. В этом же году<br />

готовится к печати сказочная<br />

повесть Елены Зейферт для<br />

детей, авторами иллюстраций<br />

к которой станут художницы,<br />

сестры-близнецы Анна и Варвара<br />

Кендель из Челябинска.<br />

Кстати, в сказке Елены, которая<br />

называется «Зеркальные чары»,<br />

речь идет о двух принцессахблизнецах.<br />

А Аня и Варя, рисуя<br />

друг друга, могут писать автопортреты.<br />

Предыдущее выездное заседание<br />

клуба «Мир внутри слова»<br />

прошло в декабре 2010 года<br />

в Ясной Поляне. Ее участник<br />

из Тюмени, литературовед<br />

Александр Шуклин в январе<br />

создал в своем родном городе<br />

одноименный филиал «Мира<br />

внутри слова». В Переделкино<br />

приехали два гостя из Тюмени –<br />

Юлия Град и Владислав Фомин,<br />

которые провели обстоятельную<br />

презентацию полугодовой<br />

деятельности тюменского<br />

филиала и представили его<br />

сайт. Недавно возник второй<br />

филиал литературного клуба –<br />

на Алтае (руководитель – литератор<br />

Валентина Шартнер). А<br />

после семинара в Переделкино<br />

организацией филиала московского<br />

литклуба в Питере решил<br />

заняться поэт и филолог Павел<br />

Вануйто (Блюме).<br />

Елена Зейферт (слева) обсуждает с сестрами Анной и Варварой Кендель<br />

иллюстрации к своей сказке<br />

МСНК<br />

Тишина. Пенье птиц. Шорох<br />

карандашей. И тихий голос<br />

Георгия Георгиевича Флейшмана,<br />

31-го года рождения. Георгий<br />

Георгиевич – основатель<br />

движения российских немцев в<br />

Тобольске. Он пришел в гости<br />

к участникам артлаборатории –<br />

проекта Международного союза<br />

немецкой культуры и Творческого<br />

объединения российских<br />

немцев, который проходит с<br />

8-го по 17 июля в Тобольске.<br />

Он рассказывает о своей жизни<br />

– о родном Ленинграде, переселении<br />

в Сибирь, о нынешней<br />

жизни. Рядом художники<br />

рисуют его портрет, фотографы<br />

делают снимки, оператор<br />

снимает. Все вместе стремятся<br />

запечатлеть историю – уловить<br />

интересный момент, черты<br />

лица, настроение, атмосферу<br />

времени.<br />

«Я видел дорогу жизни, ямы<br />

от бомбежек, стоящие на обочинах<br />

зенитки, – говорит Георгий<br />

Георгиевич. – Нас везли сначала<br />

на автобусах, затем долго-долго<br />

по железной дороге. На остановках<br />

одна женщина открывала<br />

засовы, трясла бельем и<br />

говорила, что ее «муж воюет с<br />

фашистами на войне, а она тут<br />

со вшами». Когда мы приехали<br />

на место, то местное население<br />

очень удивлялось: нам говорили,<br />

что немцы с рогами, а<br />

вы такие, как и мы. Вот такая<br />

была пропаганда немецкого<br />

народа России». В Тобольске<br />

Георгий Георгиевич ходил в<br />

школу, окончил ее хорошо, но<br />

немецкий сдал на «три». «Я не<br />

хотел учить этот язык, не хотел<br />

его знать».<br />

История оживает, когда человек<br />

рассказывает о том, что<br />

он пережил сам. Художники<br />

и фотографы, которые сами<br />

не понаслышке знают о ней,<br />

пытаются запечатлеть уходящие<br />

мгновения, чтобы донести<br />

их до потомков. По итогам<br />

артлаборатории, которая<br />

проводится в рамках рабочего<br />

поля «Авангард», планируется<br />

организовать выставку портретов<br />

трудармейцев и пейзажей<br />

тобольской земли, выставку<br />

фотографий, а также сделать<br />

фильм о судьбах репрессированных<br />

немцев и трудармейцев.<br />

Наталья Хречкова<br />

М. Миллер<br />

Потерянная родина<br />

Воспоминания о вторичной депортации – на рыбные промыслы<br />

От его малой родины ничего<br />

почти не осталось. Вместо<br />

домов – полуразрушенный фундамент,<br />

вместо улиц – пыль и<br />

бурьян, вместо счастливых безмятежных<br />

картин детства –<br />

отрывочные и обжигающие<br />

душу воспоминания.<br />

Валентина Дорн<br />

Спустя почти семьдесят лет<br />

мой отец – Эрик Эдуардович<br />

Дорн – все-таки вернулся в<br />

родное село Вальтер, которое<br />

после войны стало именоваться<br />

Гречихино. О прежних временах<br />

здесь напоминала только<br />

каким-то чудом уцелевшая<br />

кирха. Поблекшие облупившиеся<br />

купола бесстрастно взирали<br />

в небо.<br />

Он и не мог помнить родину:<br />

когда советских немцев вывезли<br />

отсюда, отцу было всего лишь<br />

три года. Позже родные рассказывали,<br />

что весть о выселении<br />

для них была, как гром<br />

среди ясного неба. Сентябрь для<br />

земледельцев – это то время,<br />

когда день год кормит. Еще не<br />

собрали весь урожай, не намололи<br />

муки.<br />

Накануне отъезда в страшной<br />

суматохе женщины старались<br />

напечь побольше хлеба в дорогу,<br />

а мужчины забивали свиней.<br />

Коровы, бычки, козы, куры –<br />

вся эта живность осталась на<br />

произвол судьбы. Во дворах<br />

страшно выли собаки.<br />

С собой много не возьмешь,<br />

но мама отца – Лидия Ивановна<br />

ни за что не захотела оставлять<br />

швейную машинку «Зингер».<br />

Позже эта машинка помогла им<br />

выжить на Севере: поскольку не<br />

было обуви, из старой одежды<br />

тетушка шила толстые «бурки».<br />

Иногда принимала заказы, за<br />

которые платили едой. Но это<br />

было уже потом, когда их привезли<br />

в поселок Горки Ямало-<br />

Ненецкого автономного округа,<br />

где помимо коренных жителей<br />

– хантов – жили, а точнее выживали,<br />

только всякие ссыльные.<br />

До этого вся семья – мама<br />

Лидия, отец Эдуард и двое сыновей<br />

Эрик и Володя – целый<br />

год прожили в селе Паново, на<br />

постое у русской семьи. Потом<br />

отца забрали в трудармию,<br />

на лесозаготовки где-то под<br />

Омском, а мать с сыновьями<br />

посадили на теплоход, который<br />

плыл по Оби около десяти дней.<br />

Когда они прибыли на место,<br />

их разместили в местном клубе.<br />

Сдвинули скамьи сиденьями<br />

вместе, спинками врозь, чтобы<br />

на них можно было лежать. Одно<br />

из самых ярких воспоминаний<br />

детства: женщины, а вместе с<br />

ними и мама, ушли на работу,<br />

а в клубе остались дети под<br />

присмотром пожилой немки.<br />

Неожиданно началась гроза.<br />

Гром гремел и молнии сверкали<br />

так, как будто наступил конец<br />

света. Испуганная ребятня забилась<br />

под скамейки, некоторые<br />

громко плакали. Конец света не<br />

наступил: просто это был конец<br />

их относительно спокойной и<br />

размеренной жизни. Им предстояло<br />

пережить самую страшную<br />

и суровую зиму в их жизни<br />

и не умереть от голода.<br />

Из клуба нужно было куда-то<br />

расселяться, и женщины на склоне<br />

холма начали рыть землянки.<br />

В наспех обустроенной «норе»<br />

жили по пять–шесть человек,<br />

спали на чем придется.<br />

Немецкие семьи привезли сюда<br />

на рыбный промысел. Женщины<br />

сами гребли, вытаскивали<br />

сети. После двух лет работы на<br />

веслах заболела ревматизмом<br />

тетка, слегла, а вскоре и умерла.<br />

Матери повезло больше: ее<br />

поставили поваром в детский<br />

сад. Но вечером она вместе с<br />

другими шла грузить рыбу. Один<br />

раз по шатким мосткам она не<br />

удержала тачку, которая резко<br />

потянула ее в сторону, и упала<br />

прямо в холодную воду. Будучи<br />

в теплой одежде, мать все-таки<br />

сумела доплыть до берега. Вернулась<br />

домой мокрая, озябшая.<br />

«Ничего страшного», – успокаивала<br />

она мальчишек, едва шевеля<br />

посиневшими губами.<br />

Рыбы ловили и грузили много,<br />

но ее под страхом смерти брать<br />

было нельзя. Только иногда тайком<br />

рыбу приносили русские<br />

ссыльные, да из столовой матери<br />

разрешали взять рыбьи головы<br />

и кости, из которых она варила<br />

холодец. Иногда кто-нибудь<br />

полулегально приносил из зверосовхоза<br />

замерзшие тушки<br />

лис. Теперь и они считались<br />

деликатесом. Если уж совсем<br />

ничего не было, ели картофельные<br />

очистки. Особенно тяжело<br />

пришлось, когда мать потеряла<br />

продуктовые карточки, которые<br />

выдавали переселенцам. Это<br />

мучительное чувство голода,<br />

которое не покидает даже во<br />

сне. Лучше не думать о еде, но в<br />

воображении рисуется тарелка с<br />

галушками, ломоть ароматного<br />

хлеба с вареньем…<br />

В Горки с большой земли пароход<br />

с провизией прибывал только<br />

один раз в год повесне. Это был<br />

настоящий праздник: взрослые<br />

и дети таскали мешки и коробки.<br />

Иногда, уже после войны, в<br />

коробках оказывались помидоры<br />

и огурцы. После распределения<br />

витаминное лакомство<br />

съедалось очень быстро. Самая<br />

распространенная болезнь, от<br />

которой страдали все переселенцы,<br />

– цинга. Многие умирали,<br />

не выдержав столь суровых<br />

испытаний голодом и холодом.<br />

В этом отношении детям было<br />

проще. Их запаса жизненной<br />

энергии и устремленности в<br />

будущее вполне хватало для того<br />

чтобы не падать духом. В Горках<br />

семья прожила до 1956 года. К<br />

тому времени они уже построили<br />

свой дом, о котором стали<br />

задумываться, когда приехал<br />

отец…


<strong>Московская</strong> <strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

Яркие моменты праздника<br />

в честь 20-летнего юбилея<br />

Немецкого национального<br />

района Алтайского края. День<br />

начался с праздничного шествия<br />

(вверху). На день рождения к<br />

жителям района и его главе<br />

Федору Эккерту (2-е фото<br />

сверху, в центре) прибыли<br />

представители Германии,<br />

Министерства регионального<br />

развития РФ, администрации<br />

области и федеральных структур<br />

российских немцев. За день до<br />

этого Генрих Мартенс поздравил<br />

молодоженов Евгения и Наталью<br />

Мартенс с бракосочетанием<br />

(внизу, посередине).<br />

Крепкие связи<br />

Это было совпадением, но очень приятным. 1 июля, за день до<br />

20-летия Немецкого национального района Алтайского края, недалеко<br />

от границы района отмечали российско-немецкую свадьбу. В<br />

ЗАГСе города Яровое Евгений Мартенс и Наталья Берг сказали в<br />

присутствии свидетелей и гостей заветное «да».<br />

«Моя Наташа», – говорит<br />

свежеиспеченный муж о своей<br />

юной супруге. Наташа познакомилась<br />

с Евгением Мартенсом<br />

– ну где же еще – в Центре<br />

немецкой культуры Ярового.<br />

Женя тогда, в 2005 году, был<br />

руководителем молодежного<br />

клуба «Первая звезда» при<br />

ЦНК. Наташа регулярно приходила<br />

на заседания клуба.<br />

Сегодня семьи Мартенс и Берг<br />

вместе отмечают Рождество<br />

и Пасху – четыре раза в год,<br />

соответственно по немецким<br />

обычаям и по русским.<br />

«Я думаю, это наша особенная<br />

культура, которую мы обязательно<br />

должны сохранить», –<br />

Диана Лаарц<br />

говорит Евгений Мартенс.<br />

Его прапрадедушка приехал<br />

в Славгород с семьей в начале<br />

прошлого века с Поволжья.<br />

Уже тогда в этом районе<br />

компактно селились немцы. 4<br />

июля 1927 года ЦИК РСФСР<br />

принял решение о создании в<br />

Славгородском округе Сибирского<br />

края немецкого района<br />

с центром в селе Гальбштадт.<br />

В 1938 году он был ликвидирован.<br />

После развала Союза<br />

район был восстановлен в его<br />

исторических границах. Евгений<br />

Мартенс много времени<br />

уделяет изучению истории<br />

семьи и народа. Это одна из<br />

причин, почему он так ценит<br />

н е м ц ы Р о с с и и<br />

Двойной повод для праздника: юбилей и свадьба<br />

V<br />

Центр немецкой культуры. На<br />

Рождество он с ребятами из<br />

молодежного клуба посещал<br />

трудармейцев, слушал их рассказы,<br />

приносил сладости и пел<br />

с ними рождественские песни.<br />

Их он выучил в том же ЦНК,<br />

«Stille Nacht» – его любимая.<br />

Сейчас Евгений Мартенс уже<br />

не в молодежном клубе. Ему<br />

25 лет, он – учитель немецкого<br />

языка и руководитель Центра<br />

немецкой культуры.<br />

Со своей женой Наташей Мартенс<br />

хочет сохранять немецкие<br />

традиции, которые ему<br />

привили еще в семье. Может,<br />

даже чуть углубить их. Родители<br />

Жени почти не говорят на<br />

немецком, парень выучил его в<br />

Центре и за несколько поездок<br />

в Германию. Со своими детьми<br />

– у Евгении и Натальи Мартенс<br />

это в планах – они хотят<br />

как можно больше говорить<br />

по-немецки.<br />

Д. Лаарц (8)<br />

Незабываемый Гальбштадт<br />

Многие переселенцы проводят летний отпуск на своей родине<br />

Они покинули Немецкий национальный район много лет назад – и тем не менее приезжают сюда<br />

снова и снова. Каждое лето немцы, эмигрировавшие в Германию, возвращаются на родину – в<br />

Гальбштадт и близлежащие села. Некоторые ради того, чтобы провести отпуск в родных местах,<br />

едут через пол-Европы и Азии пять дней на машине. Три «возвращенца» рассказывают о том, что<br />

именно они так ценят в Немецком национальном районе. Одно слово повторяется в рассказе каждого<br />

из них – свобода.<br />

Сергей Ульрих<br />

ранее: Дегтярка<br />

сейчас: Хамм<br />

Переезд: 14 лет назад<br />

Что хорошего в Гальбштадте:<br />

Гальбштадт и мое село Дегтярка<br />

значат для меня свободу. Здесь<br />

я могу рыбачить, разводить<br />

костер, где угодно ездить на<br />

велосипеде. Поэтому я приезжают<br />

сюда каждое лето.<br />

Что хорошего в Германии: В<br />

Хамме нет комаров. Здесь же<br />

просто тихий ужас.<br />

Йозеф Шиндлер<br />

ранее: Шумановка<br />

сейчас: Зёст<br />

переезд: 18 лет назад<br />

Что хорошего в Гальбштадте:<br />

Здесь живут мои родители, я<br />

знаю людей. И я чувствую себя<br />

свободно. Я могу везде гулять<br />

– в лесу, в поле. В Германии это<br />

запрещено, все кому-то принадлежит,<br />

все – частная собственность.<br />

Что хорошего в Германии: Мне<br />

действительно нравится Зёст.<br />

Это очень красивый старинный<br />

город. Я себя хорошо там чувствую,<br />

потому что там живет моя<br />

семья, там выросли мои дети.<br />

Александр Цих<br />

ранее: Дегтярка<br />

сейчас: Хамм<br />

Переезд: 4 года назад<br />

Что хорошего в Гальбштадте:<br />

Столько свободного времени,<br />

сколько здесь, у меня в Германии<br />

не бывает никогда. Я хожу<br />

на шашлыки, на речку, в походы.<br />

И это все – бесплатно!<br />

Что хорошего в Германии:<br />

В Германии я – рабочий на складе.<br />

Работа оплачивается там<br />

лучше, чем в России. А здесь<br />

в районе и так мало рабочих<br />

мест.<br />

Разница – небо и земля!<br />

Петер Кюммель отмечает<br />

происшедшие перемены в ННР<br />

15 лет назад Хайко Кюммель<br />

вместе с тогдашним главой<br />

района Шмалькальден-Майнинген<br />

(Тюрингия) впервые<br />

отправился в Немецкий национальный<br />

район на Алтае, чтобы<br />

скрепить партнерские связи<br />

двух районов. По случаю<br />

20-летнего юбилея Нацрайона<br />

Кюммель снова прибыл в<br />

Алтайский край и удивился<br />

тому, сколько перемен произошло<br />

за полтора десятка<br />

лет.<br />

Г-н Кюммель, какие изменения<br />

прежде всего бросаются в<br />

глаза?<br />

Конечно, дороги.<br />

Но они все равно с ямами и колдобинами.<br />

Разница, что было и что стало<br />

– небо и земля! В первый раз я<br />

ехал через Новосибирск. Километров<br />

10 было заасфальтировано,<br />

остальное вообще нельзя<br />

было назвать улицей.<br />

Школа, построенная в Гальбштадте<br />

в 2007 году, является<br />

другим примером развития<br />

инфраструктуры в районе.<br />

Здесь действительно очень<br />

много детей. И в районном<br />

центре проживает примерно<br />

столько же жителей, сколько<br />

в районе в целом. Если сравнивать<br />

наш район с Гальбштадтом,<br />

то у нас, думаю, и пятой<br />

части детей не наберется. У<br />

меня создается впечатление,<br />

что поля здесь обрабатываются<br />

лучше. В соседних районах поля<br />

находятся в более безалаберном<br />

состоянии.<br />

На что еще обратили внимание?<br />

15 лет назад я воспринимал<br />

местных жителей как крестьян.<br />

Не подумайте, что я говорю об<br />

этом с пренебрежением. Люди<br />

были самодостаточными, особенно<br />

представители старшего<br />

поколения не особенно обращали<br />

внимание на то, как они<br />

выглядят. А сейчас – посмотрите<br />

на людей, которые пришли на<br />

праздник, особенно на женщин.<br />

Они модно одеты. Попади они<br />

в любой город мира, они бы<br />

мало чем отличались от окружающих.<br />

Повлияли ли эти изменения<br />

на ваше общение с жителями<br />

района?<br />

Люди стали более открытыми.<br />

У них есть гордость и достоинство.<br />

Я думаю, у них есть для<br />

этого основания: они могут гордиться<br />

тем, чего они достигли<br />

за 20 лет.<br />

Беседовала Диана Лаарц


VI<br />

<strong>Московская</strong><br />

и с т о р и я и к у л ь т у р а<br />

Вольфганг Казак, по его словам,<br />

«имел счастье вырасти в<br />

совершенно антифашистской,<br />

антинацистской писательской<br />

семье». Его отец – выдающийся<br />

немецкий писатель Герман<br />

Казак, который стал известным<br />

после падения Третьего<br />

рейха, а с 1953 года в течение<br />

последующих десяти лет избирался<br />

президентом Немецкой<br />

академии литературы и языка.<br />

Его главный роман «Город за<br />

рекой», изданный в 1947 году,<br />

был переведен вскоре на многие<br />

языки. Русский перевод<br />

появился только при Горбачеве:<br />

советская цензура понимала,<br />

что его критика нацистского<br />

тоталитаризма может быть<br />

применима и к советской системе.<br />

В 1943 году 16-летнего Вольфганга,<br />

как и других ребят его<br />

возраста, призвали на военную<br />

службу: сначала в противоздушные<br />

войска в качестве<br />

помощника люфтваффе, а<br />

в начале 1945-го – в армию,<br />

где ему удалось стать санитаром.<br />

Он оказался на фронте<br />

под Берлином 24 апреля, а уже<br />

30-го попал в плен к полякам,<br />

которые передали его советским<br />

войскам.<br />

Казак считает, что он выжил<br />

в советском плену благодаря<br />

русскому офицеру, оперу<br />

НКВД по фамилии Гришечкин.<br />

В критический для пленного,<br />

истощенного немца момент<br />

Гришечкин вдруг вызвал его,<br />

полуживого, из лагерной больницы<br />

к себе, узнав от кого-то,<br />

что Казак к тому времени уже<br />

Григорий Крошин<br />

немного владел русским языком.<br />

Вольфганг Казак поведал<br />

мне, почему вообще стал изучать<br />

русский: находясь в этом<br />

жутком состоянии в лагере,<br />

он понял, что чтобы выжить<br />

физически, у него есть лишь<br />

один шанс – овладеть русским<br />

языком. И он поставил себе<br />

эту задачу. Узнал, что у одного<br />

из пленных были русская<br />

грамматика и словарь. За пару<br />

дней переписал то, что ему<br />

было нужно, и стал самостоятельно<br />

учить русский. А через<br />

6 недель выяснилось, что освободилось<br />

место переводчика<br />

на кухне. Две или три недели<br />

Вольфганг работал там переводчиком,<br />

питался нормально,<br />

даже мог помочь друзьям<br />

своей пайкой. А через какоето<br />

время его вызвали к оперу<br />

Гришечкину. На вопрос боялся<br />

ли он допроса, Казак поясняет:<br />

«Этого я как раз совсем<br />

не боялся, так как у меня, с<br />

политической точки зрения<br />

(отношения к нацистам и т.<br />

п.), совесть была чиста: мой<br />

папа в 1933-м сразу же потерял<br />

свою работу».<br />

Допрос велся по-русски,<br />

и для полуживого пленного<br />

немца Казака этот экзамен<br />

стал первой возможностью<br />

проверить прежде всего<br />

самого себя, может ли он уже<br />

общаться по-русски. Оказалось<br />

– может!<br />

А еще спустя месяц этот же<br />

офицер спас Казака от «подписки»,<br />

то есть согласия на<br />

сотрудничество в качестве<br />

Вольфганг Казак дает интервью<br />

гэбэшного сексота. Произошло<br />

это так. Однажды пленного<br />

как владеющего русским снова<br />

вызвали в кабинет, где уже,<br />

кроме Гришечкина, сидели еще<br />

несколько офицеров. Они о<br />

чем-то спрашивали Казака, он<br />

что-то мямлил. Все это время<br />

Гришечкин молчал, и вдруг<br />

говорит офицерам: «Вы что,<br />

не видите, что он еще недостаточно<br />

владеет русским, не<br />

стоит с ним терять время,<br />

вызовем его позже». И вдруг<br />

– как заорет на пленного: «Воо-он<br />

отсюда!!!». Это явно была<br />

показная грубость, рассчитанная<br />

на офицеров. Просто, как<br />

Казак потом понял, Гришечкин<br />

таким образом решил его<br />

спасти. А через четыре месяца<br />

был транспорт на родину:<br />

часть самых слабых пленных,<br />

к каковым можно было<br />

отнести и Казака, отпускали<br />

в Германию. Но Вольфганга<br />

в алфавитном списке не оказалось.<br />

Зато в самом конце<br />

списка неожиданно были приписаны<br />

фамилии Казака и еще<br />

троих пленных, отправляемых<br />

<strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

«Русский язык спас мне жизнь»<br />

В советском плену Вольфганг Казак почувствовал внутреннюю близость к русским – и стал славистом<br />

Он уже не возразит из скромности в ответ на эту оценку его труда:<br />

пожалуй, никто на Западе не сделал столько полезного для русской<br />

литературы в XX веке, сколько сделал он. Но мало кто знает, что<br />

крупнейший из послевоенных немецких ученых-славистов, тончайший<br />

знаток русского языка, директор Института славистики Кёльнского<br />

университета, автор первого в мире «Лексикона русской<br />

литературы ХХ века», профессор Вольфганг Казак (1927–2003) обязан<br />

своему выбору жизненного пути пребыванию в советском плену.<br />

в Германию (было ясно, кто<br />

эту приписку сделал, защищая<br />

фамилию Вольфганга еще<br />

тремя другими). Сам Гришечкин<br />

ехал в этом же эшелоне<br />

начальником и взял его в свой<br />

вагон. Вагон был товарный,<br />

как и все остальные, но с печкой,<br />

кроватями для офицеров<br />

и... одними огромными нарами<br />

– для Казака. И все две<br />

недели, пока они ехали из Кузнецка<br />

(под Пензой) до Франкфурта-на-Одере,<br />

он работал<br />

переводчиком, его кормили.<br />

И вот таким образом он был<br />

освобожден из плена, вернулся<br />

домой, в Германию. Потому<br />

он и убежден, что русский<br />

язык спас ему жизнь.<br />

Прибыв в родной Потсдам,<br />

он решил посвятить свою<br />

жизнь русскому языку. Выбрал<br />

профессию переводчика, сдал<br />

в том же Потсдаме экзамен<br />

на аттестат зрелости, затем в<br />

Гейдельберге с помощью отца<br />

поступил в Институт переводчиков<br />

университета, по окончании<br />

которого в 1951-м сдал<br />

экзамен на синхрониста. А<br />

Г. Крошин<br />

еще через два года, уже в Гёттингенском<br />

университете стал<br />

доктором филологии, написав<br />

работу о Гоголе.<br />

Погружаясь в русский язык,<br />

он стал не просто переводчиком,<br />

а ученым-славистом,<br />

авторитетным исследователем<br />

и популяризатором русской<br />

литературы. Из 900 публикаций<br />

В. Казака – около 20 переводов<br />

книг русских писателей,<br />

от Достоевского до современных<br />

авторов.<br />

В 1955–1968 годах он работал<br />

в немецком МИДе: был<br />

одним из переводчиков в<br />

делегации канцлера Конрада<br />

Аденауэра, первым переводчиком<br />

посольства ФРГ в<br />

Москве, организовал первую<br />

немецкую выставку в СССР и<br />

обмен учеными между нашими<br />

странами, внеся важный вклад<br />

в развитие культурных связей<br />

между ФРГ и СССР. Однако<br />

затем в течение 17 лет ему не<br />

выдавали визу для въезда в<br />

СССР. Это и понятно: ведь в<br />

то время профессор публично<br />

говорил о настоящей русской<br />

литературе. Он включил<br />

в свой «Лексикон» статьи о<br />

запрещенных тогда в СССР<br />

писателях – Иване Шмелеве,<br />

Дмитрии Мережковском,<br />

Зинаиде Гиппиус, Гумилеве,<br />

Ахматовой, Мандельштаме,<br />

Клюеве и др. С момента выхода<br />

в свет «Лексикона» в 1976<br />

году и вплоть до начала перестройки<br />

его главный труд был<br />

в СССР запрещен. Только в<br />

1996-м в переводе на русский<br />

он вышел в России.<br />

«Короче говоря, без моего<br />

плена в СССР и без капитана<br />

Гришечкина, – улыбается<br />

доктор Казак, – мы бы с вами<br />

сейчас не беседовали... Будучи<br />

в плену, я пережил то, что<br />

заронило в моей душе доверие<br />

и внутреннюю близость к русским».<br />

Немецкий взгляд на собственное прошлое<br />

В Москве открыта выставка о подневольных рабочих при нацистах<br />

В конце июня исполнилось 70 лет с начала Великой Отечественной<br />

войны. К этой скорбной дате немецкие фонды Мемориальных<br />

комплексов Бухенвальд и Миттельбау-Дора при поддержке германского<br />

фонда «Память, ответственность и будущее» привезли в<br />

Москву выставку «Принудительный труд. Немцы, подневольные<br />

рабочие и война». Выставка впервые освещает всю историю самого<br />

массового преступления нацистов: более 20 миллионов человек<br />

были привлечены к принудительным работам на территории Германской<br />

империи и в оккупированных вермахтом странах.<br />

То, что выставка проходит<br />

под патронажем Федерального<br />

президента Германии<br />

Кристиана Вульфа, является<br />

знаковым символом немецкого<br />

отношения к истории.<br />

Несмотря на то, что нынешнее<br />

поколение немцев не<br />

повинно в деяниях Третьего<br />

рейха, оно признает свою<br />

историческую ответственность<br />

в этом вопросе. В<br />

качестве жеста примирения<br />

Германия через созданный<br />

в 2000 году в Берлине фонд<br />

«Память, ответственность и<br />

будущее» частично компенсировала<br />

бывшим узникам<br />

фашизма их физические и<br />

моральные страдания.<br />

Лилия Козлова<br />

На сегодняшний день выплаты<br />

денег уже завершены, и<br />

основная функция фонда<br />

заключается в финансовой<br />

поддержке гуманитарных программ,<br />

целью которых обозначены<br />

документация фактов<br />

принудительного труда при<br />

национал-социализме и увековечение<br />

памяти об этом. В<br />

этом ракурсе и была инициирована<br />

международная передвижная<br />

выставка «Принудительный<br />

труд. Немцы, подневольные<br />

рабочие и война».<br />

Ознакомить широкую общественность<br />

с нелегкой судьбой<br />

подневольных рабочих при<br />

национал-социализме – по<br />

мнению председателя фонда<br />

«Память, ответственность<br />

и будущее» Мартина Зальма,<br />

это является главной целью<br />

выставки. «Представители<br />

данных общественных групп<br />

должны пользоваться уважением,<br />

– говорит Мартин Зальм<br />

и подчеркивает – нельзя допустить<br />

замалчивания выпавших<br />

на их долю страданий».<br />

Основу экспозиции составляют<br />

уникальные архивные<br />

документы, фотографии,<br />

трофейные плакаты, личные<br />

вещи, карточки, трудовые<br />

книжки, письма, оригиналы<br />

приказов и распоряжений<br />

деятелей СС и администраций<br />

концлагерей. В общей сложности<br />

представлено около<br />

450 исторических фотографий,<br />

более 500 документов,<br />

более 60 репрезентативных<br />

сюжетов, основанных на биографиях<br />

конкретных людей.<br />

При сборе документов были<br />

исследованы сотни частных и<br />

музейных хранилищ, мемориальных<br />

комплексов, а также<br />

региональные и государственные<br />

архивы 18 стран.<br />

Выставка из Германии с большим<br />

сочувствием показывает<br />

трагедию тех людей, на чью<br />

долю пришлись плен и бесчеловечные<br />

условия в военных<br />

концлагерях. Вот молодой<br />

советский военнопленный<br />

лег в грязь и пьет воду из<br />

лужи! А вот – старый ботинок,<br />

глядя на который чувствуешь<br />

присут ствие его невидимого<br />

хозяина, узника концлагеря.<br />

Подобные элементы позволяют<br />

посетителям выставки<br />

ощутить чувство сопричастности<br />

к тому далекому ужасному<br />

прошлому. И в этом<br />

заслуга ее организаторов.<br />

Авторы экспозиции подошли<br />

к своей работе не формально,<br />

а с душевным вниманием,<br />

желанием сделать ее понятной<br />

любому посетителю.<br />

Выставка «Принудительный<br />

труд. Немцы, подневольные<br />

работники и война» можно<br />

увидеть в Центральном музее<br />

Великой Отечественной войны<br />

1941–1945 гг. на Поклонной<br />

горе до 23 октября 2011 года.<br />

Ушел из жизни<br />

Адам Шмидт<br />

В субботу, 9 июля на 91-м<br />

году жизни в Ярославле в<br />

своей мастерской скоропостижно<br />

скончался художник<br />

Адам Шмидт. Большую часть<br />

своей жизни этот художник<br />

от Бога с нелегкой судьбой<br />

российского немца проработал<br />

декоратором в театре.<br />

И все это время он писал<br />

картины. Последняя персональная<br />

выставка прошла в<br />

начале этого года в Музее<br />

истории города Ярославля.<br />

Приносим искренние соболезнования<br />

родным и близким<br />

художника.<br />

МСНК


<strong>Московская</strong> <strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

Р е г и о н ы Г е р м а н и и<br />

VII<br />

«Второй Рим», мозельское вино и… Карл Маркс<br />

В Рейнланд-Пфальце находится старейший город Германии – Трир<br />

В 1793 году Гёте, проезжая через Трир, записал: «Город внутри стен<br />

переполнен, нет, задавлен церквями, часовнями, монастырями,<br />

церковными общинами и зданиями, которые принадлежат рыцарским<br />

и монашеским орденам, не говоря уже об аббатствах, картезианских<br />

обителях и богадельнях, которые покрывают, нет, загромождают<br />

его». Сегодня Трир – город мозельских виноделов, церковников<br />

и студентов – живет своей тихой провинциальной жизнью,<br />

полной воспоминаниями о былом расцвете на закате римской<br />

эпохи.<br />

Первое поселение было основано<br />

императором Августом<br />

более двух тысячелетий назад.<br />

В 18-м году до н.э. римляне возвели<br />

мост через реку Мозель.<br />

Жившее в этом месте племя<br />

треверов, обустраивая проходивший<br />

по реке торговый путь,<br />

вбило в ее дно первые дубовые<br />

сваи. Однако и треверы не были<br />

первыми жителями этих мест:<br />

брод через Мозель существовал<br />

здесь еще в каменном веке.<br />

Можно понять жителей Трира,<br />

которые на Рыночной площади<br />

в центре города на известном<br />

здании Красного дома вывели<br />

надпись на латыни: «<strong>An</strong>te<br />

Romam Treveris stetit annis mille<br />

Trecentis», что переводится<br />

примерно так: «До Рима Трир<br />

стоял тысячу и триста лет».<br />

Это, конечно, некое преувеличение,<br />

однако цифры, с которыми<br />

здесь сталкиваешься, поражают<br />

воображение. Например,<br />

на той же Рыночной площади<br />

можно увидеть крест, поставленный<br />

там еще в 958 году в<br />

честь данных городу торговых<br />

привилегий, и Фонтан Петра,<br />

украшающий ее с 1595-го.<br />

При рождении город треверов<br />

получил имя Augusta<br />

Treverorum, позже название<br />

трансформировалось в Трир.<br />

В течение сотни лет этот<br />

город был столицей Западной<br />

Рим ской империи, «вторым<br />

Римом», как называл его император<br />

Диоклетиан. Здесь последовательно<br />

правили шесть<br />

В этом мало чем отличающемся<br />

от своих соседей доме на<br />

Симеонштрассе родился вождь<br />

международного пролетариата<br />

Карл Маркс<br />

императоров, размещались<br />

имперские монетные дворы.<br />

Число жителей города достигало<br />

80 тысяч. Во время набегов<br />

варваров он был разграблен и<br />

разрушен. Позже Трир переживал<br />

периоды расцвета и упадка,<br />

а после наполеоновских войн<br />

стал самым бедным пограничным<br />

пунктом Прусской империи.<br />

Но это не помешало ему<br />

сохранить уникальный архитектурный<br />

ансамбль древнеримского<br />

поселения. В этом легко<br />

убедиться, посетив городской<br />

Гр. Крошин<br />

«Дом трех святых королей»<br />

со входной дверью на уровне<br />

второго этажа<br />

wikipedia<br />

Возведенные в 180 году ворота Порта Нигра являются символом Трира<br />

Григорий Крошин<br />

Музей Simeonstift в древнем<br />

монастыре Cв. Симеона.<br />

От римских времен в городе<br />

сохранились возведенная в 310<br />

году Константином Великим<br />

базилика, построенный в 152-м<br />

Римский мост, по которому<br />

сегодня проходит автодорога,<br />

и купальни – термы, сооружение<br />

которых завершилось<br />

также при императоре Константине.<br />

А самый впечатляющий<br />

памятник – Порта Нигра<br />

(с латинского – черные ворота)<br />

– является символом Трира.<br />

Эти ворота, построенные в 180<br />

году без применения цемента,<br />

являются самыми большими<br />

(высота 29,3 м) и наиболее<br />

хорошо сохранившимися<br />

антич ными воротами во всем<br />

мире. От Черных ворот начинается<br />

улица Симеонштрассе. Она<br />

является стержнем, на который<br />

нанизаны практически все<br />

достопримечательности Трира.<br />

Исторические памятники города<br />

являются объектами Всемирного<br />

наследия и находятся<br />

под защитой ЮНЕСКО.<br />

Жители Трира не зря гордятся<br />

древностью своего города,<br />

чрезвычайно богатого с туристической<br />

точки зрения. Впечатлений<br />

здесь хватит на всех<br />

– любителей ренессанса барокко<br />

или рококо, увлекающихся<br />

раннехристианской или еврейской<br />

историей, а еще и тех, кто<br />

интересуется началом биографии…<br />

автора «Капитала». Факт<br />

рождения в этом городе Карла<br />

Маркса считался, кстати, главной<br />

достопримечательностью<br />

в Трире для редких туристов<br />

из СССР.<br />

От Черных ворот по Симеонштрассе<br />

в сторону городского<br />

рынка – дорога, по которой<br />

ходил в школу Карл Маркс.<br />

В доме №10 по Брюккенштрассе,<br />

где 5 мая 1818 года родился<br />

немецкий философ, экономист<br />

и общественный деятель, ныне<br />

располагается Дом-музей Маркса.<br />

Почему Маркс пришел к идее<br />

социализма именно в Трире?<br />

Ведь, казалось бы, в этом городке<br />

и поныне не могло быть никакого<br />

пролетариата. Историки<br />

доказали, что это впечатление<br />

ошибочно. После присоединения<br />

Трира к Пруссии город<br />

обнищал. Верхний слой жителей,<br />

к которому принадлежал и<br />

Маркс – дворянство, духовенство,<br />

чиновники, – сократился.<br />

Нижний слой – ремесленники,<br />

торговцы, виноградари – вырос<br />

числом и стал беднее. Рабочим,<br />

которые трудились на виноградниках,<br />

зарплату часто выдавали<br />

не деньгами, а… вином и водкой.<br />

Возрастала преступность.<br />

В Трире не было городского<br />

пролетариата, никаких фабрик.<br />

Однако имелся другой, земельный<br />

пролетариат. Маркс, уже<br />

будучи редактором «Рейнской<br />

газеты», в своих статьях много<br />

внимания уделял этому земельному<br />

пролетариату – трирским<br />

виноградарям, черпая из этого<br />

опыта свои идеи.<br />

Улица Брюккенштрассе – от<br />

Дома-музея Маркса и до реки<br />

Мозель – названа теперь именем<br />

Карла Маркса. Забавно то,<br />

что сегодня на этой улице расположены<br />

бордели, ночные<br />

клубы, порновидеосалоны и<br />

другие прелести капиталистического<br />

мира. Но назвать<br />

ее типичной улицей красных<br />

фонарей все же нельзя – здесь<br />

есть и совершенно обыкновенные<br />

магазинчики, кафе,<br />

турбюро и другие благопристойные<br />

заведения. Не грех<br />

заглянуть и в один из многочисленных<br />

винных погребков,<br />

расположенных по соседству,<br />

и по пробовать знаменитые<br />

мозельские вина, которыми<br />

славится регион.<br />

На улице достопримечательностей<br />

– Симеонштрассе – расположен<br />

«Дом трех святых королей»,<br />

один из немногих сохранившихся<br />

домов-крепостей. В<br />

раннее Средневековье из соображений<br />

безопасности единственным<br />

входом в дом была<br />

дверь на уровне второго этажа,<br />

куда поднимались по выдвижной<br />

лестнице. Предчув ствуя опасность,<br />

жители дома прятали лестницу<br />

и тем самым защищали<br />

свое добро. Возведенное изначально<br />

в 1230 году здание было<br />

полностью перестроено в XVIII<br />

веке, появились входные двери<br />

на нижнем этаже.<br />

Еще одним магнитом для<br />

туристов в городе является<br />

трирский собор Святого Петра<br />

– старейший по времени основания<br />

собор Германии. Храм был<br />

заложен в 320-е годы по повелению<br />

императора Константина.<br />

По размерам (112,5 м на 41-м)<br />

собор является крупнейшим<br />

церковным зданием города.<br />

Изначально интерьер Трирско-<br />

wikipedia<br />

Трир<br />

го собора согласно романскому<br />

стилю был довольно мрачным,<br />

но в XVIII веке были добавлены<br />

элементы барокко. В частности,<br />

появился украшенный<br />

богатой резьбой алтарь, а также<br />

покрытая рельефами алтарная<br />

преграда. В Трирском соборе<br />

хранится целый ряд христианских<br />

святынь: Хитон Господень,<br />

мощевик с главой Святой<br />

Елены, часть цепи, которой был<br />

скован Апостол Павел, сандалия<br />

и гвоздь Cвятого Андрея<br />

Первозванного, а также частицы<br />

мощей Святых праведных<br />

Иоакима и Анны.<br />

Интересна история возникновения<br />

в Трире современного<br />

университета. Первоначально<br />

университет Трира был основан<br />

в 1473 году, а в 1798 под<br />

давлением французов, которые<br />

к тому времени командовали<br />

в городе, он прекратил свое<br />

По античному Римскому мосту сегодня ездят современные автомобили<br />

существование. Спустя целых<br />

172 года университет был вновь<br />

восстановлен как часть университета<br />

Трир-Кайзерслаутерн, а<br />

с 1975-го он существует уже как<br />

самостоятельное учреждение.<br />

Учиться вы поедете в Трир или<br />

просто любоваться его видами,<br />

восторг от древнейшего города<br />

Германии вам гарантирован,<br />

поверьте.<br />

Самыми представительными из сохранившихся купален являются Императорские термы, построенные при<br />

императоре Константине<br />

wikipedia<br />

Гр. Крошин


VIII<br />

<strong>Московская</strong><br />

н е м е ц к и й я з ы к<br />

<strong>немецкая</strong> газета № 14 (309) Июль 2011<br />

Warum spielen <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n so eine große Rolle in unserem<br />

Leben? Mit <strong>die</strong>ser Frage beschäftigten sich <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

des Sprachlagers „Meine Infowelt“/ „Mobile Akademie“<br />

vom 1. bis 14. Juli 2011 in Udelnaja, Gebiet Moskau. Die<br />

Jugendlichen, <strong>die</strong> aus verschiedenen Regionen Russlands<br />

kamen, setzten sich intensiv mit der Welt der Me<strong>die</strong>n auseinander<br />

und erfuhren dabei so einiges. Zum Beispiel,<br />

dass der deutsche Bauingenieur und Unternehmer Konrad<br />

Zuse als Erfinder des Computers gilt und dass <strong>die</strong> allererste<br />

Ausgabe der Moskauer Deutschen Zeitung am 1.<br />

Juni 1865 erschien.<br />

Außerdem konnten sich <strong>die</strong> jungen Teilnehmer des Sprachlagers<br />

als Redakteure, Fotografen oder Layouter versuchen<br />

und sich dabei der großen Me<strong>die</strong>nwelt zugehörig<br />

fühlen. Hier erfährst du, was deine Altersgenossen über<br />

ihre Infowelt zu sagen und zu zeichnen haben.<br />

Bereits seit 15 Jahren haben junge Russlanddeutsche <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, <strong>die</strong> Sprache ihrer Vorfahren in einer entspannten<br />

und lockeren Atmosphäre zu lernen. Die Jugendsprachlager<br />

des Internationalen Verbands der deutschen Kultur<br />

(IVDK) sind mittlerweile zur Tradition geworden. In <strong>die</strong>sem<br />

Jahr organisiert der IVDK mit Unterstützung des Bundesministeriums<br />

des Innern der Bundesrepublik Deutschland und<br />

des Ministeriums <strong>für</strong> Regionalentwicklung der Russischen<br />

Föderation drei Sprachlager auf föderaler Ebene – zwei im<br />

Gebiet Moskau und eines in Wolgograd.<br />

Diana Usikowa, Maxim Grischokin<br />

Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert<br />

der neuen Technologien. Heute kann ich<br />

es mir nur schwer vorstellen, dass ich<br />

vor fünf Jahren noch ohne Internet lebte<br />

und dass es vor zehn Jahren noch keine<br />

Mobiltelefone gab.<br />

Die Welt bleibt nicht stehen und entwickelt<br />

sich immer weiter. Es kommen<br />

immer wieder neue Technologien und<br />

Informationsquellen dazu.<br />

Wie viele andere Jugendliche verbringe<br />

auch ich den größten Teil meiner Freizeit<br />

im Internet. Das Internet hat mir mein<br />

Schülerdasein und überhaupt mein Leben<br />

erleichtert. Um neue Informationen zu<br />

bekommen, gehe ich meistens sofort<br />

online.<br />

Der größte Teil von Informationen <strong>für</strong><br />

meine Vorträge und Präsentationen <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Schule stammt aus dem Internet. Ich<br />

kann aber auch in unsere Schulbib liothek<br />

gehen, obwohl es mehr Zeit in <strong>An</strong>spruch<br />

nimmt. Man kann natürlich auch in einer<br />

Internetbibliothek nach Büchern suchen,<br />

aber es ist umständlich, das ganze Werk<br />

online zu lesen. Man muss mehrmals <strong>die</strong><br />

Seite aufsuchen und dabei immer den<br />

Absatz finden, den man zuletzt gelesen<br />

hat. Das ist anstrengend. Deshalb ist es<br />

gut zu wissen, dass man immer noch in<br />

eine gewöhnliche Bibliothek gehen kann.<br />

So werden auch <strong>die</strong> Bücher nicht vergessen.<br />

Außerdem tut man auf <strong>die</strong>se Weise<br />

auch etwas Gutes <strong>für</strong> seine Gesundheit.<br />

Denn es ist bekannt, dass das lange Sitzen<br />

vor dem Computer den Augen und dem<br />

ganzen Körper schaden kann. Man sollte<br />

auf jeden Fall darauf aufpassen, dass man<br />

nicht lange vor dem PC sitzt.<br />

Alle Neuigkeiten kann man in erster Linie<br />

aus dem Internet erfahren. Aber in meiner<br />

Meine Infowelt<br />

Familie ist es zur Tradition geworden, Zeitungen<br />

und Zeitschriften zu abonnieren.<br />

Ich lese sie auch mit großem Interesse.<br />

Da ich noch Schüler bin, entwickelt sich<br />

meine Infowelt zum größten Teil dank<br />

der Informationen, <strong>die</strong> ich in der Schule<br />

bekomme. Im Unterricht gewinne ich<br />

viele neue und interessante Kenntnisse<br />

und so kann man <strong>die</strong> Schule auch als eine<br />

wichtige Informationsquelle betrachten.<br />

Im Gegensatz zum Internet, sind <strong>die</strong><br />

Informationen, <strong>die</strong> uns unsere Lehrer im<br />

Unterricht vermitteln, lebendig. In der<br />

Klasse kann ich <strong>die</strong> neuen Kenntnisse<br />

mit meinen Klassenkameraden sofort und<br />

direkt besprechen.<br />

Unsere Infowelt bildet sich außerdem<br />

aus den Informationen, <strong>die</strong> wir zu Hause<br />

bekommen. Es beginnt mit den ersten<br />

Stunden, <strong>die</strong> wir mit unseren Eltern verbringen.<br />

Ich erinnere mich an <strong>die</strong> Erzählungen<br />

und Märchen meiner Mutter, als<br />

ich noch klein war. Ich hörte sie und mein<br />

Herz blieb fast stehen, so spannend war<br />

das <strong>für</strong> mich.<br />

Ich erinnere mich, wie ich zum ersten<br />

Mal in <strong>die</strong> Musikschule im Zentrum der<br />

deutschen Kultur kam. Ich wollte immer<br />

mehr und mehr erfahren. Auch heute<br />

gehe ich noch hin und erfahre dort immer<br />

mehr Neues und Interessantes.<br />

Das Internet spielt zwar <strong>die</strong> größte Rolle<br />

in meiner Infowelt, aber nicht weniger<br />

wichtig sind <strong>für</strong> mich Menschen in<br />

meiner Umgebung. Wenn ich mit ihnen<br />

rede und diskutiere, wird meine Infowelt<br />

reicher. Und je reicher <strong>die</strong> Infowelt ist,<br />

desto gebildeter ist der Mensch!<br />

Alexej Kurilo, 15 Jahre<br />

Romanowo, Region Altai<br />

Wollt ihr meine Infowelt kennenlernen?<br />

Ich bin immer auf dem Laufenden. Ich<br />

mag alles Neue und Interessante. Darum<br />

lese ich viel.<br />

Zeitschriften, Zeitungen, Filme, Internet<br />

– das alles ist meine Infowelt. Meine Eltern<br />

abonnieren <strong>für</strong> mich verschiedene Jugendmagazine.<br />

Es gibt eine Zeitschrift, <strong>die</strong> ich<br />

besonders gern lese. Diese Zeitschrift<br />

heißt „Die Welt der Kinder und Teenager“.<br />

Dort erfahre ich über <strong>die</strong> wichtigsten Probleme<br />

und Ereignisse im Leben anderer<br />

Kinder, Neues aus den Bereichen Kultur,<br />

Wissenschaft, Literatur und Sport.<br />

Meine Freundin Ella gibt mir <strong>die</strong> Illustrierte<br />

„Alle Stars“ zum Lesen, weil ich mich<br />

auch <strong>für</strong> Mode und Stars interessiere. Es<br />

gibt dort schöne Poster mit Stars, <strong>die</strong> unter<br />

Jugendlichen sehr populär sind.<br />

Spannend finde ich auch <strong>die</strong> Jugendzeitschrift<br />

„Ich bin 15“. Manchmal schreibe<br />

ich sogar selbst an <strong>die</strong> Redaktion der Zeitschrift<br />

und erzähle über meine Freunde<br />

und meine Schule, auch über meine<br />

Lieblingsfilme. Auch darüber, dass ich<br />

Gedichte schreibe und ein wenig Gitarre<br />

spiele. Die anderen Leserbriefe finde ich<br />

auch immer interessant.<br />

Nützliche Informationen bekomme<br />

ich aus der Zeitschrift „Marussja“. Dort<br />

gibt es psychologische Tests, Koch- und<br />

Backrezepte, Horoskope, Strickmuster,<br />

Schönheits- und Gesundheitstipps sowie<br />

weitere Informationen über das Leben<br />

der bekannten Menschen, über Reisen<br />

und Berufe. Das Abo <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Zeitschrift<br />

bekam ich von meiner Mutter zum 12.<br />

Geburtstag geschenkt und seitdem lese<br />

ich sie regelmäßig.<br />

Für <strong>die</strong> Schule lese ich andere Zeitschriften.<br />

Mein Lieblingsmagazin ist<br />

Hallo liebe Freunde!<br />

„GEO“. Dort gibt es viele Reisereportagen<br />

über verschiedene Länder. Besonders<br />

spannend finde ich <strong>die</strong> Fotoreihen. Im<br />

Erdkundeunterricht liegt <strong>die</strong>ses Magazin<br />

immer neben mir auf der Schulbank.<br />

Ich habe ein großes Interesse <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

deutsche Sprache und möchte <strong>die</strong> Sprache<br />

so gut lernen, dass ich später bessere<br />

Berufsmöglichkeiten habe. Die Zeitschriften<br />

in deutscher Sprache, <strong>die</strong> in<br />

Russland erscheinen, helfen mir dabei.<br />

Eine davon ist „Schrumdirum“. Ich vergesse<br />

alles um mich herum, wenn ich<br />

<strong>die</strong>se Zeitschrift lese. In der Schule haben<br />

wie einen Lesezirkel <strong>für</strong> „Schrumdirum“<br />

gegründet. Wir treffen uns einmal im<br />

Monat und diskutieren über <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Themen und Artikel aus „Schrumdirum“.<br />

Auch im Internet sind meine Hauptinteressen<br />

Lesen und Deutsch. Ich kann stundenlang<br />

am Computer sitzen und mich<br />

mit der Multimediabibliothek beschäftigen.<br />

Außerdem habe ich einen Freund<br />

in Deutschland, mit dem ich oft chatte.<br />

Er schreibt mir interessante E-Mails, ich<br />

antworte ihm – das hilft mir, meine<br />

Deutschkenntnisse zu verbessern.<br />

Unter uns Jugendlichen ist das Fernsehen<br />

das am intensivsten genutzte Medium.<br />

Was mich angeht, so interessieren<br />

mich vor allem Unterhaltungssendungen<br />

und besonders <strong>die</strong> Castingshow „Star-<br />

Fabrik“.<br />

Also, ich finde meine Infowelt ziemlich<br />

vielfältig. Ich möchte noch mehr lesen,<br />

hören und sehen. Man muss nur Zeit<br />

da<strong>für</strong> finden, Lust dazu habe ich immer.<br />

Nadeschda Browina, 13 Jahre<br />

Slatoust, Gebiet Tscheljabinsk<br />

Kennst du dich mit der Me<strong>die</strong>nwelt aus? Kannst du<br />

alle Fragen richtig beantworten? Viel Erfolg!<br />

1. Wodurch wurde der deutsche Bauingenieur und<br />

Unternehmer Konrad Zuse berühmt?<br />

a) Er hat den Computer erfunden.<br />

b) Er hat <strong>die</strong> Computermaus erfunden.<br />

c) Er hat Flashmob und Bookcrossing veranstaltet.<br />

2. E-Mails aus Deutschland enden...<br />

a) auf „.dt“<br />

b) auf „.de“<br />

c) auf „.ger“<br />

3. Die Abkürzung<br />

ZDF bedeutet…<br />

a) Zur deutschen<br />

Freiheit<br />

b) Zweites Deutsches<br />

Fernsehen<br />

c) Zweite deutsche<br />

Fußball-Liga<br />

„Meine Infowelt“ – das Quiz<br />

4. Wie lautet in Deutschland <strong>die</strong> umgangssprachliche<br />

Bezeichnung <strong>für</strong> das @-Zeichen?<br />

a) Hund<br />

b) Hundeschwanz<br />

c) Klammeraffe<br />

5. Im Jahre 1729 wurde <strong>die</strong> erste deutschsprachige<br />

Zeitung in Russland herausgegeben. In welcher<br />

Stadt?<br />

a) Orenburg<br />

b) Moskau<br />

c) St. Petersburg<br />

6. Was ist das Synonym von „der Monitor“?<br />

a) der Speicher<br />

b) der Bildschirm<br />

c) <strong>die</strong> Arbeitsfläche<br />

7. Wer ist hauptberuflich mit der Verbreitung und<br />

Veröffentlichung von Informationen durch Massenme<strong>die</strong>n<br />

beschäftigt?<br />

a) der Journalist<br />

b) der Schriftsteller<br />

c) der Korrektor<br />

8. Was war das<br />

erste elektronische<br />

Massenmedium?<br />

a) der Fernseher<br />

b) der Hörfunk<br />

c) der Computer<br />

9. Wann erschien<br />

<strong>die</strong> allererste Ausgabe der Moskauer Deutschen<br />

Zeitung?<br />

a) am 1. Juni 1865<br />

b) am 1. Mai 1966<br />

c) am 1. Juli 1964<br />

10. Welches „Tier“ gehört neben dem Monitor und<br />

der Tastatur zur externen Ausstattung eines Computers?<br />

a) Hund<br />

b) Katze<br />

c) Maus<br />

Lösungen:<br />

1a; 2b; 3b; 4c; 5c; 6b; 7a; 8b; 9a; 10c<br />

Leonid Schulz (2)<br />

Адрес редакции: 119 435, Москва, ул. Малая Пироговская, д. 5, оф. 54. E-mail: redaktion@martens.ru Тел.: +7 (495) 937 65 44, +7 ( 495) 246 94 48.<br />

Отпечатано в типографии: ОАО «Издательский дом «Красная Звезда», 123007, Москва, Хорошевское ш., 38.


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

RUSSLANDS NACHBARN<br />

09<br />

Das Schweigen wird lauter<br />

Immer mittwochs auf <strong>die</strong> Straße: Stummer Protest gibt Weißrussen endlich eine Stimme<br />

Not macht erfinderisch. In Weißrussland hat <strong>die</strong> Wirtschaftskrise<br />

junge Leute mobilisiert, gegen <strong>die</strong> Staatsführung zu demonstrieren –<br />

ohne Transparente, ohne Sprechchöre, ohne Forderungen. Es wird<br />

nur geklatscht. Die Teilnehmer verabreden sich mit Hilfe von Twitter,<br />

Facebook und Vkontakte. Seit <strong>An</strong>fang Juni sind bei <strong>die</strong>ser so genannten<br />

„Revolution über <strong>die</strong> Sozialnetzwerke“ in weißrussischen Städten jeden<br />

Mittwoch zwischen ein paar Dutzend und mehreren Hundert Menschen<br />

auf <strong>die</strong> Straße gegangen. Mit ihrer wortlosen Aktion blamieren sie das<br />

Regime, das den subversiven Widerstand von Polizei in Zivil bekämpfen<br />

lässt und wahllos verhaftet – Me<strong>die</strong>nvertreter eingeschlossen.<br />

Weißrussland steckt in der<br />

schwersten Krise seit 15 Jahren.<br />

Die Nationalwährung wurde im<br />

Mai um 56 Prozent abgewertet,<br />

<strong>die</strong> Inflationsrate liegt bei 34 Prozent.<br />

Devisen werden knapp, was<br />

den Import von Waren aus dem<br />

Ausland bremst. Die Preise <strong>für</strong><br />

Lebensmittel, Zigaretten und Sprit<br />

ändern sich jeden Tag. Noch 2010<br />

ging es der Bevölkerung wirtschaftlich<br />

vergleichsweise sehr<br />

gut – dank billigem Öl und Gas<br />

aus Russland. Heute wird auf <strong>die</strong><br />

Ersparnisse zurückgegriffen und<br />

auf Vorrat eingekauft, falls Zucker,<br />

Salz oder Sonnenblumenöl knapp<br />

werden sollten.<br />

Die Regierung hofft auf neue<br />

Kredite von IWF und Russland.<br />

Es heißt, <strong>die</strong> Situation werde sich<br />

Von Maryna Rakhlei (n-ost)<br />

innerhalb eines Monats stabilisieren.<br />

Doch wie das gehen soll,<br />

weiß keiner. Die Europäische<br />

Union scheint genauso hilflos zu<br />

sein. Sie verhängte Sanktionen<br />

gegen weißrussische Firmen, <strong>die</strong><br />

das Regime unterstützen. Mehr<br />

als 100 Beamte dürfen nicht in <strong>die</strong><br />

EU einreisen, da ihnen Menschenrechtsverletzungen<br />

vorgeworfen<br />

werden. Doch schon 2008 erklärte<br />

Brüssel <strong>die</strong> Politik der Sanktionen<br />

gegenüber Minsk <strong>für</strong> gescheitert.<br />

Offenbar ist man nicht in der<br />

Lage, eine langfristige Strategie<br />

im Verhältnis zum Nachbarland<br />

zu entwickeln.<br />

Auch Moskau wartet ab – und<br />

festigt in der Zwischenzeit seine<br />

Wirtschaftskontrolle über Weißrussland.<br />

Die Verhandlungen über<br />

den Kauf strategisch wichtiger<br />

Betriebe sind genauso intransparent<br />

wie <strong>die</strong> Bedingungen <strong>für</strong><br />

Russlands Kredite. Das russische<br />

Staatsfernsehen berichtet täglich<br />

über Weißrussland: über <strong>die</strong><br />

marode Wirtschaft, <strong>die</strong> aggressive<br />

Polizei und das machtlose Volk.<br />

Doch <strong>die</strong>ses Volk wehrt sich<br />

nun auf kreative Weise gegen<br />

<strong>die</strong> Bevormundung. Es klatscht<br />

auf öffentlichen Plätzen in <strong>die</strong><br />

Hände – ein Beifall, von dem<br />

jeder weiß, wie er gemeint ist. Die<br />

Menschen riskieren ihre Freiheit,<br />

aber sie bekämpfen <strong>die</strong> <strong>An</strong>gst. Das<br />

Potenzial der Straßenaktionen ist<br />

schwer einzuschätzen. Aber noch<br />

vor einem halben Jahr waren sie<br />

undenkbar. Und nun gibt ausgerechnet<br />

das Schweigen den Weißrussen<br />

eine Stimme.<br />

Die Staatsmacht reagiert so, wie<br />

man sie kennt: Treffpunkte der<br />

Protestler werden abgeriegelt,<br />

Klatschen auf der Straße wird<br />

neuerdings offiziell als Störung<br />

der öffentlichen Ordnung behandelt.<br />

Während des Nationalfeiertags<br />

am 3. Juli nahmen Polizisten<br />

in Zivil rund 400 Menschen fest,<br />

darunter ein Kleinkind. Die Verhaftungen<br />

erfolgten ohne jede<br />

Moskau klatscht mit<br />

Vor der weißrussischen Botschaft in Moskau solidarisierten sich rund 30<br />

Menschen mit den Demonstranten im Nachbarland und klatschten ebenfalls<br />

in <strong>die</strong> Hände. Aufgerufen dazu hatte <strong>die</strong> Oppositionsbewegung „Solidarnost“.<br />

Miese Werte <strong>für</strong> Lukaschenko – aber wenig Proteststimmung<br />

Das 1992 in Weißrussland gegründete Unabhängige Institut <strong>für</strong> sozialökonomische<br />

und politische Stu<strong>die</strong>n ist seit geraumer Zeit in Litauen<br />

registriert. Deshalb kann es auch Ergebnisse veröffentlichen, <strong>die</strong><br />

kaum im Sinne von Präsident Alexander Lukaschenko sein dürften.<br />

Eine aktuelle Umfrage vom Juni vermittelt eine Vorstellung von der<br />

Stimmungslage in der Bevölkerung.<br />

Erstmals seit vielen Jahren hat<br />

nur noch eine Minderheit Vertrauen<br />

zu Lukaschenko, nämlich<br />

35,7 Prozent.<br />

Die Zahl derer, <strong>die</strong> heute bei<br />

Präsidentschaftswahlen <strong>für</strong> Lukaschenko<br />

stimmen würden, sank<br />

zum ersten Mal seit 2003 unter<br />

30 Prozent und liegt bei 29,3 Prozent.<br />

Im Dezember 2010, also im<br />

Wahlmonat, waren es nach Erhebungen<br />

des Instituts 53 Prozent.<br />

Lukaschenko gewann <strong>die</strong> Wahlen<br />

mit offiziell 79,6 Prozent.<br />

Dass Lukaschenko de facto alle<br />

<strong>Macht</strong> auf sich vereinigt, „davon<br />

hat Weißrussland nichts“, sagen<br />

59,1 Prozent.<br />

Ob Lukaschenkos Sieg bei den<br />

Präsidentschaftswahlen <strong>die</strong> weißrussische<br />

Gesellschaft noch mehr<br />

geeint oder noch mehr gespalten<br />

habe, wollten <strong>die</strong> Meinungsforscher<br />

wissen. 44,9 Prozent antworteten<br />

„gespalten“ – <strong>die</strong> Mehrheit.<br />

Vor drei Monaten waren es<br />

nur 38,7 Prozent und damit eine<br />

Minderheit.<br />

73,4 Prozent gaben an, dass sich<br />

ihr materieller Lebensstandard im<br />

letzten Vierteljahr verschlechtert<br />

habe.<br />

Dass sich <strong>die</strong> weißrussische<br />

Wirtschaft in der Krise befindet,<br />

bejahen 81,5 Prozent. Die Schuld<br />

da<strong>für</strong> geben sie vor allem dem Präsidenten<br />

(44,5 Prozent) und der<br />

Regierung (36,7 Prozent), weniger<br />

den Weltmärkten (27 Prozent)<br />

oder Spekulanten (16,6 Prozent).<br />

Einen merklichen <strong>An</strong>stieg des<br />

Protestpotenzials oder gar eine<br />

„revolutionäre“ Gesinnung, von<br />

der Oppositionsführer und politische<br />

Beobachter sprechen, bestätigte<br />

<strong>die</strong> Umfrage jedoch nicht.<br />

Nur 25,9 Prozent bezeichnen sich<br />

als „oppositionell eingestellt“.<br />

Lediglich zehn Prozent haben<br />

bereits an öffentlichen Kundgebungen<br />

teilgenommen, rund<br />

20 Prozent sagen, sie könnten sich<br />

eine Teilnahme vorstellen.<br />

26,6 Prozent heißen <strong>die</strong> Oppositionsaktionen<br />

nach dem Wahlsieg<br />

Erklärung und ohne Rechtsgrundlage.<br />

Die weißrussische Opposition<br />

ist derweil zerschlagen und<br />

hält sich zurück. Der Protest hat<br />

Lukaschenkos im vergangenen<br />

Dezember gut. 43,7 Prozent lehnen<br />

sie ab, 24,4 Prozent äußerten<br />

sich gleichgültig.<br />

68,4 Prozent der Befragten glauben,<br />

dass „alle oder viele“ Weißrussen<br />

<strong>An</strong>gst hätten, ihre politischen<br />

<strong>An</strong>sichten zu artikulieren.<br />

Im Herbst 2007 waren es nur<br />

46,8 Prozent.<br />

Außenpolitisch hat sich <strong>die</strong> Einstellung<br />

der Weißrussen zuletzt<br />

kaum verändert. Bei einer Volksbefragung<br />

wären 45,1 Prozent <strong>für</strong><br />

einen Beitritt zur EU (im März<br />

waren es 48,6 Prozent), 31,4 Prozent<br />

<strong>für</strong> einen Staatenbund mit<br />

Russland (im März 29,2 Prozent).<br />

Auf <strong>die</strong> Frage, was wichtiger ist,<br />

<strong>die</strong> Verbesserung der wirtschaftlichen<br />

Situation oder <strong>die</strong> Unabhängigkeit<br />

des Landes, votierten<br />

keine <strong>An</strong>führer und kein Reformprogramm.<br />

Der Spielraum <strong>für</strong><br />

<strong>An</strong>dersdenkende ist eng. Schon<br />

das Schweigen wird den <strong>Macht</strong>habern<br />

zu laut.<br />

65 Prozent <strong>für</strong> <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />

Lage.<br />

53,3 Prozent charakterisieren<br />

<strong>die</strong> weißrussischen Me<strong>die</strong>n als<br />

„abhängig“.<br />

Das Internet wird von 40 Prozent<br />

der Befragten „regelmäßig“<br />

genutzt, also täglich oder mehrmals<br />

pro Woche. Vor allem inländische<br />

Quellen haben dabei an<br />

Popularität zugelegt. Im März<br />

2009 besuchten nur 18,3 Prozent<br />

weißrussische Seiten, heute sind<br />

es 33,3 Prozent.<br />

20 Prozent der Befragten haben<br />

eine Seite beim russischen Sozialnetzwerk<br />

Vkontakte, 17,9 Prozent<br />

bei Odnoklassniki und 8,5 Prozent<br />

bei Facebook.<br />

Zusammengestellt von<br />

Tino Künzel.<br />

RIA Nowosti<br />

Minsker Kopfstände<br />

Weißrussland-Kolumne von Alexandra Romanowa<br />

Die Krim war einst das<br />

beliebteste Ferienziel <strong>für</strong> Sommerurlauber<br />

aus allen Teilen der<br />

Sowjetunion. Das Publikum ist<br />

seitdem mehr oder weniger dasselbe<br />

geblieben, nur dass <strong>die</strong> Krim<br />

mittlerweile in der Ukraine liegt<br />

und damit <strong>für</strong> viele Touristen,<br />

<strong>die</strong> jedes Jahr wiederkommen,<br />

inzwischen Ausland ist. Wie sehr<br />

Ausland, das sticht derzeit vor<br />

allem uns Weißrussen ins Auge.<br />

In den Geschäften gibt es Zucker,<br />

Joghurt und Shampoo im Überfluss.<br />

Niemand lädt damit ganze<br />

Einkaufswagen voll, um sich <strong>für</strong><br />

schwere Zeiten zu wappnen, wie<br />

das in Minsk oder Brest der Fall<br />

ist.<br />

Der Weißrusse möchte sich<br />

während seines Urlaubs auf der<br />

Krim den Nachbarn aus anderen<br />

ehemaligen Sowjetrepubliken<br />

mitteilen. Er möchte ihnen von<br />

der Devisenkrise erzählen, von<br />

den Milizionären, den stummen<br />

Protesten. Doch nach einiger<br />

Zeit stellt er fest: Man versteht<br />

ihn nicht. Die Urlaubsbekanntschaften<br />

haben einen anderen<br />

Blick auf <strong>die</strong> Lage in Weißrussland<br />

als er selbst, als ob sie durch<br />

ein Kaleidoskop schauen, dass<br />

ein Bild in seine Einzelteile zerlegt<br />

und völlig neu zusammensetzt.<br />

Wer versucht, etwa mit den<br />

Einwohnern der Krim zu den<br />

weißrussischen Straßenaktionen<br />

ins Gespräch zu kommen, der<br />

wird angeschaut wie ein kleines<br />

Kind. Die Leute können sich<br />

keinen Reim darauf machen,<br />

warum sich jemand statt Alexander<br />

Lukaschenko einen<br />

anderen Präsidenten wünschen<br />

sollte. In den Jahren der eigenen<br />

Unabhängigkeit haben sie aufgehört,<br />

daran zu glauben, dass sich<br />

<strong>Macht</strong> und <strong>An</strong>stand vertragen.<br />

<strong>An</strong> Lukaschenko gefällt ihnen,<br />

dass er den Beamten und Unternehmern<br />

nicht erlaubt, sich zu<br />

bereichern. Sie halten ihn <strong>für</strong><br />

einen Robin Hood, der von den<br />

Reichen nimmt und den Armen<br />

gibt. Sie würden so einen selber<br />

wählen. Zumal auf der Krim <strong>die</strong><br />

Geschäfte noch immer nicht viel<br />

anders laufen als in den kriminellen<br />

90er Jahren.<br />

Es führt zu nichts, der örtlichen<br />

Bevölkerung zu erklären, dass<br />

Lukaschenko den Arbeitern vor<br />

den letzten Präsidentschaftswahlen<br />

den Lohn auf 500 Dollar<br />

erhöht hat, damit sie <strong>für</strong> ihn stimmen.<br />

Und dass gerade einmal ein<br />

halbes Jahr später der weißrussische<br />

Rubel abgestürzt ist und<br />

sich 500 Dollar in 200 verwandelten.<br />

Ich frage <strong>die</strong> Leute, was<br />

sie denn dazu sagen. „Es hat sich<br />

gezeigt, dass ein einfacher Arbeiter<br />

im postsowjetischen Raum<br />

nicht mehr als 200 Dollar ver<strong>die</strong>nen<br />

kann“, antwortet mir mit<br />

trauriger Stimme ein Turntrainer.<br />

„Aber Lukaschenko als Idealist<br />

wollte einfach ein besseres Leben<br />

<strong>für</strong> euch.“<br />

Die Weißrussen haben bei den<br />

Einheimischen einen Stein im<br />

Brett. Sie sind korrekt, geduldig,<br />

nie anmaßend – ideale Urlaubsgäste<br />

also. Der Ruf der Nation ist<br />

so gut, dass seit Jahren mitten in<br />

Jalta im Pavillon des Passagierhafens<br />

eine Ausstellung namens<br />

„Belarus“ läuft. Dort werden Textilien<br />

aus Brest verkauft – angeblich.<br />

Wir Weißrussen merken<br />

natürlich auf den ersten Blick,<br />

dass es sich nicht um Waren aus<br />

Brest handelt. Was nach türkischem<br />

Import aussieht, geht<br />

jedoch unter dem Label „Weißrussland“<br />

viel besser weg.<br />

Die Bewohner der Krim schütteln<br />

mitfühlend den Kopf: „Ach,<br />

<strong>die</strong> armen Weißrussen“. Und<br />

wenn man sich umdreht, rufen<br />

sie einem nach: „Was <strong>für</strong> ein<br />

Land wir doch verloren haben.“<br />

Sie glauben nach wie vor, <strong>die</strong><br />

Sowjetunion sei noch am Leben.<br />

Und der Kern <strong>die</strong>ser Überzeugung<br />

ist mein armes, kriselndes<br />

Weißrussland.<br />

Alexandra Romanowa (28) ist<br />

Journalistin und lebt in Minsk.<br />

Sie schreibt <strong>für</strong> russische<br />

Me<strong>die</strong>n und in ihrem Blog unter<br />

sasharomanova.livejournal.com.


10<br />

Moskauer<br />

LEBEN IN MO SKAU<br />

Der Moskauer Größen-Wahn hat manchmal auch sein Gutes. Zum Glück<br />

macht er vor der Naherholung nicht Halt. Der eine oder andere Park<br />

der Elfeinhalb-Millionen-Stadt kann sich in seinen Dimensionen mit<br />

Kleinstaaten messen. Für <strong>die</strong> letzte Folge unseres Park-Führers sind <strong>die</strong><br />

MDZ-Redakteure in <strong>die</strong>se Waldgebiete eingetaucht.<br />

Bitza-Park (Бицевский парк)<br />

Basics: Grüne Insel am südlichen Stadtrand, umgeben von Wohnvierteln<br />

aus sowjetischem Massenbau. 2 208 Hektar Fläche, Nord-<br />

Süd-Ausdehnung bis zu zehn Kilometer. Im Frühmittelalter zunächst<br />

von finno-ugrischen Stämmen besiedelt, ab dem 10. Jahrhundert von<br />

heidnischen Slawen. Erste Dörfer entstanden im 13. Jahrhundert. 1994<br />

auf Initiative von <strong>An</strong>wohnern unter Naturschutz gestellt. Erlangte<br />

nach der Jahrtausendwende zweifelhafte Berühmtheit auch außerhalb<br />

Moskaus, weil hier ein Serienmörder seine Opfer erschlug, von den<br />

Me<strong>die</strong>n „Bitzewskij Manjak“ (Bitza-Psychopath) getauft. 2006 gefasst,<br />

wurde Alexander Pitschuschkin, der 48 Morde und drei Mordversuche<br />

auf dem Gewissen hat, zu lebenslänglicher Haft verurteilt.<br />

Fixpunkte: Drei Landgüter aus dem 18. und 19. Jahrhundert in Randbereichen<br />

des Parks. Sieben Kurgane – steinerne slawische Hügelgräber<br />

aus vorchristlicher Zeit. Holzskulpturen heidnischer Gottheiten – im<br />

Jahr 2000 auf dem Wiesenplateau „Nackter Berg“ (Lyssaja Gora) im<br />

Nordwesten aufgestellt. Mehrere Mineralwasserquellen. Reitsportzentrum<br />

„Bitza“, gebaut <strong>für</strong> <strong>die</strong> Olympischen Sommerspiele 1980.<br />

Wintersportanlage „Uskoje“ mit Abfahrts- und Rodelpisten, Skilift und<br />

Skiverleih. „Ökopfad“ im Süden, bei der Metrostation Nowojassenewskaja.<br />

Sehr sehenswertes Paläontologisches Museum (www.paleo.ru)<br />

auf halber Strecke zwischen den Metrostationen Konkowo und Tjoplyj<br />

Stan, am westlichen Parkende.<br />

Wald und Wiese satt. Landschaft mit Höhen und Tiefen, reiche<br />

+<br />

Pflanzen- und Tierwelt. Gute Wahl <strong>für</strong> ausgedehnte Spaziergänge,<br />

Radtouren, Picknicks mit Kind und Kegel. Beliebtes Skigebiet, sowohl<br />

<strong>für</strong> Lang- als auch <strong>für</strong> Abfahrtsläufer.<br />

Adelsgüter entweder verfallen oder – als Sanatorium „Uskoje“ der<br />

– Akademie der Wissenschaften – anderweitig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Öffentlichkeit<br />

unzugänglich. Wenn überhaupt, dann nur grobe Übersichtskarten, <strong>die</strong><br />

auf dem riesigen Gelände kaum Orientierung ermöglichen. Wer nicht<br />

weiß, wo er das Flüsschen Tschertanowka überqueren kann, das quer<br />

durch den Park verläuft, holt sich mindestens nasse Füße oder versinkt<br />

bis zu den Knöcheln im Schlamm.<br />

Öffnungszeiten: ohne Einschränkung<br />

Eintritt: frei<br />

<strong>An</strong>bindung: Zahlreiche Zugangsmöglichkeiten. Empfehlenswert: Von<br />

der Metrostation Beljajewo am Einkaufszentrum „Kapitolij“ vorbei<br />

20 Minuten zu Fuß <strong>die</strong> Miklucho-Maklaja-Straße hinunter zum Sewastopol-Prospekt,<br />

hinter dem der Park mit der Lichtung „Nackter Berg“<br />

beginnt. Zum Wintersportzentrum „Uskoje“ am Sewastopol-Prospekt am<br />

besten mit dem Bus 642 oder dem Trolleybus 85 (Haltestelle „Sportbasa<br />

Uskoje“) von den Metrostationen Kaluschskaja oder Jassenjewo.<br />

Infos: www.bitsevskipark.ru<br />

Natur ••• Besichtigung ••• Aktivitäten ••• Zustand •••<br />

Wald-Meister<br />

Moskau, deine Parks<br />

Teil 4<br />

5<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Kuskowo (Кусково)<br />

Basics: Ehemaliges <strong>An</strong>wesen der Bojarenfamilie Scheremetjew. Graf Pjotr Scheremetjew begann im<br />

18. Jahrhundert mit dem Bau einer Vorstand-Residenz. Mehr als 50 Jahre ließ er Palast und Park anlegen.<br />

Jeden Sommer gab es prunkvolle Empfänge <strong>für</strong> bis zu 30 000 Gäste. Nach der Oktoberrevolution verstaatlicht.<br />

<strong>An</strong> den Schlosspark grenzt der 310 Hektar große Stadtwald mit Birken, Linden und Eichen an.<br />

Fixpunkte: Denkmalgeschütztes Architektur-Ensemble mit klassizistischem Schloss direkt am Großen<br />

Teich, umrahmt von hübsch angelegten Alleen, Blumenbeeten und Skulpturen. Die Orangerie zeigt<br />

Meißner Porzellan, das Holländische Häuschen Tausende von kleinen Figuren, Krüge und Teller, das<br />

Italienische Häuschen antike Skulpturen sowie Modelle von Kirchen aus Jerusalem und Bethlehem. Im<br />

Keramikmu seum sind 30 000 Objekte von der <strong>An</strong>tike bis heute ausgestellt.<br />

+<br />

Ausgedehntes Wegenetz im Stadtwald <strong>für</strong> Stunden voller Erkundungen. Jogger, Radfahrer und – auf<br />

dem Asphalt – auch Skater kommen auf ihre Kosten. Senioren und Jungfamilien freuen sich über <strong>die</strong><br />

vielen Bänke. Sommerkonzerte im Palast und Park. Museen auf dem Landsitz-Gelände geben einen Einblick<br />

in vergangene Jahrhunderte, freundliche Museumsfrauen dürstet es geradezu danach, Besucher in <strong>die</strong> Porzellan-Kunst<br />

einzuführen.<br />

–<br />

Einstiger Prunk unter Grauschleier nur noch zu erahnen. Historische Gebäude bröckeln teils vor sich<br />

hin. Eine Bahnlinie direkt am Stadtwald lässt erholsame Stille erst gar nicht aufkommen. Regen verwandelt<br />

Wege schnell in Pfützen.<br />

Öffnungszeiten: <strong>An</strong>wesen Kuskowo mittwochs bis sonntags 10 bis 18 Uhr (im Winter nur bis 16 Uhr).<br />

Stadtwald ohne Beschränkung zugänglich.<br />

Eintritt: Kuskowo-Park 40 Rubel, Museen ab 150 Rubel. Stadtwald frei.<br />

<strong>An</strong>bindung: Von der Metrostation Rjasanskij Prospekt sechs Stationen mit den Bussen 133 oder 208 bis<br />

zur Haltestelle „Kuskowo“.<br />

Infos: www.kuskovo.ru<br />

Natur • • • Besichtigung • • • Aktivitäten ••• Zustand •••<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Elcheninsel<br />

Ismajlowo-Park<br />

Kuskowo<br />

Kusminki<br />

Bitza-Park<br />

Inna Hartwich Tino Künzel (8)


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Elcheninsel (Лосиный остров)<br />

LEBEN IN MOSKAU<br />

11<br />

Basics: Die Taiga von Moskau. 116 Quadratkilometer groß, dabei im Südwesten nur acht Kilometer vom<br />

Kreml entfernt. Einer der ersten Nationalparks in Russland, 1983 gegründet. Knapp ein Drittel der Fläche<br />

gehört zur Stadt Moskau, der Rest zum Moskauer Umland. Dazwischen verläuft <strong>die</strong> Ringautobahn MKAD.<br />

Schon im Mittelalter Jagdrevier <strong>für</strong> Fürsten und Zaren. 1799 in Staatsbesitz überführt. Im Zweiten Weltkrieg<br />

zu großen Teilen abgeholzt und später neu bepflanzt. 83 Prozent des Geländes sind bewaldet, fünf Prozent<br />

entfallen auf Sümpfe. Auf der Elcheninsel entspringt <strong>die</strong> Jausa, ein Zufluss der Moskwa.<br />

Fixpunkte: Zwei Besucherzentren, eines in Moskau („Russischer Alltag“) und eines im Umland („Teetrinken<br />

in Mytischtschi“). Museum „Alte russische Jagd“. Ökozentren <strong>für</strong> Kinder und Erwachsene. „Biostation“,<br />

in der Elche gehalten werden und wo Gäste alles über <strong>die</strong> Namensgeber des Parks erfahren können.<br />

Moskau zum Vergessen: Steinwüsten, Menschenmassen und Verkehr – alles ganz weit weg. Teils geradezu<br />

surreale Landschaften im Sumpfgebiet der Jausa, wo sich Möwen, Schwalben und andere Vogelar-<br />

+<br />

ten zu Hause fühlen. Und ja: Es soll auf der Elcheninsel auch in Freiheit lebende Elche geben. Allerdings wird<br />

ihnen nachgesagt, sehr scheu zu sein und sich vom Menschen fern zu halten.<br />

Einrichtungen <strong>für</strong> Besucher wenden sich offenbar vor allem an organisierte Gruppen und machen es<br />

– Ausflüglern nicht leicht, sie wenigstens zu finden. Ausschilderung entweder schlecht oder nicht vorhanden.<br />

Im Moskauer Teil des Parkes Wald ohne größere „Höhepunkte“, im Umland häufig Dickicht und<br />

Gestrüpp links und rechts der Wege. Rund <strong>die</strong> Hälfte des Territoriums als „besonders schützenswert“ eingestuft<br />

und nicht zugänglich.<br />

Öffnungszeiten: ohne Einschränkung<br />

Eintritt: frei<br />

<strong>An</strong>bindung: Auf vielfältige Weise. Eine praktische Variante ist der Bus 333 von der Metrostation WDNCh<br />

bis zur Endhaltestelle am Einkaufszentrum „XL“, einen Kilometer nach der MKAD an der Jaroslawler Chaussee.<br />

Am Kaufhaus vorbei führt ein Weg direkt in den Wald und damit in den Teil des Parks, der sich auf dem<br />

Territorium des Moskauer Landkreises befindet. Wer lieber in Moskau bleiben will, fährt mit der Elektritschka<br />

vom Jaroslawler Bahnhof zur Station Loss (20 Minuten) und wendet sich nach Südosten. Der Park liegt<br />

jenseits von Wohnbebauung und der Jaroslawler Chaussee.<br />

Infos: www.elkisland.ru<br />

Natur • • • Besichtigung • • • Aktivitäten ••• Zustand • ••<br />

Ismajlowo-Park (Измайловский Парк)<br />

Basics: Ismajlowo war ein Dorf, das ab Mitte des 17. Jahrhunderts<br />

dem Zarengeschlecht der Romanows gehörte. Im Laufe der Zeit<br />

vergrößerte <strong>die</strong> Familie ihren Besitz und betrieb dort unter anderem<br />

Jagd, Landwirtschaft, Pflanzenzucht und einen Tiergarten. 1812 wurde<br />

das <strong>An</strong>wesen bei Napoleons Russland-Feldzug fast völlig zerstört.<br />

1931 entstand hier der „Stalin-Park“, in den 50er Jahren umbenannt in<br />

„Ismajlowo-Park“. Heute einer der größten Moskauer Parks.<br />

Fixpunkte: Von der westlichen Parkgrenze bis zur so genannten<br />

Hauptallee reicht der „Park <strong>für</strong> Kultur und Erholung“ mit Riesenrad,<br />

Fahrgeschäften, Vergnügungszentrum „Western City“, Konzerten,<br />

Tanzveranstaltungen und Sportanlagen. Außerdem können Fahrräder,<br />

Skates und Ruderboote ausgeliehen oder Kutschtouren gebucht<br />

werden. Weiter östlich wird es waldig: dichter Baumbestand, mehrere<br />

Teiche (Badestelle am Krasnyj Prud), drei ausgewiesene Picknickpunkte,<br />

Kinderspielplätze, Reiterhof. Im Herzen des Waldes liegt <strong>die</strong><br />

alte Zaren-Imkerei. Außer Bienen gibt es dort Freigehege <strong>für</strong> Tiere des<br />

Waldes und einen Kräutergarten. Das Ökozentrum bietet Exkursionen<br />

an. Von der Metrostation Partisanskaja ist es nur ein Katzensprung zum<br />

beliebten Ismajlowskij-Flohmarkt.<br />

Abwechslung <strong>für</strong> lange Stunden und alle Geschmäcker. Breite,<br />

+<br />

asphaltierte Wege wie geschaffen <strong>für</strong> Skater und Fahradfahrer.<br />

Ausreichend Bänke zur Rast. Parkverwaltung sorgt <strong>für</strong> Sauberkeit.<br />

Orientierungssinn gefragt, denn auf Hinweistafeln und Wegweiser<br />

– wurde weitgehend verzichtet. Frost und Wurzeln haben dem<br />

Asphalt zugesetzt – Stolperfallen <strong>für</strong> Skater. Viele Fahrgeschäfte atmen<br />

den Charme der Sowjetjahre.<br />

Öffnungszeiten: Durchgehend. Fahrgeschäfte und Leihstationen<br />

schließen um 20 Uhr, einige erst um 21 Uhr.<br />

Eintritt: frei<br />

<strong>An</strong>bindung: Metrostationen Partisanskaja und Chaussee Entusiastow<br />

(Vergnügungspark), Metrostation Ismajlowskaja (Wald).<br />

Infos: www.izmailovsky-park.ru, www.izmailovo-park.ru<br />

Natur ••• Besichtigung ••• Aktivitäten ••• Zustand •••<br />

Diana Laarz<br />

Kusminki (Парк Кузьминки)<br />

Basics: Das größte ehemalige Adelsgut in den Grenzen des heutigen Moskaus. Peter der Große schenkte<br />

das Gelände, auf dem sich zunächst nur eine Mühle befand, 1702 dem Kaufmann Grigorij Stroganow –<br />

aus Dankbarkeit <strong>für</strong> dessen Finanzierung des Großen Nordischen Krieges gegen <strong>die</strong> Schweden. Von den<br />

Stroganows ging das Land 1757 an <strong>die</strong> Fürstenfamilie Golizyn über. Weil im 18. Jahrhundert zunächst das<br />

französische Barock mit seiner geometrischen Strenge <strong>die</strong> Gartenkultur prägte, aber danach englische<br />

Landschaftsparks mit ihrer Orientierung an der gewachsenen Natur in Mode kamen, vereint Kusminki<br />

beide Schulen. Das historische <strong>An</strong>wesen gilt als Paradebeispiel des russischen Empire und wurde im<br />

19. Jahrhundert gern mit Peterhof und Pawlowsk bei St. Petersburg verglichen. Erfreute sich zu allen Zeiten<br />

großer Beliebtheit: Zu den Gästen zählten Zaren, Schriftsteller wie Tschechow und Dostojewskij, der<br />

Feldherr Suworow und Revolutionsführer Lenin, der hier im Sommer 1894 eine seiner bekanntesten vorrevolutionären<br />

Schriften verfasste. 1918 verstaatlicht und dem Institut <strong>für</strong> experimentelle Veterinärmedizin<br />

übergeben. 1929 wurde <strong>die</strong> orthodoxe Kirche auf dem Territorium geschlossen und später als Wohnheim<br />

genutzt. 1941 beherbergte Kusminki eine Panzereinheit und musste als Verteidigungsstellung gegen <strong>die</strong><br />

Deutschen herhalten. Seit 1974 ein Naturdenkmal von staatlichem Rang mit knapp 1 200 Hektar Fläche. In<br />

den letzten Jahren wird <strong>die</strong> erhaltene Bausubstanz des Guts sukzessive restauriert.<br />

Fixpunkte: Drei miteinander verbundene Teiche, angelegt 1740. „Haus auf dem Damm“ zwischen Oberem<br />

und Unterem Kusminki-Teich nebst Straßencafés. Reiterhof mit Musikpavillon. Hauptgebäude des <strong>An</strong>wesens,<br />

heute ein Museum <strong>für</strong> russische Gutskultur, und Hauptallee, jeden Sommer gesäumt durch aufwändige<br />

Blumenbeete, <strong>die</strong>ses Jahr zum Thema „Kosmos und Sport“. Kirche von 1716. Französischer Park. Moskauer<br />

Väterchen-Frost-Residenz, daneben liebevoll gemachter Umweltlehrpfad. Spiel- und Sportanlagen. Verleih<br />

von Ruderbooten im Sommer und von Rodelreifen im Winter. Kart. Eis- und Tischtennishalle am Eingang<br />

von Seiten der Metrostation Kusminki. Der Reitklub organisiert Reitkurse und Kutschfahrten, unter anderem<br />

<strong>für</strong> Frischvermählte.<br />

Riesiges Gelände mit vielen unterschiedlichen Facetten. Häufig Open-Air-Konzerte. Nah am Wasser<br />

+<br />

gebaut: Rund um <strong>die</strong> Teiche spielt sich das Leben im Park ab. Wer sich hier nicht zu beschäftigen weiß<br />

oder wenigstens mit offenem Mund <strong>die</strong> malerische Landschaft und <strong>die</strong> eingesprenkelten Gutshäuser<br />

bestaunt, ist selbst schuld.<br />

Baden in den Teichen verboten (wenn auch toleriert). Beliebige Gastronomie wird dem Ambiente einer<br />

– altrussischen Residenz nicht gerecht. Teils laute Musikbeschallung aus Cafés. Kaum Toiletten.<br />

Öffnungszeiten: Durchgängig. Bootsverleih bis 22 Uhr, Museen schließen 18 Uhr und früher.<br />

Eintritt: Frei. Gebühr <strong>für</strong> Exkursionen, Kurse, Museenbesuch und Ausleihe von Sportgeräten.<br />

<strong>An</strong>bindung: Von der Metrostation Rjasanskij Prospekt mit dem Bus 29 oder der Marschrutka 429 bis zur<br />

Endhaltestelle direkt am Haupteingang. Von der Metrostation Kusminki 15 Minuten zu Fuß bis zum Eingang<br />

am Kino „Wysota“. Ein weiterer Eingang befindet sich direkt an der Metrostation Wolschskaja.<br />

Infos: www.kuzminky.ru, kuzpark.ru<br />

Natur ••• Besichtigung ••• Aktivitäten ••• Zustand •••<br />

Unsere Lieblingsparks<br />

Empfehlungen der MDZ-Redakteure<br />

Tino Künzel<br />

1. Sokolniki<br />

2. Kolomenskoje<br />

3. WWZ<br />

4. Siegespark<br />

5. Krylatskije Cholmy<br />

Diana Laarz<br />

1. Bitza-Park<br />

2. Timirjasew-Park<br />

3. Sokolniki<br />

4. Skulpturen-Park<br />

5. WWZ<br />

Inna Hartwich<br />

1. Kolomenskoje<br />

2. Sperlingsberge<br />

3. Sokolniki<br />

4. Troparjowo<br />

5. Silberwäldchen


12<br />

Moskauer<br />

Mobiltelefone. Uhren. DVDs. Wer<br />

zum Jaroslawler oder Leningrader<br />

Bahnhof wollte und aus der Metrostation<br />

Komsomolskaja nach oben<br />

gespült wurde, der erblickte noch<br />

bis vor kurzem als Erstes einen<br />

Basar, zu beiden Seiten flankiert<br />

von einer langen Reihe Imbissstände.<br />

Nebenan schliefen Obdachlose<br />

und posierten Prostituierte. Mit<br />

<strong>die</strong>sem Milieu kämpfte angeblich<br />

schon Ex-Bürgermeister Jurij<br />

Luschkow. Doch damals schien<br />

es förmlich mit dem Asphalt verwachsen<br />

zu sein.<br />

Jetzt brauchte es eine einzige<br />

Nacht, um aufzuräumen. Wenige<br />

Stunden, bevor Bürgermeister<br />

Sergej Sobjanin und Bahn-<br />

Chef Wladimir Jakunin zu einem<br />

Ortstermin vorfuhren, wurden<br />

alle Kioske zwischen den beiden<br />

LEBEN IN MOSKAU<br />

Bahn macht sich den Hof<br />

Grünanlage statt Markt: Ein Verkehrsknotenpunkt wird entknotet<br />

Die Stadt Moskau hat das Gelände rings um <strong>die</strong> drei am Komsomol-<br />

Platz gelegenen Bahnhöfe an <strong>die</strong> Russische Bahn (RschD) verpachtet.<br />

Im Gegenzug soll der Monopolist schon bis zum Stadtgeburtstag am<br />

3. September da<strong>für</strong> sorgen, dass <strong>die</strong> Flächen bedeutend attraktiver<br />

<strong>für</strong> Reisende werden. Als erste Maßnahme verschwanden Ende Juni<br />

im Übergangsbereich zwischen Jaroslawler und Leningrader Bahnhof<br />

über Nacht sämtliche Marktbuden. Dort ist eine Grünfläche mit<br />

Springbrunnen geplant.<br />

Von Yulia Abdullaeva<br />

Bahnhöfen abgerissen. Um <strong>die</strong><br />

Neugestaltung der frei gewordenen<br />

Fläche will sich Stadtarchitekt<br />

Alexander Kusmin höchstpersönlich<br />

kümmern. Die Rede ist<br />

von einer Grünanlage mit Springbrunnen<br />

und Skulpturen – sauber<br />

und ästhetisch.<br />

Aber darin soll sich <strong>die</strong> Verschönerungskur<br />

längst nicht erschöpfen.<br />

Der Leningrader Bahnhof<br />

bekommt zwischen Komsomol-<br />

Platz und Haupteingang eine<br />

Marmortreppe, schmiedeeiserne<br />

Gitter und altertümliche Laternen.<br />

Vor dem Kasaner Bahnhof<br />

gegenüber wird eine stilisierte<br />

Lokomotive aufgestellt und <strong>die</strong><br />

Bahnhofsfassade mit einer Sonnenuhr<br />

geschmückt. Auch unter<br />

dem Dach ist an alles gedacht: In<br />

den Bahnhöfen werden <strong>die</strong> Fahrgäste<br />

den Plänen zufolge ausführliche<br />

Informationen zur jeweiligen<br />

Geschichte des Gebäudes und seinen<br />

Architekten vorfinden. Ein<br />

breites <strong>An</strong>gebot an Gastronomie<br />

und Geschäften <strong>für</strong> Reisebedarf<br />

soll nicht zuletzt den Wegfall der<br />

bisherigen Händler kompensieren.<br />

Für jeden Geschmack und jede<br />

Geldbörse sei etwas dabei, heißt<br />

es beim RschD-Presse<strong>die</strong>nst.<br />

Ordnung geschaffen werden soll<br />

schon bei der <strong>An</strong>fahrt zum Bahnhof.<br />

Bisher gab es am Komsomol-<br />

Platz kaum Parkplätze. Haltende<br />

Autos in mehreren Reihen behinderten<br />

ständig den Verkehr. Nun<br />

hat Nikolaj Ljamow, Vizebürgermeister<br />

<strong>für</strong> Transport und Straßenbau,<br />

angekündigt, solche Probleme<br />

mit einem großen Parkhaus<br />

und einer Zone <strong>für</strong> Kurzparker<br />

ausmerzen zu wollen. Auch Busspuren<br />

und Stände <strong>für</strong> „offizielle“<br />

Taxis sollen eingerichtet werden.<br />

Leider gehen nicht alle Veränderungen<br />

so schnell vonstatten wie<br />

jetzt <strong>die</strong> Beseitigung der Marktbuden.<br />

Der überirdische Haupteingang<br />

zur Metrostation Komsomolskaja<br />

ist schon seit 2007 „bis<br />

auf Weiteres“ gesperrt.<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Guckle mal!<br />

Das deutsche Google hat auf nette Weise den 450. Geburtstag<br />

der Moskauer Basilius-Kathedrale gewürdigt. Es<br />

bildete <strong>die</strong> berühmtesten Zwiebeltürme der Welt auf<br />

seiner Startseite ab.<br />

Aus Moskau wird New Moskau<br />

to-the-future.livejournal.com<br />

Große Leere: Hinter <strong>die</strong>sen Mauern herrschte viele Jahre lang dichtes Gedränge um Markt- und Imbissstände. Jetzt sind sie weg.<br />

Tino Künzel (2)<br />

Moskau wächst und wächst. Mal in <strong>die</strong> Höhe, mal in <strong>die</strong> Breite. Jetzt bereitet<br />

sich <strong>die</strong> Stadt sogar auf einen Wachstumsschub vor, wie er in ihrer Geschichte<br />

noch nie vorgekommen ist. Im Südosten soll <strong>die</strong> administrative Grenze so<br />

tief ins Moskauer Umland hinein verschoben werden, dass sich Fläche der<br />

Hauptstadt auf einen Schlag von 1 070 auf 2 510 Quadratkilometer mehr als<br />

verdoppelt. Das besagte Territorium reicht von der Kiewer bis zur Warschauer<br />

Chaussee und bis zum so genannten Großen Eisenbahnring. Es schließt<br />

bisherige Moskauer Vororte wie Podolsk, Troizk und Schtscherbinka ein.<br />

Präsident Dmitrij Medwedew hat <strong>die</strong> Idee – eine gemeinsame Initiative von<br />

Stadt und Oblast – bereits gutgeheißen. Hintergrund des Vorhabens ist eine<br />

beabsichtigte „Dezentralisierung“ von Moskau. Ins Umland sollen unter<br />

anderem Behörden, Universitätseinrichtungen und das geplante Internationale<br />

Finanzzentrum ausgelagert werden. Davon versprechen sich <strong>die</strong> Autoren eine<br />

drastische Senkung der Bevölkerungsdichte, <strong>die</strong> heute fast dreimal so hoch ist<br />

wie in Berlin. Auch der Verkehrsbelastung soll so zu Leibe gerückt werden.<br />

Als bisherige Stadtgrenze gilt seit 1961 der Moskauer Autobahnring. Allerdings<br />

war <strong>die</strong> Stadt schon in der jüngeren Vergangenheit an mehreren Stellen<br />

„übergeschwappt“. Wie Bürgermeister Sergej Sobjanin beim Treffen mit<br />

Medwedew sagte, seien <strong>die</strong> Entwicklungsmöglichkeiten Moskaus in seiner<br />

jetzigen Form „erschöpft“.<br />

tk<br />

Mit dem Rollstuhl angeeckt<br />

Auf einer Moskauer Messe suchen Behinderte aus Deutschland den Dialog – und stoßen an Grenzen<br />

Erstmals fand <strong>An</strong>fang Juli in Moskau <strong>die</strong> Messe „Integration.Leben.<br />

Gesellschaft.2011“ rund um das Thema Behinderung statt. Als Vorbild<br />

<strong>die</strong>nte <strong>die</strong> Rehacare International in Düsseldorf. Nicht zuletzt deshalb<br />

war <strong>die</strong> deutsche Beteiligung groß. Das im Vorjahr gegründete<br />

Deutsch-Russische Jugendforum nutzte <strong>die</strong> Veranstaltung, um Behinderte<br />

und Nichtbehinderte aus beiden Ländern zusammenzubringen. Aus<br />

Deutschland reiste dazu eine 16-köpfige Gruppe an. In der MDZ ziehen<br />

<strong>die</strong> gehbehinderte Alina Huerkamp, Studentin der Sozialwissenschaften<br />

aus Düsseldorf, und Cheforganisator Jurij Nikitin von der Düsseldorfer<br />

Bildungsakademie INTAMT Bilanz.<br />

Wie ist <strong>die</strong> Resonanz auf das<br />

Jugendforum ausgefallen?<br />

Nikitin: Es ist schade, dass es auf<br />

russischer Seite so wenige Teilnehmer<br />

ohne Behinderung gab.<br />

Das liegt daran, dass <strong>die</strong> russische<br />

Gesellschaft noch nicht so sensibilisiert<br />

<strong>für</strong> das Thema ist. Behinderte<br />

Russen waren mehr da, oder<br />

Alina?<br />

Huerkamp: Vier, würde ich<br />

sagen. Wir haben sie leider nicht<br />

persönlich kennen gelernt. Manche<br />

waren nur ganz kurz da oder<br />

sind später dazu gekommen.<br />

Nikitin: Das liegt daran, dass sie<br />

es schwer hatten, zur Messe zu<br />

kommen. Öffentlicher Nahverkehr<br />

in Moskau ist <strong>für</strong> Behinderte völlig<br />

unzugänglich. Obwohl man in<br />

letzter Zeit angefangen hat, zum<br />

Beispiel in neue Metrostationen<br />

Lifte einzubauen. Nur funktionieren<br />

<strong>die</strong> leider meistens nicht.<br />

Frau Huerkamp, sind Ihnen <strong>die</strong>se<br />

Einschränkungen auch aufgefallen?<br />

Huerkamp: Sogar in der Umgebung<br />

des Messegeländes. Ich bin<br />

kurz aus dem Expocentre rausgefahren,<br />

um frische Luft zu schnappen.<br />

Nach 100 Metern musste ich<br />

aber schon umdrehen, weil ich mit<br />

meinem Rollstuhl nicht durch eine<br />

Absperrung gekommen bin. In der<br />

Gegenrichtung war es auch nicht<br />

besser.<br />

Nikitin: Da muss noch viel passieren.<br />

Aber das Problem ist erkannt,<br />

zumindest auf politischer Ebene.<br />

Vor fünf Jahren war das überhaupt<br />

noch kein Thema. Ich sehe zwei<br />

wichtige Punkte: <strong>die</strong> extrem eingeschränkte<br />

Mobilität <strong>für</strong> Behinderte<br />

in Moskau und <strong>die</strong> Tatsache, dass<br />

sich Nichtbetroffene dessen überhaupt<br />

nicht bewusst sind.<br />

Huerkamp: Das muss viel mehr<br />

in <strong>die</strong> Öffentlichkeit gebracht werden,<br />

zum Beispiel mit Umfragen.<br />

Es wäre gut, wenn <strong>die</strong> Diskussion<br />

vom Theoretisch-Politischen<br />

mehr ins Konkrete gehen würde.<br />

Wie kann man etwa Busse behindertengerecht<br />

machen? Die drei<br />

Stufen, <strong>die</strong> ich da gestern gesehen<br />

habe, sind mit dem Rollstuhl auf<br />

jeden Fall unüberwindbar.<br />

Wird im Bereich Öffentlichkeitsarbeit<br />

in Moskau etwas unternommen?<br />

Nikitin: Unsere Zusammenarbeit<br />

mit dem Institut <strong>für</strong> moderne<br />

Kunst in Moskau geht in <strong>die</strong>se<br />

Richtung. Da gab es einen Wettbewerb<br />

<strong>für</strong> so genannte soziale<br />

Plakate und auch eine Ausstellung<br />

dazu.<br />

Ist denn in Deutschland alles ideal?<br />

Dieser Eindruck wurde hier manchmal<br />

erweckt.<br />

Huerkamp: Vorhin hat jemand<br />

im Vortrag gemeint, dass es in<br />

Deutschland überhaupt keine<br />

Akzeptanzprobleme <strong>für</strong> körperliche<br />

Behinderungen gibt. Das ist<br />

mir zu pauschal. Inklusion heißt ja,<br />

dass alle Menschen gleich akzeptiert<br />

sind – mit und ohne Behinderung.<br />

Ich kann ein bisschen laufen.<br />

Einmal wollte mir jemand den<br />

Rollstuhl „abgewöhnen“. Das heißt<br />

dann <strong>für</strong> mich, dass mich derjenige<br />

nicht so annehmen kann, wie ich<br />

bin.<br />

Herr Nikitin, wie ist das Projekt<br />

Deutsch-Russisches Jugendforum<br />

entstanden?<br />

Nikitin: Wir haben 2007 angefangen,<br />

mit der Rehacare in Düsseldorf<br />

zu arbeiten. INTAMT bietet Schulungen<br />

und Fachstu<strong>die</strong>nreisen <strong>für</strong><br />

deutsche und russische Fachkräfte,<br />

Unternehmer und Geschäftsleute<br />

an, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Gepflogenheiten auf<br />

der jeweils anderen Seite besser<br />

kennen lernen möchten. Deshalb<br />

hatten wir auf dem Gebiet Dialog<br />

schon viel Erfahrung. Außerdem<br />

gibt es einen Vertrag über den<br />

deutsch-russischen Austausch, der<br />

vom ehemaligen deutschen Botschafter<br />

in Moskau angestoßen<br />

wurde. Da freuen wir uns sehr,<br />

dass es uns gelungen ist, in <strong>die</strong>sem<br />

Jahr solch starke Partner auf der<br />

russischen Seite zu gewinnen.<br />

Was heißt das?<br />

Nikitin: Im vergangenen Jahr ist<br />

der russische Finanzpartner kurzfristig<br />

abgesprungen und INTAMT<br />

musste <strong>die</strong> Kosten spontan selbst<br />

übernehmen. Vor zwei Monaten<br />

haben wir einen neuen Partner<br />

gefunden, das Sozialamt der Stadt<br />

Moskau. Der Leiter war auch einmal<br />

kurz hier zu Besuch.<br />

Wie soll es nach dem Jugendforum<br />

in Moskau weitergehen?<br />

Nikitin: Die Verbindung zwischen<br />

den Jugendlichen wollen wir<br />

auf jeden Fall aufrecht erhalten. Bis<br />

zur nächsten Rehacare in Düsseldorf<br />

sollten idealerweise gemeinsam<br />

ein kleines Projekt und eine<br />

Internetseite aufgebaut werden.<br />

Das Interview führte<br />

Marika Schweiger.


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Große Kunst<br />

Das 33. Internationale Filmfestival Moskau: Erwartungen, Enttäuschungen, Ergebnisse<br />

Großes Theater im Puschkin-Kino. Alles sieht nach offiziellem Staatsbesuch<br />

aus. Hunderte Polizisten riegeln <strong>die</strong> Straßen ab, Metalldetektoren stehen<br />

vor dem viel zu engen Eingang. Matte Bohemiens, junge Schauspielerinnen<br />

in Seide und Chiffon, kostspielige Autos. Es ist ein Tanz um das goldene<br />

Kalb, ein Festmahl während der Pest. Die charmante Jurypräsidentin<br />

Geraldine Chaplin widersteht dem russischen Snobismus: Zum Abschluss<br />

kommt sie in weißen Sneakers und spricht über <strong>die</strong> Kulturvielfalt. Das<br />

Festival und seine Preisträger sind ohnehin multikulturell.<br />

Man liest das Programm und<br />

blickt verlegen herum: Was nur<br />

soll ich wählen? Was ist wirklich<br />

sehenswert? Worin kenne<br />

ich mich überhaupt aus? <strong>An</strong>geboten<br />

werden drei Wettbewerbe:<br />

17 Filme im Hauptwettbewerb,<br />

13 in „Perspektiven“ und sieben<br />

Dokumentarfilme. Außerdem fünf<br />

Retrospektiven, sieben Spezialprogramme<br />

und zehn Programme<br />

außerhalb des Wettbewerbs – insgesamt<br />

380 Filme in drei Lichtspieltheatern.<br />

Bloß keine Furcht<br />

vor Zahlen! Das dicke, bebilderte<br />

Filmprogramm bekommt schnell<br />

den Beinamen „Bibel“.<br />

Vorführung des ersten Essay films<br />

in 3D, „Pina“ von Wim Wenders.<br />

22 Uhr, Montag. Die Zuschauermenge<br />

vor dem Eingang ist aufgeregt.<br />

„Jungen und Mädchen,<br />

vergessen Sie nicht: Ihr seid <strong>die</strong><br />

Intelligenz“, sagt ein Mann, von<br />

hohem Wuchs, mit Brille und<br />

einer Ausgabe von Immanuel<br />

Kant unterm Arm. Die Cineasten<br />

sind überall: Sie sitzen auf Treppenstufen,<br />

stehen am Ausgang,<br />

hängen sich von Balkonen herunter.<br />

<strong>An</strong> einer Treppe sitzt Alexej<br />

Litwinenko, der Star aus Valeria<br />

Gai Germanikas Skandalserie<br />

„Schule“. Die junge Generation<br />

russischer Schauspieler hat noch<br />

kein Pathos und keinen Hochmut<br />

entwickelt, <strong>die</strong> ihre Lehrer<br />

am Roten Teppich zeigen.<br />

Die Russen lieben einen Salat,<br />

den sie einst Vinaigrette tauften.<br />

Der Beste: der Spanier Carlos Álvarez-Nóvoa in „Las Olas“.<br />

Von Yulia Abdullaeva<br />

Genauso nennen sie auch ein<br />

Mischmasch aus Sachen oder<br />

Ereignissen, <strong>die</strong> nicht zueinander<br />

passen. Im Moskauer „Oktjabr“-<br />

Kino, der Hauptbühne des Festivals,<br />

finden ganz unterschiedliche<br />

Filmgattungen ihre Zuschauer.<br />

Neben etablierten Regiegrößen<br />

zeigen auch „Junge Debütanten“<br />

ihre Werke. Manchmal sind sie<br />

gar nicht mal so jung. Die zu<br />

erwartenden Filme ergeben sich<br />

als <strong>die</strong> Schwächsten, unbekannte<br />

gewinnen an Stärke – und <strong>die</strong><br />

Gunst der Zuschauer.<br />

Das internationale Moskauer<br />

Filmfestival (IFF) verliert von Jahr<br />

zu Jahr seine Ganzheit und liefert<br />

ein Programm <strong>für</strong> ganz unterschiedliche<br />

Gruppen. Der Eröffnungsfilm,<br />

Weltpremiere des US-<br />

Blockbusters „Transformers 3“<br />

verwundert <strong>die</strong> Filmkritiker: Was<br />

hat ein Mainstreamfilm mit einem<br />

Filmfestival zu tun? Die <strong>An</strong>twort<br />

ist einfach: IFF lockt neue<br />

Zuschauer, und das ganz erfolgreich:<br />

Mehr als 60 000 Zuschauer<br />

besuchten <strong>die</strong> 488 Vorführungen.<br />

Das sind 10 000 mehr als im vergangenen<br />

Jahr. Festivaldirektor<br />

Nikita Michalkow verkündet auch<br />

stolz weitere Zahlen: Mehr als<br />

7 100 Teilnehmer, Gäste und Journalisten<br />

seien akkreditiert worden,<br />

darunter auch rund 600 aus<br />

dem Ausland.<br />

Über <strong>die</strong> internationale Berühmtheit<br />

des zweitältesten Festivals der<br />

Welt lässt sich streiten. Es gilt<br />

neben dem Festival in Karlovy<br />

Vary als das größte in Osteuropa,<br />

aber mit seinen Brüdern in<br />

Cannes, Berlin und Venedig lässt<br />

es sich kaum vergleichen. Deshalb<br />

sind hier und da Sätze zu hören,<br />

wie „Das ist ein Film aus dem<br />

Berlinale-Programm“ oder „Heute<br />

Abend zeigt man den Preisträgerfilm<br />

aus Cannes“. Sind es <strong>die</strong> Visa-<br />

Beschränkungen, <strong>die</strong> dem Filmfestival<br />

<strong>die</strong> ausländischen Gäste<br />

rauben? Das wäre schade.<br />

12 Uhr, Vergabe der Eintrittskarten.<br />

Am kommenden Tag wird<br />

„Melancholie“ von Lars von Trier,<br />

Cannes’ Persona non grata, gezeigt.<br />

Mehr als 200 Menschen stehen<br />

in der Schlange. Die Kasse ist<br />

geschlossen. Die ersten kommen<br />

um 8 Uhr morgens, warten vor der<br />

Tür, um <strong>die</strong> Karten zu ergattern.<br />

Zwei Männer streiten sich darüber,<br />

wer früher gekommen ist, sie stehen<br />

kurz vor einer Schlägerei.<br />

Der Intendant des Senders „Perwyj<br />

Kanal“, Konstantin Ernst,<br />

sprach noch Ende Juni auf dem<br />

Forum „Kino Russlands 2020“<br />

darüber, wie hoch <strong>die</strong> Unlust russischer<br />

Jugendlicher ist, sich <strong>die</strong><br />

Filme aus der heimischen Produktion<br />

anzusehen. „Mehr als 35 Prozent<br />

junger Zuschauer antworten<br />

eindeutig: Russisches Kino wollen<br />

sie auf keinen Fall.“ Die Qualität<br />

der Produkte sei zu niedrig, sagte<br />

Ernst. Das Publikum wolle mehr<br />

als <strong>die</strong>selben Gesichter, Dramen<br />

und Humor „unter der Gürtellinie“.<br />

Beim IFF wird er eines Besseren<br />

belehrt. „Fünf Bräute“(5<br />

newest) von Karen Oganesjan<br />

im Programm „Gala-Premiere“<br />

verleiht dem russischen Kino ein<br />

großes Stück Hoffnung: keine<br />

einzige Plattitüde, <strong>die</strong> Zuschauer<br />

lachen sich schlapp, applau<strong>die</strong>ren<br />

nach jedem Witz. Alexander Seldowitschs<br />

„Zielscheibe“ (Mischen)<br />

über <strong>die</strong> Moskauer Elite, <strong>die</strong> nicht<br />

altern will – bei der Berlinale<br />

noch kühl empfangen – entzückt<br />

nahezu Kritiker und Publikum in<br />

Moskau.<br />

Im Hauptwettbewerb präsentiert<br />

sich Russland mit zwei Werken.<br />

Im schwarz-weißen „Herzens Boomerang“<br />

(Serdza bumerang) stellt<br />

Nikolaj Chomeriki den Alltag eines<br />

Maschinisten aus St. Petersburg<br />

dar. Der 23-jährige Kostja erfährt,<br />

dass er sterbenskrank ist. Im<br />

Gegensatz zur gewöhnlichen Entwicklung<br />

einer solchen Geschichte<br />

verändert <strong>die</strong>se Tatsache Kostjas<br />

Leben kaum. Keine Reise zum<br />

Meer, kein Banküberfall. Es geht<br />

um ein Leben, wie es Millionen<br />

Menschen leben, nicht um einen<br />

FEUILLETON<br />

Klappe auf <strong>für</strong> <strong>die</strong> 33. Auflage des Moskauer Filmfestivals: Nikita Michalkow und Geraldine Chaplin.<br />

13<br />

Ausnahmefall. Ganz anders ist da<br />

Sergej Lobans „Chapiteau Show“.<br />

Der Film erzählt vier Novellen über<br />

Liebe, Freundschaft, Respekt und<br />

Zusammenhalt. Paradox erscheinende<br />

Handlungsstränge, bunte<br />

Farben und ein sanfter Ton, der<br />

sich durch den Film zieht, begeistern.<br />

Loban bekommt denn auch<br />

einen Spezialpreis.<br />

Überhaupt <strong>die</strong> Preise: Saulius<br />

Drunga aus Litauen erhält <strong>für</strong> sein<br />

Erstlingswerk, den Krimi „<strong>An</strong>archie<br />

in Schirmunaj“, einen Preis<br />

in der Reihe „Perspektive“. Der<br />

Film „Hell and back again“ von<br />

dem 29-jährigen Danfung Dennis<br />

aus den USA bekommt eine<br />

Auszeichnung als bester Dokumentarfilm.<br />

Darin geht es um den<br />

Sturm einer Militärbasis der Taliban<br />

in Afghanistan.<br />

Der Hauptpreis, der Goldene<br />

Georg <strong>für</strong> den besten Film, geht<br />

in <strong>die</strong>sem Jahr nach Spanien– <strong>für</strong><br />

„Las Olas“ (Wellen) des 35-jährigen<br />

Alberto Morais. Zum besten<br />

Schauspieler wird der 71-jährige<br />

Carlos Álvarez-Nóvoa, Darsteller<br />

des Haupthelden Miguel<br />

gewählt. Miguel kehrt nach 60<br />

Jahren ins kleine Städtchen an der<br />

spanischen Grenze zurück und<br />

erinnert sich an <strong>die</strong> Ereignisse des<br />

Bürgerkriegs. Große Kunst.<br />

IFF Moscow (2)<br />

Extrem<br />

Ab 2012 will Moskau jedes Druckerzeugnis einer „Toleranz-Prüfung“ unterziehen<br />

Jedes Buch, jede Zeitschrift, selbst jede DVD muss ab dem kommenden<br />

Jahr durch <strong>die</strong> Prüfung des „Zentrums der informationsanalytischen<br />

Technologien“. Der Verdacht: Extremismus. Die Moskauer Behörde soll laut<br />

Stadtregierung jedes Druckerzeugnis einer so genannten Toleranz-Prüfung<br />

unterziehen. „Eine doppelte Arbeit“, kritisieren <strong>die</strong> Gegner des Projekts.<br />

Sie sind der Krisenstab der Moskauer<br />

Stadtregierung, <strong>die</strong> <strong>An</strong>gestellten<br />

des „Zentrums der informationsanalytischen<br />

Technologien“<br />

(ZIAT). Sie werden gerufen,<br />

wenn es um <strong>die</strong> Prüfung von<br />

Menschen geht, <strong>die</strong> Geschäfte mit<br />

der Stadt Moskau machen wollen,<br />

wenn es sich um Investitionsverträge<br />

handelt – und auch dann,<br />

wenn <strong>die</strong> Entscheidung ansteht,<br />

ob eine Demonstration in der<br />

russischen Hauptstadt genehmigt<br />

Von Inna Hartwich<br />

werden soll oder nicht. Stets steht<br />

<strong>die</strong> Sicherheit der Einwohner im<br />

Vordergrund. Heißt es bei ZIAT.<br />

Nun bekommt <strong>die</strong> Behörde eine<br />

zusätzliche Aufgabe: Druckerzeugnisse<br />

auf Extremismus-Verdacht<br />

prüfen. Flugblätter, Zeitungsartikel,<br />

Bücher, Videos, Internetprodukte<br />

und selbst öffentliche<br />

Auftritte von Menschen – sie alle<br />

sind bedenklich, manchmal gar<br />

radikal, extrem. So steht es in<br />

der Verfügung des Moskauer Bürgermeisters<br />

Sergej Sobjanin. Und<br />

<strong>die</strong>se Bedenken sollen ausgeräumt<br />

werden. Für <strong>die</strong> Extremismus-<br />

Vorbeugung, in all der möglichen<br />

Form, stehen 110 Millionen Rubel<br />

(umgerechnet 2,8 Millionen Euro)<br />

zur Verfügung. Für welchen Zeitraum,<br />

ist nicht eindeutig.<br />

Von „psychologisch-sprachwissenschaftlichen<br />

Erforschungen“<br />

ist in dem Schreiben des Stadtchefs<br />

<strong>die</strong> Rede. Im Klartext heißt<br />

es: lesen, suchen, dokumentieren<br />

– und <strong>die</strong> Staatsanwaltschaft<br />

darüber informieren, wenn sich<br />

tatsächlich bedenkliche Informationen<br />

in den untersuchten Unterlagen<br />

finden. Was unter „bedenklich“<br />

zu verstehen ist, sagt <strong>die</strong><br />

Behörde nicht genau. Spezialisten,<br />

<strong>die</strong> sich mit der <strong>An</strong>alyse von Texten<br />

hinsichtlich extremistischer<br />

Aussagen auskennen, hat ZIAT<br />

ebenfalls nicht. „Es werden Psychologen<br />

und Linguisten eingestellt“,<br />

versprach Walerij Kadazkij,<br />

Leiter der Abteilung „Regionale<br />

Sicherheit“ bei der Moskauer<br />

Stadtregierung, schon einmal vorsorglich.<br />

ZIAT kommentiert <strong>die</strong><br />

Situation gar nicht erst. Klar ist<br />

nur eines: 2012 soll es losgehen.<br />

Alexander Werchowskij ist da<br />

skeptisch. Der Leiter des Informationszentrums<br />

„Sowa“ (Eule),<br />

das sich gegen Rassismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit einsetzt,<br />

sieht darin eine „doppelte Arbeit“.<br />

„Viele unabhängige Institute und<br />

NGOs erforschen solche Texte<br />

längst, es gibt geradezu ein Meer<br />

an ,nicht-toleranten Erzeugnissen‘.<br />

Wozu also eine Behörde, <strong>die</strong> nicht<br />

einmal weiß, was genau sie zu tun<br />

hat?“, fragt er. Das ZIAT bleibe<br />

ohnehin machtlos. „Es kann nur<br />

auflisten, wie viele Materialien <strong>die</strong><br />

Mitarbeiter gefunden haben. Die<br />

Praxis zeigt aber, dass <strong>die</strong>ses Zählen<br />

allein sinnlos ist.“ Alexander<br />

Brod von der russischen Bürgerkammer<br />

be<strong>für</strong>chtet einen Generalverdacht<br />

– vor allem der Opposition.<br />

„In unseren Gesetzen wird<br />

nicht genau formuliert, was unter<br />

,Extremismus‘ zu verstehen ist.<br />

Also bleibt vieles Auslegungssache.“<br />

Wie wohl auch <strong>die</strong> Tatsache,<br />

wie mit der Verfügung Sobjanins<br />

nun zu verfahren ist.


14<br />

Moskauer<br />

Freizeit<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

WO und WAS in MOSKAU<br />

KINO Restaurant Bühne Konzert Museum<br />

5Highlights<br />

Moskau<br />

erotisch<br />

Museen der „Erotischen Kunst“<br />

gibt es bereits seit langem in<br />

Amsterdam, in Berlin, New York,<br />

Paris, Barcelona und anderen<br />

Großstädten der Welt. Nun auch<br />

an der Moskwa. Und zwar nach<br />

eigener Aussage das weltgrößte.<br />

Auf 800 Quadratmetern befinden<br />

sich im ToschkaG mehr als 3 000<br />

Exponate – <strong>An</strong>tikes bis Zeitgenössisches<br />

rund um das Thema<br />

Leidenschaft, Liebe, Erotik und<br />

Körperkunst. Bis zum 17. Juli stellt<br />

dort auch <strong>die</strong> St. Petersburger<br />

Künstlerin Vera Donskaja-Chilko<br />

ihre Werke aus. Ihr neues Skandalbild<br />

trägt den Titel „Wrestling“<br />

und zeigt <strong>Putin</strong> und Obama nackt<br />

im Boxring, geschmückt wie Indianerhäuptlinge.<br />

Wer nach dem<br />

Museumsrundgang eine Abkühlung<br />

nötig hat: Im angeschlossenen,<br />

„erotischen“ Café gibt es<br />

nicht nur Heißes, sondern auch<br />

kühle Erfrischungen.<br />

täglich geöffnet<br />

Nowyj Arbat 15<br />

Metro: Arbat, Smolenskaja<br />

www.tochkaG.net<br />

Mail: info@tochkag.net<br />

Die Puppe ist furchterregend, ein<br />

Bündel aus Stroh ragt aus ihrem<br />

Körper, statt Augen sieht man nur<br />

klaffende Höhlen. Daneben stehen<br />

eine Puppe mit Federboa und<br />

nettem Lächeln und eine Drehorgel.<br />

So vielfältig kann <strong>die</strong> Welt der<br />

Figuren sein.<br />

Theater- Spiel- und Schaupuppen<br />

aller Epochen sind derzeit<br />

in vier Sälen des Ausstellungszentrums<br />

„Wetoschnyj“ zu sehen.<br />

Das Zentrum befindet sich in der<br />

schmalen Gasse hinter dem Kaufhaus<br />

GUM (Wetoschnyj Pereulok<br />

13). Die Aussstellungsmacher<br />

vom staatlichen Obraszow-Puppentheater<br />

haben sich bemüht,<br />

das Kulturphänomen der Puppe<br />

so deutlich wie möglich zu zeigen.<br />

Seit jeher haben Menschen<br />

Puppen <strong>für</strong> verschiedene Zwecke<br />

benutzt: Sie haben sie in Messen<br />

angebetet, im Museum ausstaffiert,<br />

im Volkstheater tanzen<br />

lassen, mit ihnen im Kinderbett<br />

Kino<br />

Open Air<br />

Auf der Bolotnyj-Insel können<br />

Film-Fans im Juli und August<br />

Kino unter freiem Himmel erleben.<br />

Das „Summertimes-Festival“<br />

wird organsisiert vom „Institut <strong>für</strong><br />

Architektur und Design Strelka“.<br />

Auf dem Gelände der ehemaligen<br />

Schokoladenfabrik „Roter Oktober“<br />

zeigt das Institut Kurzfilme<br />

aus aller Welt, von Australien über<br />

Japan, Kanada, Lateinamerika bis<br />

nach Europa. Zwei Abende sind<br />

der <strong>die</strong>sjährigen Berlinale gewidmet.<br />

Bei den „Summershorts –<br />

Berlinale“ werden <strong>die</strong> Kurzfilme<br />

aus Belgien, England, Südkorea,<br />

Russland, Italien, Kanada und<br />

Frankreich gezeigt, <strong>die</strong> im Februar<br />

an den 61. Filmfestspielen in<br />

der deutschen Hauptstadt teilgenommen<br />

haben. Die Themen:<br />

Jugend, Monster, Liebe, Gewalt<br />

und Musik.<br />

9. und 16. August<br />

Strelka – Institut <strong>für</strong> Me<strong>die</strong>n,<br />

Architektur und Design<br />

Bersenewskaja nabereschnaja 15,<br />

Gebäude 5<br />

Metro: Tretjakowskaja,<br />

Nowokusnezkaja, Poljanka,<br />

Kropotkinskaja<br />

Tel.: (495) 7717437<br />

www.summertimes.ru<br />

Vegetarier<br />

unter sich<br />

Beim Veg-Fest auf dem Gelände<br />

des Freizeit- und Kulturparks<br />

Ethnomir gibt es alles, was das<br />

Öko-Herz begehrt: viel Grünzeug,<br />

Yoga-Kurse, Vorträge zu Ernährungs-<br />

und Gesundheitsthemen,<br />

Gesund-Kochen-Workshops,<br />

einen Jahrmarkt voller vollwertiger,<br />

natürlich hergestellter Produkte<br />

und fleischloser Delikatessen,<br />

Trommel-Konzerte und<br />

gemeinsames Mantrasingen.<br />

Das 90 Kilometer von Moskau<br />

entfernte Kultur- und Tourimuszentrum<br />

Ethnomir ist eine<br />

Reise wert: in der weitläufigen<br />

Parkanlage können <strong>die</strong> Besucher<br />

Leben, Kultur und Traditionen<br />

verschiedener Völker kennen<br />

lernen. Regelmäßig finden dort<br />

auch Ausstellungen, Konzerte,<br />

Konferenzen und Festivals statt.<br />

Unterstützt wird Ethnomir vom<br />

russischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium,<br />

von der<br />

UNESCO und Greenpeace.<br />

29. bis 31. Juli<br />

Ethnomir (Kaluschskaja Oblast,<br />

Borowskij Rajon, Dorf Petrowo)<br />

Tel: (495) 7107345<br />

www.vegfest.ru<br />

www.ethnomir.ru<br />

Mephisto trifft Pique Dame<br />

Eine Ausstellung zeigt <strong>die</strong> schaurig schöne Welt der Puppen<br />

Das staatliche akademische Obraszow-Puppentheater feiert in <strong>die</strong>sem<br />

Jahr gleich zwei Jubiläen. Das Theater gibt es seit 80 Jahren,<br />

und der sowjetische Theaterkünstler, Schauspieler und Regisseur des<br />

Puppentheaters Sergej Obraszow wäre in <strong>die</strong>sem Jahr 110 Jahre alt<br />

geworden. Die Veranstaltungsreihe im Jubiläumsjahr begann <strong>An</strong>fang<br />

Juli mit der Ausstellung „Raum der Puppen“ im Ausstellungszentrum<br />

„Wetoschnyj“.<br />

Rund um<br />

den Kreml<br />

Renn-Fieber rund um den<br />

Kreml. Zum <strong>die</strong>sjährigen Moscow<br />

City Racing kommen <strong>die</strong> Stars<br />

des internationalen Autosports:<br />

Vom Formel-1 Team Vodafone<br />

McLaren Mercedes ist Jenson<br />

Button mit dabei, von der Scuderia<br />

Ferrari gibt sich Giancarlo<br />

Fisichella <strong>die</strong> Ehre, ebenso Karun<br />

Chandhok vom Team Lotus sowie<br />

das Ralley Dakar Team „Kamas<br />

Master“. Am Samstag, 16. Juli,<br />

geht es um 12 Uhr los mit der<br />

Ausstellung und Präsentation der<br />

Fahrzeuge, Autogramm-Stunden<br />

und einer Autoshow des WRC<br />

(World Rally Championchip)<br />

Teams Citroen.<br />

Sonntag ab 12 Uhr starten <strong>die</strong><br />

großen Rennen rund um <strong>die</strong> russische<br />

<strong>Macht</strong>zenrale. Das Moscow<br />

City Racing gibt es seit 2008. Mehr<br />

als 300 000 Menschen wohnten<br />

im vergangenen Jahr dem Spektakel<br />

bei.<br />

16. und 17.Juli<br />

Rund um den Kreml<br />

Metro: Ochotnyj Rjad<br />

Tel.: (495) 7654574<br />

www.mosracing.ru<br />

Für Puppen ist man nie zu alt – Besucher des Wetoschnyj-Zentrums wissen das.<br />

Von Jelena Semjonowa<br />

geschmust. Das Hauptaugenmerk<br />

der Ausstellung liegt auf den Theaterpuppen,<br />

<strong>die</strong> in den Händen<br />

von Menschen auf der Bühne zum<br />

Leben erweckt werden.<br />

Mit den Puppen können Besucher<br />

auf eine kleine Weltreise<br />

gehen. Vor purpurroten Vorhängen<br />

glänzen <strong>die</strong> Kostüme der<br />

Samurai aus dem japanischen<br />

Theater Koe-gej und <strong>die</strong> Schuppen<br />

eines Drachens aus dem vietnamesischen<br />

„Theater auf dem<br />

Wasser“. In den Regalen sitzen<br />

kindlich-einfältige Puppen aus<br />

In<strong>die</strong>n, fletschende Bestien aus<br />

Indonesien. Die Berühmtheiten<br />

der Zunft dürfen nicht fehlen. Da<br />

wären zum Beispiel Mr. Punch<br />

aus England, <strong>die</strong> Starcrew aus der<br />

italienischen Commedia dell'arte,<br />

<strong>die</strong> kahlköpfigen und segelohrigen<br />

Spejbl und Hurvinek vom<br />

tschechoslowakischen Künstler<br />

Josef Skupa und zu guter Letzt<br />

der russische Kasper „Petruschka“.<br />

Bei der Figur aus dem Jahr<br />

1920 wächst dem Kasperle ein<br />

Sowjetstern aus dem Kopf.<br />

In großer Zahl sind in der Ausstellung<br />

<strong>die</strong> Puppen des Obraszow-Theaters<br />

vertreten. Regelmäßige<br />

Besucher treffen hier alte<br />

Bekannte aus vielen Vorführungen<br />

wieder: <strong>An</strong>na von Österreich, <strong>die</strong><br />

alte Gräfin aus Puschkins „Pique<br />

Dame“ und Mephisto im schwarzen<br />

Umhang.<br />

Die Ausstellung „Raum der Puppen“<br />

läuft noch bis zum 1. Oktober.<br />

Ab September werden kurze<br />

Vorstellungen geboten. Im dritten<br />

und vierten Saal können Besucher<br />

schon jetzt Puppen von jungen<br />

russischen Künstlern kaufen.<br />

www.puppet.ru<br />

www.vetoshny.ru<br />

Jelena Semjonowa<br />

Fotograf und<br />

Zeitzeuge<br />

Der sowjetische Kriegsberichterstatter<br />

Jewgenij Chaldej war dabei,<br />

als <strong>die</strong> Rote Armee 1945 Berlin<br />

eroberte. Das Foto des Soldaten,<br />

der <strong>die</strong> rote Flagge auf dem Reichstag<br />

hisst, brachte dem Fotokorrespondenten<br />

weltweite Berühmtheit<br />

ein. Doch in den Nachkriegsjahren<br />

wurde ihm seine jüdische<br />

Herkunft zum Verhängnis: Stalin<br />

hatte dem „Kosmopolitismus“ den<br />

Kampf angesagt. Die späte Würdigung<br />

seines Werkes erfolgte kurioserweise<br />

durch westliche Me<strong>die</strong>n.<br />

Drei Jahre nach seinem Tod im Jahr<br />

1997 wurden Chaldejs Tagebücher<br />

der Kriegsjahre 1941- 43 aufgefunden.<br />

Sie erschienen auf Deutsch<br />

unter dem Titel „Jewgeni Chaldej:<br />

Kriegstagebuch. Schriftliches und<br />

fotografisches Tagebuch". In der<br />

Kunstgalerie Woswraschtschenije<br />

stellt Kurator Stanislaw Radsinskij<br />

40 bis heute noch unbekannte Aufnahmen<br />

des Kriegsberichterstatters<br />

aus.<br />

Bis 31.August<br />

Kunstgalerie<br />

„Woswraschtschenije“<br />

Ausstellung „Jewgenij Chaldej“<br />

Leontjewskij pereulok 2a,<br />

Gebäude 2<br />

Metro: Twerskaja<br />

Tel.: (495) 7716684<br />

www.homecoming-art.ru<br />

Mit dem<br />

Segway<br />

gegen Blasen<br />

Um sich bei flotten 20 Stundenkilometern<br />

den Wind um <strong>die</strong><br />

Nase wehen zu lassen, muss man<br />

nicht angestrengt in <strong>die</strong> Pedalen<br />

treten. Denn der „Segway“ erobert<br />

<strong>die</strong> Bürgersteige und Parks<br />

<strong>die</strong>ser Welt. In Moskau kann<br />

man den „Selbstbalance-Roller“<br />

an mehreren Orten ausprobieren:<br />

Auf dem WDNCh-Gelände<br />

kosten zehn Minuten Fahrspaß<br />

300 Rubel – inklusive Einweisung.<br />

Auch im Park Sokolniki wird der<br />

Segway verliehen. Ganze Segway-<br />

Gruppen-Führungen und sogar<br />

Nachtwanderungen werden im<br />

Museumspark „Zarizyno“ angeboten.<br />

Bis zu sieben Fahrer pro Tour<br />

werden zu Plätzen, Teichen und<br />

Brunnen geleitet.<br />

Das Einpersonen-Gefährt gibt<br />

es seit 2001. Durch elektronische<br />

<strong>An</strong>triebsregelung hält es sich<br />

selbst im Gleichgewicht, während<br />

der Fahrer sich bloß noch an der<br />

Lenkstange festhalten muss. Mit<br />

dem Segway kann man Sehenswürdigkeiten<br />

abklappern, ohne<br />

sich Blasen an den Füßen zu holen.<br />

Informationen zu den Touren, Öffnungszeiten<br />

und Preisen im Internet:<br />

www.segway.ru/dealers/rent/.


Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Auf zum Picknick<br />

Perfekte Mischung: Wiese, Liegestuhl, Musik<br />

Das „Picknick“ ist bereits zu einer<br />

guten Tradition <strong>für</strong> <strong>die</strong>jenigen<br />

geworden, <strong>die</strong> den Sommer im<br />

schwülen Moskau verbringen.<br />

Zum achten Mal veranstaltet <strong>die</strong><br />

Zeitschrift „Afischa“ einen Tag<br />

im Freien. Im vergangenen Jahr<br />

waren es 55 000 Menschen, <strong>die</strong><br />

sich bei 32 Grad im Kolomenskoje-<br />

Park versammelt hatten. Am<br />

23. Juni soll es bei etwa 26<br />

Grad kühler werden. Vielleicht<br />

gibt es stattdessen einen neuen<br />

Besucherrekord.<br />

Von Jewgenija Nikolajewa<br />

Die Organisatoren betonen,<br />

das „Picknick“ sei in erster Linie<br />

ein Musikfestival. Das Ziel, so<br />

viele Besucher wie möglich anzulocken,<br />

ist offensichtlich. Zum<br />

ersten Mal überhaupt kommt<br />

Courtney Love nach Moskau.<br />

Die Witwe von Nirvana-Sänger<br />

Kurt Cobain könnte sich vorher<br />

noch von den Kaiser Chiefs<br />

einige Tipps abholen. Die Gruppe<br />

ist schon zuvor in Russland<br />

aufgetreten. Für ihren Besuch<br />

beim Afischa-Picknick hat sie<br />

ein neues Programm vorbereitet.<br />

In Kolomenskoje werden außerdem<br />

Semfira, der junge Moskauer<br />

Postpunk-Musiker „Brandenburg“<br />

und „Obe Dwe“ (zu<br />

Deutsch: „Beide zwei“) erwartet.<br />

Letztere präsentieren „überzeugenden<br />

Frauenrock über Sex,<br />

Seeleute, Strümpfe und Handschuhe“<br />

und werden in Russland<br />

bereits als Newcomer des Jahres<br />

gehandelt.<br />

Darüber hinaus werden <strong>die</strong><br />

„Picknick“-Gäste auch ohne<br />

Musik unterhalten. Modeinteressierte<br />

werden an den Ständen<br />

erwartet, an denen „Afischa“ <strong>die</strong><br />

besten Shopping-Ideen des vergangenen<br />

Jahres zusammengetragen<br />

hat. Mit einem „Food-Court“<br />

versuchen <strong>die</strong> „Picknick“-Organisatoren,<br />

<strong>die</strong> Gäste kulinarisch<br />

zu verwöhnen. Es wird Essen<br />

aus aller Welt angeboten. Man<br />

kann es vor der Bühne genießen<br />

oder am Ufer der Moskwa<br />

nahe des Kolomenskoje-Kai. Die<br />

Wiese dort wird mit Liegestühlen<br />

bestückt. Für Aktive bereiten<br />

<strong>die</strong> Organisatoren diverse Spiele<br />

vor, angefangen mit Rasenhockey<br />

bis zu einer offline-Version des<br />

Computerspiels „<strong>An</strong>gry Birds“.<br />

Schlechte Nachrichten <strong>für</strong><br />

Gäste, <strong>die</strong> Alkohol, Drogen, Waffen,<br />

Sprengstoff oder Gift mitbringen<br />

wollen. Das ist nämlich<br />

strengstens verboten. Jegliche<br />

Flüssigkeiten sind am Eingang<br />

abzugeben. Ins Gepäck gehören<br />

stattdessen Decken, Kissen,<br />

Klappstühle und ein Sonnenschirm.<br />

Für den Komfort während<br />

des „Picknicks“ ist jeder<br />

Gast selbst verantwortlich.<br />

23. Juli 2011<br />

Picknick Afischa<br />

12 bis 22 Uhr<br />

Kolomenskoje-Park<br />

Prospekt <strong>An</strong>dropowa 39<br />

Metro: Kolomenskaja,<br />

www.picnic.afisha.ru<br />

Künstlerisches Echo<br />

Vor gut zehn Jahren wurde <strong>die</strong><br />

Ausstellung „Dawaj – Russian Art<br />

now!“ von Russland nach Wien<br />

und Berlin gebracht. Damals hatte<br />

ein Team russischer Kuratoren<br />

Russland von Moskau bis Wladiwostok<br />

durchforstet, auf der<br />

Suche nach Kunst, <strong>die</strong> im Westen<br />

ausgestellt werden könnte. Ein<br />

Querschnitt durch Raum und<br />

Zeit wurde zusammengestellt,<br />

und <strong>die</strong> Kuratoren setzten sich<br />

das Ziel, der russischen Kunst<br />

zu helfen, „ihre Sprache zu finden<br />

und in eine neue Ära zu<br />

tragen", so <strong>An</strong>na Matwejewa in<br />

ihrem Essay „Dawaj! Die Schwierigkeiten<br />

des Übersetzens“.<br />

Das Interessanteste an <strong>die</strong>sem<br />

Experiment sei damals gewesen,<br />

wie das genuin Russische im<br />

Westen als eine Art „Urgewalt“,<br />

oder „eine ungehemmte, jedoch<br />

verständliche und artikulierte<br />

Sprache“ aufgenommen wurde.<br />

Sehr aufschlussreich waren dabei<br />

laut Matwejewa <strong>die</strong> Bemühungen<br />

in Österreich und in Deutschland,<br />

<strong>die</strong>se andere russische Art des<br />

künstlerischen Sprechens in <strong>die</strong><br />

eigene Form eines ästhetischen<br />

Begriffsapparates zu übersetzen.<br />

Nun präsentiert sich <strong>die</strong> Ausstellung<br />

„Austria, Dawaj!“ als ein<br />

Echo auf „Dawaj – Russian Art<br />

Freizeit<br />

15<br />

Ein Moskauer Museum zeigt zeitgenössische österreichische Kunst<br />

Die Ausstellungsmacher von „Austria, Dawaj“ üben sich nicht in<br />

Bescheidenheit. Besucher könnten den Gipfel der österreichischen Kunst<br />

erklimmen, versprechen sie. Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. August<br />

im Moskauer Schtschussew-Architekturmuseum und ist eine Kooperation<br />

mit dem Österreichischen Museum <strong>für</strong> angewandte Kunst in Wien.<br />

Von Marc Hauschild<br />

now!“ und wird als eine Art soziologisches<br />

Experiment betrachtet,<br />

das untersucht, wie gut russische<br />

Betrachter und Künstler<br />

mittlerweile ihr Handwerk in<br />

Sachen Dechiffrierung österreichischer<br />

Ästhetikprinzipien<br />

gelernt haben. Aufs Ganze gesehen<br />

bleibt „Austria, Dawaj“ aber<br />

eine Ausstellung, <strong>die</strong> mit leichten<br />

Übersetzungsschwierigkeiten auf<br />

ihr russischsprachiges Publikum<br />

trifft.<br />

Mit ihren provokativen Collagen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> „alltägliche Erzwingung<br />

von Weiblichkeit“ herausfordern,<br />

ist <strong>die</strong> in Wien lebende<br />

Künstlerin Nilbar Güres bekannt<br />

geworden. Auf der Ausstellung<br />

ist <strong>die</strong> 1977 in Istanbul geborene<br />

Grenzgängerin zwischen<br />

den Kulturen unter anderem mit<br />

dem Video „Unknown Sports –<br />

Indoor exercises“ vertreten, in<br />

dem repressive geschlechtsspezifische<br />

Riten und Praxen muslimischer<br />

Frauen mit sportlichen<br />

Posen, <strong>die</strong> in den offenen Raum<br />

einer Turnhalle verlegt sind, konterkariert<br />

werden.<br />

Von dem 1952 in Mitterkirchen<br />

geborenen Künstler Manfred<br />

Wakolbinger kann der Besucher<br />

sich durch Metallskulpturen, <strong>die</strong><br />

sich organisch wie Unterwasserungeheuer<br />

durch den Raum<br />

schlängeln, in einen <strong>die</strong> Dimensionen<br />

des Raumes transzen<strong>die</strong>renden<br />

Strudel hineinziehen lassen<br />

,und der 1947 in Wien geborene<br />

Franz West hat mit der Installation<br />

„Inventar mit Moskauer<br />

Würfel“ – einem leicht schwebenden<br />

kolossalen rosafarbenen<br />

Block – einen eigenen Beitrag <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Ausstellung kreiert.<br />

Ein verstörendes Element ist<br />

mit Sicherheit <strong>die</strong> Skulptur des<br />

1954 in Bruck an der Mur geborenen<br />

Erwin Wurm. Der Künstler<br />

definiert den Begriff gesellschaftlich<br />

wahrgenommener Körperlichkeit<br />

neu und stellt entlarvend<br />

mit der Skulptur „<strong>An</strong>ger bump“<br />

einen elegant bis lässig gekleideten<br />

Mann ohne Kopf, aber mit<br />

erigiertem Penis dar.<br />

Dies sind nur einige Beispiele.<br />

Mit Sicherheit ist den Kuratoreneine<br />

höchst interessante Ausstellung<br />

gelungen, zumal viele der<br />

Arbeiten eigens <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausstellung<br />

entwickelt wurden. Dennoch<br />

zeigen sie nur einen groben<br />

Querschnitt durch <strong>die</strong> zeitgenössische<br />

österreichische Kunstszene.<br />

In und um Wien tummeln<br />

sich noch viele gerade junge kreative<br />

Kräfte, <strong>die</strong> <strong>die</strong> ästhetische<br />

Übersetzungsherausforderung<br />

noch einmal etwas verschärfter<br />

auf <strong>die</strong> Probe stellten könnten.<br />

Dann müsste es heißen: „Austria,<br />

Dawaj! Jeschtschjo Ras.“<br />

www.muar.ru<br />

..


16<br />

Moskauer<br />

H i n t e r l a n d<br />

Letzte Seite<br />

Jekaterinburg<br />

Grosnyj<br />

Tscheljabinsk<br />

Rekord ohne Gewähr<br />

Tscheljabinsk. Eine Rentnerin aus dem Dorf Aminjewo im Südural<br />

hat <strong>An</strong>fang Juli <strong>die</strong> Glückwünsche ihrer sechs Kinder, 21 Enkel,<br />

45 Urenkel und zehn Ururenkel zum Geburtstag entgegengenommen.<br />

Laut Pass war es ihr 121. Geburtstag. Damit wäre Chabibamal Chametowa<br />

der älteste Mensch der Welt, ein Rekord, den offiziell <strong>die</strong><br />

114-jährige Amerikanerin Besse Cooper hält. Doch Chametowa, <strong>die</strong><br />

nur Baschkirisch und nicht Russisch spricht, kann keine Geburtsurkunde<br />

vorweisen. Im Russland der Zarenzeit wurden solche Papiere nicht<br />

ausgehändigt, sondern <strong>die</strong> Geburtsdaten in den Gemeinden erfasst. Die<br />

Bücher sind jedoch nicht erhalten geblieben. Chametowa erhielt ihren<br />

ersten Pass nach dem Bürgerkrieg. Dort stand nur das Geburtsjahr<br />

1890. Wie sehr <strong>die</strong>se <strong>An</strong>gabe auf ihren eigenen Auskünften beruhte,<br />

lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Sie selbst hat daran keine Erinnerung.<br />

Das Geburtsdatum im Juli hat der Familienrat festgelegt.<br />

Bürgerwehr<br />

schiesst scharf<br />

Jekaterinburg. Einwohner<br />

des Uraldorfes Sagra bei Jekaterinburg<br />

haben Ende Juni eine<br />

Art Bürgerwehr gebildet, um sich<br />

gegen „Banditen“ aus dem Kaukasus<br />

zu verteidigen, wie sie sagen.<br />

Die <strong>An</strong>greifer hätten sich nachts mit<br />

15 Autos dem Ort genähert, um dort<br />

alles kurz und klein zu schlagen,<br />

behaupten <strong>die</strong> Einheimischen. Das<br />

Motiv sei Einschüchterung gewesen,<br />

weil <strong>die</strong> Dörfler den Drogenhandel<br />

des Zigeuners Sergej Krasnoperow<br />

nicht dulden wollten. Am Ortsrand<br />

wurde eine Patrouille postiert, <strong>die</strong><br />

auf <strong>die</strong> ankommende „Mafia“ schoss.<br />

Einer der Kaukasier – ein Georgier<br />

aserbaidschanischer Abstammung –<br />

kam dabei ums Leben. Daraufhin<br />

<strong>für</strong>chtete Sagra, wo es nicht einmal<br />

eine Polizeiwache gibt, Rache<br />

und forderte Schutz. Der Volkszorn<br />

und das Me<strong>die</strong>necho waren so groß,<br />

dass sich sogar Alexander Bastrykin,<br />

Leiter der russischen Ermittlungsbehörden,<br />

in das Dorf begab.<br />

Die Rekonstruktion des Tathergangs<br />

dauert laut Polizei an.<br />

Rechte empfehlen Kadyrow als Vorbild<br />

Grosnyj. Zwei der berüchtigsten Fremdenhasser Russlands haben überraschend an Tschetschenien Gefallen<br />

gefunden – nachdem sie zum ersten Mal selbst in <strong>die</strong> Region gereist waren. Alexander Below, früherer Vorsitzender<br />

der inzwischen verbotenen „Bewegung gegen illegale Immigration“ (DPNI), und Dmitrij Demuschkin,<br />

Chef der ebenfalls verbotenen „Slawischen Union“, folgten einer Einladung der tschetschenischen Regierung<br />

unter Ramsan Kadyrow. Vorausgegangen waren im Dezember ethnisch motivierte Ausschreitungen in Moskau<br />

und heftige Debatten um <strong>die</strong> Nationalitätenpolitik. Below und Demuschkin, mittlerweile in der Nationalistenvereinigung<br />

„Russen“ aktiv, weilten eine Woche lang in der Teilrepublik. Danach sagte Demuschkin russischen<br />

Me<strong>die</strong>n, er sei überzeugt, dass auch <strong>die</strong> Russen einen Kadyrow nötig hätten. „Es ist toll dort. Kadyrow hat <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Tschetschenen gebaut, was er konnte – und mehr“, wird er in der „Komsomolskaja Prawda“ zitiert. Below<br />

sagte dem Blatt, er habe <strong>für</strong> eine Volksabstimmung zur Loslösung des Nordkaukasus von Russland kämpfen<br />

wollen, distanziere sich nun jedoch von <strong>die</strong>ser Idee: „Die Administration von Kadyrow setzt <strong>die</strong> Subventionen<br />

aus Moskau sehr effektiv ein. Dorthin müsste man russische Gouverneure schicken, damit man ihnen beibringt,<br />

wie man Gelder nicht in <strong>die</strong> eigene Tasche steckt, sondern investiert.“<br />

Deutsche Zeitung Nr. 14 (309) Juli 2011<br />

Stu<strong>die</strong>n im Park<br />

P<br />

lanet<br />

Moskau<br />

Von Diana Laarz<br />

Manch penibler Zeitgenosse<br />

nutzt einen altmodischen Chronometer,<br />

um sich der Uhrzeit zu<br />

vergewissern. Manch ein verhinderter<br />

Pfadfinder orientiert sich<br />

am Sonnenstand. Mir reicht ein<br />

Gang durch den Park vor meiner<br />

Haustür, um zu wissen, welche<br />

Stunde geschlagen hat.<br />

Die Bezeichnung „Park“ ist vielleicht<br />

etwas übertrieben. Eigentlich<br />

ist es mehr ein Grünstreifen. Aber<br />

es gibt einen Teich, eine erstaunlich<br />

hohe Dichte an Bänken, <strong>die</strong><br />

zur Rast einladen, und ein aserbaidschanisches<br />

Restaurant, von<br />

dem man sagt, das Essen dort sei<br />

so schlecht und <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nung so<br />

lausig, dass es sich ohne Zweifel um<br />

<strong>die</strong> Tarnfirma irgendeines Geldwäschers<br />

handelt. Diesen Park also<br />

durchquere ich täglich mindestens<br />

zweimal – und inzwischen meine<br />

ich, den Lebensrhythmus in <strong>die</strong>ser<br />

unkrautigen Oase entschlüsselt zu<br />

haben.<br />

Gähnende Leere am Vormittag.<br />

Das interessanteste Schauspiel bieten<br />

zu <strong>die</strong>ser Zeit <strong>die</strong> Köpfchenins-Wasser-Spiele<br />

der Enten auf<br />

dem Teich. Sobald <strong>die</strong> Sonne ihrem<br />

höchsten Stand nahe gerückt ist,<br />

tauchen <strong>die</strong> Kinderwagenschieberinnen<br />

auf. Sie sind nicht lange<br />

allein. Noch etwas zerknittert<br />

im Gesicht kommen <strong>die</strong> ersten<br />

Schnapsdrosseln zum Flüssig-Frühstück<br />

an einer Bank zusammen. Im<br />

Laufe des Tages werden es immer<br />

mehr. Der Flaschenbestand wächst<br />

mit fortschreitender Stunde.<br />

Der Nachmittag gehört trotzdem<br />

noch den Liebespaaren. Sie liegen<br />

auf den Bänken, <strong>die</strong> Blicke<br />

stumm auf den Moskauer Himmel<br />

gerichtet. Manchmal lässt sich<br />

neben ihnen ein altes Mütterchen<br />

mit Einkaufstüten nieder, um eine<br />

Minute zu verschnaufen. Manchmal<br />

kommen ein paar Liebespaare<br />

zusammen, und dann vergessen<br />

sie <strong>für</strong> ein paar Stunden, sich verliebt<br />

anzuschauen, und veranstalten<br />

stattdessen ein kleines Picknick<br />

am Ufer.<br />

Spätestens nach Sonnenuntergang<br />

wird es im Park ungemütlich.<br />

Dann nämlich hat der Alkohol <strong>die</strong><br />

Zungen der Bankhocker gelöst.<br />

Um Mitternacht muss frau schon<br />

ein dickes Fell – oder Kopfhörer<br />

in den Ohren – haben, um bei<br />

den Sprüchen nicht unwillkürlich<br />

zusammenzuzucken. Der eine<br />

oder andere Mann dort schätzt<br />

deutsche Frauen besonders wegen<br />

ihrer gerühmten Offenheit und<br />

Freizügigkeit. Das kenne man doch<br />

aus deutschen Pornos. Da könne<br />

man doch schnell mal da vorne<br />

links, hinter der Buche, na Sie wissen<br />

schon.<br />

Beim ersten Morgenlicht<br />

betrachtet, ist der Park vor meiner<br />

Haustür fast wieder der<br />

reinste Garten Eden. Die Großmäuler<br />

aus der Nacht sind auf<br />

dem Rasen zusammengesunken,<br />

neben sich eine Flasche, von der<br />

man nicht genau weiß: Ist es der<br />

letzte Schnaps von gestern oder<br />

schon der erste des neuen Tages?<br />

Am Teich angelt ein Mann nach<br />

Fischen oder Essensresten aus<br />

dem aserbaidschanischen Restaurant.<br />

Gleich rückt <strong>die</strong> Putzkolonne<br />

an. Und dann beginnt alles wieder<br />

von vorn.<br />

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